Portugal

Peinlich, wie bin ich denn auf Klaus gekommen...? Aber Du triffst eigentlich genau das, was ich persönlich an Portugal sehr gern mag (und an das die Portugiesen selbst entweder nicht gern erinnert werden mögen - wenn sie modern sind - oder es gar nicht merken - wenn sie selbst ein Teil dessen sind): das Altmodische, ein bisschen Verstaubte, ein bisschen Kuriose. Die Baixa in Lissabon hatte ich bei meinem ersten Besuch für eine Touristenfalle gehalten. Weit gefehlt - jedenfalls grundsätzlich.

Ich möchte mal diese Einteilung von ChezMatze für portugiesische Weine aufgreifen:

So ganz pauschal habe ich in Portugal bei den Rotweinen fünf verschiedene Stile feststellen können:
1. den Brot-und-Butter-Wein (meist Genossenschaften, günstig und für jeden Tag, mittlerweile moderne Weinbereitung)
2. den unbewussten Ultra-Traditionalisten (Weinbereitung im alten Stil, gern etwas ruppig und unsauber)
3. den bewussten Neo- oder Immer-noch-Traditionalisten (langlebige Weine, jung etwas unzugänglich)
4. den geschliffenen Stil (zu dem gehört der Passadouro, die "Konkurrenz" wird in Bordeaux gesehen)
5. den modern-fruchtigen Stil (zugänglich und mit sehr unterschiedlichen Lagerambitionen, die Konkurrenz wird in der Neuen Welt gesehen).

Heute Abend habe ich einen Wein im Glas, der sich zwischen Typ 4 und Typ 5 mit Tendenz zu Typ 5 aufhält, nämlich den 2007 Herdade do Esporao Reserva, von einem sehr großen Gut im Alentejo. Der Wein wurde mir vor ca. 2 Jahren mal im Restaurant ausgeschenkt, und ich war völlig weggepustet von der Fruchtbombe. Dementsprechend habe ich mir nach etwas Abwarten mal zwei Flaschen gekauft und jetzt die erste aufgezogen. Der Wein haut mich jetzt nicht mehr ganz so stark aus den Socken, sein Geld wert ist er aber und ist gerade so eben charakterstark genug, um nicht in die beliebige Ecke von Weinen zu fallen, die von überall her kommen könnten.



Gary Vay - ner - Chuk hat den Wein übrigens auch in einer seiner Shows zusammen mit einem gewissen Chris the Cop verkostet, in der der Wein völlig durchfiel. Ich sehe ihn schon etwas besser als Gary V. und Chris the Cop. Aber mit der leichten Wässrigkeit im Abgang gehe ich durchaus konform.

Hier ist der Link zu der Show: http://tv.winelibrary.com/2010/03/03/wh ... siode-826/ (der Esporao kam nach einer "Spattlaise" von Heribert Kerpen)

Also: im Fazit kein Wein, dem man unbedingt hinterherjagen muss, aber auch kein schlechter Kauf.

So. Jetzt war ich tatsächlich in der Weinbar, als einziger Gast zu früher Abendstunde. Es gab glasweise je einmal Bussaco weiß und einmal Bussaco rot. Auch wenn Hugh Johnson meint, der Besuch des Palasthotels sei wegen der Weine unbedingt einen Umweg wert, kommt es immer auf die Definition des Begriffes "Umweg" an. Von Coimbra aus würde ich schon hinfahren...
Nicht dass es sich um schlechte Weine handeln würde, aber es ist doch eher ein Hype aus der (nenne ich gern mal so) "Rasierwasser-Zeit". Ich habe trotzdem sogar ein Video vor Ort gedreht, und wer auf extrem traditionelle Weine steht, wird zumindest am Roten sicher seinen Spaß haben:
http://chezmatze.wordpress.com/2011/04/ ... asthotels/

Hallo Matze,

interessanter Bericht, auch wenn ich nicht Klaus heiße . Die Weine habe ich so ähnlich in Erinnerung. Hübsch altmodisch und mit dem Raritäts- bzw. Obskuritätenfaktor, mehr aber auch nicht.

Das Bussaco-Hotel bei Luso und das dazugehörige Restaurant sind übrigens auf der gleichen Linie. Das Hotel ist so wahnsinnig altmodisch, für Freunde eines etwas angestaubten Charmes wie mich ist das genau das Richtige . Aber alle, die nicht auf verstaubte Ritterrüstungen stehen, könnten etwas pikiert reagieren.

Beim Restaurant war ich dann doch etwas enttäuscht. Zwar wird alles hübsch am Tisch tranchiert und es gibt noch einen echten Dessert-Wagen. Aber wirklich überwältigend hat dort nichts, nicht mal das Leitao a Bairrada geschmeckt. Hugh Johnson hat die Bussaco-Weine übrigens in der jüngsten Ausgabe des kleinen Johnson gar nicht mehr erwähnt.

Hallo Matze und Stephan,

die Weine von Bussaco (ich schreibs jetzt auch mal so) erinnern mich an die Zeiten, da die Weine aus Portugal noch so herrlich altmodisch waren. Bussaco und Barca Velha galten über Jahrzehnte als die größten Wein dieses Landes.

Wirklich bestätigt haben sie ihren legendären Ruf nie. Wir waren 2006 im Restaurant des Praia Mar in Cascais (http://www.almeidahotels.com/nm_quemsomos.php?id=291), um ein paar Flaschen Bussaco verschiedener Jahrgänge zu verkosten, die damals für kleines Geld (vielleicht 25 €/Flasche) angeboten wurden. Jede Flasche wurde mit großem Bimborium aufgezogen, dies fing bereits mit dem Holen der Weine an (der Sommelier fuhr für jede einzelne Flasche mit dem Fahrstuhl in den Keller, was jeweils gefühlte 15 min in Anspruch nahm).

Insgesamt haben wir bestimmt 6 Weine ausgeschenkt bekommen und was soll ich sagen, davon waren 4 Flaschen fehlerhaft und eine an der Grenze dazu (der Wein schäumte, schmeckte aber sonst o.k.). Der Sommelier wurde natürlich zunehmend unglücklicher. Letztendlich haben wir nur eine Flasche bezahlen müssen und wir durften, was als besonderer Gunstbeweis gelten kann, mehrere Flaschen (des Jahrgangs 2001) käuflich erwerben und mitnehmen.

Irgendwo dürfte noch eine dieser "Pretiosen" rumliegen, ich werde berichten, wenn ich die Gelegenheit bekommen sollte, den Wein noch einmal zu probieren.

Mir sind von dieser Portugalfahrt die Weine des (Riesen-)Weingutes JM da Fonseca nachhaltig in Erinnerung geblieben. Insbesondere den "RA", der auf der Halbinsel Setubal aus der Traube Periquita gewonnen wird, fand ich fantastisch. Leider gibt es diesen Wein scheinbar nur auf dem Weingut und ein paar Lissabonner Geschäften zu kaufen.

Grüße

Hartmut

Hallo Hartmut,

da sich die Meinungen häufen, dass die Bussaco Weine nicht so überragend sind (ich bin nach den zwei probierten Weinen, die aber beide wenigstens nicht fehlerhaft waren, auch der Meinung), kommt bei mir folgende Vermutung auf: Hugh Johnson, der dem Gut ja in seinen Büchern geradezu legendären Status zuschrieb, war vielleicht einmal im Palace do Bussaco zu einer legendären Vertikale, war verständlicherweise schwer beeindruckt und hat das entsprechend in seinem Buch vermerkt. In den Folgejahren hat er das Gut dann nicht mehr intensiv weiterverfolgt. Deshalb kommt es jetzt auch nicht mehr vor. Das ist jetzt zwar wirklich ins Blaue hinein spekuliert, aber was ich damit sagen will, ist: Objektiv gesehen ist der Legenden-Status und Charme der Bussaco-Weine u.U. schon lange verblasst. Die Legende konnte sich evtl. wegen des vielgelesenen Hugh Johnson, der auf den "Legendenstatusverlust" erst spät reagiert hat, aber eine ganze Weile halten.

Letztlich ist es ja auch nicht so wichtig. Um diese Weine zu probieren, muss man kein Vermögen ausgeben. Sie haben ein wie ich finde wirklich hübsches, altmodisches Ettikett, sie haben diesen Seltenheitswert und der Palace do Bussaco ist wirklich eine Reise wert. Etwas enttäuscht war ich natürlich schon, als die Weine nicht so grandios waren, wie ich erwartet hatte .

Quinta do Zambujeiro - Zambujeiro 2000

Ein schwerer Wein mit deutlichen Tanninen - schmeckt nach schwarzen Beeren - viel Ausdruck, etwas alkoholisch - 93P

Weil ich's vergessen hatte zu posten: Eine meiner letzten Entdeckungen, was portugiesische Weine anbelangt, war der kleine Weißwein der Casa de Mouraz aus dem Dão. Gekeltert aus aus den autochthonen Rebsorten Malvasia fina, Cerceal, Encruzado und Bical gefiel er mir außerordentlich. Sehr kräftige Farbe, reife Nase, gelb, quittig, fast wie Chenin blanc. Am Gaumen kräftige Säure, kräftige Materie, feurig, würzig, weiterhin Quitte, dazu noch Koriander, recht viskos. Ich habe diesem Wein für 7 € (!) 16 MP gegeben und hätte unheimlich gern noch die anderen Weine des Weinguts probiert.

Hier gibt es sowohl den kleinen Weißen als auch den kleinen Roten: http://www.genuss7.de/Produkte/Wein/Dat ... 1264610644, aber der Handel sagt mir gar nichts, und die Weinauswahl schaut doch ein wenig wüst aus Trotzdem, den Casa de Mouraz kann ich wirklich empfehlen.

Der Mouchao 2001 war mein bisher bester Mouchao. Eine Reife von zehn Jahren (an Silvester getrunken) tut dem Wein sichtlich gut. Von der Nase würde ich ihn ins Bordeaux stecken, am Gaumen dominieren reife schwarze Johannisbeeren, Waldboden. Frisch im Glas prickelt er, was aber schnell verfliegt. Auch profitiert er von Luft und wird im Glas immmer besser. Cuvee aus 85% Alicante Bouschet und Trincadeira, Periquita, Moreto. Punkte: 93

Hallo alle zusammen,

heute hab ich eine einigermaßen erwähnenswerten Wein aus einer nicht so sehr beliebten Weinregion Portugals für euch. Und das, obwohl er von einem Großerzeuger hergestellt wurde .

Bacalhoa JPPrivate Selection 2007, Palmela

Der JPPrivate ist ein 100%iger Castlao Wein. Eine Rebsorte bei er ich normalerweise etwas ins Schwitzen komme, da sie doch mit einigen sehr ungewöhnlichen, und nicht unbedingt angenehmen, Geschmcksaromen aufwarten kann. Zu allem sind es meist sehr rabiate, gerne nervige, oft auch dünne und animalisch anmutende Weine. Der JPPrivate zeigt diese Eigenschaften ebenfalls, doch in "zivilisierter" Form. Für 7 Euro ein sehr charaktervoller, eigenständiger Wein, der für den Experimentierfreudigen durchaus ein Genuss bieten kann. Dennoch bin ich mir sicher, dass er kein Wein für Jedermann ist .

http://www.wine-zeit.blogspot.com/2012/ ... ivate.html

Rustic wine at it’s best? Maybe, let’s have a look. The JPPrivate Selection from Bacalhoa, a bit large wine syndicate, was cultivated on the sandy soils Peninsula de Setúbal a bit south of Lisbon. It is a 100% Castelão (aka Periquita) which was aged in oak barrels for 12 months. Castelão is a very notorious varietal for this underrated wine region of Portugal. Normally it produces rather tannic, slightly fruitful, a bit thin and one-dimensional wines. In this case, too?

The colour is very dark purple-red. Just the way a lot of people might expect from a Portuguese wine. I was a little bit surprised, because most Periquitas I had, were always a little bit transparent. Not this one. The nose appears to show scents of cherry marmalade, slight oak, earth, leather, a bit of smoke, hints of pepper, maybe thyme, and good old horse shit. Not that one-dimensional I guess! The taste shows slightly set back flavours of seabuckthorn. A rather typical feature for Castelão based wines. For the unaware taster a very unusual feature I suppose. Beside the seabuckthorn, which eased after one to two hours, flavours of sweet red currant, dark and slightly artificial seeming cherry, earth and leather played Rugby in my mouth. Why Rugby? Well, it is a rather crude, butch and a bit violent wine. Maybe, due to the strong acid and raunchy tannins, a wild, too. Not all too sophisticated, charming or elegant. It is a real, hard working farmer (or Rugby player) with prune’y hands and sweaty odour. I liked this wine. On the second day even a bit more. It isn’t overwhelmingly fantastic or something. It just appears to be an honest, favourably priced and well made, and of course well concentrated, Castelão!

Gruss

Chris

Hallo Chris,

leider werden Castelao-Weine in den deutschen Weinhandlungen nur wenig angeboten. Sehr gute Exemplare gibt es z.B. von J.M. da Fonseca, u.a. Periquita Classico (http://www.jmf.pt/pdfs/garrafas/UK_PERC.pdf), der nur in den besten Jahren erzeugt wird. Vor allem ist aber RA, ein Garrafaira (http://www.jmf.pt/pdfs/garrafas/UK_RA.pdf), sensationell gut (ich schrieb das vor ein paar Monaten schon einmal). Ich kenne allerdings keine Quelle für diesen Wein.

Grüße

Hartmut

Hallo Hartmut,

den Classico kenne ich garnicht. Ich kenne nur den allerwelts Periquita von J.M.d.F.
Da muss ich mal schauen ob die portugiesische Weinhandlung in meiner Nähe den im Angebot hat. Da kann ich auch gleich mal nach dem RA schauen. Vielleicht hab ich Glück.
Vielen Dank!

Gruss

Chris