Bordeaux 2015

Medoc und seine Appellationen, Bourg und Umgebung, Fronsac, Pomerol, Saint Emilion und Umgebung, Entre Deux Mers, Graves und Pessac-Leognan, Sauternes und Co.
Bernd Schulz
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Re: Bordeaux 2015

Beitrag von Bernd Schulz »

Nach einem Tag in der offenen Flasche präsentiert sich der Taffard de Blaignan jetzt doch weitaus offener; die Tannine wirken zwar immer noch recht heftig (logischerweise!), aber sie liegen nicht mehr so sperrig über der eigentlichen Aromatik des Weins.

Nicht wirklich übel - so lasse ich mir Bordeaux gefallen! :mrgreen: :twisted:

Herzliche Grüße

Bernd
Kle
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Re: Bordeaux 2015

Beitrag von Kle »

Toll, Bernd. Bei Deiner für mich verheissungsvollen ersten Beschreibung dachte ich, schade, dass du nicht dran bleibst. Aber bist du ja.
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pessac-léognan
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Re: Bordeaux 2015

Beitrag von pessac-léognan »

Château Olivier Blanc Pessac-Léognan GCC 2015
(13% ABV).
Die genaue Rebsortenzusammensetzung kenne ich nicht, ich würde aber vermuten, mindestens 75% Sauvignon.
Der Wein ist immer noch sehr jung, nicht die geringsten Altersnoten, sehr herb und erst nach 7 Tagen in der geöffneten Flasche etwas zugänglicher. Ein guter, allerdings im Vergleich zum 15er Carbonnieux Blanc für einen GCC ungefähr desselben Preisniveaus leicht enttäuschender Wein, deutlich weniger komplex, besonders die fruchtig-gewürzige Vielschichtigkeit geht ihm weitgehend ab, sowohl nasal als auch palatal.
Als Speisenbegleiter trinkt sich der Wein jedoch, v a. bei Sommertemperaturen, sehr gut.
Hält sich wohl noch mindestens 10 Jahre, kann vielleicht gar noch zulegen.
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Jochen R.
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Re: Bordeaux 2015

Beitrag von Jochen R. »

Eigentlich wollte ich so schnell keinen 2015er mehr anrühren, die schöne und ausführliche Notiz von Kle ständig im Hinterkopf zu Belgrave 2015 ...
Kle hat geschrieben: Do 12. Okt 2023, 19:26 Da vom 2015er Belgrave ausreichend Flaschen verfügbar sind, habe ich ab und zu eine probiert und das Ergebnis war außer ganz zu Beginn enttäuschend. Nun habe ich eine geöffnet, die mich begeistert und ein Fall der magischen BDX-Reifung zu sein scheint. Obwohl ich es aus Erfahrung besser hätte wissen müssen, hätte ich nicht gedacht, dass aus dem recht einsilbigen Belgrave 15 mit ganz netter Frucht, Säure und Dichte zum Nebenbeischlürfen beim Essen oder geselligen Abend für mich ein Meisterwerk eines mittelklassigen Bordeaux wird. SO kann ich die allgemeine Punkteinflation der letzten Jahre nachvollziehen. Er ist für mich stilistisch kein modischer Wein, wenn auch sicher modern ausbalanciert. Grandios ist seine Genügsamkeit. Ich habe den Eindruck, hier wurden die Möglichkeiten des Weingutes sehr gut erkannt – als gäbe es geradezu eine Freude an der Selbsterkenntnis und daran, das Eigene zu entfalten. Ohne das "Elend des Vergleichens" und ohne stilistisch etwas aufzupfropfen. Ergebnis ist für mich ein über zwei Tage konsistent spannender Wein. Im Gegensatz zu den vorherigen Erfahrungen mit Belgrave 2015 war ausnahmslos jeder Schluck ein schönes Erlebnis. Nicht wegen außerordentlicher Komplexität oder Tiefgründigkeit, sondern weil sich eher klassische BDX-Anmutungen – schwarze Johannisbeere, Cassis, Leder, getrocknete Kräuter, schwarze Oliven – mit entspannter Intensität präsentieren. Sorgfältig herausgearbeitet und im unterhaltsamen Wechselspiel. Tannine geben ordentlich Griff und Biss, Säure sorgt für wohlige Schauer, ohne je ungelenk oder disharmonisch zu erscheinen – es herrscht eine Perfektion, die ich der „Moderne“ zuschreibe. So kann sie gerne weitergehen. Schön übrigens auch, dass er auch am 2. Tag, gelagert bei Zimmertemperatur, beeindruckend blieb. Nun fokussiert auf seine Frucht-Beerenoten, die sich sehr einnehmend auf einem zugleich milderen Hintergrund ausbreiten – dieser veredelt und wird dadurch veredelt. Bei jedem Schluck schwingen die Aromen - jetzt oft auch oft etwas staubig bitter - lange nach und lassen keine Sehnsucht nach komplizierteren Strukturen aufkommen.

Gruß, Kle
hat mich nun doch schwach gemacht. Und gleich vorweg, den Korken zu ziehen war eine gute Idee, vielen Dank @Kle!

Im Vergleich zu den ersten beiden Flaschen 2018 ist der Babyspeck und die üppige Primärfrucht weg. Am Gaumen allerdings noch recht jugendlich: Mittelgewichtig mit wunderbarer Frucht (hier dominiert eher Sauerkirsche, auch Cassis & Brombeeren), trinkanimierende Säure, schöne Adstringenz, mit Luftzufuhr wird´s ledrig/tabakig, auch etwas Mocca, langer fruchtiger Abgang. Darf gerne noch an Komplexität zulegen, aber was für ein schöner Trinkfluss.
Die Nase zeigt, wohin die Reise geht: Floral/würziger Cabernet mit einem Korb von Brombeeren und Cassis, Eucalyptus, nasses Leder und Tabak, etwas Mocca, ständig wechselnde Eindrücke. Mit viel Luft wird´s leicht animalisch. Genial! 92+ P.

Viele Grüße,
Jochen
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Kle
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Re: Bordeaux 2015

Beitrag von Kle »

super Jochen, da muss ich auch mal wieder eine aufmachen!
Zurzeit fremdle ich ein wenig mit BDX, zu viele lasche Erlebnisse, die ganz unterschiedliche Gründe haben können. Daher danke für Deine motivierende VKN!

Viele Grüße

Kle
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nono
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Re: Bordeaux 2015

Beitrag von nono »

Fontenil
Da schau her...nach einigen gräßlichen Erlebnissen mit rumtopfartigen, überkonzentrierten 2010 St. Emilion und einem schrecklichen Lafon la Tuilerie ( Jahrgang nicht mehr bekannt, den musste ich sofort verdrängen) jetzt ausgerechnet beim Fronsac-Weingut von Michel Rolland und aus dem heißen Jahrgang 2015: Ein runder harmonischer Weine ohne Exzesse, 14,5 % Alkohol gut verpackt, schöne Brombeere, dann bremsen die Mineralien, Säure und Gerbstoff schön integriert, für mich jetzt auf dem Höhepunkt
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maha
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Re: Bordeaux 2015

Beitrag von maha »

Chateau Saint-Pierre, 2015

Nachdem der Sankt Peter bei der Arrivage so hedonistisch schön war, dachte ich, ich teste mal eine an.
Ein grober Fehler war das nicht, aber etwas zuwarten hätte auch nicht geschadet.
Ich hab der ganzen Sache noch eine Stunde nach doppelt karaffieren im Kühlschrank gegönnt (war zu warm), bis die Beilagen zur Roulade fertig waren.
Zum Essen funktioniert der Wein super. Schöne Tanninstruktur und eher hellfruchtige Beeren. Schon genug Kraft um gegen die Roulade zu bestehen, aber noch deutlich mit angezogener Handbremse. Der Wein sollte aber einen höheren Anspruch haben als ein guter Speisebegleiter
Im Laufe des Abends wurde das ein klein wenig offener.

Tags drauf machte er dann doch etwas mehr die Tür auf und präsentierte sich schön feinwürzig, dunkelbeeriger und etwas komplexer.
Ich glaube (und hoffe) da kommt noch mehr. Also - ich denke wie bei vielen 15ern - hat noch Zeit

Gruss Marko
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Jochen R.
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Re: Bordeaux 2015

Beitrag von Jochen R. »

Danke Marko für die Wasserstandsmeldung!
Ich kann mich noch gut an die Arrivage-Blindprobe in der Winebank erinnern. Hedonistisch schön trifft es, die Mehrheit am Tisch (inkl. meiner Wenigkeit) war damals wie ich meine bei Pauillac; ich hatte mir groß notiert. Jedenfalls hatte hier R. Gabriel wie auch beim Du Tertre (der damals ebenfalls verkostet wurde) mal wieder ein gutes Gespür für die "bezahlbaren" Perlen, wie ich finde! War glaube ich sein letzter Jahrgang, den er vor Ort verkostet hatte (schade wie ich finde).

Viele Grüße,
Jochen
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maha
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Re: Bordeaux 2015

Beitrag von maha »

Ja, der Saint Pierre war für mich der beste Wein des Abends, was letztendlich auch den Kaufimpuls ausgelöst hat. Viele waren im Pauillac. Die anderen Pauillac Weine (Pontet Canet, Grand Puy Ducasse und Duhart Milon) hat er hinter sich gelassen.
Ich meine Rauzan Segla war auch noch vorne mit dabei.

Gruss
Marko
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pessac-léognan
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Re: Bordeaux 2015

Beitrag von pessac-léognan »

pessac-léognan hat geschrieben: Fr 1. Mai 2020, 16:04 Château Brane-Cantenac Margaux GCC 2015 13.5%
P&P bei zunächst 13°, direkt aus dem WKS
Farbe: dunkles, reines Purpur
Nase: fein réglisse und reife Cassisbeeren, ultrafeine, noble Cabernetwürze. Duftig, aber in keiner Weise aufdringlich
Gaumen: Cassis, ein Hauch nicht ganz reife Brombeeren, Tabakkiste aus jungem, feinem Zedernholz, dezent kubanischer Tabak, sehr zurückhaltend, weißer Pfeffer der ganz feinen Art, sehr gut stützende Säure, noch gut spürbares Tannin
Mittellanger Abgang auf feine Tabaknoten und etwas Pfeffer
Der Wein ist sehr jung, wohl zu jung, um sein Potenzial voll zu entfalten. Er hat nichts Übertriebenes an sich, alles ist zurückhaltend und maßvoll, kein Kraftprotz, sehr präzis in Duft und Geschmack, möglicherweise verschließt er sich demnächst, deutet aber nun bereits an, was (in 10+ Jahren) in ihm steckt.
Ein Gegenbeispiel zu anderen 15ern, die ich letzthin im Glas hatte (die im Moment vielleicht trinkiger sind: Meyney, d'Aiguilhe, aber ein geringeres oder ungewisseres Zukunftspotenzial vor sich haben)
Sehr Médoc, wenn auch blind noch nicht unbedingt klar als Margaux zu erkennen
Momentan 92/93 Punkte, mit Potenzial bis 95/96 (trinken ab 2025 bis mindestens 2040)
Auch bei 18° sehr dezent und nobel! Gerade bei steigender Temperatur schätzt man den verhältnismäßig (verglichen mit anderen 15ern) geringen Alkoholgehalt, ebenso den zurückhaltenden Holzeinsatz. Außerdem: trotz höherer Temperatur noch kein deutliches Anzeichen nahenden Verschlusses (die sich sonst gern bei steigender Temperatur zeigen).
Auch am zweiten Tag unverändert hochfein. Keine signifikanten Anzeichen eines nahenden Verschlusses.
Knapp 4 Jahre und 8 Monate später (nach einigen Weinen über die Festtage, die für mich tendenziell eher underwhelming waren: Évangile 14, DdC 12, Léo B 02 - hatte ich irgendwie das Bedürfnis, einen frischen, seinerzeit in der Fruchtphase vielversprechenden, gewiss nicht über den Höhepunkt geratenen fast sicheren "Wert" in Weinform zu genießen - und siehe da!):
Was da aus der Flasche ins Glas kommt - eine Augenweide, aber mehr noch: bereits P&P bei 15° eine Duftorgie fast wie vor 5 Jahren, und bei etwas flacherem Fruchtbild nun dafür Margaux, oh Margaux, welcher Blumen-Reichtum! (Damaszener Rosen, etwas Flieder und Veilchen vom Feinsten!) - und am Gaumen steht der (obschon zu kühle) Wein dem Naseneindruck in Nichts nach. Wieder und nach wie vor Cassis und ja, jene nicht ganz reifen, gleichsam in der Säure des Weins (die ebenso sanft präsent ist wie die superfeinen Tannine, was dem Wein ein tolles Alterungspotenzial verheißt!) konservierten Brombeeren (was dem Wein extrem gut bekommt, da es ihn hindert, ins Süße abzugleiten), Zedernholz und dezent und fein kubanischer Tabak, alles sehr, sehr präzis - dann, retronasal den langen Abgang wie eine Prozession begleitend - wieder die Blumen von Margaux, ein synästhetischer Reigen mit dieser sanften Wucht von Veilchen im nie dominanten Zentrum.
Das Probierglas macht viel Vorfreude auf den Abend. Jetzt schon groß: 96(-97)
Wer davon hat - nicht zögern, davon eine Flasche zu "opfern", sehr viel besser kann Wein nicht sein!
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