Kleiner_Pirat hat geschrieben:Das ist alles richtig was Du sagst, dennoch haben die Franzosen es geschafft eine richtige Pyramide aufzubauen. Fast 50% der Menge ist dort g.g.A. Oder Vin de France, der Rest g. U. .
Hallo Andreas,
die Zahlen stimmen so, wenn man die Menge betrachtet - schaut man sich aber den
Wert an, machen die g.U.s zusammengenommen fast 80% aus. Aber schon richtig, wenn es um eine Qualitätspyramide geht, ist die Betrachtung der Volumina vielleicht relevanter als die des Geldwertes, soweit einverstanden.
Was allerdings nicht richtig ist: da wurde nichts "aufgebaut". Man hat lediglich ein seit sehr langer Zeit bestehendes System in eine EU-konforme Ausgestaltung migriert, d.h. im Ergebnis nichts anderes gemacht, als das, was man jetzt auch in Deutschland vorhat. Und der Begriff "Aufbau" passt auch insofern nicht, als dass seit geraumer Zeit genau das Gegenteil passiert.
Blickt man 40 Jahre zurück, liefen (volumenmäßig) damals deutlich weniger als 30% der französischen Weinproduktion unter einer AOC (= jetzt EU-rechtlich betrachtet g.U.). Der Rest war VDQS, Vin de Pays , oder schlicht Vin de France. Seitdem wurden in einem stetigen Prozess neue AOCs geschaffen - die früher durchaus umfangreiche Kategorie VDQS ist dabei bis auf ein paar mickrige Restbestände total verschwunden und in AOCs umgewandelt worden, und auch die früheren VdPs wurden ziemlich gerupft, indem Teilgebiete davon zu AOCs aufgestuft wurden. Dieser Prozess ist noch keineswegs beendet, d.h. der Anteil an g.U. vergrößert sich weiterhin auf Kosten der g.g.A. und der "weder-noch-Weine". Da wird keine Pyramide aufgebaut, sondern im Gegenteil abgeflacht bzw. sogar abgerissen. Vermutlich läuft auch in Frankreich in einigen Jahrzehnten das weitaus meiste, was produziert wird, unter einer g.U. .
Demnach müsste die Qualität des Deutschen Weins mit 95% g. U. überragend sein. Von daher kann hierzulande auf jeden Fall noch an der allgemeinen Qualitätspryamidenschraube gedreht werden.
Wenn man davon ausgeht, dass eine exakte und möglichst eng abgegrenzte Definition einer geographischen Herkunft in Verbindung mit der Festlegung von präzisen Vorschriften für die Erzeugung quasi automatisch ein qualitativ besseres Produkt ergibt (eine Prämisse, über die man übrigens lange diskutieren könnte), ist das natürlich ein Ärgernis. Aber so einfach lässt sich das nicht ändern.
Das immer noch gültige 71er Weingesetz ließ den Erzeugern zunächst nur die Wahl, entweder Tafelwein oder Qualitätswein erzeugen, wobei letztere Kategorie automatisch mit einer exakt abgegrenzten geographischen Herkunft verbunden war. Die Erzeuger haben sich fast vollständig für die Produktion von Qualitätswein entschieden, sicher auch, weil die Hürden dafür nicht sonderlich hoch waren.
Die Kategorie "Landwein", die in Deutschland anders als in Frankreich keinerlei Tradition hatte, ist dem Weingesetz erst später angeflanscht worden und wurde nie in großem Umfang angenommen. Es blieb fast alles beim Qualitätswein.
Wenn man jetzt einen relevanten Anteil der deutschen Produktion zu einer g.g.A. machen wollte (zum Beispiel mit einem Zielwert von 50% des Volumens), müsste man der Hälfte des in Deutschland produzierten Weins das Recht auf die Verwendung eines Lagennamens, einer Großlage, oder auch nur eines Ortsnamens entziehen, weil das alles Kategorien sind, die zwangsläufig unter eine g.U. fallen. All das müsste entweder Landwein werden, oder nur "Deutscher Wein".
Das geht aber nicht ohne weiteres. Man kann zwar gesetzlich Rechte einräumen (das ist durch das 71er Gesetz geschehen), kann aber diese Rechte nur dann wieder entziehen, wenn es dafür 1. einen
Rechtsgrund gibt und 2.
gerichtsfest ausformulierte Kriterien, nach denen bestimmt wird, welche Weine dann zum Landwein oder Deutschen Wein absteigen müssen. Ich sehe weder 1., noch eine halbwegs realistische Möglichkeit zur Ausgestaltung von 2. Jeder Versuch in dieser Richtung würde sofort vor Gericht landen, und es dürfte als sicher gelten, dass das Gesetz am Ende kassiert wird und damit der
status quo ante erhalten bleibt, was aber eben auch keine Option ist.
Die einzige (aber auch nur theoretische) Möglichkeit wäre es, den Gedanken einer Migration des 71er Gesetzes in eine EU-konforme Ausgestaltung aufzugeben,
tabula rasa zu machen, und ein wirklich komplett neues Weingesetz mit einer grundsätzlich anderen Gestaltung von Herkunftsbezeichnungen zu schaffen. Dabei könnte man dann auch gleich ein paar Mängel des 71er Gesetzes beseitigen. Das mag dem einen oder anderen auch als durchaus wünschenswert erscheinen, würde aber zunächst einmal auf den massiven Widerstand eines Großteils der Betroffenen stoßen. Selbst wenn man diesen Widerstand weitgend einfangen könnte (wobei ich nicht wüsste, wie das geschehen sollte), würde so ein Unterfangen aber viele Jahre dauern, vermutlich mehr als ein Jahrzehnt - und diese Zeit ist einfach nicht da, die Hütte brennt nämlich schon. Damit hätte man vor 15 oder 20 Jahren anfangen müssen, aber das hat man schlicht verpennt. Und so ist das, was man jetzt vorhat, leider tatsächlich weitgehend
alternativlos. Aber das kennen wir ja schon
Gruß
Ulli