VillaGemma hat geschrieben:gib mal bitte ein konkretes Beispiel.
Ok, hier kommt eines. Chateau Jean Faure 2010, ein Bordeaux (St.Emilion GCC), insofern wirst Du den Wein vermutlich nicht einordnen können; aber die VKN illustriert die Lobenberg-Technik recht schön. Die Hervorhebungen in fett sind von mir.
Direkter Nachbar von Cheval Blanc und La Dominique mit gleichem Terroir. 40% Merlot, 55% Cabernet Franc, 5% Malbec. Dieses überragende Terroir für Cabernet Franc lässt nicht nur Cheval Blanc zu Recht als 1er Cru erscheinen, auch La Dominique nutzt das Terroir immer besser, gehört schon zu den großen Werten. Jean Faure steht dem sicher nicht nach. Olivier Decelle hatte vor einigen Jahren das unverschämte Glück, diese alten Weinberge nebst Gebäuden aus einer Erbstreitigkeit kaufen zu können. Cheval Blanc und La Dominique hatten das Nachsehen, denn die Besonderheit des Gesetzeswerks der Appellation Saint Emilion hätte beiden Konkurrenten nicht erlaubt, sich die direkt auf gleichem Terroir anschließenden Rebgärten in das eigene Chateau einzuverleiben. Im Preis dieses großen Weins von Jean Faure steht das Komma also weiter links, das macht den Wein so ungeheuer sympathisch. Schwarz Rubinrot. Burgundische Nase, Richbourg [NB: sollte korrekt "Richebourg" heißen],
vielleicht sogar noch mehr Chambertin, aber in konzentrierter Form. Traumhafte frische Zwetschge mit schwarzer Kirsche, Pfeffer, reife Walderdbeere, hocharomatisch, fein, duftig. In der Fruchtintensität eine leichte Erinnerung an Chateau Tertre Roteboeuf, dem diesjährigen Sieger im Wettbewerb des fruchtigsten Weins. Ein feiner Hauch helle Praline zieht sich durch den Wein, etwas weißer Pfeffer. Dann kommt Weinbergspfirsich, ein Hauch Orange, ein wenig Exotik. Die Rasse der Cabernet Franc besticht, darunter ein wenig Mango und Passionsfrucht. Ein ganz kleiner Hauch Gummi, der so typisch ist für Weine, die mit natürlicher Hefe vergoren wurden. Immense Rasse im Mund. Ein Ansturm von roter Frucht, rote Kirsche, Schattenmorelle. Schlanke, rassige Zwetschge. Himbeere, Walderdbeere. Hohe Mineralität, Salz, Gesteinsmehl. Sehr viel weißer Pfeffer. Immense Länge. Extrem geschliffenes Tannin. Ein schlanker Wein, der gleichzeitig viel Fett hat, viel Fruchtfleisch. Die Rasse überwiegt alles, die Finesse ist immens. Es ist ein grandioser Wein und bei gleichem Terroir dem La Dominique überlegen. Vielleicht nicht ganz die Tiefe von Cheval, in Sachen Rasse und Mineralität kann er ihm jedoch ernsthaft Konkurrenz machen. Ein grandioser Wert. Einer der unbekannten und am höchsten unterschätzten Weine, schon im Jahr 2009. Der Wein hat Kampfer und Menthol im aromatischen Nachhall. Großer Wein. 96-97+/100
Ok, da hat er gleich mal einen netten Rundumschlag gemacht. Direkter Vergleich mit zwei hochrenommierten
grand crus aus Burgund (Chambertin und Richebourg), mehr als nur eine Anspielung an Tertre Roteboeuf, dann direkter Vergleich mit dem unmittelbaren Nachbarn Cheval Blanc. Auf ein paar weitere Implikationen braucht man hier nicht mehr einzugehen.
Ich hatte den Jean Faure 2010 schon im Glas, allerdings im Laufe des Lebens auch schon etliche Cheval blancs und Chambertins, drei Jahrgänge von Terte Roteboeuf, und auch eine Flasche Richebourg. Und jetzt lese ich die Lobenberg-VKN und frage mich, welcher von diesen Vergleichen der absurdeste ist. Absurd und an den Haaren herangezogen sind sie nämlich allesamt.
Ach ja, Parker gibt dem Wein grandiose 87 Punkte. Das ist in meinen Augen ein klein wenig zu hart, aber wesentlich zutreffender als Lobenbergs 96-97+. Da man bei Lobenberg aber immer 4-5 Punkte von seiner Bewertung abziehen muss, ist diese Kleinigkeit nebensächlich.
Wie gesagt: die Technik des Vergleichs ist das, was hier typisch ist, man findet sie bei Lobenberg mit schöner Regelmäßigkeit, und die Vergleichskandidaten sind meistens die gleichen, nämlich solche Weine, die Otto Normalweintrinker so gut wie nie ins Glas bekommt, weil es sich um megateure und seltene Flaschen handelt. Pech für ihn, wenn es doch mal ein paar Leute gibt, die vergleichen können - aber das Risiko ist niedrig, und justitiabel sind selbst wüste Vergleiche nicht. Aber elendiges und letztlich grob irreführendes Werbegeklingel ist das nicht weniger als der Text zum Edeka-Wein.
Gruß
Ulli