Altfränkische Weinberge - gemischter Satz

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Gerald
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Re: Altfränkische Weinberge - gemischter Satz

Beitrag von Gerald »

Auch Mario Scheuermann ist dieser Ansicht:
Im Klartext heisst das: der Begriff des Gemischten Satzes ist für Österreich allein zugelassen in allen anderen Ländern der EU, auch in Deutschland daher verboten.
(wer fehlende Satzzeichen findet, darf sie selbst einfügen ;) )

http://drinktank.blogg.de/2011/08/02/ge ... h-gefallt/

Ich denke, das ist einfach nicht exekutiertes Recht, so wie das Handyverbot beim Autofahren ...

Grüße,
Gerald
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WoFu
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Re: Altfränkische Weinberge - gemischter Satz

Beitrag von WoFu »

Moin, moin,

ganz so übersehen wird es wohl nicht. Meist steht doch etwas vom "Alter Satz" oder "Fränkischer Satz", m. E. das Bemühen der Winzer gerade nicht gegen eine (sinnvolle?) EU-Regelung zu verstossen. Ausnahmen bestätigen - wie wohl immer - die Regel.

Schöne Grüße aus dem Norden, wo statt Altem Satz Solaris und co. Vorrang haben ;-)

Wolfgang
weinaffe
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Re: Altfränkische Weinberge - gemischter Satz

Beitrag von weinaffe »

Hallo zusammen,

letzten Samstag gab es in Würzburg eine Neuauflage in Sachen "alte fränkische Weinberge/fränkischer Satz", die wiederum von der rührigen Slow Food-Sektion Hohenlohe-Tauber-Main-Franken perfekt organisiert wurde.
Wie im letzten Jahr präsentierten die persönlich anwesenden Winzer, die in der Mehrzahl Nebenerwerbswinzer sind, mit viel Herzblut Ihre Weine, die mit einer Ausnahme ausschließlich aus den nicht einfachen Jahren 2013 und 2014 stammten.
Mit dem ersten Wein konnte auch schon das "flüssige" Ergebnis eines interessanten und lobenswerten Projekts vorgestellt werden, nämlich die Rettung und Rekultivierung einer vom Verfall bedrohten Rebanlage im Ickelheimer Schlossberg (bei Bad Windsheim), möglicherweise die letzte größere Holzpfahlanlage in der traditionellen fränkischen Kopferziehung. Slow-Food unter Leitung von Gerd Sych organisierte diese Wiedererweckung, die natürlich nur unter Mithilfe freiwilliger Helfer mit viel Arbeitsaufwand möglich war. Die hierfür benötigten Geldmittel wurden zumindest teilweise über eine "Rebstockpatenschaft" erwirtschaftet. Fachliche Hilfe kam vom Winzer Ulrich Bürks, der dieses Projekt in önologischer Hinsicht begleitet hat und auch die Vinifizierung durchführte.

2014er "Alter Satz" Ickelheimer Schlossberg (Ulrich Bürks und Slow Food)
Rebberg gepflanzt ca. 1930. Im schwierigen Jahrgang 2014 wurden ca. 30% der Beeren herausgeschnitten, Mostgewicht 83-87 Grad Öchsle, mit Reinzuchthefe vergoren, keine Maischestandzeit. Restzucker: 0,5/ S: 6,2.
Für den schwierigen Jahrgang durchaus zufriedenstellend, konsequenter, ehrlicher Wein mit gutem Trinkfluss.


2014er "1901" Alter fränkischer Satz (Peter Vogel, Rottendorf)
Wurzelechte Rebstöcke mit geringem Zeilenabstand (ca. 70 cm), der eine maschinelle Bearbeitung praktisch unmöglich macht. Neben den identifizierten Rebstöcken (Elbling, Traminer, Muskateller und andere bekannte Rebsorten) auch solche Exoten wie Putzscheere und die Bukettrebe.
Weinberg um 1900 gepflanzt, 76 Grad Öchsle, 2/3tel wurden im Edelstahl, 1/3 im großen Holzfass spontan vergoren/ RZ. 1,7, S: 6,3. Ein Hauch saubere Bortrytis, wirkt dadurch fülliger als es das Mostgewicht erwarten lässt, cremiger geschmeidiger Typ, ansonsten sauber und trinkanimierend.

2014er Alter Satz (Peter Götz, Zell am Ebersberg)
Identifizierte Rebsorten in diesem um 1850 gepflanzten Weinberg sind: Weißer Heunisch, Elbling, Gelber Muskateller, Affenthaler, Silvanerspielarten (grün/gelb/ rot/blau), Blauer Scheucher Hartschwarz, Vogelfränkisch, Möhrchen, Portugieser, Adelfränkisch, Szagos Bajnar, Rotholziger, Trollinger, Kleinweiß, Persan und und und...
82 Grad Öchsle, Z. 0,3, S: 6,8. Fassprobe: noch etwas stumpf und rauh, aber sehr klar und zarthefig mit klarer Apfelfrucht. Durchaus gelungen.

Fortsetzung folgt !

Grüsse
Bodo
weinaffe
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Re: Altfränkische Weinberge - gemischter Satz

Beitrag von weinaffe »

... und weiter geht's mit den (alt)fränkischen Sätzen:


2014er Wipfelder "Anno Domini" (Herbert Schneider, Wipfeld)
quasi ein "clos" (ummauerter Weinberg), der direkt an der Kirche in der Kirchensteige gelegen bereits seit 1723 im Mischsatz ( die Silvanerspielarten und Elbling machen ca. 80% aus, Rest Muskateller, Affenthaler, Gutedel, Trollinger, Portugieser u. a.) angelegt ist. Sehr sauber, knackige Säure, angenehmes Mittelgewicht


2014er Fränkischer Satz (Christian Ehrlich -3 Zeilen Manufaktur-Rödelsee)
Hier handelt es sich nicht um einen alten Weinberg, sondern um einen in altfränkischer Tradition im Mischsatz angelegten Weinberg.Christian Ehrlich ist immer noch Nebenerwerbswinzer, aber das Niveau seiner Weine ist schon jetzt auf hervorragendem Niveau. Die Cuvee besteht aus Silvaner, Muskatsylvaner, Riesling, Goldmuskateller und Grauburgunder. Der Wein hat einen BSA durchlaufen und hat 3 gr. Restzucker. Glasklar in Nase und am Gaumen, sehr feine, vielfältige Fruchtnuancen, sehr tief und elegant, gute Länge, trotzdem kein Schwergewicht, sondern ein echter Charmeur. Toller 2014er. Leider hat das nicht jeder Winzer in dieser Perfektion hingebracht.

Die hier präsentierenden Winzer haben sich zu einer losen Interessenvereinigung zusammengefunden, die sich auch intern entsprechende Leitlinien zu diesem Thema gegeben haben. Auf den Etiketten wird nicht der Begriff "gemischter Satz" erscheinen, der ja dem Wiener gemischten Satz vorbehalten ist. Diese fränkischen Weine aus entweder alten Weinbergen oder Neuanlagen mit gemischt gepflanzten Rebsorten nennen sich "Fränkischer Satz" oder "Altfränkischer Satz". In jedem Falle müssen mindestens 5 verschiedene Rebsorten (beim Wiener gemischten Satz reichen 3 aus) in der Cuvee sein. Hintergrund ist die Tatsache, dass in den meisten Weinbergen, zumindest den älteren, ohnehin alle 4 Silvanerspielarten vertreten sind und man keine reine Silvaner-Cuvee in dieser Kathegorie haben wollte. Insbesondere für die neuangelegten Weinberge soll folgendes "Mischungsverhältnis" gelten: 50 % die vier verschiedenen Silvanerspielarten,die restlichen 50% können sich beim "Fränkischen Satz" auf sonstige Qualitätssorten (auch Rote) verteilen. Beim "Altfränkischen Satz" sollen die restlichen 50% mit "alten" Rebsorten belegt sein.


2013er "Frentsch" (Armin Störrlein, Randersacker)
hier wieder die moderne Interpretation des fränkischen Satzes: Cuvee aus gelbem Silvaner, Riesling, Roter Traminer, Gelber Muskateller und Burgundunderspielarten. Sehr frisch mit angenehmer Säure und eleganter Frucht, sehr trinkanimierend.

Man erfährt ja immer wieder interessante Dinge, vor allem , wenn man neben einem der beteiligten Winzer sitzt. Hartmut Scheuring (4,5 Ar im Steinbacher Nonnenberg), der im Jahrgang 2012 noch 128 Flaschen produzierte, musste diesmal passen. 2014 hat er ganze 30 Liter Wein produziert, die er wahrscheinlich selbst trinken wird. Er hat mir aber noch verraten, dass in den Hassbergen in den alten Weinbergen traditionsgemäss ein hoher Anteil roter Sorten gepflanzt ist.Da hat der eine oder andere Winzer, insbesondere wenn er mit Maischestandzeit arbeitet, schon Probleme bei der Qualitätsweinprüfung bekommen, da sein als Weisswein angemeldeter Wein schon eher wie ein Rose-Wein gefärbt war. Solche Weine, wenn man sie nicht gerade als Landwein vermarkten will, müssen dann als Rotling angemeldet werden. Aus diesem Grunde hatten wir im folgenden auch 2 Alte Sätze, die als Rotling daherkamen:


2013er Alter Satz Rotling (Florian Mühlfelder, Zell am Ebersberg
leider kein Volltreffer, viel Karamell, laktisch, hier ist der BSA nicht optimal verlaufen, zwar trinkbar, aber absolut nicht mein Geschmack.

2013er Alter Satz Rotling (Sabine Duske, Ickelheim)
dieser Rotling hat mir wesentlich besser gefallen: sehr sauber, klare Rotfrucht, gute Säure, noch jugendlicher Eindruck.

Fortsetzung folgt!

Grüsse
Bodo
weinaffe
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Re: Altfränkische Weinberge - gemischter Satz

Beitrag von weinaffe »

... und weiter geht's mit den (alt) fränkischen Sätzen:

9.) 2013er "Uralte Reben" Seinsheimer Hohenbühl Silvaner trocken (Weingut Emmerich, Iphofen)
Die Familie Emmerich, die im Vollerwerb ein Weingut in Iphofen betreibt und schon mehrfach mit gelungenen Gewürztraminern auf sich aufmerksam gemacht hat, konnte einen altes Silvanerflurstück (ca. 1.000qm, Pflanzjahr um 1900) im Seinsheimer Hohenbühl ergattern, das mit den Silvanerspielarten (offensichtlich viel gelber Silvaner) bepflanzt ist. Der Wein hat ohne Zweifel Klasse: absolut nicht vordergründig, aber sehr tiefe Nase mit Mirabelle und Birne, auf der Zunge extrem mineralisch und straff, trotz gut 5 gr. Restzucker wirkt der Wein absolut trocken und fordernd, noch frisch und jugendlich, man kann sich wunderbar in diesen Wein trinken. Gefällt mir ausnehmend gut. Der Wein ist meines Wissens nach noch im Weingut erhältlich (ca. 12 EURO).Kauftipp für Liebhaber mineralischer und straffer Silvaner.


2011er Ickelheimer Schlossberg Alter Satz (Markus Meier, Ulsenheim)
stammt aus einer Anlage von 1910, 8 beteiligte Sorten mit Schwerpunkt weißer und roter Elbling, Holzfassausbau. Die Weine von Markus Meier haben eine spezielle Stilistik, wobei auch im Hinblick auf die Alterungsfähigkeit Wert gelegt wird. Leicht laktisch vom BSA, aber nicht unsympathisch, etwas Birne und Quitte, ein Hauch Gerbstoff sorgt für Struktur, der Wein kann durchaus noch einige Jahre reifen, sicherlich zum Essen noch beeindruckender.


2013er Alter Satz (Alfred Blank, Homburg)
79 Grad Öchsle, S:6,8. Alle vier Silvanerspielarten sowie Riesling, Muskateller und Traminer.
Sehr sauberer, dezent fruchtiger Wein mit einem Hauch Gerbstoff, der aber für angenehme Struktur sorgt.

2013er Buchbrunner "Alte Reben" (Winzerhof Geißendörfer, Buchbrunn)
Hier handelt es sich nicht um einen alten Weinberg, sondern um eine zeilengenaue Wiederbepflanzung altfränkischer Sorten (ca. 1.300 qm, ein gutes Dutzend Sorten incl. Heunisch, Lämmerschwanz und anderen Kuriositäten). Da jede Zeile beschriftet ist und die Rebsorten noch erklärt werden, ist das ein gutes Ausflugsziel, vor allem zur Erntezeit, um mal ein paar Träubel zu naschen ;) .
Der Wein macht auch richtig Spass: sehr klar und sauber, angenehm fruchtig bis leicht muskatig, sehr animierende Säure, weder zu fett noch zu leicht, hoher Trinkfluss. Den Wein gibt es aber nicht im offiziellen Verkauf, sondern er dient in erster Linie für Repräsentationszwecke der Gemeinde Buchbrunn.


2013er Ur-Ramsthaler Alter Satz (Agnes und Adolf Keller, Ramsthal)
1910 gepflanzter Weinberg u.a. mit der sehr seltenen Ahorntraube und einem hohen Elblinganteil. Allerdings muss in diesem Satz sich auch ein Direktträger eingeschmuggelt haben. Unverkennbare Uhudler-Note (erinnert mich immer an den Huba-Buba-Kaugummi), die zwar nicht ganz im Vordergrund steht, den Wein aber doch sehr in diese Richtung beeinflusst. Nicht schlecht, wenn man diese Noten akzeptiert.


2013er Alter Satz (Schülerprojektwein der Bayr. Landesanstalt, Veitshöchheim)
Bei diesem Projekt der Schüler wurden alte Sorten im Barrique, die traditionellen Sorten im grossen Holzfass ausgebaut. Gelungener, nicht übertriebener Holzeinsatz, klare Gelbfrucht, glockenklar mit einigem Schmelz und guter Länge. Ein gelungener Wein in internationaler Stilistik.


2013er Silvaner "Alte Reben" (Max Müller, Volkach)
Pflanzjahr des Weinbergs 1963. Sehr typischer, tieffruchtiger und eleganter Silvaner mit Spassfaktor.

Und zum Abschluss noch ein roter Satz aus dem dafür prädestinierten Mainviereck:


2013er "Vinum Franconium Purpureum" Alter Satz" Rotwein trocken (Stritzinger, Klingenberg)
ein nur 550 großer Terrassenweinberg mit sehr alten Rebstöcken, ca. 16 Rebsorten u.a. Blauer Kölner, Blauer Urban, Tauberschwarz, Schwarzer Trollinger, Fleischtraube, Roter Franke).
Ein sehr typischer Klingenberger im durchscheinenden Rubinrot, eher leichtgewichtig, aber keineswegs dünn, angenehme Dunkelfrucht mit einem Hauch kantigen Tannin, ein sehr trinkiger Wein.

Das war es wieder in aller Kürze.
Nicht unerwähnt bleiben sollten die ebenfalls gereichten Produkte von:

Hofkäserei Theo Mantel ,Scheinfeld (sehr leckere Hartkäse)
Wild- und Wurstmanufaktur Friedbert Bauer, Bergtheim (die besten Wildprodukte weit und breit, ein Gedicht die Wildsülze mit hohem Muskelfleischanteil und wenig Sulz)
Bäckerei Engel, Retzstadt (ein handwerklich produziertes Holzofenbrot vom Feinsten).

Wie im letzten Jahr eine sehr gelungene und lehrreiche Veranstaltung ! Es ist für das nächste Jahr eine Fortsetzung in etwa zur gleichen Zeit geplant. Ein Schmankerl: Josef Engelhard will die eine oder andere Probe von reinsortig ausgebauten "Urviechern" wie z. B. Adelfränkisch zur Verkostung mitbringen. Da bin ich mal sehr gespannt.

P.S.: Den mutmaßlich ältesten fränkischen Rebstock (ca. 350 Jahre alt) kann man am Gutsgebäude von Schloß Castell bewundern (Rebsorte: Agostenga = weiße Seidentraube).

Grüsse
Bodo
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