Heymann Löwenstein

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Jochen R.
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Re: Heymann Löwenstein

Beitrag von Jochen R. »

Danke Kle!
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Michl
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Re: Heymann Löwenstein

Beitrag von Michl »

Carsten war so freundlich und hat mir auch eine Probe des 2006er Uhlen Blaufüßer Lay zukommen lassen. Dank der in der Vorweihnachtszeit überlasteten Versender kam der Wein erst heute bei mir an, beschert mir dafür aber mitten unter der Woche ein ganz großartiges Weinerlebnis.
Was Carsten oben geschrieben hat, trifft mit jedem Wort den Nagel auf den Kopf. Letztlich kann ich nichts Substanzielles oder Bereicherndes mehr hinzufügen, nur eine VKN, die den Gesamteindruck aber nicht so treffend zum Ausdruck bringt wir Carstens Worte. Nor das Fazit von Carsten, - "öliger Charme" - ist trotz seiner Berechtigung für mich zu zurückhaltend, für mich ist der Wein ein Orchidee gewordener Riesling
Vielleicht aber noch so viel: Petrol kann ich nur sehr begrenzt wahrnehmen, für mich hätte der Wein auch ein 2015er sein können. Auf jeden Fall hat er noch keineswegs seinen Höhepunkt überschritten, vielmehr könnte er das aktuell genau sein und der Wein hat wahrscheinlich noch eine lange Zeit vor sich.
Gerade weil der Wein trotz der Opulenz nicht auffallend lang ist, zeigt er exemplarisch, dass Länge kein Qulaitätskriterium ist. Er ist formvollendet, was meines Erachtens wesentlich schwerer wiegt.
Besonders faszinierend, war zunächst das Aromenspiel in der Nase, da blitzt etwas auf, wird sofort wieder verweht und von einem anderen Eindruck ersetzt. Später wird die Nase dann wesentlich ruhiger

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Herzlichen Dank, Carsten!
Viele Grüße

Michl
Kle
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Re: Heymann Löwenstein

Beitrag von Kle »

Du hast mich ertappt, lieber Michl, denn ich weiß überhaupt nicht, was Petrol ist. Ich dachte, ich nehme den Begriff mal statt „Reifenabrieb“. Nachdem ich nämlich gegoogelt hatte, sah ich, dass letzterer in der Weinwelt anscheinend nur einmal und zwar von mir für eine HL-VKN benutzt wurde… Ich schmeckte beim Blaufüßer vor allem zu Beginn etwas in der Art – Du hast zu einem anderen Wein auch von Tankstelle geschrieben - und es mag auf dem Weg nach Süddeutschland verflogen sein.
Du stellst Deine Beschreibungskunst total unter den Scheffel. Ich bin immer wieder fasziniert, wie weit du dich zu den Phänomenen vorwagst, in eine für mich oft vernebelte Welt, und dabei klar, nachvollziehbar und lebendig einen Wein vor Augen führst. Übrigens freut mich, dass wir völlig unabhängig voneinander ein kritisches Verhältnis zur aromatischen Länge von Weinen haben. Ich werde seit Jahren für die Meinung, sie werde überschätzt, aufgezogen :D . In deiner VKN findet sich weiteres Wichtiges, was mir ebenfalls beim Blaufüßer Lay auffiel, ohne es selber notiert zu haben, so die Balance.
Du hast recht, „öliger Charme“ wäre als Fazit zu wenig und ist mehr als Fußnote gemeint. Tatsächlich finde ich charmant, wie die Öligkeit hier alles verbindet und nie schwer macht.

Gruß, Carsten
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Kle
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Re: Heymann Löwenstein

Beitrag von Kle »

Begeistert trank ich vor zwei, drei Jahren HL-Weine aus den 0er Jahren. Propezeiungen, langes Warten könne bei den Sachen der Winninger WInzer zu ganz großen Erlebnissen führen, schienen bestätigt. Zugleich war von einem Stilwechsel auf dem Gut zu hören, den ich beim Probieren eines aktuelleren Jahrganges selbst empfand. Gern wollte ich mir da noch traditionellen HL sichern, fand aber auf der website nur noch zwei Magnums Laubach und Roth Lay 2014, womöglich aus einer stilistischen Übergangszeit. Die beiden kamen jetzt im Vergleich zu einem 2019er Roth Lay zur Verkostung. Dabei ergab es sich eher zufällig, dass Laubach 14 und Roth Lay 19 auch noch von einer zweiten Gruppen separat verkostet wurde.
Beide 2014er wurden als stark empfunden, wobei nicht nur mir Roth Lay besser gefiel. Lieblichbittere und ölige Dichte umschloss hier zarte, aufregende Bewegungen. Laubach 14 bestach weniger als Roth Lay durch einen ziselierten Mikrokosmos als durch seine Struktur: Eine gewisse Strenge, Schärfe und gebieterische Architektur besaß dieser Wein. An seiner Mosel-Gelbfrucht ließ sich schälen und schälen ohne die Frage klären zu können, kommt noch etwas oder nicht. Trotzdem wirkten beide gegenüber manchem old stuff verschlankt und eingehegter. Ein Teilnehmer meinte, dieser Wein weiche von seinem herkömmlichen HL-Bild deutlich ab.
Der 2019er hatte in beiden Gruppen den schwersten Stand. Er wurde unter anderem als dünn, kurz und als ein Wein bezeichnet, den man sich nicht kaufen wolle. Auch aber als ein besonders anspruchsvolles und für viele schwieriges Getränk, da es kein gängiges Geschmacksmuster bediene. Mir hat der 2019er vor etwa zwei Jahren deutlich besser gefallen als jetzt. Zwar Wehmut über das Ende einer Geschmacksära auslösend, aber auch Neugier aufs Neue. Mal sehen, was kommt.
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Olaf Nikolai
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Re: Heymann Löwenstein

Beitrag von Olaf Nikolai »

2006 Uhlen R Roth Lay
Es lebt, und gut.
Orangenzesten und zwar vollreife Bitteroragen, ja genau das ist es.
Ein Wein für Briten sozusagen und damit sind die Meisten hier raus.
Und ja, gute Entwicklung über 2020 hinaus durchaus.
Nicht zu warm werden lassen.
Geiler Stoff. Wirklich froh über die Qualität der Weinbereitung hier vor mittlerweile knapp 20 Jahren.
Danke Reinhard.
Punkte?
Über 95, aber wen interessiert das wirklich?
Wer hat, genießt.
Ollie
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Re: Heymann Löwenstein

Beitrag von Ollie »

Aus mehreren Gründen ist H-L seit einem Vierteljahrhundert auf meiner Schwarzen Liste. Aber der 2023er Röttgen ist schon große Klasse und sehr typisch für die Lage ("orange in der Nase, braun am Gaumen").

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Ich hoffe ja insgeheim, daß seine Tochter die Weine macht...

Cheers,
Ollie
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mixalhs
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Re: Heymann Löwenstein

Beitrag von mixalhs »

Danke, Ollie, für den Tipp! Über H-L konnte man schon immer trefflich streiten. Den barocken Stil der frühen 2000er mochte ich anders als viele andere immer sehr - nicht jeden Tag und auch nicht zu jedem Essen, sondern eher als "vino da meditazione" nach dem Essen oder zum Kalbsbraten mit Morcheln (den man ja wirklich nicht jeden Tag hat). Schon seit viel Jahren habe ich jetzt nichts mehr von H-L gekauft, weil die passenden Anlässe doch sehr rar waren. Aber Deine Notiz liest sich so, als sollte ich mal wieder zuschlagen. Liebe Grüße, Michael
Ollie
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Re: Heymann Löwenstein

Beitrag von Ollie »

Hallo Michael, probier mal und berichte, ich bin gespannt auf dein Urteil!

Ich hatte auch mehrere Gerichte als Begleitung zu den Weinen des alten Stils ausprobiert, aber sonderlich gut klappte das nie. Und für "zum so Trinken" kam mir immer der Alkohol zu sehr durch.

Der neue, "trockene GG-Stil" (das Teil schmeckt wie 6g Restzucker bei <6g Säure, wirkt also bestimmt nicht knochentrocken) wird wahrscheinlich auch nicht das Tischwunder werden (er zerschellte spektakulär an Sushi, jetzt ist mal ein Test mit "Hühnchen mit zehn Knoblauchknollen" geplant), aber das macht nix, der Wein trinkt sich auch so ganz hervorragend.

Hofschuster gibt dem Wein übrigens 94(!) Punkte - diese Bewertung halte ich tatsächlich für vertretbar. Die 90 Punkte von Mosel Fine Wine hingegen halte ich für einen massiven Fehlgriff, zumal im Kontext dessen, was sonst hohe Punktzahlen fängt, aber der letzte Satz ihrer Notiz trifft's schon recht gut (minus "creamy", der Wein ist weich, aber nicht cremig oder schmelzig wie etwa eine hohe Auslese):
Mosel Fine Wines hat geschrieben:The Röttgen 2023, as it is referred to on the consumer label, needs a few minutes in the glass to reveal notes of candied grapefruit, apricot, minty herbs, earthy spices, and mirabelle. It also has a rich and creamy side on the palate, where rich, exotic fruits as well as toffee come through. The finish is superbly long and intense. There is a touch of tartness coming through in the aftertaste. This impressive creamy and rich dry Riesling will appeal to lovers of more ostentatious expressions of the style. 2026-2030
Wobei ich das Trinkfenster auch so sehe: Gib dem Wein zwei Jahre, um den Hefeschleier loszuwerden, und dann ab damit.

Aus Gründen verfolge ich H-L ja nicht, insofern kann ich nicht sagen, ob dieser Röttgen ein One-Hit Wonder ist oder wirklich repräsentativ für die 2023er Kollektion; aber jetzt habe ich höggschde Aufmerksamkeit für die Uhlen-Laubach-Dinger, die nächstes Jahr freigegeben werden. Und wenn ich in den letzten 25 Jahren etwas nie war, dann gespannt auf Heymann-Löwenstein.

Ich werde alt. :shock:

Cheers,
Ollie
Zuletzt geändert von Ollie am So 13. Okt 2024, 12:33, insgesamt 1-mal geändert.
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Gerald
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Re: Heymann Löwenstein

Beitrag von Gerald »

Ich erinnere mich, dass das Weingut in den Anfangszeiten von taw (so um 2005 herum) damals extrem angesagt war, geschätzt jedes zweite Posting zu Riesling hat sich um HL gedreht. So gesehen wundert mich schon ein bisschen, dass es so komplett von der Bildfläche verschwunden ist.

Selbst hatte ich um 2006 herum einmal Gelegenheit, die aktuelle Palette bei einer Weinveranstaltung durchzuprobieren - haben mir ganz gut gefallen, ich konnte den Hype aber nicht im Ansatz nachvollziehen. Vielleicht da ich aus Österreich Riesling-Dickschiffe ohnehin gewohnt war :D

Grüße
Gerald
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UlliB
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Re: Heymann Löwenstein

Beitrag von UlliB »

Gerald hat geschrieben: So 13. Okt 2024, 11:35 Ich erinnere mich, dass das Weingut in den Anfangszeiten von taw (so um 2005 herum) damals extrem angesagt war, geschätzt jedes zweite Posting zu Riesling hat sich um HL gedreht.
Naja, jeder zweite Beitrag war es wohl nicht, aber sehr viele jedenfalls. Es gab einen regelrechten H-L-Kult, die Weine wurden sorgfältigst präpariert; stunden- oder sogar tagelanges Dekantieren war angesagt, um die optimale Trinktemperatur wurde erbittert gestritten, und manche Leute haben den Inhalt einer einzigen Flasche über viele Tage verteilt zelebriert. Da bekam man schon den Eindruck, dass die Weine den Heiligen Gral deutscher Rieslinge darstellten.

Das waren sie aber nicht. Ich habe mich von dem Hype damals mitreißen lassen und einiges gekauft. Im damaligen Kontext waren die Weine ungewöhnlich konzentriert und "dick" (für Mosel sowieso), aber mit dem halbtrockenen und ziemlich alkoholstarken Stil bin ich nie wirklich klargekommen.

Es sind immer noch ein paar Flaschen aus den Nullerjahren vorhanden, um die ich regelmäßig herumschleiche und mir überlege, ob ich den Inhalt gleich der Kanalisation übergebe, weil er vermutlich sowieso da landen wird. Durchgerungen habe ich mich dazu aber noch nicht, und so liegen die Flaschen weiter da und werden dabei sicher nicht besser :|
So gesehen wundert mich schon ein bisschen, dass es so komplett von der Bildfläche verschwunden ist.
Mich nicht. Jeder Hype endet irgendwann.

Gruß
Ulli
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