Aktuelle Zeit: Sa 27. Apr 2024, 14:28


Naturweinprobe

Hohe Brisanz, kurzes Verfallsdatum
  • Autor
  • Nachricht
Offline
Benutzeravatar

UlliB

  • Beiträge: 4538
  • Registriert: Mo 6. Dez 2010, 19:27

Re: Naturweinprobe

BeitragMi 8. Aug 2012, 10:18

Birte hat geschrieben: Die Anspielung auf die Bordeaux Chemie Fabrik war nicht nur ein Scherz. Mich würde es schon interessieren, ob dort mehr Pestizide und so weiter verwendet werden.


Hallo Birte,

wie Gerald schon gesagt hat, ist Bordeaux das größte zusammenhängende Weinbaugebiet der Welt - mit rund 120.000 Hektar ist die Rebfläche dort um rund 20% größer als die aller deutschen Anbaugebiete zusammen genommen. Da kommt natürlich alleine durch die Größe schon einiges zusammen.

Ob im Bordelais flächenbezogen mehr Chemie eingesetzt wird als in anderen Gegenden, kann ich nicht sagen (ich habe auf die Schnelle hierzu keine brauchbare Statistik gefunden); ich könnte es mir aber durchaus vorstellen:

- klimatisch betrachtet befindet sich das Bordelais in einer durchaus heiklen Randlage; die Reben stehen z.T. nur wenige Kilometer von der Biscaya entfernt, und ausgesprochen nasse und das Pilzwachstum fördernde Wetterbedingungen sind hier häufig;
- im Bdx-Rebsatz gibt es keine pilzresistenten Rebsorten.

Hinzu kommt, dass bis vor wenigen Jahren der Bioweinbau im Bordelais so gut wie gar keine Rolle gespielt hat. Das ändert sich aber gerade rapide, und insbesondere der enorme Erfolg der biodynamischen Bewirtschaftung von Ch. Pontet-Canet scheint eine regelrecht erdrutschartige Bewegung auszulösen. Mittlerweile ist es jedenfalls kein Problem mehr, Bordeaux von zertifizierten Bioweingütern zu bekommen, und der Anteil biologisch wirtschaftender Erzeuger wächst laufend. Insofern bin ich ziemlich sicher, dass auch der Chemieeinsatz im Bordelais drastisch rückläufig ist.

Die Bemerkung im Noma-Artikel buche ich mal unter eine derzeit absolut angesagte Modeerscheinung: Bordeaux-Bashing. Es vergeht kaum ein Tag, wo nicht irgendwo mit mehr oder weniger qualifizierten Argumenten auf Bordeaux draufgehauen wird, warum auch immer. Sonderlich ernst nehmen tu ich das nicht.

Gruß
Ulli
Offline
Benutzeravatar

Birte

Administrator

  • Beiträge: 3125
  • Bilder: 15
  • Registriert: Di 25. Jan 2011, 22:28

Re: Naturweinprobe

BeitragMi 8. Aug 2012, 10:58

Hallo Uli,

vielen Dank für die ausführliche Antwort. Wenn jemand diesen Vorwurf erhebt und sich an der gesamten Anbaufläche orientiert, ist das natürlich kompletter Käse. Anfällige Rebsorten und Klima sind natürlich ein Argument. Interessant, dass der Bioweinbau so zugenommen hat, das war mir nicht bekannt. Die "größte Chemiefabrik" aus dem NOMA Artikel verbuche ich vorerst unter "Volksverhetzung".
Offline

MichaelWagner

  • Beiträge: 801
  • Registriert: Mi 8. Aug 2012, 14:29
  • Bewertungssystem: Auf Benutzername klicken

Re: Naturweinprobe

BeitragMi 8. Aug 2012, 15:59

Ich frage mich wann das Märchen vom sulfitfreien Wein ein Ende nimmt. Gibt es nicht - auf der ganzen Welt nicht - nein, nicht einmal eine einzige Flasche. Ich frage mich auch was an Sulfit so schlimm sein soll (OK, es sei denn man gehört zu den 0,01% der Menschheit, die allergisch reagieren, obwohl auch hierfür jeglicher Nachweis fehlt).
Der menschliche Körper bildet jeden Tag aufs neue 2000-3000 mg Sulfite aus Nahrungseiweissen, die er einfach ausscheidet. Das entspricht in etwa der Menge von 20-30 Flaschen Wein, die man dann tagtäglich trinken müsste - man würde wohl nicht am Sulfit verenden...
Ebenso regt mich die unsinnigen Statements auf, große Konzerne würden weniger "Chemie" einsetzen als "kleine Winzer", da diese mehr auf die Kosten achten müssten.
Große Konzerne beziehen den Wein, den die "kleinen Winzer" Ihren Kunden nicht anbieten wollen, Tankzugweise schütten Ihn in einen großen Füll-Tank, rühren um, füllen ab und kleben emotions-schwangere Etiketten drauf. Um ein Lebensmittel wie Wein über diese durchaus langwierige Transportkette überhaupt einigermaßen am Leben zu halten ist wesentlich mehr Chemie nötig als mancher von Ihnen weiß oder gar wissen will. Angesprochene Meßtechnik: Weine, ab der Stufe Qualitätswein werden von staatlich anerkannten Laboratorien untersucht um überhaupt zugelassen zu werden. Ganz egal wie groß Ihr Unternehmen ist - alles mit der gleichen Technik.
Sie können bei einem Winzer, der vernünftig mit der Natur wirtschaftet (und das machen vor allen Dingen die sogenannten "kleinen" Winzer, weil es zeit- & arbeits- & kostenintensiv ist und daran hat kein Konzern Interesse) mit Sicherheit die natürlichsten Weine der Welt trinken.
Wenn man keine Ahung hat, fragt man besser erstmal nach und vermutet nicht in aller Öffentlichkeit das Blaue vom Himmel und redet dabei einen ganzen Berufsstand schlecht. Ich melde mich auch nicht in einem Forum für Nuklearmedizin an und schreibe, dass der Röntgenapparat die ganze Welt verstrahlt...
wenns läuft, dann läufts. Aber bis es läuft, dauerts...
Offline
Benutzeravatar

Gerald

Administrator

  • Beiträge: 7488
  • Bilder: 32
  • Registriert: Do 24. Jun 2010, 08:45
  • Wohnort: Wien
  • Bewertungssystem: Auf Benutzername klicken

Re: Naturweinprobe

BeitragMi 8. Aug 2012, 16:24

Hallo Michael,

willkommen im Forum, freut mich sehr, dass wieder einmal ein Winzer bei uns vorbeischaut.

Der menschliche Körper bildet jeden Tag aufs neue 2000-3000 mg Sulfite aus Nahrungseiweissen, die er einfach ausscheidet.


na ja, man darf aber nicht vergessen, dass der menschliche Körper ja nicht einfach ein großer Kessel ist, sondern in viele Zellen und Organellen unterteilt ist. Und das beim Aminosäurenabbau gebildete Sulfit wird ja an Ort und Stelle (soweit ich weiß sind das die Mitochondrien) gleich in das völlig harmlose Sulfat weiteroxidiert, dieses wird dann mit dem Urin ausgeschieden. Ein Vergleich mit 2000-3000 mg Sulfit in der Nahrung (oder dem Wein) ist daher wohl nicht ganz statthaft. Ich möchte jedenfalls nicht 2-3 g Sulfit an einem Tag mit der Nahrung aufnehmen. Der ADI (acceptable daily intake) Wert von 0,7 mg/kg Körpergewicht wäre da bei einem 75 kg - Mann jedenfalls um das 40 bis 60-fache überschritten :o

Grüße,
Gerald
Offline
Benutzeravatar

Birte

Administrator

  • Beiträge: 3125
  • Bilder: 15
  • Registriert: Di 25. Jan 2011, 22:28

Re: Naturweinprobe

BeitragMi 8. Aug 2012, 16:35

Herzlich willkommen! Ich bin ein wenig irritiert. Im Laufe der Diskussion hier ist von mehreren Teilnehmern, auch von mir, betont worden, dass wir kein Sulfit fürchten. Es kam auch schon mehrfach zur Sprache, dass es sich um sulfitarme und nicht um ganz sulfitfreie Weine handelt. Wo die Grenzen bei vin naturel liegen haben wir versucht herrauszufinden. Das ist etwas unterschiedlich, da vin naturel wie schon oft erwähnt kein Gütesiegel hat. Es gibt diese Weine und es wird zur Zeit oft darüber gesprochen. Wir möchten gemeinsam mehr darüber erfahren und uns darüber austauschen wie sie uns schmecken. Und das möchten wir wie immer mit Freude an den unterschiedlichen Ansichten und Humor tun.

Herzliche Grüße
Birte
Offline
Benutzeravatar

Gerald

Administrator

  • Beiträge: 7488
  • Bilder: 32
  • Registriert: Do 24. Jun 2010, 08:45
  • Wohnort: Wien
  • Bewertungssystem: Auf Benutzername klicken

Re: Naturweinprobe

BeitragMi 8. Aug 2012, 16:41

Ach ja, noch

Ich frage mich wann das Märchen vom sulfitfreien Wein ein Ende nimmt. Gibt es nicht - auf der ganzen Welt nicht - nein, nicht einmal eine einzige Flasche.


wie üblich bei analytischen Fragestellungen gibt es kein "völlig frei von xxx", sondern man kann nur einen Vergleich mit einem Grenzwert ziehen. Wenn man den Grenzwert für "enthält Sulfite" (10 mg/l) betrachtet, dann dürfte es doch einige Weine geben, die diesen Grenzwert unterschreiten. Und genau diese wollen wir ja hier probieren und feststellen, ob sie uns schmecken ;)

Grüße,
Gerald
Offline

MichaelWagner

  • Beiträge: 801
  • Registriert: Mi 8. Aug 2012, 14:29
  • Bewertungssystem: Auf Benutzername klicken

Re: Naturweinprobe

BeitragMi 8. Aug 2012, 16:43

hier musste der Winzer einschreiten:)

sagte ich ja, wird ausgeschieden und weg isser der Schwefel. Man hat meines Wissens nach mittags um 12 Uhr schon mehr SO2 eingeatmet (endogenes SO2 aus der Luft) als der ADI zulässt.

Birte: mein Beitrag richtete sich in erster Linie an "UlliB", der hier einige Statements abgedruckt hat, bei denen mein Humor leider in der Mosel tauchen geht - sowas kann und will ich einfach nicht unkommentiert lassen.

nix für ungut und Prosit!
wenns läuft, dann läufts. Aber bis es läuft, dauerts...
Offline
Benutzeravatar

Birte

Administrator

  • Beiträge: 3125
  • Bilder: 15
  • Registriert: Di 25. Jan 2011, 22:28

Re: Naturweinprobe

BeitragMi 8. Aug 2012, 16:49

Ich gehe davon aus, dass Ulli B. dazu noch Stellung beziehen wird.

Prosit!
Offline

MichaelWagner

  • Beiträge: 801
  • Registriert: Mi 8. Aug 2012, 14:29
  • Bewertungssystem: Auf Benutzername klicken

Re: Naturweinprobe

BeitragMi 8. Aug 2012, 16:51

Hallo Gerald,

glaube mir, ein Wein unter 10mg/ltr SO2 wird Eure Weinprobe leider nur in Form von Essig erreichen - es sei denn es sind andere Stoffe zur Konservierung eingesetzt worden, aber das hat dann mit "natürlich" rein garnix mehr zu tun.

Einzige Chance auf schwefelfreien Wein (zumindest ohne zugesetzten Schwefel, denn eine bestimmte Menge liegt von Natur aus schon vor): komm in der ersten Woche nach Gärende in den Keller zur Verkostung. danach wirds wieder schwierig:)

Gruß!
wenns läuft, dann läufts. Aber bis es läuft, dauerts...
Offline
Benutzeravatar

Gerald

Administrator

  • Beiträge: 7488
  • Bilder: 32
  • Registriert: Do 24. Jun 2010, 08:45
  • Wohnort: Wien
  • Bewertungssystem: Auf Benutzername klicken

Re: Naturweinprobe

BeitragMi 8. Aug 2012, 16:57

sagte ich ja, wird ausgeschieden und weg isser der Schwefel.


na ja, beim SO2 in Wein o.ä. ist es leider nicht so einfach. Denn bis es zur Sulfitoxidase kommt, die es ins harmlose Sulfat umwandelt, kann das Sulfit schon einiges anstellen. Beim Sulfit aus dem Aminosäureabbau hingegen wird es sofort nach Entstehung oxidiert.

Der Vergleich ist so wie wenn man sagt: Die Kolben im Motor meines Autos halten 1000 °C Verbrennungstemperatur aus, daher ist diese Temperatur in der Fahrgastzelle auch kein Problem ;)

Man hat meines Wissens nach mittags um 12 Uhr schon mehr SO2 eingeatmet (endogenes SO2 aus der Luft) als der ADI zulässt.


Sorry, da muss ich auch widersprechen. Der MAK-Wert (maximale Arbeitsplatzkonzentration) von SO2 beträgt 1,3 mg/m3. Bei einem durchschnittlichen Atemminutenvolumen von 8 Liter pro Minute ergibt das nach Adam Riese ungefähr 15 mg SO2 pro Tag. Und davon wird bestimmt auch nicht alles aufgenommen, sondern ein Teil wieder ausgeatmet.

Grüße,
Gerald
VorherigeNächste

Zurück zu Aktuelle Themen

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 55 Gäste

Impressum - Nutzungsbedingungen - Datenschutzrichtlinie - Das Team - Alle Cookies des Boards löschen