Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Hohe Brisanz, kurzes Verfallsdatum
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pivu
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Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von pivu »

Zu dem Thema hab' ich mir seit Herbst immer und immer wieder Gedanken gemacht, wollt' sie längst "zu Papier" bringen, kam aber nie dazu. Schließlich geht es um nichts anderes als die Identität des deutschen Spitzenweins diesseits irgendwelcher Prädikate. Jedenfalls freu' ich mich auf die Diskussion zu genau diesem Thema während der Weinbörse in genau 7 Tagen.

Soviel vorab: IMO ein Grundproblem ist, gerade in einem föderalistischen Staat wie Deutschland eine gesamtdeutsche Regelung über alle Weinbauregionen finden zu wollen. Das klappte bis heute nicht, nicht nur aufgrund unterschiedlicher Bezeichnungen (GG vs EG vs 1. Lage), auch aufgrund unterschiedlicher Qualitäten und Ansprüche daran (Württemberg vs Nahe, ohne despektierlich sein zu wollen), und wird in der Zukunft noch viel weniger klappen. I.ü. frage ich mich ohnehin, ob nicht Begriffe wie Rheingau oder Mosel bei Weininteressierten einen höheren Stellenwert haben als Deutschland? Man stelle sich vor, in Frankreich (mit dessen Wasserkopf Paris) bastelt man an einer gemeinsamen Regelung von Strassburg bis Toulouse, zu Lasten von Bordeaux oder Burgund.

Im Grunde finde ich die Idee mit "Parzellen" gut, wenn sie a) wiedererkennbar sind, bzw. der Winzer dazu in der Lage ist, und b) es sich um historische Bezeichnungen handelt. Insofern ist diese Idee nicht neu, nur passt sie halt nicht in jeder Region.

Ciao
Peter
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octopussy
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Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von octopussy »

AS Maurer hat geschrieben: Zum Thema Preis, ganz ehrlich ich kann diese sehr polemischen Kommentare zur Preisentwicklung nicht nachvollziehen. Wenn Winzer es tatsächlich schaffen mit schlechten Weinen und überhöhten Preisen ihren Kunden das Geld aus den Taschen zu ziehen, dann soll man doch froh sein, dass man selbst diesen Trick durchschaut und nicht auf solche Winzer hereinfällt. Warum muss man dann immer Kunden, die bereit sind das Geld zu zahlen gleich Dummheit vorwerfen und den Winzern Bösartigkeit unterstellen. Ob ein Preis gerecht ist zeigt sich schlicht daran ob der Winzer den Wein zu diesem Preis verkaufen kann und ob es Kunden gibt, die bereit sind diesen Preis zu zahlen. Warum kann man da nicht einfach mal darüberstehen und selbst günstige trockene Spätlesen kaufen, wenn man meint diese sind besser als GGs.
Hallo Armin,

volle Zustimmung meinerseits zu Deinen oben zitierten Worten zur Preisdiskussion.

Zur Klassifikations-Diskussion:

1. Ich denke, dass Konstanz jetzt besonders wichtig wäre. Man kann nicht alle paar Jahre neue Bezeichnungen einführen und glauben, dass die Konsumenten v.a. im Ausland die Geduld haben, sich immer wieder neu zu orientieren.
2. Den "Lagenverbrauch" fände ich nicht gut. Das wäre zu stark auf das Große Gewächs als Premium-Kategorie zugeschnitten.
3. Die Idee mit der Wiedereinführung der Gewannen-/Parzellennamen fände ich auch nicht gut. Das würde sehr unübersichtlich werden.
4. Meines Erachtens sollte die Bezeichnung mit Gewannen-/Parzellennamen zusätzlich zur Einzellage optional möglich sein. Im Übrigen denke ich, dass die deutschen Spitzenwinzer eigentlich so viel Selbstvertrauen haben sollten, dass bspw. ein H.J. Rebholz seine Weine aus dem Siebeldinger im Sonnenschein zu höheren Preisen verkaufen kann als weniger bekannte Güter mit Parzellen in der gleichen Lage. Ich würde denken, dass Konsumenten deutschen Weins (gerade aus dem Ausland) stärker nach dem Erzeuger gehen als nach der Lage, wobei die Lage das zweitwichtigste Kriterium ist.
5. Ich denke, dass man mit der ein oder anderen Ungerechtigkeit oder Ungenauigkeit immer wird leben müssen.
6. Was Pivu zu den regionalen Unterschieden sagt, sehe ich auch so. Nahe, Pfalz und Rheinhessen kann man vielleicht bezeichnungsmäßig zusammenfassen. Aber in Franken, Baden und Württemberg sind wegen der größeren Rebsortenvielfalt vielleicht wieder andere Bezeichnungen gefragt. An der Mosel sollte man m.E. gar nicht so viel ändern. Da scheint sich die Lagenklassifikation und -bezeichnung nach meinem Empfinden eigentlich ganz gut eingependelt zu haben. Zum Rheingau habe ich irgendwie gar keine Idee.
Beste Grüße, Stephan
AH.
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Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von AH. »

Hallo Armin,

noch kurz zu diesem OT-Strang:

Warum muss man dann immer Kunden, die bereit sind das Geld zu zahlen gleich Dummheit vorwerfen und den Winzern Bösartigkeit unterstellen. Ob ein Preis gerecht ist zeigt sich schlicht daran ob der Winzer den Wein zu diesem Preis verkaufen kann und ob es Kunden gibt, die bereit sind diesen Preis zu zahlen.

Das kann man so sehen, jedoch teile ich diese Auffassung nicht und halte dies für eine Fehlentwicklung der Marktwirtschaft. Und zwar in Anbetracht der Tatsache, daß es Menschen gibt, die nicht zu Essen haben, nicht zur Schule gehen oder nicht geimpft sind. Wer sein Geld für (über)teure Weine ausgibt, entzieht es auch jenen, die es dringend benötigen. Im Geldausgeben liegt m.E. eine Verantwortung.
Und wenn hier aus dem Forum jemand eine Flasche Wein für 100 € aufmacht, sollte er sich stets darüber klar sein, daß für z.B. 75 € keine Kinder geimpft wurden und er sollte sich fragen, ob ihm das die Sache Wert ist. Die Entscheidung bleibt selbstverständlich jedem selbst überlassen und ich verurteile niemanden, wenn er sich für den Wein entscheidet. Auch ich werde mir selbst nicht immer gerecht.

Gruß

Andreas
Bernd Schulz
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Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von Bernd Schulz »

Und zum Thema GG vs EG, da kann der VDP nun gar nichts dafür, in Hessen hat der Gesetzgeber im Gegensatz zu allen anderen Regionen die EGs selbst definiert, deshalb heißen die Weine da EG und nicht GG. Dafür können in Hessen auch nicht VDP-Weingüter EGs machen.
Zum einen ist "der Gesetzgeber" in unserem Land keine Gottheit, die jenseits von Gut und Böse auf Wolke sieben sitzt. Zum anderen hätte der VDP die GGs auch überall anders einfach EGs nennen können - mit dem kleinen Problem, dass es im Rheingau dann eben auch EGs von Nichtmitgliedern gegeben hätte. Aber angesichts der Tatsache, dass gerade in diesem Anbaugebiet viele VDP-EGs ihren Namen eigentlich nicht verdient haben.... :evil:

Beste Grüße

Bernd
BuschWein
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Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von BuschWein »

off-topic@Andreas

Wahrscheinlich werden wir da nie zu einer Einigung kommen, ich halte eher weniger von Almosen, sprich Spenden, denn etwas anderes sind solche Gaben ja nicht. Zum anderen kann ich nicht erkennen wo man da die Grenze zieht, darf man noch einen VW Passat fahren oder ist beim Dacia die ethische Obergrenze erreicht? Ab welcher Zimmerzahl ist ein eigenes Haus noch moralisch tragbar, wann ist es Prasserei. Ist ein Goldring ethisch ok, bzw. bis zu welcher Ringstärke ist das ok? Darf man Fußballschuhe für sein Hobby kaufen die auch über 100,00 EUR kosten? Sind Markenjeans ethisch tragbar? Tut mir leid, ich traue mir da keine Entscheidung zu.

Eine solch pietistische Einstellung ist mir als ehemaliger Katholik suspekt.

Übrigens würde ich auch nur in ganz extremen Ausnahmesituationen einen Wein kaufen, der mehr als 50,00 EUR kostet, das müsste etwas ganz besonderes sein, was mich sehr, sehr interessiert. Auch ich bin der Meinung, dass die Qualität eines Weins keinen höheren Preis als 25,- bis 35,- EUR rechtfertigt. Allerdings gibt es durchaus Winzer die einen höheren Aufwand treiben, die Frage ist ob dieser sinnvoll ist.

@Bernd
Ich habe ja auch ein wenig Sympathie zum alten Spontispruch, "legal, illegal, s c h e i ßegal", aber gerade im Weinrecht sollten die Winzer eher vorsichtig sein, dass sich ein Verband gegen den Gesetzgeber stellt kann man wirklich nicht erwarten. Für mich ist die aktuelle Situation aber auch nicht so kompliziert und unverständlich GGs heißen im Rheingau EGs und können dort auch von nicht VDP-Winzern kommen. Und "1. Lage" sind solche Lagen aus denen GGs oder EGs gekeltert werden können, vom VDP besteht der Wunsch dass solche Lagenbezeichnungen dann für keinen weiteren trockenen Wein mehr verwendet werden (=Lagenverbrauch) bei den süßen Prädikaten können alle Prädikate mit der Lagenbezeichnung (auch "1. Lage") auf den Markt kommen.

Ich weiß nicht was an dieser Regelung kompliziert und schwer verständlich ist?
Armin
www.gutsweine.com

Dumme Menschen machen immer den gleichen Fehler, intelligente immer Neue ;)
AH.
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Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von AH. »

Hallo Armin,

nochmal zum OT:

Solange es Menschen gibt, denen mit Almosen geholfen werden kann, halte ich viel von Almosen. Sicher wäre es wünschenswert, wenn die Menschheit diesen Zustand überwinden würde, aber das ist bisher objektiv nicht der Fall.

Zum anderen kann ich nicht erkennen wo man da die Grenze zieht (...) ich traue mir da keine Entscheidung zu.

Die Fragen, die Du stellst, sind m.E. alle berechtigt. Ich denke, wir sollten darüber nachdenken und müssen uns entscheiden - bei jeder Geldausgabe. Sich keine Entscheidung zutrauen, geht einfach nicht. Jede Geldausgabe ist nämlich eine Entscheidung. Unübliche Entscheidungen sind bei Nachdenken möglich, ich trage z.B. statt Markenjeans maßgeschneiderte Hosen, fahre aber einen Kleinwagen, der meinen Mobilitätsbedürfnissen vollauf genügt ;)

Auch ich bin der Meinung, dass die Qualität eines Weins keinen höheren Preis als 25,- bis 35,- EUR rechtfertigt.

Bei Einzelhandelspreisen sehe ich das ähnlich, sofern es keine edelsüßen Weine sind o.ä. Und ich habe z.B. sogar im Bordelais im Rahmen von 20 € bis 35 €, oft sogar bis 25 € regelmäßig Spitzenqualität gefunden.

Gruß

Andreas
mundschenk
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Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von mundschenk »

Hallo liebe Forumsmitglieder,

die Diskussion hat ja mächtig Fahrt aufgenommen!

Auch ich bin prinzipiell der Meinung, dass die Einführung der Grossen Gewächse sinnvoll war und zu höheren Weinqualitäten, zu höheren Durchschnittserlösen bei den VDP-Winzern und zu einem höheren Ansehen des deutschen Weines im Ausland geführt hat. Bei einem vernünftigen Preisniveau fällt es den Winzern natürlich leichter, die Erträge zu reduzieren, eine aufwendige Weinbergsarbeit zu betreiben und die Risiken einzugehen, die für die Erzeugung besonderer Weine nötig sind.

Keine Frage, viele der Grossen Gewächse des VDP gehören zu den besten Weinen die hierzulande erzeugt werden und das Preis-Leistungs-Verhältnis ist für viele dieser Weine durchaus angemessenen. Nichtsdestotrotz gibt es aber auch genug Weine in dieser Kategorie, die eigentlich besser als „klassifizierte Lage“ oder als „Gutswein“ vermarktet worden wären.

Schade finde ich als Weinliebhaber, dass die Vielfalt an Weinen deutlich geringer geworden ist. Ich persönlich trauere immer noch ein wenig den Zeiten hinterher, als man bei den Top-Lagen noch zwischen sehr guten (und günstigen!) Kabinettweinen, Spätlesen und verschiedenen Ausbaustilen (trocken, halbtrocken, edelsüß) wählen konnte. Mit der Einführung der Grossen Gewächse wurde diese Vielfalt ersetzt durch einen noch konzentrierteren, in vielen Fällen auch wuchtigeren und alkoholreicheren Weinstil, der wie hier schon bemerkt wurde das Terroir nicht unbedingt besser zum Ausdruck bringt als ein hochwertiger traditioneller Kabinettwein oder ein Wein aus "einer klassifizierten Lage ( Zumal bei manchen Weingüter Lagen die im einen Weingut als "GG" abgfüllt werden im anderen Weingut bislang noch als "klassifizierte Lage" vermarktet werden).
Schade auch, dass mit der VDP-Klassifikation auch Lagenbezeichnungen verschwanden, die nach Ansicht der VDP –Winzer nicht würdig waren als „Grosses Gewächs“ oder als „Klassifizierte Lagen“ vermarktet zu werden. Von der Vermarktungsseite ist eine solche Sortimentsbereinigung sicherlich sinnvoll. Ich persönlich schätze jedoch die Angabe einer Einzellage auf dem Etikett sehr und ziehe Lagenweine in den meisten Fällen den „Gutsweinen“ und „Ortsweinen“ oder "Rebsortenweinen" vor. Zu vielen dieser Lagennamen gibt es nette kleine Geschichten, Anekdoten und Besonderheiten, die für mich mit unbedingt mit zur Weinkultur gehören und die die Weine interessant und unterscheidbar machen. Eine Weinprobe bei der nur noch „Gutsweine“ oder „Ortsweine“ oder „Rebsortenweine“ vorgestellt werden, fände ich als persönlich etwas langweilig.

Was sich der VDP von der Wiedereinführung der alten Flurnamen verspricht, darüber kann man wohl nur spekulieren. Einer der Gründe könnte sein, dass einige VDP-Richtlinien für die Mitglieder nur schwer umsetzbar sind. Meines Wissens ist es nämlich im VDP so geregelt, dass sich nach der Anerkennung einer Weinlage als Grosses Gewächs, sich die anderen VDP-Mitglieder mit Besitz in dieser Lage innerhalb einer gewissen Übergangszeit entscheiden müssen ob Sie dort ebenfalls (trockene) „Grosse Gewächse“ oder (edelsüße) „Erste Lage“-Weine in dieser Lage produzieren oder ob sie in Zukunft auf den (verkaufsfördernden) Lagennamen verzichten und den Wein aus diesen Lagen nur noch als „Gutswein“ oder „Ortswein“ abfüllen. Hintergrund dieser Regelung , so wurde es mir vor Jahren mal erklärt bzw. so habe ich es verstanden, war wohl der Wunsch nach einer klaren Trennung zwischen den „Grosse Gewächs-Lagen“ und den „klassifizierten Lagen“.
Da jedoch nicht in jedem Weinberg einer „Grosse-Gewächs-Lage“ wirklich Grosse Gewächse entstehen können (viele Grosse Gewächs-Lagen umfassen zig ha, darunter natürlich auch schwächere Parzellen und Junganlagen die nicht das Potential für ein Grosses Gewächs haben) und auch nicht alle VDP-Winzer größere Mengen Wein in dieser Kategorie produzieren möchten bzw. vermarkten können (schließlich hat nicht jedes VDP- Weingut genug Kunden, die bereit sind die Preise für ein Grosses Gewächs zu bezahlen!) könnte eine Wiedereinführung der alten Lagenbezeichnungen die Lösung für dieses Problems darstellen. Die eigentlichen "Grossen Gewächse" könnten dann unter dem alten Flurnamen vermaktet werden, die Weine die nicht als „ Grosses Gewächs“ vermarktbar sind könnten dann trotz dieser Reglung unter der bisherigen Lagenbezeichnung weiter vermarktet werden. Tatsächlich haben ja bereits etliche VDP-Winzer haben ja bereits eine Art „Zweitwein“ aus den Grosse Gewächs Lagen unter „Phantasienamen“ im Sortiment. Prinzipiell wäre das sinnvoll, da es solche "Zweitweine" den Winzern ermöglichen Qualitäten die zwar aufwendig erzeugt wurden aber dann doch nicht den Anforderungen an ein "Grosses Gewächs" entsprechen zu einem angemessenen Preis zu vermarkten.

Ein weiterer Grund könnte sein, dass man sich durch die Einführung der neuen Bezeichnungen eine größere Exklusivität verspricht. Bei einer 30 ha großen Lage gibt es natürlich auch viele Nicht-VDP-Betriebe die ihre Weine unter dem gleichen Lagennamen wie die Grossen Gewächse anbieten. Mit der Anerkennung der alten Flurnamen könnte sich die Grossen Gewächse des VDP noch deutlicher von dieser Konkurrenz abgrenzen. Für das Ansehen des deutschen Weines wäre die Existenz solcher „Super-Weine“ aus Mini-Lagen sicherlich nicht schädlich aber es besteht natürlich auch die die Gefahr, dass das System noch komlizierter wird und die „normalen Lagenweine“ dann an Wertschätzung verlieren. Möglicherweise führt es aber auch dazu , dass diese neuen „Super-Grossen-Gewächse“ noch teuer werden und die „normalen“ Grossen Gewächse“ zum gleichen Preis wie bisher angeboten werden.

Der Versuch der Winzer höhere Preise für Wein durchzusetzen ist in meinen Augen durchaus legitim. In Zeiten steigender Nachfrage kaufkräftiger Nachfrage aus Amerika, Japan, China aber auch aus den europäischen Ländern (z.B. Schweiz, Norwegen, Schweden, Niederlande) wird es in den nächsten Jahren sicherlich noch zu kräftigen Preissteigerungen kommen. Nichtsdestotrotz sollten die deutschen Spitzenweingüter nicht den Fehler Ihrer Kollegen aus Bordeaux und Burgund machen und ihre nationalen Kunden vor den Kopf zu stoßen!

Wird die Preisschraube zu stark angezogen wird, kann der Schuss leicht nach hinten losgehen. Wenn der relativ kleine Personenkreis von „Weinverrückten“ der bereits ist „für die absolute Spitze“ einen (in meinen Augen bislang durchaus vertretbaren) hohen Preis für solche Weine zu zahlen den Eindruck gewinnt „sich die besten Weine nicht mehr leisten zu können“ und sich mit den Weinen der 2. oder 3. Kategorie (so gut sie auch sein mögen) begnügen muss, könnte die Nachfrage schneller einbrechen als das es den Weingütern lieb ist!
Bernd Schulz
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Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von Bernd Schulz »

Wird die Preisschraube zu stark angezogen wird, kann der Schuss leicht nach hinten losgehen.
Meine persönlichen Konsequenzen habe ich ja schon gezogen. Mir ist das inzwischen erreichte Preisniveau zu hoch, und bei Betrieben, wo ich früher durchaus etliche Flaschen geordert habe, kaufe ich nichts mehr. Genauso verhält es sich bei meinem Vater, der mir immer wieder zum Geburtstag und zu Weihnachten Wein schenkt. Auch er hat inzwischen die Quellen gewechselt.

Und mir kommt es durchaus nicht so vor, als ob die Freude an meinem Weinhobby dadurch geringer geworden sei. Jenseits der üblichen VDP-Verdächtigen gibt es mehr als genug Hochspannendes zu entdecken.

Noch scheint das Geschäft mit den GGs ja zu brummen, aber die nächste Finanzkrise kommt bestimmt - und da könnte der eine oder andere Renommierbetrieb ganz schön ins Straucheln geraten. Ich gönne es keinem wirklich, aber große Krokodilstränen werde ich angesichts der Preispolitik, die einige Erzeuger betreiben, ganz gewiss nicht weinen.

Beste Grüße

Bernd
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nougat
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Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von nougat »

mundschenk hat geschrieben: Der Versuch der Winzer höhere Preise für Wein durchzusetzen ist in meinen Augen durchaus legitim. In Zeiten steigender Nachfrage kaufkräftiger Nachfrage aus Amerika, Japan, China aber auch aus den europäischen Ländern (z.B. Schweiz, Norwegen, Schweden, Niederlande) wird es in den nächsten Jahren sicherlich noch zu kräftigen Preissteigerungen kommen. Nichtsdestotrotz sollten die deutschen Spitzenweingüter nicht den Fehler Ihrer Kollegen aus Bordeaux und Burgund machen und ihre nationalen Kunden vor den Kopf zu stoßen!
Bei den Edelsüßen sind wir doch schon so weit. Ich sehe auch keinen Grund warum ausgerechnet ein deutscher Winzer seine deutsche Kundschaft nicht verprellen sollte, wenn nicht einmal die eher patriotisch gesinnten Franzosen sich um ihre Landsleute scheren.
Und warum soll das ein Fehler sein? Welche Konsequenzen hätte dies? Wenn die internationale Kundschaft bei der nächsten Wirtschaftskrise ausbleibt werden einfach wieder die Preise gesenkt. Der zuvor abgewanderte Kunde freut sich dann darüber, sich wieder einen namhaften Wein leisten zu können. siehe den bei Spitzenwinzern schnell leergefegten BDX Primeurmarkt 2008. Ich denke der Markt ist viel pragmatischer und auch beim Weinhandel sind wie in anderen Bereichen langjährige Geschäftsbeziehungen an sich nichts mehr wert. Kennt wohl jeder aus seiner beruflichen Praxis.

Enthusiasmus spielt sich, wie bei anderen Hobbies auch, abnseits der modischen Strömungen ab. So sind alle glücklich. Den Spitzenwinzer scherts finanziell nicht, wenn er auf die Freaks verzichten muss, der Freak findet genug Alternativen wenn er die Hauptstraße der großen Etiketten verlässt.
Grüße
Martin

Military justice is to justice what military music is to music [Groucho Marx]
mundschenk
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Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von mundschenk »

Hallo Nougat,
Ich sehe auch keinen Grund warum ausgerechnet ein deutscher Winzer seine deutsche Kundschaft nicht verprellen sollte, wenn nicht einmal die eher patriotisch gesinnten Franzosen sich um ihre Landsleute scheren.
Das sehe ich ein bisschen anders als Du.

Der Personenkreis der deutschen Weinliebhaber der sich für hochpreisige Weine interessiert ist im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung in Deutschland recht klein. Vor ein paar Jahren habe ich mir mal ein paar Statistiken zu diesem Thema zusammengesucht. Das Ergebnis war recht erschreckend:
Vinum 2005:
Der Pro- Kopf- Verbrauch liegt in D bei ca. 20 Liter/Jahr.
Der deutsche Wein hat daran lediglich einen Anteil von 45 %.
Super- und Verbrauchermärkte oder Discounter verkaufen zusammen 75% aller Weine.
Allein Aldi ist mit ca. 25% dabei.

GfK Marktforschung 2005:
Für knapp 62 % der Deutschen ist der Preis wichtiger als die Qualität

FAZ 13/3/2005
Deutschland ist der größte Weinimportmarkt der Welt.
Und was trinkt der Deutsche am liebsten? Zu allererst mal billig!
25% der Weine kosteten weniger als einen Euro
38% der Weine kosteten zwischen einem und 2 Euro
Knapp 35 % kosteten zwischen zwei und 5 Euro
Lediglich 2,7 % der im Jahr 2004 gekauften Weine kosteten über 5 Euro :shock:

Handelsblatt2006:
Der Durchschnittspreis für eine Flasche Wein bei Aldi sank von EUR 1,80 auf 1,69 EUR

Die Zahlen sind zwar nicht mehr ganz aktuell aber ich bin mir ziemlich sicher, dass sich in den letzten Jahren nicht allzu viel geändert hat.

Ich denke aus diesen Zahlen kann man klar ersehen, dass die Käuferschicht die sich für Weine im Preisbereich über 5 EUR interessiert nicht sonderlich groß ist. Wenn man dann noch mit einbezieht, dass in den letzten Jahren sowohl die die Anzahl der „Spitzenerzeuger“ als auch die Anzahl der „ambitionierten Newcomer“ deutlich gewachsen ist und dass sich auch bei den Winzergenossenschaften und Betrieben aus dem „guten Mittelfeld“ das Qualitäts- und Preisniveau deutlich erhöht hat, sieht man dass sich das Angebot an Weinen über 5 EUR deutlich erhöht hat. Ob die Nachfrage im gleichen Maße gestiegen ist, wage ich zu beweifeln.
Und warum soll das ein Fehler sein? Welche Konsequenzen hätte dies?
Der Verlust der deutschen Privatkunden hätte schwerwiegende Konsequenzen:
Im Gegensatz zu vielen Weingütern in Frankreich, Spanien und Italien die oftmals den Großteil ihrer Weine über den Handel absetzen und häufig keinen allzu großen Wert auf den Verkauf ab Weingut legen sind für die meisten deutschen Winzer die Privatkunden die wichtigsten Kunden denn:
1)Am Privatkunden verdient der Winzer am meisten, da er ihm im Gegensatz zu Weinhändlern, Gastronomen und anderen Großabnehmern keine Rabatte gewähren muss.
2)Das Einkaufsvolumen der Händler kann von Jahr zu Jahr (vor allem im Export) stark schwanken. Viele Privatkunden sind treue Abnehmer und bleiben „ihrem“ Weingut meist auch in „schwierigen Zeiten“ treu.
3)Bei der begrenzten Produktion der qualitätsorientierten Winzer ist es (ganz besonders in einem mengenmäßig so kleinen Jahr wie 2010) wirtschaftlich sinnvoll so viel wie möglich an Privatkunden zu verkaufen.
Dazu kommt noch, dass nur ein Weingut dass vernünftige Privatkundenpreise durchsetzen kann, auch in der Lage sein wird dem Handel attraktive Rabatte anbieten zu können (mit 10 oder 20% auf den Privatkundenpreis kann ein Weinhändler nicht kalkulieren)!
Ich denke der Markt ist viel pragmatischer und auch beim Weinhandel sind wie in anderen Bereichen langjährige Geschäftsbeziehungen an sich nichts mehr wert. Kennt wohl jeder aus seiner beruflichen Praxis.Enthusiasmus spielt sich, wie bei anderen Hobbies auch, abnseits der modischen Strömungen ab. So sind alle glücklich. Den Spitzenwinzer scherts finanziell nicht, wenn er auf die Freaks verzichten muss, der Freak findet genug Alternativen wenn er die Hauptstraße der großen Etiketten verlässt.
Letztlich ist der Weinkauf Vertrauensache. Wird dieses Vertrauensverhältnis durch eine aus den Fugen geratene Preispolitik zerstört ( vgl. die Forums-Diskussion über die Preisentwicklung beim Jahrgang 2010) ist es kaum noch zu kitten. Auch wenn sich der Winzer bei sinkender (Auslands-) Nachfrage dazu entschließen sollte die Preise zu senken, wird der Großteil der Kunden verloren sein!
Im Gegensatz zu Dir glaube ich auch, dass es den Winzer sehr wohl scheren sollte die „Weinfreaks“ zu verlieren denn wenn man sich die Zahlen oben anschaut könnte man sehr wohl auf den Gedanken kommen, dass es sich bei der prozentual recht geringen Zahl an Weinfreunden die bereit sind mehr als EUR 5,- für eine Flasche Wein auszugeben um eben diese „Weinfreaks“ handelt. Falls Du unter „Weinfreak“ nur diejenigen verstehst die grosse Gewächse kaufen, so kann ich dir aus meiner Erfahrung heraus versichern, dass das die große Ausnahme ist. Die meisten Kunden kaufen eine „Mischung“ aus Alltagsweinen, hochwertigen Kabinetten, Spätlesen und Grossen Gewächsen. Mit anderen Worten: vergrätzt man durch zu hohe Preise für die GG´s diesen Kundenkreis, hat das auch einen direkten Einfluss auf den Verkauf der Weine aus klassifizierten Lagen und auf die Gutsweine.

Gruß

Peter
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