Sa 10. Feb 2024, 20:22
...und weiter geht es mit den roten Underdogs:
2018er "Nossa" Calcario Baga Vinhas Velhas Bairrada DOC (Pato/Wouters) -Bairrada-Auch die autochthone, portugiesische Rebsorte Baga hätte mehr Beachtung verdient, aber es gibt sie praktisch nur in Portugal und auch da fast ausschließlich im Anbaugebiet Bairrada (gesamt etwa 7.000 ha). Die robuste und spätreifende Rebsorte erbringt farb- und tanninstarke Rotweine, die in klassischer Ausbauweise viele Jahre der Reifung benötigen. Wenn man die Rebsorte aber etwas moderner vinifiziert, kann man schon früher zugängliche und etwas elegantere Weine erzeugen. Luis Pato ist da einer der Pioniere und seine Tochter, die zusammen mit William Wouters den oben genannten Baga vinifiziert hat, kann natürlich vom Wissen ihres Vaters profitieren.
Kräftiges Rubin, leichte Reduktion (Feuerstein, abgebranntes Streichholz) in der Nase, die sich aber mit Luft immer mehr einbindet, frischer Naseneindruck, rote Johannisbeere, Brombeere und Herzkirsche, ganz dezenter Holzeinsatz, am Gaumen knalltrocken mit ausgewogener, erfrischender Säure, sehr feinkörniges Tannin , nur mittelgewichtig (12,5 Vol%), etwas Tabak, Leder, Graphit, kein Blockbuster, mehr der Pinot-Eleganz verpflichtet, fruchtig-würziger Abgang. Der Wein beginnt jetzt sich zu öffnen und wird über die nächsten 4-8 Jahre dem Höhepunkt entgegengehen. Sehr gelungener, modern vinifizierter Baga-Vertreter mit Trinkfluss und Eleganz.
2018er "ROC" Valtuille Bierzo DO (Veronica Ortega, Pontevedra)-Bierzo-Die Rebsorte Mencia, die es praktisch nur in Kastilien und Galicien gibt, ist nach wie vor ein Aussenseiter, auch wenn sie durch den gestiegenen Bekanntheitsgrad des Anbaugebietes Bierzo etwas mehr in den Fokus einiger Weinkenner gerückt ist. Gut 11.000 ha soll es von dieser Rebsorte in Spanien geben. Sie steht in dem Ruf, duftige und elegante Weine im Stile eines Pinot noir zu liefern. Auch wenn der Vergleich zum Pinot etwas hinkt, gibt es durchaus verbindende Elemente in puncto Eleganz und Duftigkeit. Ein gutes Beispiel ist dieser Wein:
mittelkräftiges, dezent durchscheinendes Rubin, zuerst etwas verhalten in der Nase, blüht mit Luft immer mehr auf, Herzkirsche, Himbeere, etwas Cassis, dazu etwas Veilchen, durchaus komplex und finessenreich, am Gaumen perfekt ausgewogen,saftige Säure, zartes Tannin, der Wein hat Stoff, aber nichts Plakatives oder Überpowertes, trotz 13,5 Vol% eher mittelgewichtig, zarte Rotfrucht, dann kommt etwas Ätherik und Kräuter ins Spiel, vermischt mit dezent floralen Aromen, Finesse pur, trotz 14 Monate Barriqueausbau perfekt austariertes, nur unterstützendes Holz, retronasal sehr lang. Veronica Ortega kann mit dieser Rebsorte meisterlich umgehen und zaubert Weine ins Glas, die garantiert jedem Pinot-Freund gefallen. Absolut fairer Preis (ca. 27 EURO im Handel).
2012er Lemberger "XR" QW tr. (G. A. Heinrich, Heilbronn) -Württemberg-Die Verbreitung des Lemberger alias Blaufränkisch ist recht übersichtlich: ca. 2.500 ha in Österreich (v.a. im Burgenland), 1.780 ha in Deutschland (überwiegend in Württemberg) und geschätzt 4.000 ha in Ungarn. Diese geringe Rebfläche sorgt schon dafür, dass die Rebsorte international wenig bekannt ist. Sie reift spät, benötigt sehr gute Lagen und ist anfällig gegen Pilzerkrankungen, ist aber dennoch recht robust und liefert zuverlässige Erträge. Wenn man allerdings hervorragende Weine erzeugen will, muss man ertragsmäßig nach unten gehen. Dann ist der Lemberger/Blaufränkisch aber in der Lage, großartige Weine zu liefern. Die Top-Winzer im Burgenland beweisen das schon seit einigen Jahren und die Winzer aus Württemberg können seit neuestem in der Spitze Paroli bieten. Der folgende Wein beweist das eindrücklich:
Er stammt aus der Einzellage Vorderer Hundsberg (Keuper mit Mergel) und wurde 8 Jahre (!) im Keller gelagert, bevor er für verkaufswürdig befunden wurde. Das Warten hat sich gelohnt: recht vitales. dezent durchscheinendes Rubinrot,superelegante Nase mit zarter Holznote und eleganter Dunkelfrucht, ruht völlig in sich, am Gaumen komplett trocken, saftige Säure, perfekt ausgewogen, ultrafeines Tannin, das den Wein einen samtigen Touch gibt, trotz 13,5 Vol% absolut kühle Anmutung, Cassis, Brombeere, Tabak, feine Ätherik (Hauch Minze), für diese Rebsorte extrem elegant, perfekt vinifiziert, keinerlei Altersspuren, tolle Länge. Großartiger Lemberger, der mit den besten Burgenländer auf Augenhöhe spielt. Viel besser geht Lemberger nicht ! Hat natürlich seinen -berechtigten- Preis (40 EURO ab Weingut).
2018er Petit Verdot Listrac. a.c. (Vignerons Moulis/Listrac, Cussac) -Bordeaux-Auch wenn der Petit Verdot als eine Rebsorte im Bordeaux-Mischsatz zugelassen ist, spielt er bisher nur eine untergeordnete Rolle. Vor allem die sehr späte Reife hat eine weitere Verbreitung verhindert. Durch den merklichen Klimawandel kommt diese Rebsorte aber immer mehr in den Fokus, vor allem für Verschnitte, da diese Rebsorte extrem viel Farbe und Tannin beitragen kann. Hier haben wir ein seltenes reinsortiges Exemplar aus dem Haut-Medoc:
Völlig blickdichtes, jugendliches Schwarzrot, zunächst verhalten, mit Luft schwimmt sich der Wein immer mehr frei, reife Blaubeere, Brombeere, Aronia, Schwarzkirsche, reife Cassis, gelungener Holzeinsatz, am Gaumen komplett trocken, lebendige Säure, die den Alkohol (14 Vol%) perfekt austariert, feinkörniges Tannin zum Kauen, reife Dunkelfrucht, zarte Extraktsüsse, stoffig und dicht, aber absolut nicht marmeladig oder alkoholisch, trotzdem eher Kraft als Eleganz, aber perfekt umgesetzt, sehr lang. Nicht filtriert, daher einiges an Bodensatz.Auch die Zunge wird extrem eingefärbt
8.000 Flaschen gibt es von diesem Wein, der beweist, dass auch die Genossen in Bordeaux im Premiumbereich sehr gute Weine produzieren können (ab Genossenschaft ca. 19 EURO). Sehr gutes Preis-/Leistungsverhältnis.
2018er Bürgstadter Frühburgunder "R" QW tr. (Fürst, Bürgstadt) -Franken- Frühburgunder ist und bleibt ein Nischenprodukt, das praktisch nur in Deutschland überlebt hat und dort auf noch gut 220 ha angebaut wird. Das hat natürlich seine Gründe: die Kleinbeerigkeit und die Verrieselungsanfälligkeit der Gescheine führt zu extrem kleinen und unregelmäßigen Erträgen. Somit ist der Frühburgunder eine Rebsorte, die sich nur die wenigsten Winzer leisten wollen oder können, denn die Weine aus dieser Rebsorte müssen entsprechen teuer vermarktet werden. Die im besten Falle außerordentliche Qualität des Weines entschädigt den Winzer für seine Risikobereitschaft. Der oben genannte Wein zeigt das exemplarisch:
mittelkräftiges Rubinrot, aufgrund der Kleinbeerigkeit hat der Frühburgunder gegenüber dem Spätburgunder meist eine kräftigere, tiefere Farbe, superelegante, sexy Nase, eine komplexe Mischung aus reifen, roten Früchten (Kirsche, Himbeere), genialer Holzeinsatz, man kann hier minutenlang riechen, am Gaumen perfekt ausgewogen, ein Traum in Samt und Seide, zarte Extraktsüsse,poliertes Tannin, genau die richtige Menge an Säure, die 13,5 Vol% sind perfekt integriert, komplexer, eleganter Mix aus unaufdringlicher Rotfrucht und würzigen Aspekten (Hauch Kaffee, Minze), langer, ebenmäßiger Abgang. Ein Statement für diese Aussenseiter-Rebsorte, die in dieser Verfassung auch mit den besten Pinots ohne weiteres mithalten kann.Viel besser kann man diese Rebsorte nicht ausbauen. In jeder Hinsicht ein ganz großer Rotwein. Ist sein Geld trotzdem wert (ab Weingut 69 EURO). Leider sind die Nachfolger ein ganzes Stück teurer geworden. Trotzdem sollte jeder Pinot-Liebhaber diesen Wein einmal probiert haben.
2015er "Cims de Porrera" Classic Priorat DOQ (Cims de Porrera, Porrera) -Priorat-100% Carignan, 14 Monate Barriqueausbau, 15,5 Vol% !
Der Carignan ist im Mittelmeerraum eine durchaus weit verbreitete Rebsorte, die überwiegend in Cuvees landet. Weltweit soll es ca. 47.000 ha geben, davon allein 31.700 ha in Frankreich. Das Problem dieser Rebsorte ist nicht die Verbreitung, sondern die Reputation. Carignan kann sehr hohe Erträge unter Beibehaltung einer kräftigen Farbe liefern, was ihn natürlich zur Farbverstärkung für einfache und billige Weine prädestiniert. Bei hohen Erträgen bringt der Carignan trotz kräftiger Farbe nur dünne und saure Weine; wenn man aber Traubengut aus alten Reben mit geringen Erträgen verarbeiten kann, läuft diese Rebsorte zu ungeahnter Form auf:
Schwarzrote Optik, konzentrierte, fruchtig-würzige Nase, reife, dunkle Früchte (Herzkirsche, Cassis, Pflaume), typische Schiefer-Aromatik, eine echte Duftorgie, absolut trocken, aber mit deutlicher Extraktsüsse, kraftvoll, sehr dichte Rotfrucht mit passender Holzwürze, ein Riese von Wein, der aber dank strukturierender Säure die Spur hält und die 15,5 Vol% fast vergessen lässt, ein Blockbuster mit maximaler Extraktion, der dennoch auch Lust auf ein zweites Glas macht. Toller Wein, den ich dennoch nicht jeden Tag meiner Leber zumuten möchte
2015er "Radici" Taurasi Riserva DOCG (Mastroberardino, Atripalda) -Kampanien-100% Aglianico, 3 Jahre Fassausbau, 13,5 Vol%.
Der Aglianico ist eine alte Rebsorte, die wohl auch die Griechen schon kannten (Vitis hellenica). Die Rebsorte ist ausschließlich in Italien gebräuchlich, vor allem in der Basilikata und in Kampanien. Das ist schade, denn die Rebsorte kann außergewöhnlich gute und reifefähige Weine liefern, die manchmal als "Baroli" des Südens tituliert werden. Parallelen sind durchaus vorhanden: langer Vegetationszyklus, viel Tannin und Säure, aufgrund der Dickschaligkeit ist der Aglianico aber potentiell farbstärker. Auch qualitativ kann der Taurasi mit einem sehr guten Barolo mithalten:
kräftiges Rubinrot, komplexe Nase aus dunklen Früchten (Kirsche, Granatapfel, Blaubeere) und würzigen Aspekten (Kardamon, Kräuter), dezenter Holzeinsatz, am Gaumen absolut trocken, elegante Säure, sehr feinkörniges Tannin, ein Hauch angenehme Rustikalität, der Alkohol ist perfekt eingebunden, extraktdicht, hat Saft, Konzentration, ist aber in keiner Weise marmeladig oder plüschig, ganz im Gegenteil, trotz Konzentration tolle Frische, sehr lang. Der Wein steht noch am Anfang eines 10-20 Jahre langen Trinkfensters. Sicherlich einer der unbekanntesten und unterschätztesten Rotweine Italiens, was die angenehme Konsequenz hat, dass der Wein erschwinglich bleibt (ca. 45 EURO im Handel). Absolute Kaufempfehlung!
Das wars wieder in aller Kürze! Auch Aussenseiter und unterschätzte Rebsorten können Außergewöhnliches leisten, wenn man als Winzer sich um sie bemüht und alles richtig macht.
Ende April geht es weiter mit Weinen aus Neuseeland und Australien !
LG
Bodo