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Kork: Immer ein ungenießbarer Wein?

Hohe Brisanz, kurzes Verfallsdatum
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weingeist

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Re: Kork: Immer ein ungenießbarer Wein?

BeitragDi 26. Nov 2019, 09:12

Wenn ich mir Eure Beiträge durchlese, stelle ich (jedenfalls für mich) fest, dass Ihr hier zwei Problemgruppen immer mehr miteinander vermischt.

Einerseits den Kork(ton) und andererseits (wenn man so will, vermeidbare) Weinfehler.

Beim Kork gibt es ja die unterschiedlichsten Ausprägungen, vom schleichenden Kork (da kann ich mir die Verwendung des Weins zum Kochen noch vorstellen) oder den, schon beim Öffnen oder im Glas entgegenspringenden Korkgeruch. Glücklich auch jeder, der einen Korkton mit Frischhaltefolie beseitigen kann. Muss ich direkt einmal ausprobieren, da könnte man gängige Lehrmeinungen zum Thema Kork wohl revolutionieren.... ;)

Weinfehler „passieren“ dem Winzer, sollten ihm aber nicht passieren. Da kommt die von Georg aufgezeigte Thematik der Sauberkeit (schon bei der Lese, beim Einbringen des Traubenguts, bei der Vinifizierung, bei der Abfüllung) zum Tragen. Mit Kork hat das aber nichts zu tun.

Für die geprüften Korken, welche von Erich angesprochen werden, wäre auch ich stark, wenn schon unbedingt Kork verwendet werden muss (negatives Beispiel dazu die Domäne Wachau, die glaubt, ihre Kunden beim Smaragd damit „beglücken“ zu müssen). Sonst bin ich bei Bernd, und plädiere für den Schrauber anstelle der Baumrinde, wobei, siehe oben, der Winzer genauso sauber arbeiten muss. Nur ist er dabei selbstverantwortlich und nicht einem Naturprodukt „ausgeliefert“.


P.S. Auch als Tierfreund würde ich den „nassen Hund“ oder die „nasse Katze“ weglassen. Beides kann erbärmlich stinken und beide Gerüche brauche ich beim Wein nicht… ;) ;) ;)
Liebe Grüße
weingeist
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olifant

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Re: Kork: Immer ein ungenießbarer Wein?

BeitragDi 26. Nov 2019, 10:31

weingeist hat geschrieben:... Glücklich auch jeder, der einen Korkton mit Frischhaltefolie beseitigen kann. Muss ich direkt einmal ausprobieren, da könnte man gängige Lehrmeinungen zum Thema Kork wohl revolutionieren.... ;)


... Empirisch untersucht, Ergebnis:
Geht so-la-la, die Aromen und das Gesamtbild bleiben streng und fehlerhaft "verschoben", der Wein tritt in jedem Falle nicht so auf wie man ihn kennt, falls man bereits saubere Flaschen davon hatte. Die ärgsten TCA-Fehltöne werden aber mit gewisser Einwirkzeit anscheinend weitgehend absorbiert.
D.h. man könnte in jedem Fall noch mit dem Wein kochen, meine Meinung - wobei nach meiner Erfahrung die TCA-Töne auch bei schwer versuchtem Wein nach dem (langen) Kochvorgang, z.B. Schmorgerichte, immer verschwinden. Zum Abschmecken eine kleinen Schuss kurz vor Kochende funktioniert hingegen bei "Kork" in keinem Fall.
Grüsse

Ralf

Die Zukunft war früher auch besser.
Karl Valentin
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UlliB

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Re: Kork: Immer ein ungenießbarer Wein?

BeitragDi 26. Nov 2019, 11:19

Bernd Schulz hat geschrieben:
Georg R. hat geschrieben:Auch damit wäre das Problem nicht vollständig beseitigt. Er müsste auch all die unsauberen Fässer säubern, die Reinigungsrückstände aus den Kellergerätschaften entfernen, mit Holzschutzmitteln belastete Kellergewölbe "rückbauen", dafür sorgen, dass die Weinpaletten ohne Rückstände sind etc...


Sorry, aber aus rein empirischen Gründen sehe ich das anders. ich weiß zwar, dass es auch bei mit Schrauber, Vinolok und Stainless Cap verschlossenen Weinen TCA-Fälle geben soll, aber ich weiß das nur vom Hörensagen her. In der Praxis ist mir so etwas noch nie untergekommen, und ich habe in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren weiß Gott nicht wenige Weine aus Flaschen mit alternativen Verschlüssen getrunken. Die TCA-Problematik ist hier im Vergleich zum Naturkorken offenbar so gering, dass sie auch von den Göttern getrost vernachlässigt werden kann....

Persönlich bin ich bislang nur in einem einzigen Fall mit Wein in Kontakt gekommen, der "korkverseucht" wirkt, aber bei dem die Ursache hierfür nicht der Korken ist. Das ist Chateau Ducru Beaucaillou (St. Julien 2eGCC), wo Ende der 80er gleich mehrere Jahrgänge durch ein im Keller verwendetes Holzschutzmittel kontaminiert wurden - hier wurde ein Brom-Analogon von TCA freigesetzt. Das Problem wurde schlussendlich dadurch gelöst, dass man mit enormem Aufwand im Keller das gesamte Holztragwerk herausgerissen und ersetzt hat. Einen ähnlichen Fall hat es wohl etwa zeitgleich in Kalifornien gegeben, ich meine bei Beaulieu - aber begegnet bin ich diesem Wein noch nie.

Ansonsten geht es mir wie Bernd: ich habe mittlerweile Hunderte Weine aus Flaschen mit alternativen Verschlüssen probiert. Da war natürlich nicht alles toll, und ein paar Flaschen waren auch fehlerhaft, aber einen Korkschmecker oder auch nur etwas, was daran erinnert, hatte ich da noch nie. Ich würde ebenfalls vermuten, dass die TCA-Problematik tatsächlich zu fast 100% durch fehlerhafte Korken verursacht wird.


Zur Frage, ob sich TCA "verkochen" lässt, haben wir vor einigen Jahren im Rahmen einer Bordeaux-Probe ein kleines Experiment gemacht. Leider hatten wir (wie bei älteren Bordeaux häufig) mal wieder einen heftigen "Korker" in der Probe (Léoville Barton 1996). Den haben wir in einen Kochtopf verfrachtet, zum Sieden gebracht und einige Minuten gekocht, und dann im Topf auf der Terrasse im Schnee wieder auf Trinktemperatur herabgesetzt. Ergebnis: was vorher noch an Frucht erkennbar war, war verschwunden, aber etwas war noch überaus deutlich zu riechen - TCA :twisted:

TCA hat nach Angaben in chemischen Tabellenwerken einen Siedepunkt von 132°C, und damit ist es auch unwahrscheinlich, dass es sich bei einer Kochtemperatur um die 100° abdestillieren lässt. Möglicherweise kann man es in einer Art einer Wasserdampfdestillation über sehr lange Zeit "ausschleppen", das müsste man probieren, aber da ist mir der Aufwand zu hoch.

Bei mir landet jeder Korkschmecker sofort in der Spüle. Im Laufe der Jahre ist da leider schon ein kleines Vermögen gelandet... :cry:

Gruß
Ulli
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Gerald

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Re: Kork: Immer ein ungenießbarer Wein?

BeitragDi 26. Nov 2019, 14:07

Hallo Ulli,

TCA hat nach Angaben in chemischen Tabellenwerken einen Siedepunkt von 132°C, und damit ist es auch unwahrscheinlich, dass es sich bei einer Kochtemperatur um die 100° abdestillieren lässt.


die 132 °C beziehen sich aber auf einen Druck von 37 hPa (Wikipedia), wahrscheinlich würde es sich bei Normaldruck vorher zersetzen. Nach Daumen-mal-Pi würde ich den Siedepunkt bei Atmosphärendruck auf ca. 200 °C schätzen, damit wundert es umso weniger, dass es beim Einkochen in der Sauce bleibt ;)

Grüße,
Gerald
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niers_runner

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Re: Kork: Immer ein ungenießbarer Wein?

BeitragDi 26. Nov 2019, 17:34

was mich aber beim Schrauber stört, dass das Dichtelement hier immer Kunststoff ist.

Beste Grüße

Peter
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Georg R.

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Re: Kork: Immer ein ungenießbarer Wein?

BeitragDi 26. Nov 2019, 18:33

Peter, auch die "Naturkorken" sind grösstenteils mit Silikon oder Paraffin beschichtet.

Unabhängig davon ist mir der Schraubverschluss lieber, auch bei höherwertigen Weinen.
Ich muss aber zugeben, dass dies ein Prozess war, der einige Jahre reifen musste.

Nostalgie, Gewohnheit, Tradition etc...und wenn ich mir vorstelle, einen alten Bordeaux mit Schraubverschluss..
da kommt dann immer noch der Nostalgiker hervor, trotz besseren Wissens.

Gruss
Georg
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Mark Twain
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niers_runner

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Re: Kork: Immer ein ungenießbarer Wein?

BeitragDi 26. Nov 2019, 19:28

Mittlerweile habe ich ja auch etliche Schrauber im Keller. Die werden alle stehend gelagert um keinen direkten Kontakt zum Kunststoff zu bekommen.

Beste Grüße

Peter
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Georg R.

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Re: Kork: Immer ein ungenießbarer Wein?

BeitragDi 26. Nov 2019, 22:27

Um die Ehre des Korkens ein klein wenig wieder herzustellen, folgender Link:

https://www.ingenieur.de/technik/forsch ... ammt-fass/

Ich denke, da ist schon was dran.


Gruss
Georg
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niers_runner

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Re: Kork: Immer ein ungenießbarer Wein?

BeitragDi 26. Nov 2019, 23:01

sehr interessant!
+1

Beste Grüße

Peter
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stollinger

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Re: Kork: Immer ein ungenießbarer Wein?

BeitragMi 27. Nov 2019, 00:51

Passend zum Thema. Eben im Restaurant leichten, schleichenden Kork gehabt. Ich war mir recht sicher, aber weil der Wein selbst für mich noch trinkbar war habe ich nichts gesagt. Als die zweite Flasche des selben Weins kam war es eindeutig. Mir wär das extrem peinlich gewesen, im Restaurant das Stereotyp von "der Wein korkt" zu bedienen; besonders als Eingeladener.
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