Sa 10. Jul 2021, 14:17
Moin,
ich habe es dann auch endlich geschafft, meine Eindrücke zu sammeln. Vielen Dank Michl, das war wirklich ein spannendes und auch inspirierendes Weinerlebnis! Ich habe die Weine im Wesentlichen schon am Donnerstag verkostet, meine Eindrücke sind also unbeeinflusst von Bernd, Michl und Marzemino entstanden.
Koehler-Ruprecht - Kallstadter Saumagen - Riesling Spätlese trocken - 2013:
Die Nase ist recht vielseitig und interessant, angenehme Intensität, der Fruchtausdruck nicht so klar. Insgesamt ein würzig-herber, leicht süßlicher, Gesamteindruck. Im Mund findet sich dieser würzig-herbe Tonus wieder, hier eher etwas frischer, ohne Fruchtsüßeeindruck. Ja, wie Michl das beschreibt, dass [die Säure]
feinziselierten Charakter offenbart und sogar leicht expressiv im Abgang auffächert stimmt. Bei mir hat das aber dazu geführt, dass ich nach Hinten die Tiefe vermisst habe; die Struktur, erreicht nicht die Vielschichtigkeit der Aromatik. Wohl ein typisches Problem der Erwartungshaltung und nicht die des Weins.
Koehler-Ruprecht - Kallstadter Saumagen - Riesling Spätlese trocken - 2012:
Der von mir wahrgenommene süßliche Eindruck in der Nase wird von Michl mit
Karamell-Oberton treffend beschrieben. Den Wein habe ich wirklich deutlich anders als Bernd wahrgenommen. Wie Michl, vermute ich hier eine schlechte Flasche, vielleicht ein zu durchlässiger Korken. Merklich oxidierte Aromatik, im Mund auch eine
entschwindende Charakteristik, die Flasche hatte ihre besten Zeiten schon hinter sich.
Mein persönlicher Favorit,
Koehler-Ruprecht - Kallstadter Saumagen - Riesling Spätlese trocken - 2011:
Im Vergleich zum 2013er ist der recht würzige Grundton auch vorhanden, hier aber mehr ätherisch geprägt. Mir gefällt die malzige Altersüße, das Mehr an Substanz balanciert die Säure für meinen Geschmack besser; bin halt nicht so säure-affin, wahrscheinlich gehe ich auch den zugänglicheren 13.5vol% auf den Leim
. Das brandige, was Bernd und Michl beschreiben, ist mir nicht aufgefallen. Ich trinke Weißweine gerne sehr kalt, aber wenn man drauf achtet, ist der Wein schon eine Spur brandig.
Koehler-Ruprecht - Kallstadter Saumagen - Riesling Spätlese trocken - 2010:
Hier kommt dann wohl wieder meine geringe Säure-Affinität zum tragen. Bernd und Michl nehmen die Säure als
rassig,
spannungsvoll und
mitreißend wahr, ich empfinde sie als zu präsent und nicht harmonisch an den Rest des Weins angebunden. Ich finde, diese jugendlich, frische Struktur und Haptik passt nicht richtig zu der doch deutlich gereiften Aromatik.
Das sind für meinen Geschmack alles Weine, die sich nicht aufdrängen. Sie sind sehr natürlich, unverfälscht; vornehm zurückhaltend, sie drängen sich nicht auf. Die Weine haben schon etwas Besonderes, das muss man aber auch entdecken wollen. Ich halte es für gut möglich, dass mir das bei einer Einzelflasche entgangen wäre, eine solche Vertikale vermittelt da einen tollen Eindruck, danke Michl!
Ich hatte ja eingangs geschrieben, dass mich die Weine inspiriert haben, zum nachdenken gebracht haben - dass war nicht nur eine Höflichkeitsfloskel - ich will beschreiben warum: Ich finde die Weine frei von jeglicher oenologischer Betonung. Es ist kein deutliches Hefelager, kein Fass, kein BSA schmeckbar. Keine expressive Frucht und keine reduktive Vinifizierung, keine Gerbstoffbetonung. Nichts, was besondere kellertechnische Prägung verleiht. Kein Element des Weins, Aromen, Struktur, Körper etc. ist besonders im Mittelpunkt.
Der Jahrgangsunterschied ist wahrnehmbar, aber ich finde ihn auch nicht deutlich betont. Deshalb würde ich vermuten, dass die unprätentiöse Art, der Winzer, der sich im Hintergrund hält, auch im Weinberg, nicht nur im Keller, Einzug gehalten hat.
Ich habe mich gefragt, warum? Am plausibelsten finde ich die Antwort, dass das Ziel war, die Lagencharakteristik heraus zu arbeiten. Alle Weine haben so eine, von mir etwas holprig als pflanzlich-würzig-Ingwer-kandiert beschriebene - von Michl treffender durch Heilkräuter und besonders Kamille - Grundcharakteristik. Mal etwas ätherischer, mal mit malziger Süße, mal mit etwas Frucht.
Ich finde die Grundcharakteristik ist emanzipiert vom Jahrgang und nach der Verkostung hat sich bei mir der Gedanke geformt, dass sei wohl die Charakteristik des Kallstadter Saumagen. Ich habe dann mal auf die Homepage von Koehler-Ruprecht gesehen, da steht zu Kallstadter Saumagen:
Die Weinlage „Kallstadter Saumagen” gibt es seit 1810/36. Sie liegt am westlichen Ortsrand und gilt als die beste Lage von Kallstadt, ja als eine der besten Lagen Deutschlands. Im Saumagen findet man vor allem Kalksandstein, der den Rieslingen ihre typische Mineralität verleiht. Habe ich mir vielleicht einen ziemlichen Quatsch zusammen gereimt, war aber trotzdem sehr unterhaltsam. Mineraltät habe ich in den Weinen mal gar nicht wahrgenommen. Ich bin auch nach wie vor fest überzeugt, dass Mineralität im Wein eben keine Lagencharakteristik ist, sondern im Wesentlichen durch eine reduktive Vinifikation und Schwefel in den Wein gebracht wird.
Auffällig fand ich auch, wie von Michl eingangs beschrieben, dass die Weine für das Alter schon fortschrittlich gereift waren. Für meinen Geschmack teilweise schon etwas weit fortgeschritten. Sie wirken sehr niedrig geschwefelt, vielleicht liegt es aber auch einfach nur an der Permeabilität der verwendeten Korken, vielleicht ist es aber auch der Art und Weise der Weinbereitung geschuldet. Alles Mutmaßungen von mir ohne Indizien.
Vielen Dank noch mal für deinen Aufwand, Michl.
Liebe Grüße (an alle), Josef