Dinge gibt's, die gibt's gar nicht. Zum Beispiel 12 Jahre alten Nebbiolo aus Mexiko...!

War neulich bei Freunden eingeladen und die haben eine vergessene Flasche aus dem Keller gezaubert:
Vinicola L. A. Cetto, Nebbiolo 1999 Private Reserve.
Ich war extrem gespannt, wie das wohl schmecken würde - und ich war positiv überrascht. Trotz Herkunft aus heissem Klima und gesegnetem Alter wirkte der Wein überraschend frisch. Die Rebsortencharakteristik kam im Abgang eindeutig durch, mit einer ganz erstaunlichen - und harmonischen - Säure- und Tanninstruktur. Vorher allerdings massenhaft satte Frucht dunkelroter Kirschen und verglichen mit dem piemontesischen Original wesentlich mehr Mundfülle und Fleischigkeit. Ganz am Ende leichte alkoholische Hitze, aber harmlos.
Ich kann mir vorstellen, daß der Wein als fruchtbombiger Jungwein etwas irritierend gewesen sein könnte, aber in diesem Entwicklungsstadium war das für mich eine absolut spannende und schöne Erfahrung, die mir knappe 90 Punkte wert wäre (aber darauf kommt's in diesem Fall gar nicht an). Klar ist das stilistisch etwas ganz anderes als das piemontesische Original - auch mit weniger Komplexität - aber ich würde ihm keinesfalls die Existenzberechtigung absprechen. Vielleicht wird Nebbiolo von außerhalb des Piemonts, der ja meistens geschmäht wird, immer zu jung getrunken?
Bereicherte Grüße
Jürgen