Hallo,
die letzten beiden Grand Cru Lagen auf meiner kleinen Tour durchs Süd-Elsass habe ich leider nur noch im Glas kennen gelernt. Um die Weingärten zu betrachten, war leider keine Zeit mehr. Es handelt sich um die Lagen
Sommerberg und
Kaefferkopf. Beide Lagen befinden sich auf granitischem Fundamentgestein aus dem Paläozoikum (
Zweiglimmergranit). Weil ich keine Bilder habe, muss jetzt ein Blick von den Vogesen aus in den Oberrheingraben in Richtung Schwarzwald herhalten:
Ein Teil vom Terroir ist ja die Beschaffenheit des Bodens, die Erde (also der Nährstoffgehalt, Feuchtegrad, etc). Dieser ist häufig nicht unabhängig vom darunterliegenden Fundamentgestein. Wesentliche Parameter des Fundamentgesteins sind dabei die Wasserrückhaltefähigkeit und die Drainageeigenschaften. Diese Eigenschaften können durch die Porösität des Gesteins (die z.B. durch die Durchsetzung des Gesteind mit Kies, Geröll und Sandkörnern beeinflusst wird) und die Permabilität beschrieben werden. Optimalerweise besitzt das Fundamentgestein eine hohe Porösität um ein tiefes Eindringen von Wasser zu erreichen, und eine niedrige Permeabilität für eine gute Rückhaltefähigkeit, um in Summe eine optimale Wasserbalance für den aufliegenden Boden und die Rebe zu erzeugen.
Kalkstein kann dieses optimale Verhältnis besitzen, eine Porösität im Bereich von 30-45% und eine Permeabilität von ca. 2-3 mD. Sandstein hat eine ähnlich große oder sogar größere Porösität (>40%) aber eine höhere Permeabilität, was zu vermehrtem Wasserablauf führen kann. Der aber häufig enthaltene Ton im Sandstein verbessert die Wasserrückhaltefähigkeit deutlich. Ist recht anschaulich und interessant in diesem frei zugänglichen Übersichtsartikel beschrieben. [1]
In meiner Wahrnehmung von Böden auf Sandstein und Kalkstein führt das zu einem einigermaßen verallgemeinbaren Bild für die Eigenschaft der daraus erzeugten Weine. Die beiden Extreme stellen für mich zum Einen Weine von Böden auf Kalkstein, am besten mit nur wenig Bodenauflage, die schlank sind bei gleichzeitiger aromatischer Klarheit und Vielfalt; zum Anderen Weine von Böden auf tonhaltigem Sandstein, eher kräftiger und voll. Dazwischen gibt es eine ganze Reihe von Abstufungen abhängig von Verwitterungsgrad, Tongehalt und Einschlüssen etc.
Böden auf Granitgestein sind zwar häufig eher nährstoffarm und bei korsischen Weinen vom Granit führt das auch eher zu einer schlanken Stilistik. Aber insgesamt ist mein Bild für die Weine von Böden auf Granit oder Vulkangestein jedoch weniger konkret. Ein Grund dafür ist, dass Granit und Vulkangestein als Gestein selber fast gar keine Porösität und Permeabilität besitzt (<0.01 mD) und die Permeabilität ganz wesentlich vom Verwitterungsgrad des Gesteinskörpers (also durch Risse und Spalten) bestimmt wird. So können tief verwitterte Granitfundamente auch eine Permeabilität besitzen, die eine optimale Wasserbalance gewährleistet und sich nährstoffreich Böden bilden.
Insgesamt ist jedoch der Einfluss des Fundamentgesteins auf die Weinqualität indirekt und geschieht immer in Verbindung mit dem aufliegenden Boden. Die dafür wesentlichen Terroir-Parameter, die mit dem Boden in Verbindung gebracht werden, sind die Bodentemperatur, die Wasserrückhaltefähigkeit und die Menge an bodenverfügbarem Stickstoff. Hingegen gibt es keinen wissenschaftlichen Zusammenhang zwischen Mineralien im Boden und Eigenschaften des Weins. Das Thema ist in diesen beiden frei zugänglichen Artikeln gut zusammengefasst. [2, 3]
Ich versuche mal, die Beschreibung der Einflussgrößen aus den Artikeln zusammenzufassen:
- Die
Bodentemperatur, und damit die Temperatur der Wurzeln der Rebe, beeinflussen den Zeitpunkt des Austriebs und die Geschwindigkeit der Reife. In warmen Weinbauzonen ist eine kühle Wurzeltemperatur von Vorteil, um die Reife zu verlangsamen und somit ausreichend Säure in phenolisch und aromatisch ausgereiften Trauben zu haben. In kalten Weinbauzonen ist eine warme Wurzelzone hilfreich, um eine gute Reife ohne grüne Aromen und zu hohe Säure zu erreichen.
- Ein moderater
Trockenstress wirkt sich positiv auf die Qualität der Weine aus. Der Unterschuss an Wasser führt zu konzentrierteren Beeren, der Gehalt an Äpfelsäure wird reduziert, die Dicke der Schalen nimmt zu. Die Dicke der Schalen wirkt sich erhebllich auf den Gehalt an Phenolen wie Anthocyaninen und die Menge an glycosidisch gebundenen, wesentlichen Aromabestandteilen aus. Schwerer Trockenstress wirkt sich hingegen negativ auf das vegetative Wachstum, den Reifeverlauf und die Bildung von Aromen aus.
-
Stickstoffversorgung ist für die Reben essentiell und wird natürlich für das vegetative Wachstum und die Reife der Beeren benötigt, ist aber auch relvant für die Ausbildung von Phenolen und Aromastoffen, bzw. Vorstufen für Aromastoffe. Eine moderate Versorgung der Rebe mit Stickstoff (in Form von Nitrat), wirkt sich positiv auf die Weinqualität aus. Die Beerengröße bleibt klein, was wieder zu hohem Zucker und hohem Gehalt an Phenolen und niedrigerem Gehalt an Äpfelsäure führt. Der Stickstoffbedarf von Weißweintrauben ist höher als der von Rotweintrauben. Stickstoff stimuliert die Synthese von vielen Thiol-Verbindungen in Weißweintrauben; diese Thiole und Metabolite aus ihnen bilden die wesentlichen Aromabestandteile von Weißwein. Eine zu hohe Stickstoffversorgung führt zu Pilzbefall.
Moderater Stress (nicht nur Trockenstress, sondern auch Stress wie UV-Strahlung und Schädlinge) wirkt sich also positiv auf die Qualität aus, die Rebe erfährt einen Auslöser zur Bildung von sekundären Pflanzenstoffen. Ein anschauliches Gegenbeispiel (Früchte ohne Stress) sind für mich Gewächshaustomaten.
Der Stickstoffgehalt im Boden wirkt sich nicht allein auf das Wachstum der Beeren und der Rebe aus, sondern es kommt auch noch darauf an, dass der Most einen ausreichend hohen Gehalt an hefeverwertbarem Stickstoff (jetzt nicht in Form von Nitrat, sondern als Aminosäuren o.Ä.) besitzt, den die Hefe für die Vermehrung benötigt. Wenn die Rebe keine ausreichende Stickstoffversorgung hat, fehlt dieser dann auch im Most und es kann zu Gärverzögerungen, Gärungsstop und einer Vermehrung von Gärungsnebenprodukten kommen.
Um den Stickstoff aus dem Boden in die Rebe zu bekommen, ist eine ausreichende Feuchteversorgung nötig, bei schwerem Trockenstress kann die Stickstoffversorgung deshalb unzureichend sein, direkt ist deshalb die Stickstoffversorgung der Rebe von der Wasserbalance im Boden gesteuert.
Der bodenverfügbare Stickstoff wird aus organischem Material durch Microorganismen und Bodenbewohner hergestellt (sofern nicht Mineraldünger verwendet wird). Dies geschieht hauptsächlich in den oberen Bodenschichten im Zeitraum von April bis September. In Zeiten von einer hohen Nitratbildung, im Frühjahr und im Frühsommer, wird potentiell übeschüssiges Nitrat mit dem Regenwasser in tiefere Bodenschichten transportiert und steht der Rebe zusätzlich im Zeitraum des höchsten Stickstoffbedarfs (Juli-August, zwischen Blüte und Veraison) zur Verfügung. Deshalb hat natürlich auch die Bodendurchlüftung (und damit die Porösität), aber vor allem auch die Bodenfeuchte, einen Einfluss nicht nur auf die Rebe, sondern in ganz erheblicher Weise auch auf den Boden, die Erde und all seine biologisch aktiven Bestandteile.
Durch den menschgemachten Klimawandel hat die Häufigkeit von regionalen Dürren in Süd- und Westeuropa zugenommen, Klimasimulationen deuten darauf hin, dass diese (regionalen) Ereignisse in Zukunft in Süd- und Westeuropa häufiger und heftiger werden. [4, 5, 6] Neben den direkten Mangel-Stressoren ist für mein Verständnis in den letzten Jahren durch das sich verändernde Klima außerdem aber noch ein weiterer terroirabhängiger Faktor für die Stickstoffversorgung der Rebe hinzugekommen:
Durch Dürrephasen, z.B. gerade im Frühjahr und Frühsommer, wird nicht ausreichend Nitrat im Boden gebildet und auch nicht in tiefere Bodenschichten transportiert. Dadurch kommt es nach meinem Verständnis zur Verarmung an Stickstoff von tieferen Bodenschichten und damit auch zu einer schlechteren, potentiell nicht ausreichenden, Stickstoffversorgung der Rebe in verschiedenen Vegetationsperioden. Gerade nährstoffärmere und nährstoffarme Böden sollten davon betroffen sein. Das ist übrigens kein Phänomen, was sich auf das Elsass beschränkt. Wenn man sich die Empfehlungen der Landesanstalten für Weinbau ansieht, ist in 2018 und 2019 für die Vergärung eine Gabe von hefeverwertbarem Stickstoff (in Form von Diammoniumphosphat) dringend empfohlen, weil die Moste einen Mangel haben.
Camille Braun - Riesling - Alsace Grand Cru Kaefferkopf 2016:
Den fand ich ganz gut. Die Weine werden bei Camille Braun spontan vergoren, manchmal gehen sie nicht ganz durch und dann wird auch nicht nachgeholfen. Deshalb hat der einen Restzuckergehalt von 5.7g, typischerweise versuchen sie aber die Weine komplett trocken zu bekommen. Eine nicht optimale Stickstoffversorgung im Most könnte eine Ursache sein.
Camille Braun - Riesling - Alsace Grand Cru Kaefferkopf 2017:
Der 17er scheint früher geerntet, der Alkohol ist niedriger. Insgesamt aromatisch frischer, aber auch dünner und etwas flacher. Dafür etwas Substanz und Aromatik von der Feinhefestandzeit. Ich habe den Wein aber eher Riesling-Untypisch empfunden.
Domaine Schoffit - Riesling - Sommerberg Grand Cru 2018:
Der ist dann schon merklich dünn und flach und wirkt wie ein Terrassenwein, aber nicht wie ein Grand Cru Riesling. Ich sehe da auch kein großes Entwicklungspotential.
Ich habe ja eine Reihe von Weinen blind mit meiner Weinrunde verkostet. Wir waren uns alle einig, dass die Weine vom Buntsandstein am schönsten waren. Die kühlende Wirkung des feuchteren, gut wasserspeicherfähigen, tonhaltigen Bodens verlangsamt die Reife und erzeugt eine schöne aromatische Vielfalt. Die Weine vom Zinnköpfle, der über ein sehr heißes und trockenes Mikroklima verfügt, schienen, gerade aus 2018 und 2017, von übermäßigem Trockenstress gekennzeichnet und auch einer zu schnellen physiologischen Reife bei einer nicht vollständigen phenolischen Reife. Am wenigsten haben uns die Weine vom Granit gefallen. Die Weine wirkten dünn und aromatisch flach. Die gute Wärmespeicherfähigkeit vom Granit scheint für mich hier ein Faktor sein zu können. In wie weit es zu Trockenstress und einer Stickstoffmangelversorgung kam, weiß ich leider nicht. Muss aber sagen, dass die Weine schon den Erwartungen eines Weins aus Mangel- und Stressjahren erfüllt haben.
Es ist immer leicht, sich im Nachhinein an eine schön klingende Hypothese zu halten, und nur Argumente im Sinne der These zu gewichten und wahrzunehmen. Das ist alles nur deskriptiv, nur eine Stichprone bei Granit-Rieslingen. Die VKNs habe ich aber alle geschrieben, bevor ich die Hintergründe zum Terroir zusammengetragen habe; ich war dann schon erstaunt, dass die Eindrücke zu der Theorie passten. Ich habe jedenfalls den Eindruck, dass die früher besten Lagen im Elsass, die auf Granit, im Zuge des Klimawandels zumindest bei Riesling an ihre Grenzen kommen.
Grüße, Josef
[1] J. M. Huggett, Geology and wine: a review, Proceedings of the Geologists’ Association, 117, 239–247, 2006.
[Link][2] C. van Leeuwen, L. de Rességuier, Major Soil-Related Factors in Terroir Expression and Vineyard Siting, Elements, Vol. 14, pp. 159–165, 2018.
[Link][3] C. van Leeuwen, J.-P. Roby, L. de Rességuier, Soil-related terroir factors: a review, OENO One, 2018, 52, 2, 173-188.
[Link][4] J. Spinoni, G. Naumann, J. Vogt, Spatial patterns of European droughts under a moderate emission scenario, Adv. Sci. Res., 12, 179–186, 2015.
[Link][5] L. Gudmundsson, S. I. Seneviratne, European drought trends, Proc. IAHS, 369, 75–79, 2015.
[Link][6] J. Spinoni, J. V. Vogt, G. Naumann, P. Barbosa, A. Dosio, Will drought events become more frequent and severe in Europe?, Int. J. Climatol. 38: 1718–1736 (2018).
[Link]