Aktuelle Zeit: Do 25. Apr 2024, 02:29


Wie wichtig ist euch das Etikett einer Weinflasche

Hohe Brisanz, kurzes Verfallsdatum
  • Autor
  • Nachricht
Offline
Benutzeravatar

EThC

  • Beiträge: 8222
  • Bilder: 27
  • Registriert: Fr 27. Feb 2015, 17:17
  • Wohnort: ...mal hier, mal dort...

Re: Wie wichtig ist euch das Etikett einer Weinflasche

BeitragDi 7. Jul 2020, 19:13

Wenn ich ein Weingut gar nicht kenne, dann kann mich ein Etikettenstil auch schon mal abschrecken bzw. nicht besonders einladen, mal einen Wein zu probieren. Das gilt z.B. für sehr altbackene / gediegene Etiketten, es sei denn, sie sind traditionell und stehen für sich (z.B. Maximin Grünhaus / von Schubert, Bassermann-Jordan, Koehler-Ruprecht oder Schloß Johannisberg), z.B. Weine von Werlitsch hätte ich nur aufgrund des Etiketts wohl eher nicht gekauft, die Sachen gehören aber für mich zur Spitze der österreichischen (Natur-) Weine.

Bei eher "marktschreierischen" Etiketten drängt sich mir persönlich zuerst die Frage auf, ob da ggf. vom Inhalt abgelenkt werden soll (z.B. Emil Bauer), in der Breite scheint das beim entsprechenden Publikum aber sehr gut zu funktionieren (z.B. Markus Schneider).

Wenn ich an Etiketten denke, die mir persönlich irgendwie gut gefallen, dann fallen mir in der Reihenfolge des Aufploppens im Hirn folgende Weingüter ein:
Claus Preisinger (extrem minimalistisch), Christian Stahl (ganz einfach, aber hat was), Claire Naudin bzw. Domaine Naudin-Ferrand sowie auch Derain (zwei grundsätzlich unterschiedliche Etikettenstile für die klassischen und die ungeschwefelten bzw. freakigen Sachen), Judith Beck, Andreas Gsellmann, Weninger, Pichler-Krutzler, Immich-Batterieberg, Ankermühle (gibt's leider nicht mehr), Danner, Anne-Sophie Dubois (auch wenn's ein bißchen durcheinander geht), einige Sachen von Ganevat, Philippe Bornard, Tomislav Markovic, Moric, Les Bottes Rouge, Katharina Wechsler, Von Winning, Fendt, Materne & Schmitt, Pietradolce, Die Winzerei - Ringhofer Pairits, Arndorfer, Franz Haas, Pranzegg, Lackner Tinnacher, Betz Garagenwein, Christian Tschida, Victoria Torres-Pecis, Foradori, Herbert Zillinger, Johannes Zillinger, Michael Teschke, Jutta Ambrositsch, Lacourte Godbillon, Pierre-Olivier Bonhomme, Veyder-Malberg...
...wobei viele der genannten Güter eher auf Schlichtheit bzw. Understatement setzen.

Vielleicht ist da ja die ein oder andere Anregung dabei. Aber Vorsicht, ich bin halt so ein Nerdinger und wohl kaum Mitglied in der mehrheitlichen Zielgruppe... :ugeek: :lol:

Ach ja: noch ein paar Worte zum aktuellen Design: ist mir persönlich deutlich zu "supermarktig", vor allem die Weine in den juxigen profilierten Flaschen würden mich so gar nicht zum Hingreifen animieren... :mrgreen:
Viele Grüße
Erich

Nicht was lebendig, kraftvoll, sich verkündigt, ist das gefährlich Furchtbare. Das ganz Gemeine ist's
DAS EWIG GESTRIGE
was immer war und immer wiederkehrt und morgen gilt, weil's heute hat gegolten.

https://ec1962.wordpress.com/
Offline

Ollie

  • Beiträge: 1928
  • Registriert: Mo 6. Jun 2011, 12:54

Re: Wie wichtig ist euch das Etikett einer Weinflasche

BeitragDi 7. Jul 2020, 20:53

Je nach Vertriebskanal: Im LEH wird nach "Oh, schönes Etikett!" gekauft, wobei "schönes Etikett" Geschmackssache ist. Für den informierten Fachhandel bieten sich schlichte Etiketten mit hohem Wiedererkennungswert an; das Etikett darf die Kundin nicht abschrecken, wenn die Händlerin ihr die Flasche empfiehlt, und es soll schnell informieren, was der Wein kann.

Ganz wichtig ist ein aussagekräftiges Rückenetikett, das den Wein in einem kurzen Satz präzise beschreibt. Damit ist der neugierigen Kundin genug Information gegeben, um eine Erwartungshaltung aufzubauen, die der Wein dann natürlich auch tunlichst erfüllen sollte, evtl. mit Hinweis auf Speisenkombination. Neuseeländische Großerzeuger können das aunehmend gut, evtl. könnte das eine Richtung vorgeben.

Und um Gottes Willen kein Schraubverschluss in der Konsumklasse. SV ist nur für Kenner, alle anderen wollen Diam, damit es ploppt. Und leichte Flaschen benutzen; wenn kein GG drin ist, keine 2-Kilo-Butellje außenrummachen, das wirkt schnell lächerlich.

Cheers,
Ollie
Parfois, quand c'est trop minéral, on s'emmerde.
Offline

Lars Dragl

  • Beiträge: 574
  • Registriert: Mo 3. Okt 2016, 23:24

Re: Wie wichtig ist euch das Etikett einer Weinflasche

BeitragDi 7. Jul 2020, 21:47

Hallo!

Das mit den Kategorisierungen wird wohl auch hier nicht mehr so recht klappen. Z.B. gibt es bei uns im 0815-Getränkemarkt nicht nur jede Menge Bier, sondern auch Tignanello 2016 zu 99€. Der wir dann wohl wegen dem Preis gekauft, denn das Etikett ist nur für Kenner auffällig. Die schauen dann aber auch nur hin und gehen daran vorbei.
Außerdem hat der Fachhandel ja auch immer mal wieder Supermarktware. Ich weiß echt nicht, wie man das trennen soll.
Ich kann mich noch an den 04er Cantemerle erinnern, den es bei ALDI gab. (Im Fachhandel war er günstiger!) Oder die Sachen von Jauch, die man wirklich überall findet.

Grüße

Lars
Offline

mixalhs

  • Beiträge: 1746
  • Bilder: 0
  • Registriert: Mi 7. Sep 2011, 11:29

Re: Wie wichtig ist euch das Etikett einer Weinflasche

BeitragMi 8. Jul 2020, 07:13

EThC hat geschrieben: Ach ja: noch ein paar Worte zum aktuellen Design: ist mir persönlich deutlich zu "supermarktig",...


Hallo, auch ich würde Flaschen mit diesem großen schrägliegenden "e" auf dem Etikett eher im Supermarktregal verorten als im Weinfachhandel. Besser als das alte Design ist es allemal. Weinetiketten, deren Designer besonders lustig sein oder Botschaften transportieren wollen, die nichts mit Wein zu tun haben, stoßen mich dagegen eher ab (Beispiel Emil Bauer). Probleme habe ich auch mit Wortspielereien wie "Gewürzschlawiner", die auf mich gewollt und kalauerhaft wirken. Auf der anderen Seite scheint man damit in bestimmten Marktsegmenten durchaus großen Erfolg zu haben. Es kommt also - wie eigentlich immer beim Marketing - sehr darauf an, WEN man ansprechen möchte. Jeder Jeck ist anders, und es gibt keine absoluten Wahrheiten - auch und gerade im Weinmarketing.

Herzliche Grüße, Michael
Offline
Benutzeravatar

small talk

  • Beiträge: 252
  • Registriert: Mi 19. Feb 2020, 11:04
  • Wohnort: Bégadan (F)

Re: Wie wichtig ist euch das Etikett einer Weinflasche

BeitragMi 8. Jul 2020, 08:54

Hallo Chris,
in welche Stilrichtung auch immer Du mit der Gestaltung der Etikette gehen wirst, hier ein ‚technischer Hinweis:
Weine verschiedener Produzenten stehen oft schon mal nebeneinander und da sollte sich ein Etikett kreativ und doch ansprechend-simpel unterscheiden. Dazu gehört auch der Wiedererkennungswert. Um das am Etikett-Entwurf zu prüfen kannst Du Flaschen mit verschieden Etiketten nebeneinander stellen und die Gesamtheit bewusst in verschiedenen Graden unscharf abfotografieren. Wenn Du auf den Unscharfen Abbildungen Dein Etikett sofort wiedererkennst ist das ein sicherer Hinweis auf ein gutes Design. Im Grunde ist damit geklärt ob Dein Produkt auch schon aus der Ferne aus einem Sammelsurium heraus erkennbar ist.
Diese Distinktion eines Etikettes sollte natürlich auch die Weinstilistik hergeben und das selbstverständlich auf qualitativ hohem Niveau. Ansonsten lohnt der ganze Aufwand nicht und nutzt sich schnell ab oder kehrt sich sogar ins Negative um.
Die Etikette zu oft wechseln ist Mist. Daher sollte jeder Wechsel extrem gut überlegt/erwogen werden.
Wie auch immer ist das Etikett nun mal das Aushängeschild und sollte Deinem persönlichen Vorstellungen entsprechen. Wenn Du 10 verschieden Leute dazu befragst, bekommst Du 10 verschiedene Antworten. So ist das nun mal.
Beste Grüße aus Médoc
Stefan
Die Wahrheit liebt es, sich zu verstecken.
Offline
Benutzeravatar

weinguteser

  • Beiträge: 4
  • Bilder: 0
  • Registriert: So 5. Jul 2020, 21:20

Re: Wie wichtig ist euch das Etikett einer Weinflasche

BeitragMi 8. Jul 2020, 18:02

Herzlichen Dank für das wertvolle Feedback, auch von den "Wein-Nerds" ;-)
Ist natürlich aktuell keine so einfache Zeit und wir hoffen, dass der Absatz in den nächsten Monaten sich wieder etwas normalisiert. Ich werde über die weiteren Entwicklungsschritte an der Etikettenfront in unserem Hause berichten :)

lg_Chris
Offline

Gecko

  • Beiträge: 89
  • Registriert: Mi 9. Dez 2015, 10:35

Re: Wie wichtig ist euch das Etikett einer Weinflasche

BeitragDo 9. Jul 2020, 11:22

Hallo Chris,

ich möchte mich auch noch einmal kurz dazu äußern, da ich am letzten Wochenende gerade die Erfahrung gemacht habe, dass ein Etikett (anscheinend) doch entscheidend ist. Wir hatten Freunde eingeladen und aufgrund des warmen Wetters gegen Nachmittag einen Rosé geöffnet. Eigentlich wollte die Frau meines Freundes nichts trinken, aber das Etikett (!) hat sie dazu ermutigt (es war der Rosé "Purple Rose" von Castello di Ama).

Ähnliche Erfahrungen habe ich auch schon mit anderen Wein gemacht, wo das Etikett anscheinend "abschreckend" war (Castello Monsanto Riserva) und man nach Alternativen gefragt hat...

Ich habe mir euer neues Etikett mal angeschaut und würde, wie bereits von anderen hier angesprochen, dies eher im Supermarktumfeld vermuten. Ich selbst lege keinen Wert auf das Etikett, bin aber überzeugt, dass die Mehrheit oft danach auswählt.

Rein aus graphischer Perspektive gefallen mir schwarze Etiketten bei Rotweinen und weiße bei Weisweinen gut. Ich mag generell klare Strukturen, ein aufgeräumtes Erscheinungsbild. Wenn ich jetzt euer aktuelles Etikett "beurteilen" sollte, so gefällt mir das "lachende e" nicht ganz so gut.

Ein Beispiel, welches mir gefällt (und auch ein Wappen beinhaltet), ist das Etikett des Weingutes "Salvioni" (nicht meine Preisklasse). Der Brunello des Weingutes besitzt ein schwarzes Etikett, das Wappen und für mich sieht es einfach "edel" aus. Hätte ich keine Ahnung von Wein und die Flasche von euch und Salvioni würden im Regal nebeneinander stehen (gleiche Preisklasse vorausgesetzt), würde ich, wenn ich die Weine nicht kennen würde, wohl eher zu Salvioni geifen....

Viele Grüße
Chris
Viele Grüße,
Chris
Offline

Holzfass

  • Beiträge: 241
  • Registriert: Do 1. Mai 2014, 12:08

Re: Wie wichtig ist euch das Etikett einer Weinflasche

BeitragDo 9. Jul 2020, 21:42

Gecko hat geschrieben:Ähnliche Erfahrungen habe ich auch schon mit anderen Wein gemacht, wo das Etikett anscheinend "abschreckend" war (Castello Monsanto Riserva) und man nach Alternativen gefragt hat...

Ich finde das Etikett top. :D

Aber ich stehe eh auf Old School. Merkelbach? Genau mein Ding.

Phantasienamen schrecken mich eher ab. Sind vielleicht dann OK, wenn Reben, Lage und Herkunftsbezeichnung zumindest zusätzlich zu finden sind. Wobei, selbst dann brauche ich die eigentlich nicht. Einen Gewürzschlawiner müsste ich dekantieren.
Offline

Bradetti

  • Beiträge: 788
  • Registriert: Do 20. Nov 2014, 11:34
  • Bewertungssystem: Auf Benutzername klicken

Re: Wie wichtig ist euch das Etikett einer Weinflasche

BeitragSo 12. Jul 2020, 20:51

Also für mich zählt bei Weinen und Weingütern, die ich kenne, grundsätzlich natürlich auch eher der Flascheninhalt, aber wenn das Etikett dazu auch noch passt, so ergibt das ein schöneres Gesamtbild.
Etiketten, die ich als sehr gelungen bezeichnen würde:
Carl Ehrhard
J.B. Becker
Pieropan
Emrich Knoll
Durfort Vivens
Kongsgaard

Wenn ich Weingüter nicht kenne und das Etikett sagt mir nicht so zu, kaufe ich auch nicht, weil es mich in meiner Entscheidung eben doch beeinflusst (z.B Markus Schneider).
Offline

Bernd Schulz

  • Beiträge: 6567
  • Registriert: So 12. Dez 2010, 00:55

Re: Wie wichtig ist euch das Etikett einer Weinflasche

BeitragSo 12. Jul 2020, 22:32

Um es mal ehrlich zu sagen: Ich habe den ganz leisen Verdacht, dass es Chris als Starter dieses Threads letztlich weniger um die Etikettenfrage als um die Erweckung von Aufmerksamkeit für seinen Betrieb gegangen ist. Wobei ich diese Methode, Aufmerksamkeit zu erringen, auch nicht sehr verwerflich finde - gerade in der jetzigen Zeit haben es die meisten Weinbaubetriebe nun mal besonders schwer....

Konkret zum in Frage stehenden Etikett des einen von mehreren Eser-Weingütern kann ich mich nur der Mehrheit der vorherigen Schreiber folgend äußern: Eine solche Gestaltung verbinde ich zunächst mit einem Supermarktwein von sehr bescheidener Qualität. Hier besteht für meinen Geschmack großer Verbesserungsbedarf.

Und grundsätzlich gilt für mich, dass die sensorischen Qualitäten der hinter dem Etikett verborgenen Flüssigkeit für mich absolute Priorität vor der optischen Wirkung der Austattung haben. Bei einem guten Erzeuger akzeptiere ich auch grauenvolle Etiketten (die Karlsmühle in früheren Jahren ist dafür ein passendes Beispiel).

Aber dennoch bringt mir ein wunderbar traditionelles oder auf gelungene Art besonders abgefahrenes oder geschmackvoll nostalgisches Etikett einen gewissen (wenn auch bescheidenen) emotionalen Mehrwert. Beispiele dafür wären M. F. Richter (wunderbar traditionell), Pittnauer (besonders abgefahren) oder Merkelbach (einigermaßen :mrgreen: geschmackvoll nostalgisch). Letztlich spielen bei vielen ästhetischen Erfahrungen auch die Sinne, um die es eigentlich gar nicht geht, eine gewisse Rolle - in der Musik ist das nicht anders. Die Art und Weise, in der sich der Musiker bewegt, ist in Relation zum klingenden Ergebnis noch nicht einmal drittrangig, aber irgendeine hintergründige Wirkung findet dadurch trotzdem statt, insofern sich die Interpretation auch optisch nachverfolgen lässt.

Herzliche Grüße

Bernd
Zuletzt geändert von Bernd Schulz am So 12. Jul 2020, 22:58, insgesamt 2-mal geändert.
VorherigeNächste

Zurück zu Aktuelle Themen

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 28 Gäste

Impressum - Nutzungsbedingungen - Datenschutzrichtlinie - Das Team - Alle Cookies des Boards löschen

cron