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Andere Winzer

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Charlie

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Re: Andere Winzer

BeitragFr 2. Dez 2011, 14:27

Das meckern über den Rheingau hat auch etwas von enttäuschten Erwartungen, ja sogar enttäuschter Liebe (und die führt bekanntlich zu Hass). Was ich damit sagen will: jeder von uns hat irgendwann angefangen über Wein zu lesen und da stiess man immer wieder auf Lobpreisungen des Rheingaues oder zumindest seiner Tradition und alten Ruhms. Wenn man dann wie ich in den 90ern einen Wein von den Staatsweingütern oder dem Schloss Reinhardtshausen oder Vollrads im Glas hatte, war man entsetzt. Denn man hatte ja gerade solche wie JJ Christoffel, Molitor, Dr. Loosen, Tho Minges, Laible entdeckt. Leider bin ich damals nicht auf Breuer oder Künstler gestoßen, sonst wären meine Emotionen vielleicht auch andere.
Und jetzt? Jetzt bin ich im Modus "stark differenzieren", freue mich über die (neue) Klasse von Schloss Johannisberg und Schönborn, verfolge Künstler mit Skepsis und gelegentlichem Hochgenuss, und bin immer noch entsetzt über, naja, die selben wie damals.
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Dilbert

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Re: Andere Winzer

BeitragFr 2. Dez 2011, 16:00

Sebastopol hat geschrieben:-Querbach (sehr traditionell&individuell im positiven Sinne)


Zu Querbach ist ja schon das ein oder andere gesagt worden. Ich bin bei den Weinen etwas zwiegespalten. Die einfacheren Weine finde ich nicht sonderlich spannend. Das ersten Gewächs aus dem Östricher Lehnchen ist aber z.B. aus 2005 richtig toll - sehr traditionell wie schon gesagt wurde! Für mich ist dieser Wein eher vergleichbar mit einem gereiften Montrachet als mit den üblichen deutschen Rieslingen im Allgemeinen. Ist jetzt zwar nicht mein bevorzugter Stil, möchte diese Art aber auch nicht missen!

Was mich aber bei einem Gespräch auf dem Weingut irritierte war, dass man Weingüter wie Schäfer-Fröhlich oder Emrich-Schönleber nicht wirklich kannte. Hatte man zwar schon mal gehört und das es ja an der Nahe inzwischen auch ganz guten Wein geben soll, aber wirklich interessiert war man daran nicht. Diese Scheuklappenmentalität fand ich damals (vor ca. 3 Jahren) etwas bedenklich, zeugt vielleicht auch von einem ambitionierten Selbstverständnis a la "mir san mir" - aber ob es den Winzer weiterbringt in Tradition zu verharren?

Gruß,
Jochen
„Eine Magnum-Flasche? Genau die richtige Größe für einen schönen Abend. Vorausgesetzt, man beginnt mit einem Champagner, man endet das Menu mit einem Sauternes, und man ist allein daheim…“
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Ostbelgier

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was einst möglich war im Rheingau...

BeitragFr 2. Dez 2011, 19:18

Hallo zusammen,

angeregt durch diesen Thread habe ich mir zum ersten Mal seit Jahren einen restsüssen Wein für mich allein geöffnet. Ganz taufrisch ist er nicht mehr, wenn der Korken auch in einem Stück herauskommt. Üppig golden funkelt er im Glas und duftet herrlich nach Brioche, etwas Harz und Dörraprikosen. Die Süsse hat sich abgebaut und mit der mutmasslich harschen Säure des Jahrgangs vereinigt, besonders süss war er eh nicht, geschmacklich würde ich auf 11-12 Vol.% Alkohol tippen. Er fliesst den Gaumen runter wie Öl und bleibt geschmacklich ewig präsent. Gerade hat er ein geschmacksintensives, kleines Gericht wie Scampi in Pastis mit viel Kräutern vortrefflich begleitet, ohne unterzugehen. Müsste ich punkten, wäre ich bei rund 90/100.
Es handelt sich um eine Risikoflasche mit 4 cm Schwund: Heinrich Lebert: Erbacher Hohenrain feine Spätlese 1966. Ein herrlicher Wein. So wie viele Rheingauer, die zum Grössten gehören, was ich in meinem Weintrinkerleben vor die Flinte bekam. Die herrliche Rauenthaler Rothenberg Auslese 1999 von Albert Eser, die Auslese weiss-gold 1976 von Schloss Vollrads, die 69er Marcobrunner Auslese von Langwerth von Simmern. Von den Staatsweingütern gar nicht zu reden: Der 59er Assmannshäuser Hinterkirch Spätburgunder Cabinet, die 53er Steinberger Spätlese, viele "kleine" Weine Weine der 70er und einer meiner echten Höhepunkte, die 71er Rauenthaler Baiken Versteigerungs-BA, flüssiges Gold in jeder Hinsicht. Und was wird dort heute produziert ? In den letzten Jahren hatte ich gelegentlich ein paar aktuelle Flaschen über einen Kommissionär ersteigert und nach dem Probieren habe ich sie alle weiterverscherbelt. Im besten Fall waren die Weine ausdruckslos. Immer wieder versuche ich Einzelflaschen verschiedener Güter und immer wieder werde ich enttäuscht. Dabei zeigt diese 45 Jahre alte Spätlese in meinem Glas, was möglich war und ist: Abgrundtiefe, wohlschmeckende Weine mit Anspruch zu erzeugen. Übrigens habe ich eben gegoogelt und festgestellt, dass es dieses Gut noch gibt. Die Weine auf der Homepage sind im trockenen Bereich alle ohne Ausnahme mit 8-9 gr. RZ eingestellt. Das scheint mir kein Zufall zu sein, sondern Teil des Gesamtproblems. Wo bleibt die Individualität, die an Mosel Saar und Ruwer so ausgeprägt ist ? Es wäre ein Wunschtraum, eine Vielzahl schöner Weine in diesem Gebiet vorzufinden und nicht nur bei Becker, Flick, manchmal Prinz und Künstler. Für gute Tips bin ich jederzeit dankbar. Rheingau ist für mich ein Drama, und das tut mir weh, mit diesem phantastischen Altwein im Glas. Nur meine persönliche Meinung.

Viele Grüße

Markus
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Ralf Gundlach

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Re: Andere Winzer

BeitragFr 2. Dez 2011, 20:02

Habe gerade spontan eine 1983er Rauenthaler Baiken Spätlese Charta von den Staatsweingütern aufgemacht erwartet habe ich mir auch wegen dem Jahrgang eher nichts, also wurde ich auch nicht enttäuscht, besitzt noch eine fulminante Säure, die sich leider mit Champignontönen rumschlagen muss, ansonsten flach, vielleicht ginge so was noch zu deftiger hessischer Wurst, aber solo ist das schon brutal, mit Luft wird er allerdings besser, die Champignonkultur wird weniger, es gesellt sich eine leicht süssliche Note hinzu, und der Wein wird etwas länger, Anzeichen von Fruchtnoten zeigen sich, insgesamt besser, als ich gedacht hätte,
Markus, wir haben aber auch mal einen 04er Versteigerungskabinett Steinberger von den Staatsweingütern getrunken, der alles andere als schlecht war.
Nachdem ich vor ein paar Tagen den Thread hier gelesen habe, habe ich mir sechs Pullen von Prinz bestellt 08er Spätlese trocken, mal schauen
Was ich nur aus meinen eigenen Erfahrungen bestätigen kann ist, das viele Weingüter eine "Einheitsaromatik" fahren. Damit meine ich, dass sich viele Weingüter aromatisch sehr ähneln, ein Beispiel für diesen Stil ist das Weingut Heinz Nikolai, schöne, saubere Weine ohne das gewisse Etwas zu wagen und daher austauschbar, ich hoffe die Spätlesen von Prinz werden interessanter sein

Gruß

Ralf
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Sebastopol

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Re: Andere Winzer

BeitragFr 9. Dez 2011, 18:43

Mannomann, da bin ich mal ne Woche nicht da und schon finde ich hier die schönste Diskkusion :) Danke an alle!

Was mir nach der Lektüre der letzten Seite aufgefallen ist: ganz viele loben die älteren Jahrgänge in hohen und höchsten Tönen und verdammen vergleichsweise die jüngeren. Jetzt muß ich doch mal fragen: habt ihr die 76er und 59er denn auch damals jung getrunken? Oder eher erst nach 10 oder 20 und mehr Jahren? Will fragen, vergleicht ihr junge Weine miteinander, oder die gereiften Weine von damals mit den jungen von heute...?

Nur am Rande, die 80er waren voll von schlechten und kleinen Jahrgängen. 04 wird sicher auch in Jahren noch Freude machen. Die vielzitierten 59,71,76 waren allesamt Spitzenjahre in denen es große Weine nur so gehagelt hat. Die TBAs von 2010 haben im Rheingau eine dermaßen hohe Säure, daß sie praktisch Unsterblichkeit anstreben können. Die sind in den nächsten 5-10 Jahren eigentlich gar nicht aussagefähig..
"A German wine label is one of the things life's too short for, a daunting testimony to that peculiar nation's love of detail and organization."
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Bernd Schulz

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Re: Andere Winzer

BeitragSo 18. Dez 2011, 23:11

-Fred Prinz (kommentarlos, trinken und über die Bedeutung von "Eleganz" nachdenken)


Dem Tipp von Sebastopol folgend habe ich gerade einen Wein von Prinz im Glas:

Bild

Wie ich im Nachhinein sehe, vergab der GM seinerzeit für mich sehr gut nachvollziehbare 87 Punkte. Und jenseits aller Punktspielereien ist das ein schöner, differenzierter, für Rheingau-Verhältnisse in der Tat *eleganter* Riesling. Dass er in mir keine rückhaltlose Euphorie auslöst, mag an meinem vom Moselschiefer verzogenen Gaumen liegen; eine hohe Grundqualität ist aber zweifelsohne vorhanden.

Moppern muss ich allerdings - wie auch bei diversen EGs/GGs - über das schwere Geschoss von Flasche. Mal abgesehen davon, dass ich diese Panzerglaspullen mitbezahlen und anschließend mühsam per Rucksack zum Container schleppen muss, ist das schlichtweg Rohstoffvergeudung. Was soll der Blödsinn? Cui bono :cry: ?

Beste Grüße

Bernd
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niers_runner

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Re: Andere Winzer

BeitragSo 25. Dez 2011, 19:16

da habt ihr mich ziemlich neugierig gemacht, auf das Weingut Fred Prinz.
Gestern abend habe ich den ersten Riesling probiert:

Bild

Ein durchaus interessantes Weingut.

Viele Grüße

Peter
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Ralf Gundlach

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Re: Andere Winzer

BeitragDo 16. Feb 2012, 22:30

Die Schönhell Spätlese 08 trocken finde ich nicht ganz so spannend wie Bernd, wenngleich sie wirklich keinen Rheingauer Fruchtkitschmainstream hat, im Gegenteil, ich finde sie sogar einen Tick zu rustikal, aber ehrlich, 85 Punkte

Gruß

Ralf
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Ollie

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Re: Andere Winzer

BeitragSa 10. Mär 2012, 15:51

... und noch eine alte Freundschaft wurde wieder aufgewaermt: das Weingut Emrich Himmel in Hochheim. Seit 1996 gehe ich da durch Hoehen und Tiefen, deshalb bin ich nicht gerade unparteiisch (also alles, das ich schreibe mit einem grossen Salzkorn nehmen), aber ich finde, dass Himmels sehr, sehr solide Arbeit abliefern. Natuerlich bleibt Kuenstler die Nummer Eins in Hochheim, sind (gelungene) Kabinette immer noch feiner als selbst die Spaetlesen von Himmel.

Dafuer sehe ich neben Himmel niemanden mehr, der brauchbare und typische (trockene) Weine aus den Hochheimer Lagen holt. Sogar die "Klassik"-Linie (RZH, Edelstahl) bietet saubere, eisbonbonfreie Rieslinge, die erstaunlich gut halten (5+ Jahre sind kein Thema). Der 2011er Himmel trocken (Kabinett Hoelle) ist, wie immer, eine sichere Sache. Interessant auch der 2010er Blanc de Noirs (Spaetburgunder), wirklich weiss gekeltert und nicht seignee; saftige Saeure, erstaulich viel Koerper, dabei aber sehr leicht (11.5% oder so), und wegen des fehlenden Zuckerschwaenzchens auch ziemlich frisch (gar resch). Auf meinen Kommentar, der Wein sei wohl besser als Sektgrundwein denn als Schankwein geegnet, ernte ich ein breites Grinsen: ja, der Sekt daraus kaeme Ende des Monats, Dosage 3 oder 6 g/l. Man darf hoffen, dass es ein solides Winzersektchen wird!

So richtig geht die Sonne aber mit der "Tradition"-Linie auf: wie immer schon Spontagaerung, seit einiger Zeit auch Holzfassausbau, und seit letztem Jahr verlaengerter Fassausbau fuer die Topweine. Zum Beispiel das wirklich sehr gute 2010er Kichenstueck. Seit langem mal wieder ein Kirchenstueck, das mir gefaellt. Die Hoelle hingegen glaenzt besser bei den Dreisterne-Spaetlesen (Praedikat wird nicht mehr genannt). 2008 und 2010 jahrgangsbedingt mit saftiger Saeure, 2010 aromatisch deutlich reifer als 2008, aber noch zu jung; dafuer ist der 2008 gerade unglaublich gut trinkbar: sueffig im Wortsinne. 2009 hingegen ist bei beiden (Kirchenstueck und Hoelle) mir tatsaechlich zu fett geraten.

Dies setzt sich auch bei den Lumen Naturale fort, die - wie bei PJ Kuehn - teilweise maischevergoren sind. 2009 ist momentan kaum trinkbar, so fett kommt der Wein daher; der 2008er hingegen saeuft sich weg wie nix.

Insgesamt sind alle Weine in der Ecke 88-90, je nach persoenlichem Geschmack auf bis 91/92; das ist jetzt nicht superspitze, aber da muessen andere erst einmal hinkommen. Grosses Bravo von mir und eine deutlich Empfehlung (wie immer von mir, siehe oben).

Ein zum Abschluss verkosteter 2005er(!) Spaetburgunder Stein steht auch sher gut da. Momentan wohl auf dem Hoehepunkt, aber die Tanninqualitaet verraet dan dch den kleinen Preis: etwas rauh und viel zum Ende raus, aber aroatisch sehr schon - und sehr Hochheim.

Cheers,
Ollie
Parfois, quand c'est trop minéral, on s'emmerde.
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Charlie

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Re: Andere Winzer

BeitragSo 15. Apr 2012, 23:25

Und was ist mit Baison? Habe Spätlese und Kabinett Riesling trocken 2008 aus der Hochheimer Hölle über 2 Tage getrunken und fand beide sehr, sehr gut (in Zahlen 87-88 P).
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