UlliB hat geschrieben:Doch, ich sehe darin sogar ein ganz erhebliches Problem. Ein Begriff, für den jeder eine eigene Definition hat, führt in der Diskussioon ziemlich zwangsläufig dazu, dass man aneinander vorbeiredet. Ja nachdem, wie eng oder weit ich die Definition fasse, ist "Terroir" entweder ganz unzweifelhaft vorhanden oder ebenso unzweifelhaft nicht.
Dann schlag doch bitte einen besseren Begriff vor: "Spätburgunder und Typizität", "Spätburgunder und Bodenhaftung", "Spätburgunder und Herkunft"? Mir ist ehrlich gesagt egal, wie wir das Thema nennen. Mich interessiert die Ausgangsfrage aus dem ersten Posting, die hier auch alle vernünftig diskutieren, ohne dass sie sich an dem Begriff "Terroir" festhalten.
Zum Thema Tradition:
UlliB hat geschrieben:Ich weiß, dass das viele Leute so sehen. Aber wo fängt man damit an, und wo hört man auf? - In dem oben verlinkten TAW-Thread gab es eine ziemlich heftige Diskussion darüber, ob die restsüßen Leichtweine an der Mosel, die von vielen Mosel-Fans als "klassisch" bezeichnet werden, zur Tradition und damit zum Terroir gehören oder gerade eben nicht, weil die technologischen Voraussetzungen zur Erzeugung dieser Wein erst vor rund 50 Jahren verfügbar waren und es vorher diese Weine nicht gab. Wer hat da nun Recht?
Na keiner. Es muss auch keiner Recht haben, das ist unwichtig. Es muss für Tradition auch keinen fest definierten Anfang und ein fest definiertes Ende geben. Traditionen entwickeln sich, Ansätze einer Traditionsentwicklung geben sich zu erkennen und diese Ansätze und vermeintlich gefestigte Traditionen verändern sich, manchmal aber unter Beibehaltung eines gewissen Kerns. Es muss doch einen Grund geben, warum viele Leute einen Chambolle Musigny in der Charakteristik oft anders empfinden als einen Pommard, und das schon seit recht langer Zeit.
UlliB hat geschrieben:Hat ein Pinot noir aus Oregon oder von der neuseeländischen Südinsel kein Terroir, weil es vor hundert Jahren dort gar keinen Weinbau gab?
Ich kenne Pinot Noirs aus Oregon oder aus Neuseeland nicht, deshalb kann ich zu der Frage konkret nichts sagen. Aber vielleicht haben die Weinbauern dort die besonderen örtlichen Gegebenheiten für sich entdeckt und machen etwas daraus, das die Weine von anderen Pinot Noirs unterscheidet. Vielleicht gibt es zehn oder mehr Pinot Noirs aus Oregon, die alle vergleichbar (nicht gleich) schmecken und sich von Pinot Noirs von der neuseeländischen Südinsel unterscheiden. Vielleicht ist das Klima und die Bodenbeschaffenheit dort so besonders, dass die Weinbauern bestimmte Maßnahmen im Weinberg ergreifen (eine bestimmte Erziehungsmethode, Stockdichte, was auch immer), die eben an die örtlichen Gegebenheiten angepasst sind. So entwickelt sich dann eine Tradition.
Ulli, müssen wir denn wirklich über den Begriff "Terroir" und seine Randaspekte so intensiv sprechen? Ich glaube, du und auch viele andere haben doch verstanden, dass es mir um die Frage geht, ob eine ähnliche auf Einzellagen und -parzellen hin ausgerichtete, auf lokale Unterscheidbarkeit hin fokussierte Spätburgundertradition in Deutschland möglich und gewünscht ist und wie der Weg dahin aussieht.