So 4. Mär 2018, 12:12
Im Mai 2003 muß es gewesen sein, daß ich mit meinem besten Freund das erstemal in Frankreich herumfuhr, um Winzer zu überfallen und das Auto bis unter's Dach mit Wein vollzustapeln. Bewaffnet mit dem Guide Hachette (der, wie ich später lernte, nur bedingt hilfreich ist, weil die beschriebenen Weine meist schon ausverkauft sind) und ziemlich unbedarft stolperten wir u.a. am Stadtrand von Tavel auf einen Winzerhof, dessen Weine zwar recht modern, aber durchweg ansprechend bis sehr gut waren, vor allem die der Linie "Reine des Bois" (RdB). Tavel rosé, Lirac blanc & rouge, und ganz zuletzt Châteauneuf (nur roter) wurde uns kredenzt. Ich habe leider keine Rechnung mehr gefunden, aber ich meine, um die 40 € wurden aufgerufen. Wir verstummten, sahen uns an und meinten:
Wow, ist das Zeugs gut! Mit etwas Zeit wird der groß! Und obwohl er weit jenseits unserer damaligen Schmerzgrenze lag, hätten wir wohl jeder mindestens 6 Flaschen mitgenommen (zusätzlich zu den zahlreichen Liracs
). Nur wollten sie uns höchstens 3 verkaufen. Es handelte sich um
Domaine de la Mordorée, Châteauneuf-du-Pape «Cuvée de la Reine des Bois» 2001 (14,5%)Etwas später lernte ich dann, daß ein gewisser Robert Parker, von dem ich kurz zuvor das erstemal gehört hatte, just diesem Wein 100 Punkte gab. Damals verstand ich das noch als Bestätigung meines eigenen, unsicheren Geschmacks.
Bis Weihnachten 2011 hielt ich aus, ehe ich die erste Flasche öffnete. Immerzu las ich: Zu früh, abwarten, liegenlassen...
Damals hatte ich mir notiert, daß ich einen sehr, sehr guten Wein im Glas hatte, dicht, komplex und ausgewogen, der aber in Anbetracht seiner kräftigen Struktur etwas mehr Druck hätte entfalten können. "Perfekt" fand ich ihn jedoch nicht, und hatte auch damals schon einige (wenige) Weine mit mehr "aha" und Trinkspaß.
Gestern zog ich nun die zweite der drei Flaschen auf. Initial zeigte er eine recht dezente und etwas eindimensionale Kirschnase; vor allem aber war leider der Alkohol nicht ganz eingebunden und stach etwas heraus. Nach 1h in der Karaffe, und noch etwas mehr nach 4h, gewann er deutlich an Komplexität: Zur Kirsche kamen schwarze Früchte, etwas Wacholder und Nelke, ein bißchen Schwarzkohlenbrikett und dunkles Sattelleder. Dann sogar ein paar kleine rote Waldbeeren. Besonders zum Abgang hin eine leicht bittere Würze wie von Oliventapenade. Das mit dem Alk. wurde etwas besser, verschwand aber leider nicht ganz.
Ein guter bis sehr guter Wein, aber nicht herausragend oder groß, und schon garnicht perfekt. Ich denke auch nicht, daß er noch besser wird.
Die erste Flasche hat übrigens wesentlich zu meiner Emanzipation von Kritikermeinungen beigetragen...