Aktuelle Zeit: Mi 24. Apr 2024, 03:25


Deutscher Spätburgunder und Terroir

  • Autor
  • Nachricht
Offline
Benutzeravatar

Don Miguel

  • Beiträge: 426
  • Registriert: Mi 3. Nov 2010, 19:01

Weingut Bernhart

BeitragDo 4. Aug 2011, 17:45

Pinot Nerd hat geschrieben:
Don Miguel hat geschrieben:Oder Friedrich Becker am äußersten Rande der Pfalz, na ja, eigentlich fast Elsass, denn dort liegen ja einige seiner Lagen, gab es dort vor Becker schon Spätburgunder? Und außer Becker, wer schafft dort noch nennenswerte Qualitäten?


z.B. Weingut Bernhart, sein Rädling GG liegt genau zwischen Sankt Paul und Kammerberg ist billiger und für einige Leute fast auf Augenhöhe...

Servus Uwe,

da war ich vielleicht etwas voreilig und auch unüberlegt :oops: ! Tatsächlich habe ich nämlich Bernhart bereits auf meiner Vormerkliste für meine nächste Runde an Probierweinen deutscher Spätburgunder, denn er wird ja auch im Gault Millau durchaus gut bewertet.

Aber auch zwei gute Spätburgunderwinzer (hoffentlich zauberst du jetzt nicht noch weitere aus dem Hut :o ) machen aus dieser Ecke noch kein Kleinburgund mit einer langen Terroirhistorie.

Gruß
Don
Offline
Benutzeravatar

Don Miguel

  • Beiträge: 426
  • Registriert: Mi 3. Nov 2010, 19:01

BeitragDo 4. Aug 2011, 18:01

UlliB hat geschrieben:Weingut oder Lage - ich gehe mal davon aus, dass auch vor hundert Jahren die gleiche Rangordnung bestand wie heute: für die Qualität des Weins ist zunächst einmal der Erzeuger relevant und erst danach die Qualität der Lage. Ein schlechter Erzeuger produziert auch aus einer Toplage einen schlechten Wein.

Servus Ulli,

dieser Schlussfolgerung ist aus meiner Sicht nichts hinzuzufügen, genau so sehe ich es auch. Da hilft dem schlechten Erzeuger weder Lage noch Terroir.

Über die Frage, ob ein sehr guter Erzeuger auch aus einer mittelmäßigen Lage einen sehr guten (oder gar: großen) Wein machen kann, könnte man sich vermutlich genauso lange streiten wie über den Terroirbegriff... :ugeek:

Im Grundsatz ist das durchaus meine Überzeugung.
Natürlich kann auch der beste Winzer nicht aus jedem Rübenacker einen großen Wein zaubern, aber er hat die Gabe und die notwendige Vision, das Potential einer Lage für die geeignete Rebsorte zu erahnen, um dann Großes zu schaffen, was es vorher nicht gab. So waren meine Beispiele von Becker und Fürst auch gedacht, jeweils Pioniere in ihrer Region.

Gruß´
Don
Offline

Neuppy

  • Beiträge: 211
  • Registriert: Do 4. Aug 2011, 16:48
  • Wohnort: Gräfelfing

Re: Deutscher Spätburgunder und Terroir

BeitragDo 4. Aug 2011, 22:07

Ohne jetzt den Anspruch erheben zu wollen, in allen historischen Fakten bewandert zu sein, muss man wohl doch festhalten, daß er sehr wohl eine Spätburgunder-Historie in Deutschland gibt.

Hier wären zunächst die mittelalterlichen Klöster zu nennen, die den Pinot Noir aus dem Burgund nach Deutschland brachten, da sie auf ihn nicht verzichten wollten.
Im Wissen um ihr burgundisches "Terroir" (Ich mag diesen Begriff übrigens auch nicht), haben Sie ihre Klosteransiedlungen eher nach den Standortbestimmungen für den Weinanbau festgelegt.

Als Beispiel seien hier die Zisterzienser aufgeführt, die sich zum Beispiel um Malterdingen niederließen. Der Spätburgunder dort war so hervorragend, das er schon bald als Malterdinger bezeichnet wurde.
Ähnlich verhält es sich bei den großen Lagen um Wissembourg und Schweigen, die allesamt einstmals in Klosterbesitz waren (daher zum Beispiel auch St. Paul).
Hier ließen sich noch viele Beispiele anführen.

Das deutscher Spätburgunder bis vor 15 - 20 Jahren kein großer Wein (bis auf wenige Ausnahmen) war, liegt also in keinem Fall an der fehlenden Historie.
Es dürften dieselben Gründe sein, die auch den deutschen Weißwein jahrzehntelang begleitet haben: Internationale Ächtung nach dem 2. Weltkrieg, daher Masse statt Klasse, dann Zementierung dieser Zustände im Weingesetz von 1971.

Erst durch die Besinnung, zuerst von einigen wenigen, jetzt von immer mehr Winzern, wurde dagegen angegangen.
Hinzu kommt, daß der Klimawandel nunmehr gerade den sehr anspruchsvollen Spätburgunder wesentlich berechenbarer macht.
Zu Guter letzt lernten die Winzer dann auch in mühseliger (und nicht immer erfolgreicher) Arbeit, mit dem Einsatz von Barriques umzugehen.

Für mich gibt es - um zum Ende zu kommen - drei verschiedene Charakteristiken, die sich allesamt mehr durch den Boden als durch den Winzer prägen.
Wie schon ausgeführt wurde hätten wir zunächst die Kalkböden aus der Jurazeit, die den Spätburgunder in die direkte Verwandtschaft zu den Weinen der Cote d´Or rücken. Dann die Schieferlagen vor allem von der Ahr, die immer schon das große Problem der richtigen Reife lösen konnten. Zu guter letzt die vulkanischen Böden vor allem am Kaiserstuhl, die meines Erachtens aber nicht wirklich mit der filigranen Rebsorte harmonieren (je wärmer es wird, desto deutlicher wird hier meines Erachtens die Nähe zu kalifornischen Pinot Noirs).
Wer nun was mag, ist Geschmackssache. Aber sicherlich gibt es nicht nur einige Winzer die den Spätburgunder mittlerweile richtig gut beherrschen.
Offline
Benutzeravatar

octopussy

  • Beiträge: 4405
  • Bilder: 135
  • Registriert: Do 23. Dez 2010, 11:23
  • Wohnort: Hamburg
  • Bewertungssystem: Auf Benutzername klicken

Re: Deutscher Spätburgunder und Terroir

BeitragDo 4. Aug 2011, 23:56

Hallo zusammen,

vielen Dank für die vielen Diskussionsbeiträge. Ich mag ja den Begriff "Terroir" ;), aber das ist Geschmackssache. "Spätburgunder und Herkunft" hätte es als Threadtitel natürlich auch getan, ich wollte mich aber etwas von einer nüchternen Betrachtungsweise lösen. Ich glaube auch, dass der Threadtitel schon richtig verstanden wurde. Das zeigen die in der Sache fundierten Beiträge.

Ich sehe es ähnlich wie die Mehrheitsmeinung hier, dass es bis zu einer die Herkunft betonenden Spätburgunder-Tradition bei uns noch ein paar Entwicklungsschritten bedarf, sofern das Herkunftsprinzip (vergleichbar mit dem Riesling) überhaupt gewollt ist. Nicht zuletzt benennen viele Spätburgunder-Erzeuger ihre Spitzen-Spätburgunder ja nicht mit der Lage oder stellen jedenfalls die Lage nicht in den Vordergrund ("Spätburgunder Reserve" und "Pinot Noir" von Becker, wobei das auch weinrechtliche Gründe haben kann, die Philippi-Spätburgunder, "SJ" von Johner, "SD" von Duijn, "Caroline" von Diel, "Selection A" von Franz Keller, "Pinot Noir Reserve" von Holger Koch, die Pinot Noirs von Seeger, um nur einige zu nennen).

Das Potenzial für eine jedenfalls ansatzweise ähnliche lagenzentrierte Kultur wie im Burgund ist m.E. aber schon da. Alleine die bereits genannten verschiedenen Bodentypen (z.B. Muschelkalk, Schiefer, Vulkangestein) laden m.E. geradezu zu einer noch stärkeren Herkunftsbetonung ein, allerdings natürlich nur, wenn dies auch in den Vordergrund gestellt wird. Dazu braucht es zum einen mehrere qualitätsfanatische Erzeuger in ein und derselben Lage und zum anderen Erzeuger mit Parzellen in mehreren Lagen. So lässt sich m.E. besser eine Vergleichbarkeit auf der Mikroebene herstellen.

Was wären denn eurer Meinung nach die potenziellen Grand Crus für Spätburgunder in Deutschland?
Beste Grüße, Stephan
Offline
Benutzeravatar

Charlie

  • Beiträge: 1065
  • Registriert: Mo 6. Dez 2010, 16:13
  • Wohnort: Berlin, Heidelberg
  • Bewertungssystem: Auf Benutzername klicken

Re: Deutscher Spätburgunder und Terroir

BeitragFr 5. Aug 2011, 09:54

octopussy hat geschrieben: sofern das Herkunftsprinzip (vergleichbar mit dem Riesling) überhaupt gewollt ist. Nicht zuletzt benennen viele Spätburgunder-Erzeuger ihre Spitzen-Spätburgunder ja nicht mit der Lage oder stellen jedenfalls die Lage nicht in den Vordergrund ("Spätburgunder Reserve" und "Pinot Noir" von Becker, wobei das auch weinrechtliche Gründe haben kann, die Philippi-Spätburgunder, "SJ" von Johner, "SD" von Duijn, "Caroline" von Diel, "Selection A" von Franz Keller, "Pinot Noir Reserve" von Holger Koch, die Pinot Noirs von Seeger, um nur einige zu nennen).

Liegt das aber nicht auch daran (mindestens bei einigen Winzern), dass sie die Weine aus neuem Holz ohne Lagenbezeichung abfüllen weil sie dadurch internationaler, sogar überseeischer Wirken als die holzfreien? Schon "pinot noir" statt "Spätburgunder" deutet darauf hin.

Gruss, Charlie
Offline
Benutzeravatar

Birte

Administrator

  • Beiträge: 3125
  • Bilder: 15
  • Registriert: Di 25. Jan 2011, 22:28

Re: Deutscher Spätburgunder und Terroir

BeitragFr 5. Aug 2011, 10:38

Liegt das aber nicht auch daran (mindestens bei einigen Winzern), dass sie die Weine aus neuem Holz ohne Lagenbezeichung abfüllen weil sie dadurch internationaler, sogar überseeischer Wirken als die holzfreien? Schon "pinot noir" statt "Spätburgunder" deutet darauf hin.


Ich denke, das könnte so sein. Allerdings finde ich das sehr schade. Der Spätburgunder wird dadurch zwar tauglicher für die Masse, aber das Typische, was ich so mag, geht verloren. Obwohl ich keine Ahnung habe, wie Markus Schneider und Knipser ihre Weine "mit Holz behandeln" und sie ja auch viel Cuvee im Programm haben, diese "international wirken wollen Tendenz" stört mich enorm.
Offline

Neuppy

  • Beiträge: 211
  • Registriert: Do 4. Aug 2011, 16:48
  • Wohnort: Gräfelfing

Re: Deutscher Spätburgunder und Terroir

BeitragFr 5. Aug 2011, 11:18

Bei Knipser muss man unterscheiden. Seine Spätburgunder sind meines Erachtens sehr elegant ausgebaut und das Holz unterstützt lediglich. Hier merkt man, daß die Brüder mit am längsten mit den Barriques arbeiten.
Etwas anderes sind die Cuvee X und die internationalen Rebsorten. Diese sind internationaler im Geschmack, was aber wohl schlicht mit den Rebsorten selbst zu tun hat.
Das muss man ja nicht mögen. Ich persönlich bevorzuge die Spätburgunder. Einen Bordeaux-Blend mag ich halt am liebsten aus Bordeaux.

Zu Schneider kann ich nichts sagen, da ich die Weine bisher nicht probiert habe.
Offline
Benutzeravatar

octopussy

  • Beiträge: 4405
  • Bilder: 135
  • Registriert: Do 23. Dez 2010, 11:23
  • Wohnort: Hamburg
  • Bewertungssystem: Auf Benutzername klicken

Re: Deutscher Spätburgunder und Terroir

BeitragFr 5. Aug 2011, 11:50

Charlie hat geschrieben:Liegt das aber nicht auch daran (mindestens bei einigen Winzern), dass sie die Weine aus neuem Holz ohne Lagenbezeichung abfüllen weil sie dadurch internationaler, sogar überseeischer Wirken als die holzfreien? Schon "pinot noir" statt "Spätburgunder" deutet darauf hin.

Das mit der besseren internationalen Vermarktbarkeit kann gut sein. Den Holzbezug kann ich nicht ganz so erkennen. Im Burgund werden auch sehr viele Spitzen-Pinot Noirs in einem recht großen Anteil an neuem Holz ausgebaut, ohne dass man ihnen allgemein einen internationalen oder sogar überseeischen Stil bescheinigen würde, oder?

Von Knipser hatte ich übrigens neulich einen Spätburgunder, bei dem mir der Holzeinfluss zu präsent war.
Beste Grüße, Stephan
Offline
Benutzeravatar

Birte

Administrator

  • Beiträge: 3125
  • Bilder: 15
  • Registriert: Di 25. Jan 2011, 22:28

Re: Deutscher Spätburgunder und Terroir

BeitragFr 5. Aug 2011, 12:03

Im Burgund werden auch sehr viele Spitzen-Pinot Noirs in einem recht großen Anteil an neuem Holz ausgebaut, ohne dass man ihnen allgemein einen internationalen oder sogar überseeischen Stil bescheinigen würde, oder?


JA! Mal sehr provokant: Liegt das vielleicht einfach daran, dass sie es besser können? In Deutschland habe ich mich schon bei vielen Winzern "durchgefragt" wie lange sie mit Holz oder auch neuem Holz rumwerkeln. Ich habe keine Ahnung wie es im Burgund ist, aber ich würde davon ausgehen, dass sie viel höhere Erfahrungswerte haben, und der Wein "Bodenhaftung" behält.

Anmerkung: Der Begriff "Bodenhaftung" ist von Stuart Pigott geklaut. Tolles Wort!
Offline
Benutzeravatar

pivu

  • Beiträge: 370
  • Registriert: Mi 3. Nov 2010, 10:48
  • Wohnort: Frankfurt & Wien

Re: Deutscher Spätburgunder und Terroir

BeitragFr 5. Aug 2011, 12:15

Der Vergleich mit Burgund beantwortet alle Fragen in diesem thread: 400 vs 20 Jahre Erfahrung, auch im Umgang mit dem Holz. Allein die Auswahl einzelner Fässer (Herkunft, Alter, Toastung etc.) abhängig von Lage und Jahrgang ist eine Wissenschaft für sich, die im Burgund Erfahrungsdaten von weit mehr als 100 Jahren beinhaltet.

Ciao
Peter
VorherigeNächste

Zurück zu Pinot Noir / Spätburgunder

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 4 Gäste

Impressum - Nutzungsbedingungen - Datenschutzrichtlinie - Das Team - Alle Cookies des Boards löschen