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Reifeverlauf trockener Rieslinge

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Gerald

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Re: Reifeverlauf trockener Rieslinge

BeitragSa 16. Jul 2011, 11:06

Hallo Markus,

die Sache mit den Estern hat David Schildknecht einmal geschrieben, diese Theorie kommt mir aber außerordentlich unplausibel vor. Einerseits da als Säurepartner für den Ester ja nur Weinsäure und Äpfelsäure zur Verfügung stehen, die in der Hinsicht nicht allzu reaktiv sind. Andererseits da eine ziemlich große Menge Ester entstehen müsste, damit der Restzucker spürbar abnimmt. Und diese Ester würden ganz bestimmt im Wein auffallen, vielleicht sogar als Ölfilm oben schwimmen ? ;)

In der damaligen taw - Diskussion (siehe http://www.talk-about-wine.de/topic.asp?TOPIC_ID=2677) habe ich vermutet, dass es mit dem Glucose/Fructose-Verhältnis zusammenhängt. Einfach da die Hefe bei der Gärung Glucose schneller verwertet und ein restsüßer Wein daher meist mehr Fructose als Glucose enthält. Fructose schmeckt im übrigen viel stärker süß als Glucose. Wenn sich das Gleichgewicht durch div. Enzyme im Wein im Laufe wieder einstellt (also ungefähr 1:1 Glucose zu Fructose), würde der Wein damit deutlich weniger süß schmecken.

Ist aber eine reine Spekulation meinerseits, irgendwelche Belege dafür habe ich leider nicht. Wenn das so stimmt, müsste jedenfalls der analytisch bestimmte RZ im Laufe der Jahre nicht abnehmen.

Grüße,
Gerald
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Charlie

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Re: Reifeverlauf trockener Rieslinge

BeitragSo 17. Jul 2011, 12:18

Mir klingt das plausibel.
Andererseits schmecken reifen Weine harzig, karamellig. Spricht das nicht für eine Kettenbildung oder so ähnlich der Zucker? Kenne mich mit Zuckern nicht aus. Gibt es sowas? Gerald, Andreas?

Gestern gab es noch ein Beispiel:
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Gerald

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Re: Reifeverlauf trockener Rieslinge

BeitragSo 17. Jul 2011, 12:28

Hmmm, ich bin ja auch kein Experte für Zuckerchemie. Aber eine Polymerisation im gängigen Sinn (also zu Oligo- bzw. Polysacchariden) kommt mir nicht sehr plausibel vor. Wenn es nicht das vermutete Glucose-Fructose-Verhältnis ist, könnte ich mir noch am ehesten eine Oxidation zu Gluconsäure, Glucuronsäure oder so etwas Ähnlichem vorstellen. In diesem Fall müsste aber der analytisch gemessene Restzucker abnehmen.

Das dürfte überhaupt der Schlüssel für diese Frage sein: wenn wir Analysenwerte ein und desselben Weines jung und nach längerer Lagerung hätten, dann könnten wir schon einen Teil der Theorien ausschließen ...

Grüße,
Gerald
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Jochen R.

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Re: Reifeverlauf trockener Rieslinge

BeitragSo 17. Jul 2011, 15:02

Nachdem ich gerade "harzig, karamellig" gelesen habe, ist mir spontan die Maillard-Reaktion
in den Sinn gekommen.
Zucker bilden mit Proteinen bei erhöhter Temperatur geschmacksintensive, gelb-bräunliche
Kettenmoleküle. Könnte mir vorstellen, dass dies auch bei der Reifung von Weinen - halt sehr
viel langsamer - abläuft. Karamellgeschmack spricht auch für Oxidationsprodukte von Zuckern.

Viele Grüße,
Jochen
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Charlie

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Re: Reifeverlauf trockener Rieslinge

BeitragSo 17. Jul 2011, 18:14

Gerald hat Recht: es ist Zeit für Fakten
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Gerald

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Re: Reifeverlauf trockener Rieslinge

BeitragMo 18. Jul 2011, 09:14

Sowohl Maillardreaktion als auch die Karamelbildung (die beide ja hohe Temperaturen benötigen und nicht-enzymatisch ablaufen) halte ich zumindest für äußerst unplausibel. Denn warum sollten sie im Wein bei Raum- bzw. Kellertemperatur ablaufen, in anderen Lebensmitteln aber nicht? Ich habe jedenfalls noch nie gehört, dass eine Packung Kristallzucker sich in 10 oder 20 Jahren in Karamel verwandelt oder dass sich in Mehl selbst eine brotkrustenähnliche Bräunung entwickelt ;)

Wie schon zuvor geschrieben, würden uns Analysenwerte (am besten nicht nur Restzucker gesamt, sondern in die einzelnen Komponenten aufgeschlüsselt) eines Jungweins und desselben Weins nach - sagen wir - 10 Jahren weiterhelfen. Vielleicht liest ja ein Winzer mit, der über solche Untersuchungen über seine Weine verfügt?

Grüße,
Gerald
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Jochen R.

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Re: Reifeverlauf trockener Rieslinge

BeitragMo 18. Jul 2011, 09:28

Hallo Gerald,
ich habe nicht behauptet, dass sich eine Packung Kristallzucker
in 10 oder 20 Jahren in Karamell verwandelt (oder ähnliches,
was in der Tat unplausibel ist ;) )
Ohne irgendwelche Analysenwerte zu kennen: Maillard-Reaktionen
laufen sehr wohl bei (anderen) Lebensmitteln bei längerer Lagerung ab,
und dazu braucht es nicht unbedient hohe Temperaturen. Dauert halt
sehr viel länger.

Viele Grüße,
Jochen
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Gerald

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Re: Reifeverlauf trockener Rieslinge

BeitragMo 18. Jul 2011, 09:33

Aber dafür werden doch sowohl zuckerartige Komponenten als auch Proteine benötigt. Vor allem die Proteine sollte in einem Wein aber nur in sehr geringen Mengen vorkommen, was bei den gängigen Annahmen für die Reaktionsgeschwindigkeit (Kinetik) eine noch viel langsamere Reaktion bedeuten würde, oder?

Also mein Tipp ist jedenfalls, dass es eine enzymatische Reaktion sein muss ...

Grüße,
Gerald
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drmamue

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Re: Reifeverlauf trockener Rieslinge

BeitragMo 18. Jul 2011, 10:26

Charlie hat geschrieben:Mir klingt das plausibel.
Andererseits schmecken reifen Weine harzig, karamellig. Spricht das nicht für eine Kettenbildung oder so ähnlich der Zucker? Kenne mich mit Zuckern nicht aus. Gibt es sowas? Gerald, Andreas?

Gestern gab es noch ein Beispiel:
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Hallo Charle,

Ähnliches hatte ich gerade bei 07ern in letzter Zeit auch ab und zu; könnte das ein Jahrgangsproblem sein?

Viele Grüße
Markus
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octopussy

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Re: Reifeverlauf trockener Rieslinge

BeitragMo 18. Jul 2011, 10:56

drmamue hat geschrieben:Ähnliches hatte ich gerade bei 07ern in letzter Zeit auch ab und zu; könnte das ein Jahrgangsproblem sein?

Ich habe mal meine Notizen zu 2007er Rieslingen durchgeforstet und habe bisher eigentlich keine auffälligen Alterungsnoten feststellen können. Mir ist aber aufgefallen, dass ich die trockenen Weine, die in der Theorie langsamer reifen sollten (Spätlese Tr., GG, Äquivalente), eher etwas frühreifer fand als die einfachen (Gutswein, Kabinett tr.). Da aber die bereits getrunkene Auswahl zu klein ist, kann ich daraus keine vernünftigen Schlüsse ziehen.
Beste Grüße, Stephan
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