Weingut Holger Koch

Ollie
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Re: Weingut Holger Koch

Beitrag von Ollie »

Gestern im Glas:

2022 Holger Koch Pinot Noir***
13 Vol%, 2.6 g/l RZ, 6.2(!!) g/l Säure, im offenen Holzbottich vergoren, 35% Ganztraubenanteil, also nicht entrappt, 10% mit macération carbonique, 15 Monate in 300l-Fässern ausgebaut. Boden ist dünne(!) Lössauflage über Vulkangestein.
Die erste halbe Stunde verändert sich der Wein sehr. Frisch aus der Flasche leichter Essig-Hauch, er bizzelt auch auf der Zunge wie ein Flaschennachgärer. Intensive Nase nach sehr reifer und transportbeschädigter (Druckstellen) Erdbeere, ganz leichte Rauchigkeit des Vulkanbodens. Am Gaumen enorm kräftige Säure, kein Tannin. Hm.
Nach einer halbe Stunde ist der Wein dann gegen den Endzustand konvergiert: Die Nase nun frischer und etwas komplexer, die satte Frucht eine Mischung aus überreifer (Tafel-, nicht Wald-)Erdbeere, Himbeercoulis und Amarenakirsche. Die leichte Rauchigkeit ist noch da, aber sehr von der Frucht zugedeckt. Keinerlei Räucherspeck (was mit der Himbeere zusammen auf teilweise französisches Klonmaterial schließen lässt), keinerlei Holzwürze. Diese fehlende Würze macht den Wein tatsächlich etwas uninteressant, auch wenn ich nachvollziehen könnte, wenn der Winzer die feine Vulkanrauchigkeit nicht überdecken wollte - auch wenn der vulkanische Charakter so fein ist, daß ich sagen würde, hier steht mehr Löss als Lava (aber: siehe oben).
Knapp mittlerer Körper, ordentliche, aber leicht trocknende Länge, denn jetzt ist auch das Tannin gekommen. Zwar möchte es seidig sein (gemessen am Stile Holger Kochs zumindest), aber die mächtige Säure hebt das Tannin ungebührlich. Sowieso ist die Säure das Hauptproblem des Weins: Zu viel für ein schönes Gleichgewicht, denn es ist dann doch zu wenig Körper da, an dem die Säure sich wohlstrukturierend abarbeiten könnte. Zum Essen (steak frites salade) ist der Wein noch dienstbar (besonders zum Senf-Schalotten-Dressing des Salats, dann wirkt alles sehr dijonesque), aber solo ist das nach einem Glas einfach zu viel, auch weil ihm die Komplexität fehlt, um interessant genug für ein zweites zu sein.

Mit Holger Kochs Stil habe ich nun schon seit fast zwei Jahrzehnten meine Schwierigkeiten, aber Fans werden bestimmt auf ihre Kosten kommen (so sie sich mit der Säure anfreunden können). In fünf Jahren wird der Wein vielleicht zeigen, was er wirklich kann, aber bis dahin bin ich bei R+C Schneider besser aufgehoben und der Wein mit 89 Punkten b] sehr [/b]gut bedient. Und dafür ischer ä bissle teuer.

Cheers,
Ollie
Yeah, well, you know, that’s just like, uh, your opinion, man.

Parfois, quand c'est trop minéral, on s'emmerde.

"Souvent, l'élégance, c'est le refuge des faibles." (Florence Cathiard)
Bernd Schulz
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Re: Weingut Holger Koch

Beitrag von Bernd Schulz »

Nach dem Lesen von Ollies Beitrag habe ich gerade auch einen Wein von Holger Koch entkorkt, aber natürlich einen weit kleineren ;) (und noch etwas jüngeren):

Bild

Vielleicht ist Holger Koch ja doch eher ein Meister der Basisweine? Während ich seine großen Sachen gar nicht kenne, waren seine kleinen Spätburgunder (ähnlich wie der Basisburgunder von Hans-Bert Espe) für mich immer eine Bank, und dieser 2023er stellt mit seiner wunderbar klaren, ausgesprochen attraktiven Frucht keine Ausnahme dar, sondern präsentiert sich für seine Preisklasse ganz hervorragend - besser geht es für 11,95 inzwischen kaum noch, würde ich mal behaupten wollen. Unter Umständen kommt dem Wein auch zugute, dass er kein kleines Holz gesehen hat....

P.S.: Hier beläuft sich die Säure auf 5 g/l und der Restzucker auf 2,2 g/l.

Herzliche Grüße

Bernd
glauer
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Re: Weingut Holger Koch

Beitrag von glauer »

Wir hatten gestern die 2016 PN Reserve. Der brauchte eine Stunde um das erdbeerfruchtige zurücktreten zu lassen. Gute Säure und schön balanciert. Gefiel mir sehr gut und auch wenn er nicht ganz a den parallel getrunkenen äußerst bezaubernden 2015 Chambolle-Musigny von Felettig mit seinen deutlicheren Waldbodennoten heranreichte war das doch in einer vergleichbaren Liga. Je länger offen umso weniger eindeutig deutsch erdbeerig.
Bernd Schulz
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Re: Weingut Holger Koch

Beitrag von Bernd Schulz »

glauer hat geschrieben: Sa 26. Okt 2024, 21:32 Je länger offen umso weniger eindeutig deutsch erdbeerig.
Das gilt für den kleinen 23er "Alte Reben" ebenfalls. Pinard de Picard schreibt:

"Wie Holgers Idealvorstellung von gutem Spätburgunder zu schmecken hat, kann man hier bereits nachvollziehen. Diese so feine und auch so sensible Sorte interpretiert der Bickensohler Winzer auf ganz eigene Weise, irgendwo im Spannungsfeld zwischen deutscher Frucht und französischer Eleganz und Klarheit."

Das scheint mir gar nicht so schlecht formuliert zu sein. Überhaupt hat sich die Händlerlyrik bei PdP deutlich gebessert - ihr gegenüber vorsichtig muss man natürlich immer noch sein, aber es wird vielfach nicht mehr so überzogen krass jubiliert wie früher. Und wenn jubiliert wird, ist das (für mich) nachvollziehbarer geworden. Nicht nur Musiker und Winzer, sondern auch Händler lernen offenbar manchmal etwas dazu.... ;) :)

Herzliche Grüße

Bernd
glauer
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Re: Weingut Holger Koch

Beitrag von glauer »

Bernd Schulz hat geschrieben: Sa 26. Okt 2024, 21:50
Das scheint mir gar nicht so schlecht formuliert zu sein. Überhaupt hat sich die Händlerlyrik bei PdP deutlich gebessert - ihr gegenüber vorsichtig muss man natürlich immer noch sein, aber es wird vielfach nicht mehr so überzogen krass jubiliert wie früher. Und wenn jubiliert wird, ist das (für mich) nachvollziehbarer geworden. Nicht nur Musiker und Winzer, sondern auch Händler lernen offenbar manchmal etwas dazu.... ;) :)

Herzliche Grüße

Bernd
Bernd, das könnte in dem Fall weniger ein Lernen als eine neue Stimme sein. Zumindest gehe ich davon aus, dass früher Tino Seiwert geschrieben hat und nach seinem plötzlichen Tod Markus Budai diese Rolle übernommen hat. An der Joyceschen Länge der Texte hat sich allerdings nichts geändert.
Bernd Schulz
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Re: Weingut Holger Koch

Beitrag von Bernd Schulz »

glauer hat geschrieben: Sa 26. Okt 2024, 22:35 Bernd, das könnte in dem Fall weniger ein Lernen als eine neue Stimme sein.
Ja, da hast du vermutlich recht, wobei ich Tino Seiwert (ich habe ihn zu Anfang des Jahrtausends auf der ProWein auch kurz persönlich kennengelernt) alles andere als unsympathisch fand. Das war schon ein freundlicher Mensch mit einer warmen Ausstrahlung, aber die Balance zwischen dem händlernotwendig übertreibenden Anpreisen der Ware andererseits und einer für den Kunden gut nachvollziehbaren Beschreibung der Eigenschaften des jeweiligen Weins ist ihm eher mäßig gelungen.
glauer hat geschrieben: Sa 26. Okt 2024, 22:35...Markus Budai....
Der (er ist, wenn ich mich richtig erinnere, auch hier im Forum angemeldet, wenngleich er schon ewig nichts mehr geschrieben hat) bekommt den Spagat hingegen beeindruckend gut hin! Chapeau! :!:

Herzliche Grüße

Bernd
Zuletzt geändert von Bernd Schulz am So 27. Okt 2024, 07:29, insgesamt 1-mal geändert.
glauer
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Re: Weingut Holger Koch

Beitrag von glauer »

Bernd Schulz hat geschrieben: Sa 26. Okt 2024, 23:00
glauer hat geschrieben: Sa 26. Okt 2024, 22:35 Bernd, das könnte in dem Fall weniger ein Lernen als eine neue Stimme sein.
Ja, da hast du vermutlich recht, wobei ich Timo Seiwert (ich habe ihn zu Anfang des Jahrtausends auf der ProWein auch kurz persönlich kennengelernt) alles andere als unsympathisch fand. Das war schon ein freundlicher Mensch mit einer warmen Ausstrahlung, aber die Balance zwischen dem händlernotwendig übertreibenden Anpreisen der Ware andererseits und einer für den Kunden gut nachvollziehbaren Beschreibung der Eigenschaften des jeweiligen Weins ist ihm eher mäßig gelungen.
Sehr sympathisch sogar. Und ich denke er war tatsächlich auch extrem positiv und voller Begeisterung. Nach einer Weile konnte man es ja auch einschätzen.
Bernd Schulz
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Re: Weingut Holger Koch

Beitrag von Bernd Schulz »

Nach dem Gutsriesling von Wagner-Stempel wollte unbedingt noch etwas Rotes ins Glas kommen:

Bild

Das ist ein für meinen Geschmack wirklich schöner Spätburgunder, der wieder einmal auf beeindruckende Art die Mitte zwischen der deutschen und der französischen Stilistik auslotet. Die letzte Finesse fehlt in dieser Preisklasse natürlich, aber es handelt sich um sehr viel Pinot Noir für vergleichsweise kleines Geld. Wenn ich nicht größere Sorge hätte, damit wieder ein Reizthema zu befeuern, würde ich glatt behaupten, dass ich zu einem vergleichbaren Kurs noch nie einen derart erfreulichen Sortenvertreter aus Frankreich getrunken habe - aber diese Bemerkung verkneife ich mir jetzt natürlich.

Herzliche Grüße

Bernd
TOM
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Re: Weingut Holger Koch

Beitrag von TOM »

Bernd Schulz hat geschrieben: Mi 6. Nov 2024, 22:18 ...
Das ist ein für meinen Geschmack wirklich schöner Spätburgunder, der wieder einmal auf beeindruckende Art die Mitte zwischen der deutschen und der französischen Stilistik auslotet. Die letzte Finesse fehlt in dieser Preisklasse natürlich, aber es handelt sich um sehr viel Pinot Noir für vergleichsweise kleines Geld.
...
Hallo Bernd,
da kann ich Dir nur zustimmen. Man bekommt hier einen sehr schönen Spätburgunder für kleines Geld.
Das kommt in meinen Augen auch daher, dass Holger Koch mittlerweile mit Ganztraubenvergärung / Maceration Carbonique experimentiert.
Das hatte ich hier mal thematisiert. viewtopic.php?p=167664#p167664

Soweit ich das richtig verstanden habe, soll der „Badische Landwein“ zukünftig Spätburgunder gT heißen.
Mir gefällt der 2022 Pinot Noir gT★ noch deutlich besser als der „Badischer Landwein“. Kann aber sein, dass dir der Wein zu intensiv und sehr auf Frucht getrimmt ist. Ich mag das von Zeit zu Zeit sehr...

Auch bei den (kleinen) Weiß- und Grauburgundern kommt beim GT eine kleine Menge Ganztraubenvergärung hinzu, was den beiden Weinen (in meinen Augen bzw. für meinen Geschmack) wirklich gut tut.
Man muss immer etwas haben, worauf man sich freut. (Eduard Mörike)
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Udo2009
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Re: Weingut Holger Koch

Beitrag von Udo2009 »

TOM hat geschrieben: So 17. Nov 2024, 12:44...
Soweit ich das richtig verstanden habe, soll der „Badische Landwein“ zukünftig Spätburgunder gT heißen....
Hm... Landwein bleibt Landwein.... in den ganzen Definitionen etc. etc. gibt es da doch deutliche Unterschiede zum Qualitätswein...
ob allein die Bezeichnung einen ganz anderen Wein daraus macht???
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