Re: Rettet den restsüßen Spätburgunder Prädikatswein!
Verfasst: Sa 6. Sep 2014, 19:23
Hallo Bernhard,
ich habe Dich bisher immer als kompetenten und seriösen Diskussionspartner geschätzt, bin aufgrund Deiner nachfolgenden Äußerungen jedoch enttäuscht von Dir und will auch begründen warum.
Etwas schwierig wird es allerdings für mich, wenn aus den eigenen - in diesem Fall offensichtlich sehr speziellen, denn sonst würde diese Art von Wein wohl nicht vom Aussterben bedroht sein - Geschmacksvorlieben Schlüsse für die Allgemeinheit gezogen werden: "...da Alkohol ein brennendes Mundgefühl verursacht (unangenehm) und bitter schmeckt (widerlich). Anreicherung ist für Feinschmecker also kontraproduktiv! .. Die Erzeuger von sogenannten "Spitzenweinen" wollen auch in kühleren Jahren alkoholstarke, brandige und bittere Weine an ihre Kundschaft verkaufen..."
Und gar nicht vertragen kann ich es, wenn man in offensichtlicher Unkenntnis der Materie Pauschalaussagen wie solche und ähnliche trifft: "QbA ist potentiell immer minderwertig, da angereichert - sonst würde der Wein nicht als QbA vermarktet, in aller Regel."
Das Alkohol ein brennendes Mundgefühl verursacht und bitter schmeckt ist nach meiner Kenntnis in der Sensorik unbestritten - es gibt aber Ausnahmen. Ich bitte hierzu die Veröffentlichungen von Linda Bartoshuk zu lesen, die die Menschen anhand eines bitter schmeckenden Modellmoleküls in Nichtschmecker, Schmecker und Superschmecker differenziert. Sie legt sogar dar, daß das Risiko, zum Alkohliker zu werden, für Nichtschmecker signifikant höher sei. Nichtschmecker empfinden Alkohol nach meiner Erinnerung an die Publikationen von Frau Bartoshuk sogar als süß.
Ich habe daher ganz explizit geschrieben, daß die Anreicherung für Feinschmecker kontraproduktiv ist. Nichtschmecker sind nach meiner Ansicht eben das Gegenteil von Feinschmeckern. Mit Feinschmeckern verbinde ich von der physiologischen Seite her Schmecker und vor allem Superschmecker.
Der zweite Punkt, der neben der sehr unterschiedlichen sensorischen Empfindsamkeit von Menschen angesprochen werden muß, ist der sogenannte "aquired taste". Der Mensch ist in der Lage, biologisch als negativ bewertete Sinneseindrücke (Bitterkeit, das Brennen von Alkohol, den Geruch von Surströmming, eine Fisch"spezialität" http://de.wikipedia.org/wiki/Surstr%C3%B6mming) als positiv umzulernen oder sich zumindest daran zu gewöhnen, siehe z. B. http://en.wikipedia.org/wiki/Acquired_taste
Meine Sensorik ist nach meiner Beobachtung seit meiner Jugend stabil. Da ich Kaffee aufgrund seiner Bitterkeit widerlich finde (auch Bitterschokolade, am liebsten mag ich weiße Schokolade, z.B. die herrlichen Trüffel aus weißer Schokolade mit Haselnüssen aus dem Piemont), bin ich vermutlich ein Schmecker oder Superschmecker. Wer Kaffee oder Bitterschokolade mag, ist entweder Nichtschmecker oder hat einen "acquired taste", nach meiner Einschätzung.
Nun kommt der nächste Schritt: Ich habe systematisch hoch bewertete Weine, z.B. aus dem Gault Millau oder von Robert Parker probiert. Die finde ich meist widerlich, ekelhaft oder abscheulich. Ich kann auch immer genau sagen, woran es liegt: Sie sind brandig oder bitter. Troplong Mondot 2001 ist z. B. vor mir ekelerregend, Bernhard Hubers Spätburgunder Reserve oder alte Reben 1998 auch. So komme ich zu dem Schluß, daß Weinkritiker häufig entweder Nichtschmecker sind oder über einen "aquired taste" verfügen, sich also ihren Geschmack - bewußt wertend formuliert - verdorben haben. Dies betrifft nach meiner Einschätzung auch viele Wein"kenner".
Daher bleibe ich bei meiner Formulierung, daß die Anreicherung für Feinschmecker kontraproduktiv ist. Meine sensorischen Erfahrungen sind an Kindern bestätigt, die noch keinen "acquired taste" haben. Was mir schmeckt, schmeckt oft auch Kindern, die noch einen zuverlässigen biologischen Geschmack haben. Auch Nichtweinkennern kann ich oft köstlich schmeckende Weine empfehlen.
Liebe Grüße,
Andreas
P.S. Das ich keine Ahnung habe, wir mir ein Diskutant vorgeworfen hat, mag sein. Immerhin bin ich Chemiker und habe in meiner Promotionszeit einige wissenschaftliche Publikationen über Weinwissenschaft und Sensorik gelesen, die ich an mir bestätigen konnte.
ich habe Dich bisher immer als kompetenten und seriösen Diskussionspartner geschätzt, bin aufgrund Deiner nachfolgenden Äußerungen jedoch enttäuscht von Dir und will auch begründen warum.
Etwas schwierig wird es allerdings für mich, wenn aus den eigenen - in diesem Fall offensichtlich sehr speziellen, denn sonst würde diese Art von Wein wohl nicht vom Aussterben bedroht sein - Geschmacksvorlieben Schlüsse für die Allgemeinheit gezogen werden: "...da Alkohol ein brennendes Mundgefühl verursacht (unangenehm) und bitter schmeckt (widerlich). Anreicherung ist für Feinschmecker also kontraproduktiv! .. Die Erzeuger von sogenannten "Spitzenweinen" wollen auch in kühleren Jahren alkoholstarke, brandige und bittere Weine an ihre Kundschaft verkaufen..."
Und gar nicht vertragen kann ich es, wenn man in offensichtlicher Unkenntnis der Materie Pauschalaussagen wie solche und ähnliche trifft: "QbA ist potentiell immer minderwertig, da angereichert - sonst würde der Wein nicht als QbA vermarktet, in aller Regel."
Das Alkohol ein brennendes Mundgefühl verursacht und bitter schmeckt ist nach meiner Kenntnis in der Sensorik unbestritten - es gibt aber Ausnahmen. Ich bitte hierzu die Veröffentlichungen von Linda Bartoshuk zu lesen, die die Menschen anhand eines bitter schmeckenden Modellmoleküls in Nichtschmecker, Schmecker und Superschmecker differenziert. Sie legt sogar dar, daß das Risiko, zum Alkohliker zu werden, für Nichtschmecker signifikant höher sei. Nichtschmecker empfinden Alkohol nach meiner Erinnerung an die Publikationen von Frau Bartoshuk sogar als süß.
Ich habe daher ganz explizit geschrieben, daß die Anreicherung für Feinschmecker kontraproduktiv ist. Nichtschmecker sind nach meiner Ansicht eben das Gegenteil von Feinschmeckern. Mit Feinschmeckern verbinde ich von der physiologischen Seite her Schmecker und vor allem Superschmecker.
Der zweite Punkt, der neben der sehr unterschiedlichen sensorischen Empfindsamkeit von Menschen angesprochen werden muß, ist der sogenannte "aquired taste". Der Mensch ist in der Lage, biologisch als negativ bewertete Sinneseindrücke (Bitterkeit, das Brennen von Alkohol, den Geruch von Surströmming, eine Fisch"spezialität" http://de.wikipedia.org/wiki/Surstr%C3%B6mming) als positiv umzulernen oder sich zumindest daran zu gewöhnen, siehe z. B. http://en.wikipedia.org/wiki/Acquired_taste
Meine Sensorik ist nach meiner Beobachtung seit meiner Jugend stabil. Da ich Kaffee aufgrund seiner Bitterkeit widerlich finde (auch Bitterschokolade, am liebsten mag ich weiße Schokolade, z.B. die herrlichen Trüffel aus weißer Schokolade mit Haselnüssen aus dem Piemont), bin ich vermutlich ein Schmecker oder Superschmecker. Wer Kaffee oder Bitterschokolade mag, ist entweder Nichtschmecker oder hat einen "acquired taste", nach meiner Einschätzung.
Nun kommt der nächste Schritt: Ich habe systematisch hoch bewertete Weine, z.B. aus dem Gault Millau oder von Robert Parker probiert. Die finde ich meist widerlich, ekelhaft oder abscheulich. Ich kann auch immer genau sagen, woran es liegt: Sie sind brandig oder bitter. Troplong Mondot 2001 ist z. B. vor mir ekelerregend, Bernhard Hubers Spätburgunder Reserve oder alte Reben 1998 auch. So komme ich zu dem Schluß, daß Weinkritiker häufig entweder Nichtschmecker sind oder über einen "aquired taste" verfügen, sich also ihren Geschmack - bewußt wertend formuliert - verdorben haben. Dies betrifft nach meiner Einschätzung auch viele Wein"kenner".
Daher bleibe ich bei meiner Formulierung, daß die Anreicherung für Feinschmecker kontraproduktiv ist. Meine sensorischen Erfahrungen sind an Kindern bestätigt, die noch keinen "acquired taste" haben. Was mir schmeckt, schmeckt oft auch Kindern, die noch einen zuverlässigen biologischen Geschmack haben. Auch Nichtweinkennern kann ich oft köstlich schmeckende Weine empfehlen.
Liebe Grüße,
Andreas
P.S. Das ich keine Ahnung habe, wir mir ein Diskutant vorgeworfen hat, mag sein. Immerhin bin ich Chemiker und habe in meiner Promotionszeit einige wissenschaftliche Publikationen über Weinwissenschaft und Sensorik gelesen, die ich an mir bestätigen konnte.