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Kapitaler Hirnschiss

Hohe Brisanz, kurzes Verfallsdatum
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C9dP

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Re: Kapitaler Hirnschiss

BeitragFr 19. Okt 2018, 23:29

Wenn eine ehemalige Weinkönigin und jetzige Ministerin nur auf Länderzuständigkeiten verweist anstatt Lösungen zu liefern sagt das auch einiges über die Person aus. Also auch CDU bei 4,9%. Die herrlichen Trauben schmeckten übrigens auch bei meiner Fahrradtour durch die Südpfalz letzte Woche extrem gut. Und die Kerne zeigten ebenfalls die Reife an. Sowas zu entsorgen ist lächerlich.

Und der Höfer ist eine Witzfigur.
Viele Grüße

Aloys
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Gerald

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Re: Kapitaler Hirnschiss

BeitragSa 20. Okt 2018, 07:36

Im konkreten Fall kann man bestimmt diskutieren. Aber grundsätzlich darf man eben nicht vergessen, dass die mengenmäßige Nachfrage nach Wein in den meisten Ländern eben sinkt und oft Überangebote vorhanden sind, die dann die Preise für die Produzenten endgültig ruinieren.

Vor einiger Zeit war eine Dokumentation über das Languedoc im TV - ein verzweifelter Winzer musste alle Trauben hängenlassen, da aufgrund hoher Ertragsmengen und übervoller Lager der Traubenpreis derart eingebrochen ist, dass ihn die Ernte alleine (Erntehelfer, Treibstoff etc.) schon mehr gekostet als die Trauben eingebracht hätten. Aber natürlich könnte man dann ja vom Staat Subventionen für einen Mindestabnahmepreis fordern ...

Traubensaft: ja OK, aber wenn eine ganze Weinbauregion ihre Übermengen zu Traubensaft verarbeitet, wer wird das kaufen?

Und zum zitierten Statement "Unsere Vorfahren würden uns verhauen, wenn sie sehen müssten, dass wir dank der Politik diese wertvolle und hohe Qualität nicht ernten dürfen, die uns die Natur nach zwei mageren Jahren geschenkt hat": genau dasselbe berichten viele qualitätsorientierte Winzer über ihre Eltern oder Großeltern, als diese schockiert mitansehen mussten, wie der Junior erstmals die vendange verte praktiziert hat :?

Grüße,
Gerald
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weingeist

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Re: Kapitaler Hirnschiss

BeitragSa 20. Okt 2018, 08:06

Nur so als Kurzinfo - Laut NÖ Landwirtschaftskammer liegen heuer die Traubenpreise mit 25 - 30 Cent/Kilo ca. 50% (sic!) unter dem Vorjahresniveau. Ausreißer nach oben gibt es lediglich bei bestimmten Spezialsorten.
Liebe Grüße
weingeist
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Gerald

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Re: Kapitaler Hirnschiss

BeitragSa 20. Okt 2018, 08:25

In der genannten Doku über das Languedoc wurde auch gesagt, dass Großbetriebe in der Region durch ihre niedrigeren Kosten sehr wohl ihre Ernte einbringen konnten. So gesehen helfen konsequente Ertragsbeschränkungen vielleicht auch gerade den kleineren Weingütern ...

Grüße,
Gerald
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Muellimov

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Re: Kapitaler Hirnschiss

BeitragSa 20. Okt 2018, 08:39

Gerald hat geschrieben:
Traubensaft: ja OK, aber wenn eine ganze Weinbauregion ihre Übermengen zu Traubensaft verarbeitet, wer wird das kaufen?



In 2017 lag in Deutschland der jährliche Pro-Kopf-Konsum von Traubensaft bei 1,2 Liter. Macht also ca. 100 Mio. Liter für die Gesamtbevölkerung. (https://de.statista.com/statistik/daten ... seit-2002/)

Der Konsum von Fruchsäften aller Art lag im gleichen Jahr bei 32 Liter. (https://de.statista.com/statistik/daten ... seit-2000/)

Somit beträgt der Anteil von Traubensaft nur grob 4%. Da besteht durchaus ein gewisses Wachstumspotential. Vor allem, wenn man mal auf den Geschmack gekommen ist und Winzertraubensaft gegen die kommerziellen Säfte verkostet hat. Natürlich ist der Traubensaft vom Winzer teuer, aber liefert auch entsprechenden Gegenwert. Wir sprechen ja auch über die reine Überproduktion, die als Saft vermarktet werden könnte. Und da stellt sich die Frage, wieviele Liter an zusätzlichem Traubensaft das denn überhaupt sind. Sicher würde der Preis nachgeben. Auf der anderen Seite wäre die Vermarktung von Winzertraubensäften auch ein gewisses Aushängeschild für Winzerbetriebe generell, selbst wenn solche Säfte aus Rationalisierungsgründen aller Art genossenschaftlich oder von Großabfüllern vermarktet würden.

Der Vergleich mit einer grünen Lese ist aus meiner Sicht auch nicht ganz legitim. Beide Typen von Winzern, sowohl der qualitäts-, als auch der quantitätsorientierte Winzer bedienen eine bestimmte Klientel. Und die Klientel, die nur über Menge aufgrund der Preissensitivität wirtschaftlich bedient werden kann, ist halt eben deutlich in der Mehrzahl.
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Gerald

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Re: Kapitaler Hirnschiss

BeitragSa 20. Okt 2018, 08:52

Somit beträgt der Anteil von Traubensaft nur grob 4%. Da besteht durchaus ein gewisses Wachstumspotential. Vor allem, wenn man mal auf den Geschmack gekommen ist und Winzertraubensaft gegen die kommerziellen Säfte verkostet hat.


ja, nur gibt es Traubensaft fast seit Ewigkeiten am Markt und die Nachfrage ist eben nicht höher. Wie soll man das Wachstumspotenzial wecken? Mit millionenteuren Werbekampagnen?

Für meinen Geschmack zumindest kann auch Traubensaft nicht im entfernsten mit einem echten Apfelsaft mithalten, letzterer hat viel mehr Aroma (beim Wein wird ein wesentlicher Teil der Aromen ja erst bei der Gärung freigesetzt) und auch das Süß/Säurespiel gefällt mir wesentlich besser.

Wenn der im Ursprungsbeitrag zitierte Winzer die überschüssigen Trauben zu Traubensaft verarbeitet hätte, würde er wohl das nur einmal machen (da er die nicht verkäuflichen Flaschen dann nach ein paar Jahren ohnehin entsorgen müsste).

Grüße,
Gerald
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Muellimov

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Re: Kapitaler Hirnschiss

BeitragSa 20. Okt 2018, 09:29

Er könnte es ja mal versuchen.

Herr Lukas aus dem Artikel plädiert ja für Überlagerung des Weins. Das bedeutet ja nichts anderes als Verwendung der Überproduktion im Folgejahr. Begründung: "An der Ahr und am Mittelrhein sei es schließlich erlaubt." Dabei übersieht er allerdings geflissentlich, dass für "Nahe/Rheinhessen/Pfalz" gemäß aktuellem Weinrecht und dem für diese Regionen geltenden Qualitätsstufenmodell die Grenzen für Qualitätswein bei 105 hl/ha, für Landwein und Deutschen Wein bei 150 hl/ha und für Grundwein sogar bei 200 hl/ha liegen. Sie sind damit deutlich höher als bei dem an der Ahr und Mittelrhein geltenden Ein-Wert-Modell, welches eine Überlagerung von 20% erlaubt. Die Grenzwerte für Ahr sind dabei generell 100 hl/ha, für Mittelrhein 105 hl/ha.
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Desmirail

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Re: Kapitaler Hirnschiss

BeitragSa 20. Okt 2018, 09:44

Allegro hat geschrieben:Kann mich jemand über den Sinn dieses seltsamen Gesetztes aufklären, dass die Trauben nicht einmal zu Saft oder sonstwie verarbeitet werden dürfen ? :? Das ist ja wohl ein Unding .... :shock:



Eben, das ist der Skandal, und das ist IMHO nicht akzeptabel!

Wir kriegen die Welt schon kaputt, ganz bestimmt! :evil:
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Gerald

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Re: Kapitaler Hirnschiss

BeitragSa 20. Okt 2018, 09:48

Dabei übersieht er allerdings geflissentlich, dass für "Nahe/Rheinhessen/Pfalz" gemäß aktuellem Weinrecht und dem für diese Regionen geltenden Qualitätsstufenmodell die Grenzen für Qualitätswein bei 105 hl/ha, für Landwein und Deutschen Wein bei 150 hl/ha und für Grundwein sogar bei 200 hl/ha liegen. Sie sind damit deutlich höher als bei dem an der Ahr und Mittelrhein geltenden Ein-Wert-Modell, welches eine Überlagerung von 20% erlaubt. Die Grenzwerte für Ahr sind dabei generell 100 hl/ha, für Mittelrhein 105 hl/ha.


wer übrigens hier jetzt Österreich als "Insel der Seligen" sieht, sollte nicht vergessen, dass die Höchsterträge pro Hektar deutlich niedriger als in D sind.

Aus der ÖWM-Website zitiert:

Die Hektarhöchstertragsmenge in Österreich beträgt 9.000 kg/ha Weintrauben oder 6.750 l/ha Wein.

Nach Umstellung des Rebflächenverzeichnisses auf die inhaltlichen Anforderungen des integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems wird die Hektarhöchstmenge 10.000 kg Weintrauben oder 7.500 l Wein betragen. Bis zur Umstellung des Rebflächenverzeichnisses auf die inhaltlichen Anforderungen des integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems kann der Landwirtschaftsminister auf Antrag des Nationalen Weinkomitees die Hektarhöchstmenge für die Ernte eines Jahres durch Verordnung um bis zu 20 % senken oder erhöhen, falls dies die klimatischen oder weinwirtschaftlichen Rahmenbedingungen für dieses Jahr erfordern.

Wird mehr produziert, muss die gesamte Menge als Wein ohne Herkunft deklassiert werden. Diese Grenze gilt für alle Weine, wie Qualitätswein/herkunftstypischer Qualitätswein (DAC), Landwein, Wein ohne Herkunft mit Angabe von Sorte und Jahrgang, nicht aber für Weine ohne geschützte Ursprungsbezeichnung oder geografische Angabe ohne Sorten- und Jahrgangsbezeichnung.


Grüße,
Gerald
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Muellimov

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Re: Kapitaler Hirnschiss

BeitragSa 20. Okt 2018, 10:49

Das ist richtig, Gerald. Und das ist auch noch ein gewichtiger Punkt, den man für die Einhaltung einer strikten Limitierung anwenden kann. Denn die Höchstmengengrenze dient ja nicht alleine dazu, dass die EU nicht mit Alkohol geflutet wird, sondern auch der "Sicherstellung" einer Mindestqualität. Wären die Grenzwerte nicht da bzw. könnten mit der zusätzlichen Produktion von Traubensaft umgangen werden, dann wären auch die Mindestmaßstäbe für den vorangegangen Wein nicht erfüllt. Jetzt mag jemand einwerfen, dass in Einzelfällen Menge und Qualität nicht korreliert, aber das sind eben nur Einzelfälle.

Mein erster Gedanke war auch: warum keinen Traubensaft? Aber nach etwas Nachdenken würde ich jetzt auch Grenzwerte definieren und die auch strikt einhalten lassen. Man kann sich ja im Vorfeld Gedanken machen, wieviel Wein und wieviel Traubensaft man grob erzeugen will. Darüberhinaus muss man sich auch immer vor Augen halten, dass Wein kein Lebensmittel im eigentlich Sinne ist, auch wenn so mancher hier im Forum das vielleicht anders sieht. :D Aber der originäre Verwendungszweck der Keltertrauben ist nunmal die Produktion von Wein und nicht von Traubensaft.
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