Re: Nordrhone
Verfasst: Do 3. Nov 2022, 00:26
Ich check vielleicht bald mal einen 16er Grisieres an. Das schöne ist doch: man weiß es nie genau und muss immer wieder ein Flasche aufmachen...
amateur des vins hat geschrieben:Ich genieße es sehr, daß mein Keller es inzwischen zuläßt, zu fast beliebigen Speisen einen Wein zu finden, der sich zumindest nicht damit beißt. Bisweilen gehe ich aber in die andere Richtung: Ein Wein ist gesetzt, und es soll dazu gekocht werden. War das am Anfang meiner Säuferkarriere dem mickrigen Bestand geschuldet, sind es heute eher Tropfen, die auf die eine oder andere Art besonders zu sein versprechen.
Zu Weihnachten ergab sich wieder einmal diese Konstellation. Meine Erfahrungen mit Nordrhône-Weinen sind immernoch übersichtlich, und die mit gereiften beschränken sich fast völlig auf unseren wunderbaren Abend im Mai unter dem Motto "Nordrhône II". Trotz dieser weitgehenden Ahnungslosigkeit dämmerte mir, daß ich diesem Weingeschenk zurecht ganz besondere Aufmerksamkeit widmete:
Pierre Gonon, Saint-Joseph 2003
Der Korken war eigentlich in gutem Zustand, nur klebte er leider am Flaschenhals fest. Die Spindel des Kellnermessers drohte herausgezogen zu werden und dabei den Kern auszufräsen. Ich habe dann zusätzlich einen normalen Spangenkorkenzieher appliziert, und indem ich beide gleichzeitig griff, konnte ich quasi einen Durand simulieren. Das hat hervorragend geklappt! Ich denke sogar, bei stark durchweichten und losesitzenden oder jedenfalls älteren Korken, die nur mit dem Spangenkorkenzieher angegangen dennoch in die Flasche gedrückt würden (beim oben erwähnten Probenabend hatte ich das gleich zweimal!), werde ich in Zukunft genauso vorgehen und mit der Spindel den Korken festhalten, während ich die Spange anbringe. Vielleicht läßt sich der Erfolg ja reproduzieren!? Wer also mit der Anschaffung des Edelwerkzeugs liebäugelt, möchte vielleicht nocheinmal innehalten und mit der Budget-Lösung experimentieren.
Einmal befreit, überraschte mich der Wein gleich in mehrerer Hinsicht: Die rubinrote Robe ohne Blauanteil wies nicht unbedingt auf Syrah hin (jaja, Anthocyane und Alter, ich weiß), und der aufsteigende Duft war erstaunlich, ja verblüffend jugendlich. Sehr elegante Noten von Kirsche und Blaubeere dominierten; nur minimal Herbstlaub und ein Hauch von Walderdbeere deuteten die fast zwei Dekaden Alter an. Ein sehr harmonisches und rundes Ensemble, das ich erstmal zehn Minuten lang nur riechen möchte.
Auch am Gaumen kann man eine minimale Morbiditätssüße erahnen, aber insgesamt ist der Wein noch vergleichsweise jung! Die Säure ist unauffällig frisch, die Tannine kräftig, aber "pulveroso". Der Charakter ist recht kühl und läßt mich nie an das Hitzejahr denken. Schließlich gesellt sich ein Soupçon dunkles Leder und Tannenwald hinzu, aber eigentlich ist alles Tertiäre an der Wahrnehmungsgrenze.
Sehr harmonisch und elegant! für mich ist der Wein à point, aber erst am Beginn seines Trinkfensters.
Nach zwei Stunden büßt er ein klein' wenig Charme ein, scheint etwas härter und minimal scharf, aber das mag mehr an mir als am Wein liegen. Denn zwar meinte ich diesen Eindruck am nächsten Tag bestätigt zu finden, aber da lag es im wesentlichen an etwas zu niedriger Temperatur und gab sich mit Erwärmung wieder. Die letzten Schlucke wurden dann von einem Hauch Nagellackduft und reichlich Depot begleitet.
Ursprünglich war geplant, eine Entenbrust dazu zu servieren. Die harmoniert erfahrungsgemäß schön mit den schwarzwürzigen Aromen von schwarzem Pfeffer, Nelke usw., die ganz typisch für Nordrhône-Syrah sind. Da diese dem Gonon aber fehlten und der Wein sich insgesamt sehr elegant und wenig würzig präsentierte, war es eine glückliche Fügung, daß wir kurzfristig auf eine Hirschkeule umdisponieren mußten, denn mit dieser ging er eine wunderbare Marriage ein. Aber auch solo war der Wein ein Genuß.
Ziemlich anders, würde ich sagen. Ja, das ist mir auch aufgefallen, und es hat mich überrascht, denn so deutlich liegen wir in unseren Beschreibungen sonst eigentlich selten auseinander. In Deiner Beschreibung finde ich einen typischen Nordrhône-Syrah wieder, in meiner nicht. Aber das kann ich ja schlecht schreiben, wenn ich es nicht finde.Nora hat geschrieben:Ich sah mein Exemplar des Weins eine Idee anders (siehe meine Notiz hier vom 16. Jun 2021), das mag aber zu einen daran gelegen haben, dass ich ihn solo getrunken habe, zum anderen an den bei älteren Weinen häufig vorkommenden Flaschenvarianzen.