Sa 14. Sep 2013, 12:12
Birte schreibt: Sind wir alle, Ulli? Ich glaube kaum, dass der Absatz der Winzer aus dem Weinforum kommt.
Zum Thema Mode und neue Ideale, natürlich interessiert das das Gros der Weintrinker erst mal nicht, die wollen einfach guten, schmackhaften Wein. Nur sollte klar sein, dass in einem ästhetischen Sinn gut und schön nie eineindeutig ist und schon gar nicht konstant, ganz im Gegenteil. Am deutlichsten lässt sich das in der Mode erkennen, weil es dort "offensichtlich" ist.
Selbst von vielen als eher unschön beschriebene Moden, ich nenne mal Leggins, Schlaghosen etc. setzen sich nach gewissen Zeiten als wieder modern durch, obwohl die Mode auch nur von einer kleinen Community gestaltet wird, meist ist es ja auch so, dass die Community schon wieder bei einem neuen Thema ist, wenn die Mode im Mainstream angekommen ist. Ähnlich ist es doch auch beim Thema Wein.
Es gibt immer eine kleine Gruppe, die die Themen setzt, die nach neuen Ausdrucksformen sucht und die große Masse folgt mit zeitlichem Abstand.
Bei einem Luxusprodukt wie hochwertigem Wein ist es geradezu immanent wichtig, dass es neue Trends gibt, dass es Themen gibt über die man streiten kann, nur so bleibt das Thema interessant. Insofern ist es auch logisch, dass mal der eine Stil mode ist und dann wieder etwas neues kommt. Auch der Ausdruck authentisch darf in diesem Sinne nie als absolut gesehen werden, authentisch sind die Stile und Geschmäcker immer nur im aktuellen modischen Stil.
Das Thema Lage hat natürlich immer etwas mit Klassifikation zu tun, kein Mensch spricht neutral über das Thema Lage, es geht immer darum, dass es eine gute eine exzellente Lage gibt. Insofern ist das Thema Lage dann eben auch eine Möglichkeit der Weinklassifikation, eine solche Klassifikation ist bei einem Luxusprodukt natürlich essentiell. Nur wenn ich glaubhaft mahcen kann dass es qualitative Unterschiede zwischen den einzelnen Weinen gibt, dann kann ich auch Preisunterschiede legitimieren. Jedes Luxusprodukt definiert sich aber in einer Marktwirtschaft auch über seinen Wert, der sich natürlich im Preis ausdrückt.
Entscheidend ist dabei, wie bei fast allen Luxusprodukten der Erzeuger. Eine Uhr von Rolex, ein Auto von Rolls Royce, ein Anzug von Brioni ein Wein von DRC.
Aber meist ist es notwendig mehr als ein Produkt zu erzeugen und in der erzeugten Palette wieder eine Qualitätsabstufung zu haben. Beim Auto ist das über PS und Größe recht einfach zu machen, bei einer Uhr über Features oder wertige Materialien, aber wie kann ich das beim Wein machen?
Ich benötige als Erzeuger immer eine Qualitätspyramide die ich den Kunden nachvollziehbar erklären kann, engere lokale Herkunft ist dabei natürlich eine leicht verstehbare Definition. Alte Reben wäre auch noch eine Option, aber was mache ich, wenn ich den Weinberg einmal roden muss? Ich kann natürlich auch interne Abstufungen a la Sterne machen, oder wie in Spanien lange über Reifezeit, Crianza, Reserva, Gran Reserva.
Rein betriebseigene Qualitätsabstufungen haben natürlich ein großes Problem, es fehlt die externe Konkurrenz, deshalb teilt man ja Autos so gern in Klassen ein, erst durch die Klassen kann ich Vergleichstests machen. Die Einteilung der Qualität in lokale Herkunft biete eine ähnliche Möglichkeit des Vergleichs, übergreifend im Vergleich verschiedener "Ortsweine" oder "Lagenweine" aber eben auch intern zwischen den Erzeugern aus einem Ort, einer Lage.
Erst die Vergleichbarkeit schafft eine Rangliste und erst die Rangliste schafft die preisliche Differenzierung und somit die Möglichkeit einen irrationalen Preis zu erzielen und seien wir ehrlich, alles über € 20,00 ist beim Wein definitiv irrational, was nicht heißt, dass der Kauf für den Weinfreund irrational ist. Luxusprodukte leben aber eben auch ein Stück weit von irrationalen Preisen. Mit dem Wein kann auch Max Mustermann ein kleines Stück einer Luxus-Traumwelt erreichen, zumindest bis zu einem gewissen Grad, irgendwann wird es dann natürlich auch wieder unerreichbar, aber das ist vielleicht sogar notwendig.
Zurück zur Lage, wenn ich mich entschieden habe, dass ich über die Herkunft meine Qualitätspyramide aufbaue, dann muss ich Gründe finden, warum die Weine aus der Lage immer besser sind, als die Weine die aus einem größeren Gebiet kommen.
Und weil es nun mal bei Wein auf Geschmack ankommt, muss ich einer Lage bestimmte geschmackliche Qualitäten zuweisen, dabei ist es nicht notwendig, dass alle dies geschmacklich nachvollziehen können, aber die Meinungsführer muss ich überzeugen. Deshalb muss die GG-Verkostung in Wiesbaden und Berlin so aufwendig aufgezogen werden, deshalb ist es auch sinnvoll manches mythisch aufzuladen.
Ich will nicht sagen, dass das ganze Thema nur konstruiert ist, der Winzer gibt sich sicher auch alle Mühe, die Theorie in der Praxis zu bestätigen und wenn er das tut und den richtigen Ehrgeiz hat, dann wird man qualitative Unterschiede zwischen den Gutsweinen, den Ortsweinen und in der Spitze den Lagenweinen erkennen, ich fürchte aber, dass die Unterschiede viel mehr gemacht sind, als dass sie der Lage immenant wären.