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Ich weiß gar nicht mehr genau, welche Flasche mich auf den Jura-Trip gebracht hat. Aber ich weiß noch, dass es gleich die erste Flasche war, die neugierig gemacht hat. Und dass mich der Virus vor gar nicht so langer Zeit infiziert hat. Zwei Mal war ich seitdem schon unten, habe Winzer besucht, in Bistros, Berglokalen, Kaschemmen und Restaurants gegessen, Comté, Morbier, Mont d'Or und Bleu de Gex in rauen Mengen vertilgt und natürlich viel Wein getrunken.
Irgendwann letztes Jahr hatte ich dann gelesen, dass die englische Weinjournalistin Wink Lorch ein Buch über die Weine des Jura schreiben will und ihr Buch über die Crowd-Funding-Plattform "Kickstarter" finanzieren will. Bei Kickstarter-Finanzierungen gibt es für bestimmte zur Verfügung gestellte Finanzierungen so genannte "Rewards". Nach kurzer Abstimmung mit ein paar Freunden habe ich dann entschieden, Wink zu kontaktieren und sie zu frage n, ob wir das "Reward" Jura-Probe für 12 Freunde auch in Hamburg machen können. Recht schnell bin ich mit ihr einig geworden.
Im März diesen Jahres kam dann ihr Buch heraus, ein wunderbares Buch mit vielen Informationen, spannenden Winzerportraits und tollen Fotos (zu bestellen ist es hier: http://www.winetravelmedia.com/the-jura-wine-book/). Und für den 01. Mai 2014 hatte sich Wink für die Weinprobe angekündigt. Dem vorausgegangen waren wochenlange sehr nette Gespräche über Ablauf, Weine, usw. Auch die Gästeliste stand schnell fest, (fast) alle meine Freunde waren da und hatten Lust, die Weine des Jura kennenzulernen, was mich ganz besonders gefreut hat. Da Jura-Weine für mich ganz besonders gut zum Essen schmecken, sollte es auch etwas zu essen dazu geben. Mit Hilfe meines Freundes N. konnten wir Kit Hu vom Restaurant Madame Hu dafür gewinnen, Gastgeberin der Probe zu sein und für die kulinarische Begleitung zu sorgen. Da Kit eine herausragende und sehr inspirierte Köchin ist, sollte sie freie Hand mit dem Essen haben.
Wink hatte ein paar Raritäten aus dem Jura mitgebracht, der Rest kam aus meinem Keller. Alle Weintypen des Jura waren vertreten - Crémant du Jura, Poulsard, Trousseau, nicht oxidative Savagnins und Chardonnays, oxidative Chardonnays und Savagnins, Vin Jaunes, Vin de Paille und Macvin du Jura. Die Weine hatte ich am späten Nachmittag geöffnet, aber nicht gekühlt. Im Restaurant haben wir dann ausgewählte Weine ein wenig gekühlt, aber überwiegend bei ca. 12-15° C serviert (weiß wie rot). Die Weine wurden offen in 2-er Flights serviert. Zu jedem 2-er Flight hatten wir einen kleinen Gang zu essen.
Flight 1: Crémant du Jura
Oliven-Sardinen-Keks
Zum Einstieg hatten wir zwei verschiedene Crémants desselben Winzers, nämlich:
Stéphane & Bénédicte Tissot - Crémant du Jura Extra Brut (NV)
Stéphane & Bénédicte Tissot - Crémant du Jura Extra Brut "Indigène" (NV)
Der Unterschied zwischen beiden Crémants liegt evtl. in der Cuvée, auf dem Etikett des einfachen Indigène stand 75% Pinot Noir, 25% Chardonnay, auf dem Etikett des Extra Brut nichts. Die Info auf der Website (55% Chardonnay, 35% Pinot Noir, 5% Trousseau, 5% Poulsard) kann, muss aber laut Wink nicht stimmen. Der Hauptunterschied liegt aber darin, dass der Extra Brut - wie bei den meisten Schaumweinen in méthode traditionelle - die zweite Gärung mit Reinzuchthefen durchmacht, der Indigène aber mit natürlichen Hefen. Stéphane Tissot kriegt dies dadurch hin, dass er im Januar nach der Lese den durchfermentierten Grundwein für den Indigène mit Hefen seines Vin de Paille "impft". Der Vin de Paille ist zu dem Zeitpunkt nämlich der einzige Wein, der noch nicht durchfermentiert ist (wegen des hohen Zuckers).
Eine Flasche des Indigène korkte leider, zum Glück waren zwei davon da. Der normale Extra Brut schmeckte mir ein kleines bisschen besser, ich fand ihn runder und expressiver, der Indigène war relativ karg. In der Runde gingen die Meinungen auseinander. Manchen schmeckte der Indigène etwas besser, weil er mit seinen hefigen Noten einem Champagner ähnlicher war als der Extra Brut. In jedem Fall war das schon mal ein guter Start.
Flight 2: Poulsard & Co.
Rinder-Saté mit Papayasalat
Als nächstes hatten wir zwei junge leichte Rotweine, nämlich die folgenden:
Jacques Puffeney - Arbois Poulsard (2012)
Domaine Pignier - Vin de Table "A Table avec Léandre" (2012)
Der Puffeney ist ein recht klassischer Poulsard mit wenig Tannin, kräftiger Säure und einem Aromenprofil rund um rote Johannisbeere und florale Noten. Auf dem Weingut hat mir der Wein weniger geschmeckt, jetzt fand ich ihn ziemlich gut. Das Besondere an dem Pignier war, dass er aus vielen verschiedenen Sorten erzeugt wird, darunter einige, die es nur im Jura gibt. Beide Weine hatten keinen ganz großen Tiefgang, machten aber Spaß zu trinken und konnten auch dem sehr scharf gewürzten Papaya-Glasnudel-Salat zum Rinder-Saté standhalten.
Flight 3: Trousseau
Tartare de Boeuf Facon Mme Hu
Zu Kit Hus hervorragendem Tartare de Boeuf, das ganz leicht chinesisch aromatisiert wird, hatten wir dann zwei Trousseaus:
Caveau de Bacchus (Lucien Aviet) - Arbois Trousseau "Cuvée des Géologues" (2011)
Camille Loye - Arbois Trousseau "Cuvée St. Paul" (1989)
Hier hatten wir also eine spannende Zusammenstellung eines jungen und eines gereiften Trousseau, beide von extrem altmodischen und traditionellen Erzeugern. Camille Loyes letzter Jahrgang war 1990 und seiner Meinung nach ist der 1989er noch jung. Persönlich fand ich den 1989er schon sehr gereift in der Nase, allerdings tatsächlich sehr frisch im Mund. Der Wein hatte ohnehin keinen leichten Stand, denn der Lucien Aviet Trousseau war einfach hinreißend, super frisch, ganz klar in der Aromatik, wunderbar balanciert, leicht, aber mit Tiefgang. Zum Tatar passten beide Weine sehr gut. Leider sind die Aviet Weine in Deutschland nicht erhältlich. Erstaunt waren übrigens auch alle in der Runde, wie eigentlich so ein Trousseau wie der von Camille Loye so gut reift. Denn nennenswert spürbares Tannin haben diese Weine auch jung nicht.
Flight 4: Savagnin ouillé
Spargel-Kräuter-Kokos-Suppe
Als nächstes gingen wir zu den nicht oxidativen Weißweinen über und starteten mit Savagnin. Savagnin wird erst seit ein paar Jahren nicht oxidativ ausgebaut, die nicht oxidativen erfreuen sich aber immer größerer Beliebtheit. Auch in diesem Flight hatten wir einen jungen Wein und einen angereiften.
Peggy & Jean-Pascal Buronfosse - Côtes du Jura "Entre Deux" (2011)
Maison Jean Rickjaert - Arbois "Grande Elevage" Vieilles Vignes (2005)
Beim Öffnen des Rickjaert habe ich erst einmal Schnappatmung bekommen. Der Wein war mit einem Plastekorken verschlossen. Ich fürchtete schon eine untrinkbare Brühe. Der Wein war aber in bester Form, durchaus ganz leicht oxidativ, das dürfte aber eher dem Ausbau geschuldet sein, denn gerade im Mund war er alles andere als müde, sondern wirklich schön ausdrucksstark und lebendig. Der Buronfosse war die etwas leichtere Variante, recht säuregeprägt, nicht übermäßig komplex, aber sehr schön zu trinken. Hier hatten wir übrigens mit die beste Vermählung von Wein und Essen des Abends. Das Süppchen ging hervorragend mit den Savagnins zusammen, vor allem mit dem Rickjaert.
Flight 5: Chardonnay ouillé
Kuttelragout
Vom nicht oxidativen Savagnin ging es dann über zum nicht oxidativen Chardonnay, der vor allem im südlichen Teil des Jura, nahe der Bresse-Ebene, dem Sud-Revermont erzeugt wird, wo die Böden etwas kalkhaltiger sind als rund um Arbois. Auch in diesem Flight hatten wir wieder einen jüngeren Wein und einen gereifteren Wein, beide aus derselben Lage:
Jean-Francois Ganevat - Côtes du Jura "Les Chalasses" Vieilles Vignes (2005)
Domaine Labet - Côtes du Jura Fleur de Marne "En Chalasse" (2010)
Der Labet kommt von 65, 55 und 30 Jahre alten Reben, der Ganevat von über 100 Jahre alten Reben. Den Ganevat hatte ich zuvor schon sensationell gut im Glas, am Abend der Probe zeigte er sich nicht ganz so phänomenal, insbesondere war er sehr vom Holz geprägt. Wink erzählte, dass der Neuholzanteil heute viel kleiner ist, dass die Weine aber den "Nachteil" haben, dass sie ungeschwefelt auf den Markt gebracht werden, ihre Langlebigkeit also erst noch einmal unter Beweis gestellt werden muss. Somit war an dem Abend mein Favorit eher der Labet, von dem ich noch im Januar 6 Flaschen hatte, jetzt nur noch eine. Denn leider hatten wir am Abend der Probe auch eine TCA-verseuchte Flasche.
Das scharf gewürzte Kuttelragout war sicher nicht jedermanns Sache und war auch nicht perfekt zu den Chardonnays, aber einigergemaßen gepasst hat es schon. Gerade die Schärfe des Ragouts und die Säure der Weine glichen sich ganz gut aus.
Flight 6: Côtes du Jura non-ouillé
Maischollenröllchen mit Spargel
Der nächste Flight diente als vorsichtige Heranführung an die Vins Jaunes. Wir hatten hier einen oxidativen Savagnin und einen oxidativen Chardonnay, nämlich die folgenden:
Didier Grappe - Côtes du Jura Savagnin (2008)
Domaine Labet - Côtes du Jura "Cuvée du Hasard" (2009)
Noch im Januar auf der Domaine wirkte die Cuvée du Hasard von Labet nur sehr dezent oxidativ, jetzt hatte sie stärkere oxidative Noten, die zunächst etwas rustikal wirkten, mit der Zeit aber immer feiner wurden und der Gesamtaromatik Platz gaben. Wirklich nur sehr oxidativ war der Savagnin von Didier Grappe, ein unglaublich feiner Wein, ganz toll in der Aromatik mit schönem Savagnin-Duft, feiner Säure und einem hervorragenden Trinkfluss. Gerade zu der Maischolle mit dem grünen Spargel trank sich der Wein hervorragend. Überhaupt werde ich immer mehr zum Fan von Savagnin zum Spargel.
Flight 7: Jean Macle Château Chalon
Huhn mit rotem Reis
Nun ging es über zu den Vin Jaunes. Wink hatte großzügigerweise eine Flasche 1995 Macle Château Chalon mitgebracht und ich konnte der eine Flasche 2004 gegenüberstellen. Wir hatten also in diesem Flight:
Jean Macle - Château Chalon (1995)
Domaine Macle - Château Chalon (2004)
Beide Jahrgänge sind keine Über-Drüber-Jahrgänge, aber beide sehr solide bis gut. Ich war mir vorher nie so sicher, wie lange man eigentlich Vins Jaunes lagern muss, bis sie ausreichend Finesse gewinnen. Hier wurde aber deutlich: bis ca. 20 Jahre nach der Ernte mindestens. War der 2004er schon ein sehr komplexer Wein, so konnte der 1995er der Komplexität noch die ausreichende Finesse und Subtilität hinzufügen. Der 1995er war für mich schon ein Meilenstein für oxidative Jura-Weine und einfach nur wunderbar, und zwar erst recht zu dem wahnsinnig zarten Hühnerfrikassee mit Champignons, Sahne und rotem Reis.
Flight 8: 1985 Château d'Arlay Vin Jaune
Comté und Gruyère
Auf einer Auktion hatte ich vor einer Weile mal drei Flaschen
1985 Château d'Arlay Vin Jaune
zum sehr niedrigen Preis ersteigert, von denen jetzt zwei ihrer Bestimmung zugefügt werden sollten. Bei der ersten Flasche bröselte leider der Korken, so dass wir den Wein durch ein Sieb in eine Karaffe filtern mussten. So hatten wir dann den auch nicht uninteressanten Vergleich desselben Weins, einmal ca. 4 Stunden dekantiert und einmal nur 4 Stunden vorher geöffnet. Interessanterweise waren die Unterschiede nicht gigantisch, auch schon beim Vorprobieren waren die Unterschiede nicht gigantisch. Zuerst wirkte der dekantierte Wein auf mich etwas flach, mit Schwenken im Glas entfaltete er sich aber genauso gut wie der nicht dekantierte Wein. Der Château d'Arlay hatte nicht ganz diese wunderbar subtile Komplexität des 1995 Macle, war aber auch große Klasse mit einer wunderbaren Orangenaromatik in allen Facetten. Ich freue mich schon wie ein Kind auf die dritte Flasche, die vielleicht zu einem marokkanischen Gericht getrunken werden wird.
Während ich übrigens Vin Jaune und Comté so ziemlich die beste Käse-/Wein-Kombination finde, die es gibt, funktionierte das am Abend unserer Probe trotz exzellenten, von Wink aus Frankreich mitgebrachten Comtés zwar gut, aber nicht so, dass ich ins Schwärmen gekommen wäre. Mit dem Gruyère fand ich den Wein sogar spannender.
Flight 9: Macvin & Vin de Paille
Weißes Schokoladenparfait mit Amarettini
Dann waren wir leider schon am Ende der Probe angelangt mit den beiden Süßweinspezialitäten des Jura. Wir hatten die folgenden Weine:
Stéphane & Bénédictes Tissot - Macvin du Jura Rouge (2012)
Désiré Petit - Vin de Paille (2006)
Kurz zur Erläuterung der beiden Weine. Der Macvin ist so ähnlich wie ein Floc de Gascogne oder ein Pineau des Charentes, jedoch mit dem Unterschied, dass der Traubensaft (100% Pinot Noir) mit Marc (anstatt mit Cognac bzw. Armagnac) aufgefüllt wird. Bei Tissot kommt für den Macvin auch der Marc aus 100% Pinot Noir. Der Vin de Paille ist ein Strohwein, einer der wenigen aus Frankreich, bei dem die Trauben früh gelesen werden und dann auf Strohmatten getrocknet werden (oder aber durch Aufhängen getrocknet werden). Neben den Vins de Pailles gibt es im Jura mittlerweile auch einige ähnlich erzeugte Weine, die aber nicht den gesetzlich geforderten Minimum-Alkoholgehalt von - ich meine - 14% Vol. erreichen.
Der Macvin war für das Dessert vielleicht etwas kräftig, war für mich aber ein tolles Getränk (ist ja eigentlich kein Wein), sehr expressiv im Geruch und Geschmack, nicht zu alkoholisch, eher oxidativnotenfrei (einige Macvins haben auch oxidative Noten) und ein toller Ausdruck von Kirschen aller Couleur. Den will ich nochmal mit einer Schwarzwälder Kirschtorte trinken. Auch der Vin de Paille zeigte sich ähnlich schön wie vor etwas mehr als einem Jahr auf der Domaine und spielte mehr mit Agrumennoten. Der Vin de Paille passte auch sehr gut zum Dessert, vor allem zu den Amarettini.
Damit ging dann ein wirklich grandioser Abend zu Ende. Wink ist eine hervorragende Rednerin und hat nicht nur die Weine erklärt, sondern auch jede Menge lustiger Geschichten zum Besten gegeben. Die Küche von Kit Hu war an dem Abend für mich herausragend und intuitiv passend zum Essen. Nicht jede Kombination von Essen und Wein war eine Hochzeit im Himmel, die eine oder andere aber schon. Und ordentlich bis gut gepasst hat eigentlich immer einer der Weine zum jeweiligen Essen.
Besonders schön an den Jura Weinen finde ich zum einen ihre Vielfalt. Aus dem kleinsten Anbaugebiet Frankreichs kommen so viele verschiedene Weinstile, mit denen man völlig problemlos einen ganzen Abend und ein komplettes Menu gestalten kann. Letztlich sind auch gerade die Rotweine für mich klassische "Food-Weine". In jeder größeren Verkostung mit anderen Rotweinen würden sie gnadenlos untergehen, aber das ist ja auch nicht ihr eigentlicher Einsatzzweck. Der liegt eher in der Begleitung von Morteau-Wurst, Schnecken oder anderen ländlichen Gerichten. Und das passt auch so gut zu dieser eigentlich unspektakulären, sehr ländlich geprägten Gegend mit ihren ausladenden Weiden, auf denen Kühen grasen, kleinen Dörfern und sanften Hügeln. La douce France.
Hier sind noch meine gesammelten Notizen des Abends: http://www.verkostungsnotizen.net/vkn_l ... he+starten
Irgendwann letztes Jahr hatte ich dann gelesen, dass die englische Weinjournalistin Wink Lorch ein Buch über die Weine des Jura schreiben will und ihr Buch über die Crowd-Funding-Plattform "Kickstarter" finanzieren will. Bei Kickstarter-Finanzierungen gibt es für bestimmte zur Verfügung gestellte Finanzierungen so genannte "Rewards". Nach kurzer Abstimmung mit ein paar Freunden habe ich dann entschieden, Wink zu kontaktieren und sie zu frage n, ob wir das "Reward" Jura-Probe für 12 Freunde auch in Hamburg machen können. Recht schnell bin ich mit ihr einig geworden.
Im März diesen Jahres kam dann ihr Buch heraus, ein wunderbares Buch mit vielen Informationen, spannenden Winzerportraits und tollen Fotos (zu bestellen ist es hier: http://www.winetravelmedia.com/the-jura-wine-book/). Und für den 01. Mai 2014 hatte sich Wink für die Weinprobe angekündigt. Dem vorausgegangen waren wochenlange sehr nette Gespräche über Ablauf, Weine, usw. Auch die Gästeliste stand schnell fest, (fast) alle meine Freunde waren da und hatten Lust, die Weine des Jura kennenzulernen, was mich ganz besonders gefreut hat. Da Jura-Weine für mich ganz besonders gut zum Essen schmecken, sollte es auch etwas zu essen dazu geben. Mit Hilfe meines Freundes N. konnten wir Kit Hu vom Restaurant Madame Hu dafür gewinnen, Gastgeberin der Probe zu sein und für die kulinarische Begleitung zu sorgen. Da Kit eine herausragende und sehr inspirierte Köchin ist, sollte sie freie Hand mit dem Essen haben.
Wink hatte ein paar Raritäten aus dem Jura mitgebracht, der Rest kam aus meinem Keller. Alle Weintypen des Jura waren vertreten - Crémant du Jura, Poulsard, Trousseau, nicht oxidative Savagnins und Chardonnays, oxidative Chardonnays und Savagnins, Vin Jaunes, Vin de Paille und Macvin du Jura. Die Weine hatte ich am späten Nachmittag geöffnet, aber nicht gekühlt. Im Restaurant haben wir dann ausgewählte Weine ein wenig gekühlt, aber überwiegend bei ca. 12-15° C serviert (weiß wie rot). Die Weine wurden offen in 2-er Flights serviert. Zu jedem 2-er Flight hatten wir einen kleinen Gang zu essen.
Flight 1: Crémant du Jura
Oliven-Sardinen-Keks
Zum Einstieg hatten wir zwei verschiedene Crémants desselben Winzers, nämlich:
Stéphane & Bénédicte Tissot - Crémant du Jura Extra Brut (NV)
Stéphane & Bénédicte Tissot - Crémant du Jura Extra Brut "Indigène" (NV)
Der Unterschied zwischen beiden Crémants liegt evtl. in der Cuvée, auf dem Etikett des einfachen Indigène stand 75% Pinot Noir, 25% Chardonnay, auf dem Etikett des Extra Brut nichts. Die Info auf der Website (55% Chardonnay, 35% Pinot Noir, 5% Trousseau, 5% Poulsard) kann, muss aber laut Wink nicht stimmen. Der Hauptunterschied liegt aber darin, dass der Extra Brut - wie bei den meisten Schaumweinen in méthode traditionelle - die zweite Gärung mit Reinzuchthefen durchmacht, der Indigène aber mit natürlichen Hefen. Stéphane Tissot kriegt dies dadurch hin, dass er im Januar nach der Lese den durchfermentierten Grundwein für den Indigène mit Hefen seines Vin de Paille "impft". Der Vin de Paille ist zu dem Zeitpunkt nämlich der einzige Wein, der noch nicht durchfermentiert ist (wegen des hohen Zuckers).
Eine Flasche des Indigène korkte leider, zum Glück waren zwei davon da. Der normale Extra Brut schmeckte mir ein kleines bisschen besser, ich fand ihn runder und expressiver, der Indigène war relativ karg. In der Runde gingen die Meinungen auseinander. Manchen schmeckte der Indigène etwas besser, weil er mit seinen hefigen Noten einem Champagner ähnlicher war als der Extra Brut. In jedem Fall war das schon mal ein guter Start.
Flight 2: Poulsard & Co.
Rinder-Saté mit Papayasalat
Als nächstes hatten wir zwei junge leichte Rotweine, nämlich die folgenden:
Jacques Puffeney - Arbois Poulsard (2012)
Domaine Pignier - Vin de Table "A Table avec Léandre" (2012)
Der Puffeney ist ein recht klassischer Poulsard mit wenig Tannin, kräftiger Säure und einem Aromenprofil rund um rote Johannisbeere und florale Noten. Auf dem Weingut hat mir der Wein weniger geschmeckt, jetzt fand ich ihn ziemlich gut. Das Besondere an dem Pignier war, dass er aus vielen verschiedenen Sorten erzeugt wird, darunter einige, die es nur im Jura gibt. Beide Weine hatten keinen ganz großen Tiefgang, machten aber Spaß zu trinken und konnten auch dem sehr scharf gewürzten Papaya-Glasnudel-Salat zum Rinder-Saté standhalten.
Flight 3: Trousseau
Tartare de Boeuf Facon Mme Hu
Zu Kit Hus hervorragendem Tartare de Boeuf, das ganz leicht chinesisch aromatisiert wird, hatten wir dann zwei Trousseaus:
Caveau de Bacchus (Lucien Aviet) - Arbois Trousseau "Cuvée des Géologues" (2011)
Camille Loye - Arbois Trousseau "Cuvée St. Paul" (1989)
Hier hatten wir also eine spannende Zusammenstellung eines jungen und eines gereiften Trousseau, beide von extrem altmodischen und traditionellen Erzeugern. Camille Loyes letzter Jahrgang war 1990 und seiner Meinung nach ist der 1989er noch jung. Persönlich fand ich den 1989er schon sehr gereift in der Nase, allerdings tatsächlich sehr frisch im Mund. Der Wein hatte ohnehin keinen leichten Stand, denn der Lucien Aviet Trousseau war einfach hinreißend, super frisch, ganz klar in der Aromatik, wunderbar balanciert, leicht, aber mit Tiefgang. Zum Tatar passten beide Weine sehr gut. Leider sind die Aviet Weine in Deutschland nicht erhältlich. Erstaunt waren übrigens auch alle in der Runde, wie eigentlich so ein Trousseau wie der von Camille Loye so gut reift. Denn nennenswert spürbares Tannin haben diese Weine auch jung nicht.
Flight 4: Savagnin ouillé
Spargel-Kräuter-Kokos-Suppe
Als nächstes gingen wir zu den nicht oxidativen Weißweinen über und starteten mit Savagnin. Savagnin wird erst seit ein paar Jahren nicht oxidativ ausgebaut, die nicht oxidativen erfreuen sich aber immer größerer Beliebtheit. Auch in diesem Flight hatten wir einen jungen Wein und einen angereiften.
Peggy & Jean-Pascal Buronfosse - Côtes du Jura "Entre Deux" (2011)
Maison Jean Rickjaert - Arbois "Grande Elevage" Vieilles Vignes (2005)
Beim Öffnen des Rickjaert habe ich erst einmal Schnappatmung bekommen. Der Wein war mit einem Plastekorken verschlossen. Ich fürchtete schon eine untrinkbare Brühe. Der Wein war aber in bester Form, durchaus ganz leicht oxidativ, das dürfte aber eher dem Ausbau geschuldet sein, denn gerade im Mund war er alles andere als müde, sondern wirklich schön ausdrucksstark und lebendig. Der Buronfosse war die etwas leichtere Variante, recht säuregeprägt, nicht übermäßig komplex, aber sehr schön zu trinken. Hier hatten wir übrigens mit die beste Vermählung von Wein und Essen des Abends. Das Süppchen ging hervorragend mit den Savagnins zusammen, vor allem mit dem Rickjaert.
Flight 5: Chardonnay ouillé
Kuttelragout
Vom nicht oxidativen Savagnin ging es dann über zum nicht oxidativen Chardonnay, der vor allem im südlichen Teil des Jura, nahe der Bresse-Ebene, dem Sud-Revermont erzeugt wird, wo die Böden etwas kalkhaltiger sind als rund um Arbois. Auch in diesem Flight hatten wir wieder einen jüngeren Wein und einen gereifteren Wein, beide aus derselben Lage:
Jean-Francois Ganevat - Côtes du Jura "Les Chalasses" Vieilles Vignes (2005)
Domaine Labet - Côtes du Jura Fleur de Marne "En Chalasse" (2010)
Der Labet kommt von 65, 55 und 30 Jahre alten Reben, der Ganevat von über 100 Jahre alten Reben. Den Ganevat hatte ich zuvor schon sensationell gut im Glas, am Abend der Probe zeigte er sich nicht ganz so phänomenal, insbesondere war er sehr vom Holz geprägt. Wink erzählte, dass der Neuholzanteil heute viel kleiner ist, dass die Weine aber den "Nachteil" haben, dass sie ungeschwefelt auf den Markt gebracht werden, ihre Langlebigkeit also erst noch einmal unter Beweis gestellt werden muss. Somit war an dem Abend mein Favorit eher der Labet, von dem ich noch im Januar 6 Flaschen hatte, jetzt nur noch eine. Denn leider hatten wir am Abend der Probe auch eine TCA-verseuchte Flasche.
Das scharf gewürzte Kuttelragout war sicher nicht jedermanns Sache und war auch nicht perfekt zu den Chardonnays, aber einigergemaßen gepasst hat es schon. Gerade die Schärfe des Ragouts und die Säure der Weine glichen sich ganz gut aus.
Flight 6: Côtes du Jura non-ouillé
Maischollenröllchen mit Spargel
Der nächste Flight diente als vorsichtige Heranführung an die Vins Jaunes. Wir hatten hier einen oxidativen Savagnin und einen oxidativen Chardonnay, nämlich die folgenden:
Didier Grappe - Côtes du Jura Savagnin (2008)
Domaine Labet - Côtes du Jura "Cuvée du Hasard" (2009)
Noch im Januar auf der Domaine wirkte die Cuvée du Hasard von Labet nur sehr dezent oxidativ, jetzt hatte sie stärkere oxidative Noten, die zunächst etwas rustikal wirkten, mit der Zeit aber immer feiner wurden und der Gesamtaromatik Platz gaben. Wirklich nur sehr oxidativ war der Savagnin von Didier Grappe, ein unglaublich feiner Wein, ganz toll in der Aromatik mit schönem Savagnin-Duft, feiner Säure und einem hervorragenden Trinkfluss. Gerade zu der Maischolle mit dem grünen Spargel trank sich der Wein hervorragend. Überhaupt werde ich immer mehr zum Fan von Savagnin zum Spargel.
Flight 7: Jean Macle Château Chalon
Huhn mit rotem Reis
Nun ging es über zu den Vin Jaunes. Wink hatte großzügigerweise eine Flasche 1995 Macle Château Chalon mitgebracht und ich konnte der eine Flasche 2004 gegenüberstellen. Wir hatten also in diesem Flight:
Jean Macle - Château Chalon (1995)
Domaine Macle - Château Chalon (2004)
Beide Jahrgänge sind keine Über-Drüber-Jahrgänge, aber beide sehr solide bis gut. Ich war mir vorher nie so sicher, wie lange man eigentlich Vins Jaunes lagern muss, bis sie ausreichend Finesse gewinnen. Hier wurde aber deutlich: bis ca. 20 Jahre nach der Ernte mindestens. War der 2004er schon ein sehr komplexer Wein, so konnte der 1995er der Komplexität noch die ausreichende Finesse und Subtilität hinzufügen. Der 1995er war für mich schon ein Meilenstein für oxidative Jura-Weine und einfach nur wunderbar, und zwar erst recht zu dem wahnsinnig zarten Hühnerfrikassee mit Champignons, Sahne und rotem Reis.
Flight 8: 1985 Château d'Arlay Vin Jaune
Comté und Gruyère
Auf einer Auktion hatte ich vor einer Weile mal drei Flaschen
1985 Château d'Arlay Vin Jaune
zum sehr niedrigen Preis ersteigert, von denen jetzt zwei ihrer Bestimmung zugefügt werden sollten. Bei der ersten Flasche bröselte leider der Korken, so dass wir den Wein durch ein Sieb in eine Karaffe filtern mussten. So hatten wir dann den auch nicht uninteressanten Vergleich desselben Weins, einmal ca. 4 Stunden dekantiert und einmal nur 4 Stunden vorher geöffnet. Interessanterweise waren die Unterschiede nicht gigantisch, auch schon beim Vorprobieren waren die Unterschiede nicht gigantisch. Zuerst wirkte der dekantierte Wein auf mich etwas flach, mit Schwenken im Glas entfaltete er sich aber genauso gut wie der nicht dekantierte Wein. Der Château d'Arlay hatte nicht ganz diese wunderbar subtile Komplexität des 1995 Macle, war aber auch große Klasse mit einer wunderbaren Orangenaromatik in allen Facetten. Ich freue mich schon wie ein Kind auf die dritte Flasche, die vielleicht zu einem marokkanischen Gericht getrunken werden wird.
Während ich übrigens Vin Jaune und Comté so ziemlich die beste Käse-/Wein-Kombination finde, die es gibt, funktionierte das am Abend unserer Probe trotz exzellenten, von Wink aus Frankreich mitgebrachten Comtés zwar gut, aber nicht so, dass ich ins Schwärmen gekommen wäre. Mit dem Gruyère fand ich den Wein sogar spannender.
Flight 9: Macvin & Vin de Paille
Weißes Schokoladenparfait mit Amarettini
Dann waren wir leider schon am Ende der Probe angelangt mit den beiden Süßweinspezialitäten des Jura. Wir hatten die folgenden Weine:
Stéphane & Bénédictes Tissot - Macvin du Jura Rouge (2012)
Désiré Petit - Vin de Paille (2006)
Kurz zur Erläuterung der beiden Weine. Der Macvin ist so ähnlich wie ein Floc de Gascogne oder ein Pineau des Charentes, jedoch mit dem Unterschied, dass der Traubensaft (100% Pinot Noir) mit Marc (anstatt mit Cognac bzw. Armagnac) aufgefüllt wird. Bei Tissot kommt für den Macvin auch der Marc aus 100% Pinot Noir. Der Vin de Paille ist ein Strohwein, einer der wenigen aus Frankreich, bei dem die Trauben früh gelesen werden und dann auf Strohmatten getrocknet werden (oder aber durch Aufhängen getrocknet werden). Neben den Vins de Pailles gibt es im Jura mittlerweile auch einige ähnlich erzeugte Weine, die aber nicht den gesetzlich geforderten Minimum-Alkoholgehalt von - ich meine - 14% Vol. erreichen.
Der Macvin war für das Dessert vielleicht etwas kräftig, war für mich aber ein tolles Getränk (ist ja eigentlich kein Wein), sehr expressiv im Geruch und Geschmack, nicht zu alkoholisch, eher oxidativnotenfrei (einige Macvins haben auch oxidative Noten) und ein toller Ausdruck von Kirschen aller Couleur. Den will ich nochmal mit einer Schwarzwälder Kirschtorte trinken. Auch der Vin de Paille zeigte sich ähnlich schön wie vor etwas mehr als einem Jahr auf der Domaine und spielte mehr mit Agrumennoten. Der Vin de Paille passte auch sehr gut zum Dessert, vor allem zu den Amarettini.
Damit ging dann ein wirklich grandioser Abend zu Ende. Wink ist eine hervorragende Rednerin und hat nicht nur die Weine erklärt, sondern auch jede Menge lustiger Geschichten zum Besten gegeben. Die Küche von Kit Hu war an dem Abend für mich herausragend und intuitiv passend zum Essen. Nicht jede Kombination von Essen und Wein war eine Hochzeit im Himmel, die eine oder andere aber schon. Und ordentlich bis gut gepasst hat eigentlich immer einer der Weine zum jeweiligen Essen.
Besonders schön an den Jura Weinen finde ich zum einen ihre Vielfalt. Aus dem kleinsten Anbaugebiet Frankreichs kommen so viele verschiedene Weinstile, mit denen man völlig problemlos einen ganzen Abend und ein komplettes Menu gestalten kann. Letztlich sind auch gerade die Rotweine für mich klassische "Food-Weine". In jeder größeren Verkostung mit anderen Rotweinen würden sie gnadenlos untergehen, aber das ist ja auch nicht ihr eigentlicher Einsatzzweck. Der liegt eher in der Begleitung von Morteau-Wurst, Schnecken oder anderen ländlichen Gerichten. Und das passt auch so gut zu dieser eigentlich unspektakulären, sehr ländlich geprägten Gegend mit ihren ausladenden Weiden, auf denen Kühen grasen, kleinen Dörfern und sanften Hügeln. La douce France.
Hier sind noch meine gesammelten Notizen des Abends: http://www.verkostungsnotizen.net/vkn_l ... he+starten
Beste Grüße, Stephan