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Andere Winzer

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Bernd Schulz

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Re: Andere Winzer

BeitragDo 1. Dez 2011, 00:17

Hallo Sebastopol,

Ganz vorne weg: ich arbeite und lebe im Rheingau, bin also nicht unparteiisch.


Vermutlich würde ich mich auch ärgern, wenn über *mein* Anbaugebiet häufiger gelästert wird. Insofern verstehe ich dich gut.

Dass der Rheingau von etlichen Weinfreunden (ich bin beileibe nicht der einzige Kritikaster) zur Zeit nicht so sonderlich positiv gesehen wird, hat in meinen Augen trotzdem seine Gründe. Einer dieser Gründe - du wirst mir da vermutlich widersprechen wollen - trägt für mich ganz klar den Namen Geisenheim. Ein anderer Grund besteht in der inflationären Anzahl von VDP-Betrieben, welche oftmals dem hehren Anspruch des Verbandes nicht entsprechen können. Noch einen weiteren Grund sehe ich in der knallharten Preisgestaltung, wie man sie vor allem bei den altehrwürdigen Schlössern findet. Und dann wäre da noch der qualitative Abstieg der großen Staatsdomäne zu nennen.....

Aber sieht das an Mosel, Saar, Nahe, in Rheinhessen, Württemberg oder Pfalz anders aus?


An der Mosel und der Saar gibt es natürlich sehr viel Schatten, aber in den letzten Jahren halt auch immer mehr Licht. Ich muss nicht lange nachdenken, um auf eine ganze Reihe von jüngeren Winzern, die mit individuellen, wenig gestylten Rieslingen für Aufbruchstimmung sorgen, zu kommen: Andreas Adam, Daniel Vollenweider, Thorsten Melsheimer, Konstantin Weiser, die Lochs, Ingmar Püschel, Olaf Schneider, Roman Niewodniczanski, Julian Haart, Marco van Elkan, Anne Eifel, Gernot Kollmann, Eva Clüsserath, Jan Klein......da steckt richtig Musik im Anbaugebiet! Wie viele vergleichbare Namen kannst du mir aus dem Rheingau nennen? Ein paar Insidertipps hast du sicher - ich bin schon sehr gespannt, immer her damit!

Die Mittelhaardt (die Südpfalz weniger) befindet sich für meine Begriffe in einer ähnlichen Krise wie der Rheingau. Es gibt ein paar renommierte Erzeuger, die gute, aber für mich unter Preisaspekten uninteressante Sachen machen, und dann kommt nicht mehr viel. Wie an anderer Stelle schon gesagt, hatte ich bei meinem diesjährigen Urlaub in Neustadt-Königsbach gewisse Schwierigkeiten, einen für mich wirklich besuchenswerten Betrieb zu finden. Dieses Problem kenne ich an der Mittelmosel oder Saar überhaupt nicht! Und auch an der Nahe stellt sich die Situation aus meiner Perspektive deutlich besser dar.

Wofür steht denn deiner Meinung nach der Rheingau im Jahr 2011? Wer sind die Zugpferde, wer die aufstrebenden Winzer, wo spielt die Musik?


Stephans Frage schließe ich mich gerne an!

Herzliche Grüße

Bernd
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Erdener Prälat

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Re: Andere Winzer

BeitragDo 1. Dez 2011, 02:29

Hallo,

@Sebastopol: Politische Grenzen wurden bereits angesprochen, und wenn man diese als alleiniges Kriterium sieht, kann man sicher so argumentieren. Es gibt aber ein paar wichtige Faktoren, die sich nicht an solche Grenzen halten.

@Stephan: Leider hat man bei Eser das restsüße Programm nach den 2002ern (das waren noch Zeiten) stark ausgedünnt, da man auf diesen Weinen sitzenblieb. Einige wenige Restsüße werden aber noch alljährlich abgefüllt.

Beste Grüße
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Markus Vahlefeld

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Re: Andere Winzer

BeitragDo 1. Dez 2011, 09:07

Ja, ich denke ebenfalls, dass es LEIDER viele gute Gründe für Kritik am Rheingau gibt. Nicht dass es vereinzelt Winzer gäbe, die sehr Interessantes, Spannendes und/oder Herausragendes auf die Flasche bringen. Kühn und Breuer fallen mir da sofort ein. Nur stehen sie so jenseits dessen, was als "rheingau-typisch" gilt, dass jemand wie Kühn sogar Schwierigkeiten hat, seine Weine in der Rheingauer Qualitätspyramide richtig eingeordnet zu bekommen.

Wie Bernd schon ausführte: der Rheingau hat erstmal ein Problem, das dem der Mittelhardt entspricht. Eine hübsche Touristenregion, viele Tagesgäste, wunderschöne Weingüter und Landschaften - aber das heisst für den Wein erstmal nichts. Denn wer sich darauf ausruht und seine Weine eh an die Gäste verkauft bekommt, muss sich keine grossen und visionären Gedanken um Qualität machen.

Man sieht es u.a. daran, dass sich die Eigentümerstrukturen (sprich die Übergabe des Stabes an die jüngere Generation) in "erfolgreichen" Regionen nur sehr langsam vollzieht und damit viele alte Zöpfe nicht abgeschnitten werden. Das ist im Rheingau exemplarisch zu beobachten: welche Weingüter haben in den letzten 5 Jahren ihre Verantwortlichkeiten intern wirklich radikal umgestaltet?

Das "Typische" im Rheingau ist leider der "Obstkorb-Riesling", also der feinfruchtige Riesling ohne grossen Tiefgang, ohne Würze, ohne Kanten. Mir kamen viele der Rheingauer Ersten Gewächse die letzten Jahre hingequält und aufgehübscht vor. Von Authentizität, Spannung und Coolness war nicht viel zu erleben.

Ich habe auf Weinverkostungen oft erlebt, dass Weinliebhaber sich vorstellten mit dem Satz: ich liebe die Rheingauer Rieslinge. Meist waren das ältere Herrschaften, die eher Weinseligkeit als Weinqualität suchten. Dann wusste ich sofort: OK, der wirklich coole trockene Stoff - von Schäfer-Fröhlich über BattenfeldSpanier zu Wittmann - wird ihnen nicht gefallen. Und so war es auch.

Das ist jetzt ein Bild für die Rückständigkeit des Rheingaus, der sich strukturell noch in den 70er Jahren befindet. Und so sind leider auch die Weine. Das mag ungerecht sein, aber jede Verallgemeinerung ist eben auch ungenau.

Auf viele spannende Tips bin ich trotzdem gespannt.
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BerlinKitchen

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Re: Andere Winzer

BeitragDo 1. Dez 2011, 10:49

JA, das Rheingau-Bashing ist gerade en vogue, auf der anderen Seite präsentierten sich die jungen EGs auch recht enttäuschend in den letzten Jahren bei den VDP Veranstaltungen in Wiesbaden bzw. Berlin. Auch bei den großen privaten Jahrgangsproben der letzten Jahre gehörten die Rheingauer EGs nie zu den Top-Weinen.

Zuletzt hab ich im August in Wiesbaden bei der VDP-GG-Vorpremiere mit einem alten Hasen der Journalisten-Zunft gesprochen, auch er meinte zu 2010 Rheingau, "unterirdisch"

Und die Winzer aus diversen anderen Regionen sagen, "Rheingau macht nichts aus seinem Potential".........


Grüße aus Berlin,
Martin Zwick
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"Ein Leben ohne Riesling ist zwar möglich, aber sinnlos!"
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Charlie

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Re: Andere Winzer

BeitragDo 1. Dez 2011, 11:27

Hallo Sebastopol,

dass die Meinungen zu konkreten Weinen des Rheingau sehr unterschiedlich ausfallen, braucht dich nicht zu wundern. Künstler 2010 ist ein gutes Beispiel.
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Sebastopol

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Re: Andere Winzer

BeitragDo 1. Dez 2011, 21:05

Puh, das ich gleich so eine Antwortlawine lostrete hätte ich gar nicht gedacht - und bin sehr erfreut darüber! Danke für all die ausführlichen Meinungen und die Arbeit!

Mein Kopf ist ganz voll von tausend Sachen die ich antworten möchte. Falls im folgenden die Struktur darunter leidet, so bitte ich das zu verzeihen.


Ich fange mal willkürlich hier an: "Einer dieser Gründe - du wirst mir da vermutlich widersprechen wollen - trägt für mich ganz klar den Namen Geisenheim."
Ehrlich gesagt, bevor ich widerspreche oder bestätige wüsste ich doch gerne das Warum. Wo sieht du hier konkret die Probleme? (Wirklich als Frage, nicht als Abrede gemeint) Da Geisenheimer praktisch in allen Spitzenweingütern Deutschlands vertreten sind oder waren, bin ich äußerst gespannt.

Die erwähnte Anekdote mit dem Journalisten der 2010 hier "unterirdisch" fand, da dreht sich mir unter uns gesagt der Magen um. Als fachlich versierte Person (?) ein ganzes Gebiet so kollektiv abzustrafen. Für mich undenkbar. Wenn ich Moselriesling in 90% der Fälle als zu zart empfinde ist das allein mein Problem und ich habe nicht das Recht zu sagen "Moselweine sind Mist".

Aus meiner Innenperspektive war gerade 2010 ein großes Rheingauer Jahr, wenn auch ein schwieriges. Was zumindest dafür sorgt, das sich die Spreu vom Weizen trennt. Feste Säure, klare feine Aromen, schlank aber nicht flach, langlebig&lagerfähig(-notwendig), mal erdiger, mal duftiger, mal mineralischer.
Für mich treffen die Rheingauer Weine die Balance zwischen Süsse&Säure&Tiefe wie kaum ein anderer. Das nicht alle Weine von hier diesen hehren Anspruch erfüllen ist wahr und kann auch als verschenktes Potential gesehen werden. Hier wie überall sonst.

Vielleicht sollte ich kurz meine prinzipielle Perspektive auf Wein erklären. Für mich gibt es nicht "den besten" Wein. Es gibt für mich klare Unterschiede in der Qualität, doch sind die schnell erklärt. Beginnend bei der ganz simplen Fehlerfreiheit, über die Balance des Weins bis zur Komplexität oder Tiefe. Punkte können nicht realistisch ausdrücken wie ein Wein schmeckt. Geschmack ist etwas, das sich nicht in einem wissentschaftliches System vollends und allgemeingültig erfassen lässt. Auch wenn wir alle in der Lage sind das Gleiche zu schmecken, so fällt unser Ergebnis doch jeweils verschieden aus. Die üblichen Probleme bei Verkostungen (1-2 Schluck, hohe Anzahl, Zeitdruck, tendenziell sehr junge Weine, nötiges Maß an Wissen um den Wein einzuordnen,..) lassen derlei Versuche noch zusätzlich fragwürdig erscheinen. Spitzfindig formuliert: wann verdient ein Wein 93 und wann 94 Punkte? Wo ist der Unterschied zwischen 99 und 100? Und hier bin ich der Meinung, egal ob Keller, Egon Müller, Weil, Schloß Johannisberg, Bassermann...die bewegen sich allesamt auf dem gleichen Niveau. Allein der persönliche Vorzug macht den Unterschied, also der Stil des Hauses. Nicht die Qualität der Weine.
Und ja, mir ist bewußt das diese These durchaus diskutabel ist.

Jetzt würde ich eigentlich noch sehr sehr vieles sagen müssen. Und können. Nach mehrfachem Ansetzen dazu und reichlicher Überlegung will ich es lieber kurz gestalten. In Eltville gibt es eine Ortsweinvinothek, die Weindekanei. Dort kann man stets mehrere Dutzend Weine probieren, von ganz verschiedenen Winzern. Hinfahren.
Viele Weingüter haben Vinotheken in denen man alles probieren, aber nicht sofort etwas kaufen muß. Weil, Johannisberg, Leitz, Reinhardtshausen, Vollrads, Lang&Barth, Prinz von Hessen, Diefenhardt, Koegler, Ress, Allendorf, Breuer, Knyphausen, Georg-Müller-Stiftung, Staatsweingüter. All die anderen, kleineren oder auch familiäreren haben natürlich auch ihr Probierstuben, die sind dann aber auch etwas persönlicher und man "muss" vielleicht doch was kaufen...

Tips wollt ihr? Wirklich interessante Weingüter bleiben niemals lange unentdeckt. Ein Blick in die 2-3 größten deutschen Weinführer wird euch genauso viel sagen. Meine Kollegen hier mögen mir verzeihen für ihr Erwähnen oder gerade das Fehlen des selbigen. Zur vollkommenen Verwirrung aller sind in der folgenden Liste Weingüter enthalten, die meinem persönlichen Geschmack nicht entsprechen.

Völlig subjektiv ausgewählt aber sicher interessant, lehrreich und am Ende sogar voll vorzüglichem Wein könnten z.B. diese Weingüter sein:
-die obige Liste (erneute Nennung hier nur zur Erklärung)
-Georg-Müller Stiftung (massiv unterschätzt)
-Querbach (sehr traditionell&individuell im positiven Sinne)
-Fred Prinz (kommentarlos, trinken und über die Bedeutung von "Eleganz" nachdenken)
-Wolfgang Crass (Brot-&Butterweine zu ebensolchen Preisen, im Zweifelsfall noch länger lagern)
-Solter (Sekte, Sekte, Sekte)
-F.B.Schönleber (schöne Weine, noch schönere Sekte)
-Staatsweingüter (modernste Kellerei, stetig zu alter Form findend, 3 sehr unterschiedliche,lagentypische 1.Gew., springt über eure Schatten&die der Kritiker)
-Wilhelm Mohr (Sekte, Rotweine)
-Emmerich Himmel (Bio-Philosophie, Spätlesen)
-Désirée (August) Eser (nix da 70er-Jahre Strukturen...)
-Altenkirch (Steillagen, urtypisch, Bindung zwischen Mittelrhein&Rheingau sichtbar,bezahlbar)
-Künstler (darum! vielschichtiger Mensch von allergrößter Kompromisslosigkeit im Qualitätsstreben mit ebensolchen Weinen)

Vor allem: mal hinfahren und mit den Leute vor Ort reden. Sich anschauen was alles wie und wo getan wird.

Trotz aller Vorsätze ist meine Antwort zu kurz, zu lang, wichtige Punkte fehlen und das an all eurer Kritik natürlich auch was dran ist habe ich noch nicht erwähnt. Danke dafür und Danke für die Anreize zum besser werden und besser machen.
"A German wine label is one of the things life's too short for, a daunting testimony to that peculiar nation's love of detail and organization."
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Bernd Schulz

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Re: Andere Winzer

BeitragDo 1. Dez 2011, 23:22

Hallo Sebastopol,

zunächst einmal möchte ich festhalten, dass mir dein Diskussionsstil sehr imponiert! Im Gegensatz zu diversen anderen Profis, die ich mittlerweile in den Weinforen erlebt habe, hast du es nicht nötig, den Amateuren ihre unmassgebliche Meinung mit gewaltigem Schwung um die Ohren zu hauen.

Ehrlich gesagt, bevor ich widerspreche oder bestätige wüsste ich doch gerne das Warum. Wo sieht du hier konkret die Probleme?


Um es offen zuzugeben: Meine Vorbehalte gegenüber Geisenheim sind teilweise eher irrationaler Natur. Gegenüber jedwedem offiziellen Lehrbetrieb hege ich eine grundsätzliche Abneigung, die auf eigenen Negativerfahrungen beruht: In den entsprechenden Institutionen habe ich hauptsächlich meine Zeit verschwendet; die wichtigen Dinge, die ich gelernt habe, habe ich mir größtenteils anderweitig angeeignet. Hinzu kommt eine ausgeprägte Technologie-Skepsis (Skepsis, nicht Phobie!), hinzu kommen weiterhin Vorbehalte gegenüber (möglichen) Verbindungen der FH Geisenheim zu bestimmten Firmen.

Da Geisenheimer praktisch in allen Spitzenweingütern Deutschlands vertreten sind oder waren, bin ich äußerst gespannt.


Die Winzer, deren Weine ich am liebsten trinke und kaufe, sind fast alle keine Geisenheimer. Nicht selten gehen sie sehr bewusst auf Distanz zu Geisenheim - teilweise vielleicht aus marketingtechnischen Gründen, teilweise aber wohl doch aus ernsthafter Überzeugung.

Punkte können nicht realistisch ausdrücken wie ein Wein schmeckt. Geschmack ist etwas, das sich nicht in einem wissentschaftliches System vollends und allgemeingültig erfassen lässt. Auch wenn wir alle in der Lage sind das Gleiche zu schmecken, so fällt unser Ergebnis doch jeweils verschieden aus.


Mit dieser Aussage rennst du bei mir offene Türen ein.

Die üblichen Probleme bei Verkostungen (1-2 Schluck, hohe Anzahl, Zeitdruck, tendenziell sehr junge Weine, nötiges Maß an Wissen um den Wein einzuordnen,..) lassen derlei Versuche noch zusätzlich fragwürdig erscheinen.


Auch das sehe ich ähnlich. Daher traue ich meinen Eindrücken nach dem Leeren einer halben Flasche im stillen Kämmerlein auch viel mehr als irgendwelchen (auch meinen eigenen) Notizen von Megaverkostungen oder Weinmessen.

Und hier bin ich der Meinung, egal ob Keller, Egon Müller, Weil, Schloß Johannisberg, Bassermann...die bewegen sich allesamt auf dem gleichen Niveau.


Der Meinung bin ich nun wieder nicht. Erst recht nicht, seitdem ich z.b. von Weil schon sehr unterirdische Weine getrunken habe, Sachen, bei denen ich mich gefragt habe, warum um alles in der Welt ein angeblicher oder wirklicher Spitzenerzeuger seinen guten Namen dafür hergibt.

Wirklich interessante Weingüter bleiben niemals lange unentdeckt.


Jein. Wie verhielt sich das noch mal über lange Zeit hinweg mit KaJo Christoffel?

-Staatsweingüter (modernste Kellerei, stetig zu alter Form findend, 3 sehr unterschiedliche,lagentypische 1.Gew., springt über eure Schatten&die der Kritiker)


Ich probiere es irgendwann noch einmal, obwohl mich bislang immer stille Wehmut beschlich, wenn ich einen 71er oder 75er von den Staatsweingütern getrunken habe. Was für ein Qualitätsstandard war damals in diesem Betrieb gang und gäbe!

-Künstler (darum! vielschichtiger Mensch von allergrößter Kompromisslosigkeit im Qualitätsstreben mit ebensolchen Weinen)


Bei Künstler werden fraglos ausgezeichnete Qualitäten produziert. Allerdings fuhr man in diesem Weingut zeitweise eine überaus unglückliche Vermarktungsstrategie, die darin bestand, dass ich in regelmäßigen Abständen Werbeanrufe durch ein regelrechtes Schrapnell von Telefondame erhielt. Auf diese dusslige Art kann man sich auch seine Kunden vergraulen! Nichtsdestotrotz trinke ich jetzt einen Künstler-Riesling auf dich - VKN folgt noch!

Vor allem: mal hinfahren und mit den Leute vor Ort reden. Sich anschauen was alles wie und wo getan wird.


Wenn mir die Arbeit in Kombination mit sonstigen akuten Lebensbelastungen etwas mehr Luft lässt, mache ich das unbedingt! Die Mosel, die Saar, Franken, die Nahe, die Pfalz und Baden habe ich schon mehrfach ín Urlauben, die über einen Tagesbesuch hinausgingen, heimgesucht. Der Rheingau fehlt mir noch in meiner Sammlung, kommt aber sicher irgendwann gründlich an die Reihe.

Trotz aller Vorsätze ist meine Antwort zu kurz, zu lang...


Das ist halt die Crux an solchen Internetbeiträgen...meiner Antwort geht es diesbezüglich jetzt auch nicht besser als deiner. Aber auf jeden Fall diskutiere ich gerne mit dir!

Herzliche Grüße

Bernd
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toff

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Re: Andere Winzer

BeitragDo 1. Dez 2011, 23:29

Hallo zusammen,

vorweg: in den letzten Jahren habe ich nicht genug Rheingauer probiert, um wirklich was ernstzunehmendes zum aktuellen Zustand der Rheingauer Weine zu schreiben. Ich mag aber trotzdem meinen Senf dazu geben, weil die Rheingauer viel zu meiner Weinsozialisation beigetragen haben. Anfang der 90er wohnte ich in Mainz, da liegt der Rheingau vor der Haustür und ein weinbegeisterter Freund schleppte mich von Eser und Jung über Kühn zu Künstler und Weil und irgendwo dazwischen habe ich mich mit dem Weinvirus infiziert.

Markus Vahlefeld hat geschrieben:
Das "Typische" im Rheingau ist leider der "Obstkorb-Riesling", also der feinfruchtige Riesling ohne grossen Tiefgang, ohne Würze, ohne Kanten.


Ich gebe zu, genau das hat mich damals an den Rheingauern fasziniert, dieses Spiel an Fruchtaromen, den mangelnden Tiefgang würde ich, zumindest bei den besseren aus dieser Zeit übrigens bestreiten, die Weine von August Eser aus der ersten Hälfte der 90er hatten diese Frucht, konnten aber auch ausgezeichnet altern.
Ich habe den Eindruck, dass das Problem des Rheingaus zum guten Teil darin liegt, dass ein Trend verschlafen wurde. Der kundige Weinmensch trinkt mineralisches Zeug (was auch immer das sei), Frucht ist was für oberflächliche Hedonisten.
Ich selbst kann inzwischen mit beiden Stilen was anfangen und finde, dass beides seine Berechtigung hat, weswegen ich die apodiktische Ablehnung des "Obstkorb-Riesling" problematisch finde.
By the way: Kühn ist für mich ein interessantes Beispiel, in den 90ern hat er für mich tolle fruchtbetonte Weine gemacht, die aber keinesfalls banal waren, irgendwann nach der Jahrtausendwende hat er seinen Stil komplett geändert, seitdem sind die Weine für mich zwar sehr interessant, aber auf eine akademische Art, Trinkfreude haben sie mir früher mehr bereitet.

Grüße, Christopher
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sorgenbrecher

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Re: Andere Winzer

BeitragFr 2. Dez 2011, 00:06

eine interessante und gute diskussion !

ich bin übers jahr gesehen mindestens 20mal im rheingau unterwegs (liegt ja fast vor der haustür) und probiere mich bei sehr vielen winzern durch die programme und trinke sehr gern viele der dort angebotenen rieslinge.
aber: ich stimme den kritikern durchaus zu, dass eine vielzahl von weinen (und leider auch und oft sogar insbesondere die vermeintlichen spitzen im bereich der ersten gewächse) eher langweilig sind und keinen kaufreiz bei mir auslösen. oft sind sie durchaus im gutem sinne "trinkig", aber auch leider oft austauschbar und zudem sehr ambitioniert bepreist. natürlich lassen sich nicht alle über einen kamm scheren und als bekennender fan der weine von becker finde ich auch im rheingau einiges, was mir große freude bereitet (künstler, breuer, teilweise hans lang möchte ich noch erwähnen). p.j. kühn ist nicht mein fall, aber durchaus mal spannend zu verkosten und sicher sehr eigenständig unterwegs.

was ich aber absolut enttäuschend finde ist das niveau der hessischen staatsweingüter und hier kann ich mich meinem vorredner nur anschließen, es ist traurig zu sehen, was dort aktuell produziert wird, wenn man das mit den gereiften und alten weinen aus der vergangenheit vergleicht...heute sind das völlig belanglose und zudem überpreiste weine ohne charakter. und das aus einem betrieb, der über die wohl besten lagen im gesamten rheingau verfügt.

was ich hin und wieder sehr gern mache -und dies sei auch zur nachahmung empfohlen- ist, mich durch gereifte rieslinge der letzten jahrzehnte im restaurant "krug" in hattenheim zu probieren. es ist schon interessant, was man dort für schätzchen aus der vergangenheit findet und welche qualitäten dort zu zeiten erzeugt wurden, als es noch sehr schwer war, in rheinhessen guten wein zu finden.......leider hat sich das gewandelt.
Gruß, Marko.
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Erdener Prälat

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Re: Andere Winzer

BeitragFr 2. Dez 2011, 00:44

toff hat geschrieben:... den mangelnden Tiefgang würde ich, zumindest bei den besseren aus dieser Zeit übrigens bestreiten, die Weine von August Eser aus der ersten Hälfte der 90er hatten diese Frucht, konnten aber auch ausgezeichnet altern...

Bernd hat ernst gemacht mit Künstler (und offenbar eine gute Flasche erwischt), da knüpfe ich gerne an Christophers Hinweis auf August Eser an. Auch später gab es dort noch entsprechende Weine, zum Beispiel aus dem durchgehend hervorragenden Jahrgang 1999, aber auch 2002 gefiel mir ähnlich gut. Und man beachte die Preise!
Weine wie der gerade geöffnete haben aber im Rheingau leider den Aussterbeprozeß größtenteils hinter sich. Direkt nach dem Öffnen angefangen, ins Bordeaux-Glas, und die komplexen Aromen in der Nase entfalten sich mit Luft immer mehr. Kein 100-Punkte-Wein, trotzdem große Rieslingkunst und einfach hinreißend!
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