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Heymann Löwenstein

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Kle

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Re: Heymann Löwenstein

BeitragMo 5. Sep 2011, 20:42

Weinforen oder Verkostungen helfen, anders in einen Wein hineinzuschmecken, als wenn man auf sich allein gestellt ist. Allein können die Ergebnisse besser oder schlechter sein. Im Falle von "Vom blauen Schiefer reserve 2010" genügt bei mir schon der Gedanke, um Rat fragen zu können, dass ich andere Nuancen schmecke, den Wein interessanter finde. Die Flasche wurde gestern aufgemacht und hat mich verblüfft. Die wenigen 2010er Moselweine, die ich bisher probierte, waren entweder zu sauer oder zu süß. Der "blaue Schiefer" ist süß und geht in eine wattig-gefällige Richtung, die ich von dem Gut so bisher nicht kannte. Obwohl der Wein zuerst und im Vordergrund regelrecht süßlich schmeckt, verwirren sich bei genauerem Probieren die Eindrücke. Dann fällt auch starke Säure auf und drängt sich in den Vordergrund – und Schiefer. Ich habe lange nicht so heftig Schiefer in einem Wein geschmeckt. Aber meine Fähigkeit, den Wein zu genießen, entwickelte sich erst, als ich überlegte, um Rat zu fragen. In den letzten zwei Stunden wirkte der Wein gereifter, diffiziler. Die Irritation vom Beginn ist trotzdem keine Täuschung. Dass der Wein auch etwas Plakatives hat, zeigt er immer wieder. Meine Ratlosigkeit und meine Frage bleibt: Wer hat Erfahrung mit "vom blauen Schiefer reserve 2010"?

Gruß, Kle
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Tristram Shandy
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Jürgen

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Re: Heymann Löwenstein

BeitragDi 20. Sep 2011, 08:52

Ãœber zwei Tage hatten wir wieder mal einen 2006er Uhlen "R" im Glas und wieder vergebe ich 93 Punkte. Das Teil finde ich einfach super lecker.
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Bernd Schulz

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Re: Heymann Löwenstein

BeitragMi 28. Sep 2011, 22:30

Auf der verzweifelten Suche nach etwas Trinkbarem :mrgreen: bin ich heute im Keller unverhofft über diese Flasche gestolpert:

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Der Wein hat sich bemerkenswert gut gehalten, wobei ich die GM-Empfehlung "trinken bis 2005" eh nie ganz ernst genommen habe (allerdings passen die 88 Punkte, die der GM seinerzeit vergab, mal wieder nicht schlecht).
Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie sehr mich dieser Röttgen 00 im jugendlichen Stadium beeindruckt hat. Zum einen hat sich mein Geschmack inzwischen geändert, zum anderen vertrete ich bis auf weiteres die These, dass Löwensteins Weine bei einer Lagerung von 10 oder mehr Jahren nicht unbedingt gewinnen. Aber mit einiger Freude trinken kann man dieses Tröpfchen jetzt schon noch. Immerhinque!

Beste Grüße

Bernd
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octopussy

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Re: Heymann Löwenstein

BeitragDi 4. Okt 2011, 22:05

Trotz der allgemein vorherrschenden Gelbfrucht-Phobie freue ich mich jedes Mal wieder, wenn ich einen so richtig schön gelbfruchtigen Riesling ins Glas bekomme. So einer ist jedenfalls derzeit der 2009 Winninger Röttgen von Heymann-Löwenstein. Der Pfirsich kommt hier glasklar und präzise rüber und bleibt sehr lange im Mund und Gedächtnis. Im Moment ist der Wein vielleicht noch etwas sehr wuchtig am Gaumen, aber das wird sich im Zweifel mit etwas Flaschenreife legen. Ich bin jedenfalls ganz froh, dass ich hiervon trotz insgesamt etwas zwiespältiger Kritiken ("fett, üppig" habe ich ein zwei Mal gelesen) für meine Verhältnisse etwas mehr gekauft habe. Der Wein wird sicher in den nächsten 10-15 Jahren noch viel Freude, und vielleicht zwischendrin auch Enttäuschungen, bereithalten.

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Beste Grüße, Stephan
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Kle

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Re: Heymann Löwenstein

BeitragSa 8. Okt 2011, 19:19

"vom blauen Schiefer reserve 2010" wurde nun verdeckt im Team probiert und heraus kam, dass der Wein anfangs für gereifter und älter gehalten wurde, als er tatsächlich ist. Dies relativierte sich schließlich. Neben starkem Körper fiel scharfe Säure auf. Meine oben geschilderte Irritation wurde eher bestätigt. Der Wein beindruckt durch seine Stoffigkeit und Macht, wurde aber nicht als "differenziert" angesehen und ich konnte sogar unwidersprochen das "Plakative" ins Spiel bringen. Erst nach längerem Nachprobieren stellen sich die typischen liebenswürdigen Löwenstein-Noten ein (Reifenabrieb auf Gelbrucht), die auch beim später gekosteten Schieferterrassen 2004 aus der Magnum auftauchen. Einen Tag später ändert sich das Bild, die Reserve ist auf anmutige Weise schlichter geworden, einerseits. Andererseits treten die Früchte mehr in den Vordergrund. Nicht im Sinne eines gefälligen Obsttellers, sondern mit frischer Säure und angenehm provozierenden Bitternoten. Kreischende zahnende Kleinkinder. HL sticht im Gefolge vieler ganz anderer Weine sofort heraus, besitzt von vornherein eine außerordentliche, souveräne aromatische Statur. Dicht neben der Reserve konnte sich Künstlers "Hochheimer Herrenberg" 2010 wunderbar behaupten: Ein Wein für völlig andere Stimmungen und mit schönem Preis-Leistungs-Verhältnis
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Tristram Shandy
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Bernd Schulz

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Re: Heymann Löwenstein

BeitragSo 9. Okt 2011, 00:13

Carsten, deine wie immer sehr individuell formulierten Zeilen haben dazu geführt, dass ich heute schon wieder an meine Löwensteinschen Restbestände gegangen bin:

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Dieser Röttgen "Alte Reben" ist definitiv ein sehr guter Wein, aber ebenso definitiv keiner, den ich heute noch einmal kaufen würde (der 05er Jahrgang war der letzte, aus dem ich noch Löwenstein-Rieslinge ab Hof bestellt habe).

Reinhard Löwenstein war früher einer meiner Helden. Inzwischen ist die Verehrung zwar nicht, wie das so häufig der Fall sein kann, in komplette Verachtung umgeschlagen, aber kaum einem Winzer nebst seinen Weinen stehe ich mittlerweile so hin- und hergerissen gegenüber. Auf der einen Seite finde ich Löwenstein mit seinem Mut zum individuellen Weg bis hin zur Spinnerei und nicht zuletzt mit seiner *sozialromatischen* Vergangenheit immer noch verflixt sympathisch, auf der anderen hat sich sein regelmäßiger Auftritt als *guter* Terroirwinzer in den Medien inzwischen durch Überbeanspruchung verbraucht - irgendwann wünscht man sich dann doch einmal andere Gesichter und Stimmen.

Und die Weine....ja, sicher....sie sind gut, sogar sehr gut, komplex, dicht, füllig, mineralisch. Aber sie neigen auch immer wieder zum Adipösen, zur Überfülle, eben zum *zu viel des Guten*. Ihr massiger Stil hat zwei Seiten. Früher war mir nur der positive Aspekt bewusst; inzwischen habe ich meine Probleme mit der besonders für Mosel- oder Rheinrieslinge sehr dicken Orchestrierung.

Wie auch immer: Wenn Reinhard Löwensteins Rieslinge für mich inzwischen nicht weitgehend zu teuer geworden wären, würde ich mich gerne noch öfter der Herausforderung einer Begegnung im Jungweinstadium stellen. Leider kann und will ich angesichts der Kurspolitik in den letzten drei, vier Jahren nicht mehr so richtig mitspielen.

Beste Grüße

Bernd
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Kle

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Re: Heymann Löwenstein

BeitragSo 9. Okt 2011, 18:26

Lieber Bernd,
mir erging es nahezu umgekehrt. Als mir das Weingut bekannt wurde – so 2003/2004 – war mir der damalige Hype suspekt und das erste Glas, das ich probierte, schmeckte völlig anders als alles, was ich normalerweise schätzte. Der Stolzenberg (ich glaube 02) wirkte auf mich wie in Übermacht erstarrt, wie eine flüssige Mauer. Gleichzeitig bot HL von Jahr zu Jahr auch faszinierende Eindrücke, weshalb ich die Weine weiter verfolgte. In den ersten Jahren habe ich immer wieder gemutmaßt, dass es an mir liegt, wenn ich die riesige Begeisterung anderer nicht teile. Oder, dass ich zuwenig Ratschläge befolgte, laut derer HL-Weine erst nach 24 Stunden Dekantierzeit schmecken etc. Da finde ich es bemerkenswert, dass Du sie nun mit Worten beschreibst, an die ich sinngemäß oft dachte. Gleichzeitig staune ich jetzt über die Wandlung des blauen Schiefers innerhalb von 24 Stunden –die Löwenstein Klischees holen mich ein!
Die Zweifel hatten ebenso ihre Berechtigung wie das Gefühl, dazulernen zu müssen. Noch glaube ich, einem Geheimnis auf der Spur zu sein, einer ganz bestimmten „Gesammeltheit“ in HL Weinen. Ich suche in ihnen nicht nach virtuosem Spiel, trinke sie nicht zu Bach, sondern zu Wagner und wegen bestimmter atmosphärischer, feinstofflicher Momente. Mich stört nicht, wenn sie nicht "moseltypisch" sind, inzwischen sind sie für mich ein nicht mehr wegzudenkender Teil der Mosel.
Noch glaube ich das alles aber nur, ich habe noch nicht das Gefühl, die Weine wirklich zu kennen. Die Preisentwicklung vermag in der Tat ein abschließendes Urteil zu verhindern…

Beste Grüße, Carsten
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Bernd Schulz

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Re: Heymann Löwenstein

BeitragMo 10. Okt 2011, 00:00

Hallo Carsten,

Ich suche in ihnen nicht nach virtuosem Spiel...


Das ist sicherlich ein wichtiger Punkt - und ich fasse mich da auch gerne an die eigene, inzwischen stark auf dieses Spiel ausgerichtete Nase. Dass man das nicht finden kann, was von vorneherein gar nicht indendiert wurde, muss ich mir erst einmal richtig klarmachen.

Mich stört nicht, wenn sie nicht "moseltypisch" sind...


Über die Frage der Moseltypizität dieses Stils wurde - unter anderem von Marcus Hofschuster - schon viel Kluges geschrieben. Und auch hier packe ich mich gerne an den Riechkolben, wenn ich einen Mangel an Regionalcharakter kritisiere. Es liegt halt nahe, darüber zu moppern :oops: , aber tatsächlich muss man Löwensteins Weine über die letzten zehn, fünfzehn Jahre hinweg als stilbildend für die Untermosel betrachten.

Die Preisentwicklung vermag in der Tat ein abschließendes Urteil zu verhindern…


Unfeinerweise habe ich gerade mit der Preisfrage ein größeres Problem. "Reinhard" wendet sích mit seinen Kursen inzwischen klar an eine ganz bestimmte Klientel...und das dient in meinen Augen nicht unbedingt der persönlichen Glaubwürdigkeit (andererseits weiß ich natürlich nicht genau, welche wirtschaftlichen Zwänge in diesem Fall zu den mittlerweile recht exklusiven Preisen geführt haben).

Einen anderen, zunächst einmal fundamental konsequenteren Weg scheint mir beispielsweise Pierre Clavel, der "weltanschaulich" in eine ähnliche Richtung tendiert, zu gehen....

Beste Grüße

Bernd
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Jürgen

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Re: Heymann Löwenstein

BeitragMo 10. Okt 2011, 18:26

27,50 in der Subskribtion finde ich für den Uhlen "R" einen fairen Preis, dafür macht er mir sehr viel Spaß. Alle Preise darüber machen mir weniger Spaß und auch nur in 2010 habe ich mehr für einen Uhlen "R" bezahlt.
Wegen des hohen Preises habe ich weniger bestellt. Sollten diese Preise sich wiederholen, drifte ich mehr zu den Basisweinen ab oder konzentriere mich noch mehr auf Spaganien, Aussiland und Amerikanien ;) :lol:
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Kle

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Re: Heymann Löwenstein

BeitragMi 12. Okt 2011, 19:09

Hallo Bernd,

an Deine "Alte Reben"-VKN habe ich vorgestern gedacht, als ich aus einer 24 Stunden geöffneten Schieferterrassen 2004 Magnum probierte. Der Wein war zu erschöpft, um noch schwülstig zu sein, hatte sich aber einen Tag später, also nach 48 Stunden, wieder erholt. Die Schieferterrassen schmeckten dann frisch und angenehm. Es machte sich ihn ihnen aber auch etwas bemerkbar, was vielleicht HL-Weine begrenzt. In den damaligen Terroir-Diskussionen hatte mich immer gestört, wenn es sinngemäß hieß: Der grandioseste Wein sei der, der sein Terroir zum Ausdruck bringt. Die Definition von Terroir war je nach Diskutant unterschiedlich. Für die einen hat jeder Wein zwangsläufig Terroir. Für die anderen darf sich nur derjenige Terroirwein nennen, dessen Erzeuger bewusst die natürlichen Gegebenheiten und die Tradition eines Gutes interpretieren und optimal ausschöpfen wollen. Wenn dies aber bewusst geschieht, dann geht es eigentlich nicht mehr um Ästhetik, um Geschmack, sondern um eine Art philosophisches Ideal. Eine Weinlage soll in der Flasche zu ihrem wahren Sein kommen, das ihr innerhalb zeitlicher Gegebenheiten entspricht. Der Weltgeist in der Flasche. Mich wundert nicht, wenn dieser Wunsch letztlich zu einer gewissen Stille im Glas führt. Zu einem hochgradigen Ausdruck, der vor allem auf sich selber schaut und dem das Unsichere, Flirrende, Voraneilende fehlt. Damals dachte ich an solche Sachen, als Löwenstein schrieb: "Warum muss ein Wein schmecken?" Allmählich zeigt sich besser, wie seine Weine schmecken, aber wie genau ist mir wie gesagt längst nicht klar.

Gruß, Kle
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Tristram Shandy
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