Irgendwie gibt es keinen wirklich passenden Thread, um Vertikalverkostungen zu posten, und einen neuen wollte ich nicht aufmachen – dann also hier, da der beste Wein der Veranstaltung aus meiner Sicht aus 2001 kam.
Es geht um eine Mini-Vertikale von Cos d’Estournel, nämlich um die Jahrgänge von 2001 bis 2004 sowie 1995 und 1996.
Wie schon an anderen Stellen erwähnt, habe ich zu Cos ein etwas ambivalentes Verhältnis. In den 80ern sind hier einige der größten Bordeaux entstanden, die es seinerzeit gab. Aber um 1990 kam es zu einem grundlegenden Stilwechsel. Der Neuholzanteil wurde deutlich erhöht, und man wechselte zu einer Holzsorte, die dem Wein intensive dunkel-röstige Noten (im Jungwein gibt es immer sehr deutliche Espresso-Töne) im Mouton-Stil verpasst hat. Gleichzeitig wurde auf dem Gut so ziemlich alles an moderner Vinifikationstechnik installiert, was es im Markt gab, u.a. gleich mehrere Vorrichtungen zur Mostkonzentration (Umkehrosmose und Hochvakuumverdampfung), was Jancis Robinson zu der ironischen Bemerkung veranlasste, dass die Familie Prats ihren Wein demnächst vollständig verschwinden lassen könne.
Nachdem man gelernt hatte, mit der Technologie umzugehen (Anfangs gab es da noch einige skurrile Pannen, z.B. den 92er), entstanden in der Folge regelmäßig hochkonzentrierte, hochglanzpolierte Weltweine, die bei Primeurproben bei etlichen Verkostern gut abschnitten, aber in der Fruchtphase immer mehr oder weniger herkunftsbefreit waren – bei Blindverkostungen hätte ich sofort zugestimmt, wenn da jemand einen Piraten aus Mittelitalien, Kalifornien oder Australien vermutet hätte.
Nun, es zeigt sich aber, dass die Weltwein-Schminke nach rund einem Jahrzehnt abfällt und darunter ein durchaus typischer Bordeaux vom linken Ufer zum Vorschein kommt, der bei Parallelverkostungen zwar regelmäßig mit hoher Konzentration auffällt und gerade in diesem Bezug hin und wieder etwas monothematisch wirkt, aber seine Herkunft nicht verleugnet.
Alle Weine wurden gut eine Stunde vor der Verkostung dekantiert.
2004 Sehr schöne, absolut klassische Nase eines Bordeaux vom linken Ufer, fast schon prototypisch. Im Gaumen zunächst dicht, sehr schöner Auftakt, reißt aber in der Mitte ein wenig ab und wird jahrgangstypisch etwas kantig. Recht hohe Säure, nicht übermäßig lang. Alles in allem aber wirklich schön.
2003 In der bis nach 2010 anhaltenden langen Fruchtphase war dieser Wein geradezu unglaublich lecker (sic!), mit üppigen, aber wohlproportionierten Rundungen, zum kistenweise wegsaufen – ja, ein herkunftsloser Weltwein, aber so etwas von gut… mittlerweile ist hier Ruhe eingekehrt, und die Herkunft zeigt sich. Runder und fülliger als der 2004er, immer noch üppig, gute Länge, aber auch weniger klar definiert, wirkt im direkten Vergleich gar ein wenig schlaff. Keine Eile, aber hier denke ich im Hinblick auf das Trinkvergnügen doch, dass ich den Wein in der Fruchtphase lieber gemocht habe. Vielleicht gibt es noch einen zweiten Frühling, aber im Moment kann ich die 97 Parker-Punkte und die 96 von Neal Martin nicht nachvollziehen.
2002 Klar der schwächste Wein der Probe. Zwar konzentriert, aber verwaschen und unpräzise. Isoliert getrunken vermutlich immer noch passabel, aber im direkten Vergleich zu den anderen Weinen fiel er deutlich ab.
2001 Im direkten Nachgang zum 2002er im Glas; spielt schon beinahe in einer anderen Liga: wirkt immer noch frisch, sehr klar, in absolut wunderbarer Balance, rote Frucht und florale Noten, vielschichtig und geradezu betörend elegant (nicht unbedingt das, was ich bei Cos erwarte), feine Säure gibt dem Wein Spannung, langer Abgang. Sehr, sehr gut. Perfekte Flasche im richtigen Moment.
1996 Kam mit einem scharfen, rettichartigen Fehlton ins Glas. Fing sich dann nach einigen Minuten und wurde zu einem schönen, dichten, aber irgendwie unspektakulären Bordeaux. Angesichts einer ziemlich euphorischen Bewertung im Parallelthread war‘s vermutlich eine problematische Flasche, wobei ich den Fehler nicht eingrenzen kann. Der Korken war jedenfalls ok.
1995 Gewissermaßen die sechs Jahre ältere Variante des 2001er. Ebenfalls sehr harmonisch und völlig stimmig, elegant und perfekt gereift, jetzt auf dem Punkt. Der 01er hat vielleicht minimal mehr Spannung, aber das sind nur Nuancen. Wunderschöner Wein.
Gruß
Ulli
Es geht um eine Mini-Vertikale von Cos d’Estournel, nämlich um die Jahrgänge von 2001 bis 2004 sowie 1995 und 1996.
Wie schon an anderen Stellen erwähnt, habe ich zu Cos ein etwas ambivalentes Verhältnis. In den 80ern sind hier einige der größten Bordeaux entstanden, die es seinerzeit gab. Aber um 1990 kam es zu einem grundlegenden Stilwechsel. Der Neuholzanteil wurde deutlich erhöht, und man wechselte zu einer Holzsorte, die dem Wein intensive dunkel-röstige Noten (im Jungwein gibt es immer sehr deutliche Espresso-Töne) im Mouton-Stil verpasst hat. Gleichzeitig wurde auf dem Gut so ziemlich alles an moderner Vinifikationstechnik installiert, was es im Markt gab, u.a. gleich mehrere Vorrichtungen zur Mostkonzentration (Umkehrosmose und Hochvakuumverdampfung), was Jancis Robinson zu der ironischen Bemerkung veranlasste, dass die Familie Prats ihren Wein demnächst vollständig verschwinden lassen könne.
Nachdem man gelernt hatte, mit der Technologie umzugehen (Anfangs gab es da noch einige skurrile Pannen, z.B. den 92er), entstanden in der Folge regelmäßig hochkonzentrierte, hochglanzpolierte Weltweine, die bei Primeurproben bei etlichen Verkostern gut abschnitten, aber in der Fruchtphase immer mehr oder weniger herkunftsbefreit waren – bei Blindverkostungen hätte ich sofort zugestimmt, wenn da jemand einen Piraten aus Mittelitalien, Kalifornien oder Australien vermutet hätte.
Nun, es zeigt sich aber, dass die Weltwein-Schminke nach rund einem Jahrzehnt abfällt und darunter ein durchaus typischer Bordeaux vom linken Ufer zum Vorschein kommt, der bei Parallelverkostungen zwar regelmäßig mit hoher Konzentration auffällt und gerade in diesem Bezug hin und wieder etwas monothematisch wirkt, aber seine Herkunft nicht verleugnet.
Alle Weine wurden gut eine Stunde vor der Verkostung dekantiert.
2004 Sehr schöne, absolut klassische Nase eines Bordeaux vom linken Ufer, fast schon prototypisch. Im Gaumen zunächst dicht, sehr schöner Auftakt, reißt aber in der Mitte ein wenig ab und wird jahrgangstypisch etwas kantig. Recht hohe Säure, nicht übermäßig lang. Alles in allem aber wirklich schön.
2003 In der bis nach 2010 anhaltenden langen Fruchtphase war dieser Wein geradezu unglaublich lecker (sic!), mit üppigen, aber wohlproportionierten Rundungen, zum kistenweise wegsaufen – ja, ein herkunftsloser Weltwein, aber so etwas von gut… mittlerweile ist hier Ruhe eingekehrt, und die Herkunft zeigt sich. Runder und fülliger als der 2004er, immer noch üppig, gute Länge, aber auch weniger klar definiert, wirkt im direkten Vergleich gar ein wenig schlaff. Keine Eile, aber hier denke ich im Hinblick auf das Trinkvergnügen doch, dass ich den Wein in der Fruchtphase lieber gemocht habe. Vielleicht gibt es noch einen zweiten Frühling, aber im Moment kann ich die 97 Parker-Punkte und die 96 von Neal Martin nicht nachvollziehen.
2002 Klar der schwächste Wein der Probe. Zwar konzentriert, aber verwaschen und unpräzise. Isoliert getrunken vermutlich immer noch passabel, aber im direkten Vergleich zu den anderen Weinen fiel er deutlich ab.
2001 Im direkten Nachgang zum 2002er im Glas; spielt schon beinahe in einer anderen Liga: wirkt immer noch frisch, sehr klar, in absolut wunderbarer Balance, rote Frucht und florale Noten, vielschichtig und geradezu betörend elegant (nicht unbedingt das, was ich bei Cos erwarte), feine Säure gibt dem Wein Spannung, langer Abgang. Sehr, sehr gut. Perfekte Flasche im richtigen Moment.
1996 Kam mit einem scharfen, rettichartigen Fehlton ins Glas. Fing sich dann nach einigen Minuten und wurde zu einem schönen, dichten, aber irgendwie unspektakulären Bordeaux. Angesichts einer ziemlich euphorischen Bewertung im Parallelthread war‘s vermutlich eine problematische Flasche, wobei ich den Fehler nicht eingrenzen kann. Der Korken war jedenfalls ok.
1995 Gewissermaßen die sechs Jahre ältere Variante des 2001er. Ebenfalls sehr harmonisch und völlig stimmig, elegant und perfekt gereift, jetzt auf dem Punkt. Der 01er hat vielleicht minimal mehr Spannung, aber das sind nur Nuancen. Wunderschöner Wein.
Gruß
Ulli