Herzlichen Dank, Michl, für diese Vergleichsprobe, die mich ganz besonders beeindruckt hat. Nicht wegen der „Knewitz-Debatte", denn ich habe zuvor nichts von dem Weingut probiert und auch nicht geahnt, was auf uns zukommt. Sondern weil die Weine mir so markant in ihren Mitteln erschienen, als werde hier etwas besonders gut sichtbar.
Wein Nr. 1 mit würziger Landnase, auch etwas, in keiner Weise penetranter, Stallgeruch (schwieriger Begriff, ich weiß, mir fällt nichts Besseres ein) wehte herüber. Ich finde diese Aromen auch beim Trinken, wobei sie das Fruchtaroma änlich wie feine Gewürze heben, ohne für sich selbst zu sehr aufzufallen. Im Mittelpunkt steht das intensive, aber wie auf einen feinen Kern gereifte Rebsortenaroma, das ich für Chardonnay gehalten hatte, mit reifen Früchten und viel Nuss/Mandeln. Es besitzt eine verführerische und geradezu räumliche Festigkeit ohne den Eindruck von Gedunsenem, Aufgeschlagenem (Schaumcreme) und Tortenhaftem wie ich ihn bei dieser Rebsorte häufiger habe. Dieser aromatische Kern erscheint sowohl gefestigt wie vielschichtig, spricht ganz für sich selbst und mich an. Ebenso dominant ist herbe Citrussäure. Sie lässt den Wein auch überaus trocken erscheinen.
Jeder Schluck mit enormem Nachhall. Es ist, als ob sich eine lange Welle über den Gaumen ausbreitet, dann präzise bemessen innehält und sich allmählich zurückzieht. Während des Rückzugs- auch ähnlich wie am Strand - blitzen feine Aromen noch einmal auf. Sowohl differenziert wie auch in einer unüberschaubaren Stickerei (um nicht Sternenhimmel zu sagen (; ).
Die auf den Punkt geschmiedete Pseudo-Chardonnay-Frucht (ich muss sie so nennen, da ich ganz hingerissen von meiner Täuschung war; in Wahrheit natürlich Weißburgunder) und die Ingwer-scharfe Säure schmeckten aufregend und eigenwillig. Die Rebsorteninterpretation (der falschen natürlich
) wirkte derart souverän, wie ich es bislang für ein deutsches Weingut kaum für möglich gehalten hätte. Der entschiedene Zuschnitt dieses Weines und die ungepufferte "Moselsäure" ließen mich aber nicht an die Bourgogne denken.
Die Analysewerte für Wein 2 lauten, sofern meine nachträglichen Recherchen stimmen: Restzucker: 2,9 g/l | Säure: 8,5 g/l | Alc: 12,5 % vol.
Ich glaubte jedoch, den typischen Geruch von Weinen in der Nase zu haben, bei denen Zucker stilistisch eingesetzt wird. Dazu kamen schöne mineralische Noten und etwas rauere, die in Richtung Toasting gingen.
Im Mund ein sehr plastischer, vollaromatischer Eindruck. Ähnlich dem Biss in einen reifen Apfel - real live. Der Zuckereindruck bestätigte sich für mich. Eben nicht, weil der Wein deutlich süß schmeckte, sondern durch eine gewisse leere Geschmacksverfremdung wie bei einer Mehlschwitze. Der Zucker, so schien es mir, würde die deutlich vorhanden Säure in ihrer Wirkung abpuffern. Ich erwartete bei jedem Schluck, dass sie jetzt eigentlich zustechen müsste. Doch sie endete jedes Mal wie weich aufgefangen und ließ einen ausbalanciert wohlmundigen Gesamteindruck entstehen (der allerdings nicht nach meinem Geschmack war). Nun besitzt der Wein zwar auch einige kräuterig-mineralische Vorzüge, aber ich hielt ihn für limitiert, bis mit mehr Luft und Wärme eine wundersame Verwandlung geschah. Die volle Rieslingfrucht und "Zuckermarmorierung"
zogen sich immer mehr zurück zugunsten aufregender steiniger und bitterer Töne, auch Schiefer vielleicht. Es war, als ob sich die Oberfläche öffnete und ein reiches Innenleben zum Vorschein brachte. Es gab überhaupt keine andere Chance, als sich irgendein Terroir mit buntem Gestein und Gestrüpp vorzustellen, so eindruckvoll jenseits von Frucht entwickelte sich der Wein. So hatte der zuerst Zweitplatzierte plötzlich die Nase vorn.
Nach 24 Stunden fand ich die Weine geruchlich verblüffend ähnlich. Leider konnte ich die untergründige aufregende Schönheit von Wein 2 nicht wiederfinden. Er wirkte überhaupt nicht müde, besaß keinerlei Süße-Anmutung mehr, war ganz wohlgebauter, dichter Stoff. Ohne sein zweites Gesicht hat er mich aber nicht mehr inspiriert. Wein 1 hatte nach 24 Stunden in den Schlucken, die noch übrig waren, für mich ebenfalls seine entscheidenden Feinheiten verloren. Dies sind natürlich keine Argumente gegen die Weine, die zuvor bereits umgefüllt worden waren und eine längere Reise zurückgelegt hatten. Ich bin jetzt sogar außerordentlich neugierig, wie sie in mehreren Jahren schmecken.
Gruß, Kle