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Kupfer im Bioweinbau

Von der Weinbergspflege bis zur Kellertechnik
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UlliB

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Re: Kupfer im Bioweinbau

BeitragMo 22. Jul 2013, 15:27

maha hat geschrieben:Welche Möglichkeit hat der Biobauer dann noch die Schädlinge zu bekämpfen? Eigentlich nur eine Sorte zu züchten die dagegen resistent ist. Das wiederum hat zur Folge dass ich die ursprüngliche Sorte nicht mehr habe sondern eine Neue. Und ist das ohne Genmanipulation so einfach möglich? Wie lange dauert so was?


Die Neuzüchtung einer Sorte zieht sich von den Anfängen bis zur Sortenzulassung durchaus über mehrere Jahrzehnte hin.

Es gibt durchaus schon pilzresistente Sorten (oder besser: Sorten mit hohem Pilzwiderstand; 100%ig ist die Resistenz leider nicht), die ohne Genmanipulation "konventionell" gezüchtet wurden und schon im kommerziellen Anbau sind: in weiß z.B. Helios, Johanniter, Solaris; in rot z.B. Regent. Das sind sicherlich keine Sorten, die hinsichtlich ihrer Aromatik mit einem Riesling oder Pinot noir mithalten können; zur Bereitung von guten Alltagsweinen sind sie aber allemal geeignet. Aber eben, wir möchten ja am liebsten nur High-End-Produkte, und die lassen sich aus diesen Rebsorten wohl eher nicht erzeugen.

Aber die Züchtungsprogramme laufen ja dauernd weiter. Vielleicht kommt ja noch etwas wirklich gutes dabei heraus.

Gruß
Ulli
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Markus Vahlefeld

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Re: Kupfer im Bioweinbau

BeitragMo 22. Jul 2013, 15:39

Halo Björn,

die Liste der "Disharmonien" bei Bio ließe sich beliebig fortsetzen. So ließen sich bei freilaufenden Bio-Hähnchen viel mehr Antibiotika feststellen als bei gleichen aus Legebatterien, eben weil freilaufend auch dazu führt, dass andere Tiere - zumal Raubtiere und desweiteren Wildvögel - eine ganze Population anstecken können und die nur unter Einsatz von Chemie wieder gesund zu machen ist. Oder eben als Totalsschaden abzuschreiben wäre.

Gerade deswegen haben mich Deine wissenschaftlichen Ausführungen sehr gefreut. Auch die "disharmonische Logik" á la "wasch mich, aber mach mir den Pelz nicht nass" war und ist schon immer ein Anzeichen weltanschaulicher und oftmals auch religiöser Vorsätze. Nochmals: die Juden essen koscher, die Moslems halal und der gemeine Gutmensch eben bio. Das Problem an allen diesen Vorsätzen ist der Umgang mit der Schuld. Wir kommen halt aus der Schuldfalle nicht heraus - egal, wie man es macht, es bleibt immer ein Bodensatz fehler- und schuldhaften Verhaltes. Und das ist vielmehr das, was mich an den Bios so stört. Sie tun so, als wären es immer die anderen, die Schuld auf sich laden und sie selbst wären die Lösung für unsere Zivilisationsschuld. Das sind sie aber nicht. Und das gute Gewissen, das man sich erkauft, ist eben eine Lüge.

Andererseits ist die Weiterzüchtung von resistenten Pflanzen - was meist durch Gentechnik geschieht - auch nicht recht. Meist aus irrationalen und unbeweisbaren Gründen, die denen von Handy- und Strahlengegnern gleichen. Es wird auf kurz oder lang auf genveränderte, pilzresistente Sorten hinauslaufen und vor allem für die vielen Millionen von Hektolitern billigen Saufweins wäre es IMHO die beste und nachhaltigste Lösung. Dass man aber als Gentechnik-Befürworter in der öffentlichen Meinung fast ein Sakrileg begeht und diese Produkte omentan schier unverkäuflich wären, ist eher bedenklich.
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VillaGemma

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Re: Kupfer im Bioweinbau

BeitragMo 22. Jul 2013, 16:10

Markus Vahlefeld hat geschrieben:Und das ist vielmehr das, was mich an den Bios so stört. Sie tun so, als wären es immer die anderen, die Schuld auf sich laden und sie selbst wären die Lösung für unsere Zivilisationsschuld. Das sind sie aber nicht. Und das gute Gewissen, das man sich erkauft, ist eben eine Lüge.

Lieber Markus,

hier muss ich doch mal einhacken. Ich kann dabei natürlich nur über meine Person und die meiner Frau sprechen. Aber was Du da schreibst, stimmt pauschal so nicht, wie vieles, was hier über BIO geschrieben wird.

I) Klarstellung: Bio ist nicht Bio. Es gibt verschiedene Siegel. Auf BIO, rechteckig, gebe ich wenig. Ist vielleicht besser als konventionell. Ich traue eigentlich nur demeter. Mit Abstrichen Bioland. Nur diese beiden haben aus meiner Sicht einen vernünftigen Standard (siehe Richtlienien). Das dort Antibiotikum nachgewiesen wird, bei verkauftem Fleisch, halte ich für nahezu ausgeschlossen. Beim rechtecken BIO wundert mich hingegen nix.

II) Mir ist es fast egal, wie der Apfel, die Birne oder was weiß ich aussieht. Es darf nur nicht schimmelig sein, oder verfault. Den "Anspruch" habe ich schon. Ach ja, der Salat darf auch frisch sein.

Das gute Gewissen ist eben keine Lüge, wenn man entsprechend aufmerksam einkauft. Wie gesagt, bei demeter halte ich es für ausgeschlossen, dass die Antibitikum einsetzen. Und wenn, dann wird das Viech niemals zum Verzehr geschlachtet. Dito alle anderen Nutztiere. Nur muss man eben mit leben, dass das Ei 70 Cent kostet. Und ggf. auch kleiner ist. Und ggf. alle ist, weil ausverkauft. Gehört alles dazu. Ich freute mich beim meinem alten Metzger immer 4-6 Wochen auf die nächste Schlachtung. Denn nur dann gab es Steaks. Finde ich vollkommen ok.

Hingegen zum konventionellen Hähnchen: Schaut Euch mal die Beiträge zu dieser Art von Zucht an. Da kommt es einem hoch! Ferner bekommen ALLE an 19 von 34 Lebenstagen Antibiotikum. So sieht die Wahrheit aus. Ein Bioland-Hähnchen kostet dann eben ca. 20 Euro anstatt 3,-. Muss man mit leben. Aber hier bitte nicht anfangen, die Fakten zu verdrehen.

Und nochmal. Das EU oder deutsche BIO-Abzeichen (6-eckig) nehme ich nicht für voll! Ich rede von echt BIO...mit Macken aufm Apfel. Und nicht EU-Norm Früchten.

Noch abschließend zum Thema Wein und BIO: Schwierig, viel schlechte Erfahrung gemacht...gibt es einen Thread zu. Scheint aber besser zu werden ;)

VG,
Robert

Edith möchte noch gern 2 Quellen geben:

http://www.bioland.de/fileadmin/bioland ... atz_01.pdf

http://www.bund-frankfurt.de/demeter.html

Wie erwartet ist demeter deutlich strenger als Bioland. So auch meine Prioritätenkette...
Zuletzt geändert von VillaGemma am Mo 22. Jul 2013, 16:45, insgesamt 1-mal geändert.
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MichaelWagner

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Re: Kupfer im Bioweinbau

BeitragMo 22. Jul 2013, 16:44

Ich glaube man muss hier, insbesondere wenn wir uns mittlerweile über die komplette Nahrungsmittelpalette unterhalten - zur Vereinfachung mal mindestens zwischen 2 Konsumentengruppen - unterscheiden:

1. der "Gutverdiener" der es sich leisten kann ein paar Euro mehr in die Hand zu nehmen und auf Herkunft/Güte seiner Lebensmittel achtet

2. die anderen 80% der Bevölkerung, die (ob sie jetzt wollen oder nicht) auf günstige Nahrungsmittel angewiesen sind, weil sie sich schlichtweg nicht mehr leisten können.

Es geht ja auch einfach mal darum, dass die Grundversorgung mit Nahrungsmitteln der gesamten Bevölkerung zu angemessenen Preisen gewährleistet ist. Das ist nunmal einfach auf dem Bio-Wege nicht darstellbar. Wenn wir Europa komplett auf Bioproduktion umstellen, wird es darauf hinauslaufen, dass der Anteil an Nahrungsmitteln, die wir aus Ländern importieren müssen, die sich einen Teufel darum scheren, ob wir davon tot umfallen, ziemlich stark ansteigt.

Den Bereich Weinbau würde ich mal aus der Gesamtdebatte ausklammern, da Wein wohl (leider :) ) kein Grundnahrungsmittel ist. Und wenn ich den Bereich dann noch auf den Bereich der Weingutsweine mit einem gewissen Qualitätsanspruch beschränke, fallen derzeit schonmal die PiWis aus geschmacklichen Gründen weg. Was den Unterschied zwischen bio & konventionell in dem Bereich angeht, ist der einzige große Unterschied eben das Thema Pflanzenschutz/Fungizide.

Und da liegt in dieser Diskussion der Hase denke ich im Pfeffer. Kupfer oder hochspezifische Fungizide. Was ist mehr Bio?

Vielleicht sollte man sich bei der ganzen Biowein-Debatte einfach mal darauf einigen, dass es ohne nicht geht und die ganze Heimlichtuerei a la "wir spritzen nicht...also...naja..jedenfalls kaum..öhm, also nur wenns nötig ist...aber dann nur Kupfer...ist ja ein Element, dass in der Natur vorkommt...voll supi....blablabla" sein lassen und offen mit dem Thema umgehen, statt seine Kunden zu veräppeln (Bio-Äppel selbstverständlich...)

PS: was Roberts ANmerkung zu Bioweinen angeht, muss ich aus eigener Erfahrung sagen, dass ich da keine höhere Schwankungsbreite feststellen kann, als bei konventionell auch. Von super bis achdujeh ist in beiden Kategorien alles dabei.
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VillaGemma

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Re: Kupfer im Bioweinbau

BeitragMo 22. Jul 2013, 16:56

MichaelWagner hat geschrieben:1. der "Gutverdiener" der es sich leisten kann ein paar Euro mehr in die Hand zu nehmen und auf Herkunft/Güte seiner Lebensmittel achtet

2. die anderen 80% der Bevölkerung, die (ob sie jetzt wollen oder nicht) auf günstige Nahrungsmittel angewiesen sind, weil sie sich schlichtweg nicht mehr leisten können.

Ich glaube nicht, dass 80% sich das nicht leisten können! Eher so ca. 50%. Ich stelle aber auch mal ein paar provokante Fragen:

1. Muss man jeden Tag Fleisch essen? Oder war Fleisch nicht mal ein Luxusgut und sollte es auch wieder sein?
2. Wieso muss ein Hähnchen 2,- Euro im Laden kosten? Wieso ein Kilo Schweinemett im Angobt 1,99? Da ist doch krank!
3. Wieso schreit man bei E10 auf, bei Dioxin in Eiern oder Gammelfleisch o.Ae. nicht?
4. Wieso ist den Menschen Ernährung bei weitem nicht so wichtig wie die Glotze, das Auto oder das neue Mobile? Das sind doch die Kernfragen. Beim Thema Essen wird einfach unglaublich weggeschaut. Und ich finde das extrem schade bzw. kann es nicht verstehen, da es eigentlich das wichtigste ist, was wir in uns "einwerfen".
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MichaelWagner

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Re: Kupfer im Bioweinbau

BeitragMo 22. Jul 2013, 17:03

ich denke die Prozentanteile müssen wir nicht diskutieren. OK, lasse mich auf 50% ein.

Was Deine Fragen angeht, sind die berechtigt, ich sehe es genauso: ist krank, ändert aber nichts an der Realität.

PS: Wein war auch mal ein Luxusgut - absolut aristokratisch. Wir haben uns aber für Demokratie entschieden. Und wenn jeder frei entscheiden darf, dann darf er/sie auch entscheiden, dass er billigen Mist konsumieren will. Und dann findet sich eben auch jemand der den Mist liefert.

Aber man kann sich ja zum Glück auch dagegen entscheiden.

PS: das Thema hat auch ein bisserl was mit "Entfremdung" zu tun. Wenn man nicht mal mehr weis, wie eine Kuh aussieht und dass das Fleisch, dass man isst, tatsächlich von einem lebendigen Tier stammt, wie soll man da noch einschätzen können was das Kilo kostet und wo die Unterschiede liegen...
Zuletzt geändert von MichaelWagner am Mo 22. Jul 2013, 17:19, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Kupfer im Bioweinbau

BeitragMo 22. Jul 2013, 17:15

Hallo Robert,

nur das dein Bioapfel eben auch mit Kupfer behandelt wird. Und damit du eben auch schuld hast, wenn im Boden keine Regenwürmer mehr leben.

Bei Fleisch und Fisch stimme ich dir zu. Problematisch sehe ich bei dem Konsumverhalten auch noch, dass es eben nur noch Steak, Hack oder Wurst sein darf. ch denke schon, dass wir häufiger Fleisch essen könnten, wenn wir nicht den Geschmack an vielen Teilen des Tieres verloren hätten. Dies beziehe ich aber nur auf tierische Produkte. Bei den anderen landwirtschaftlichen Produkten sehe ich es anders.
Viele Grüße

Aloys
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MichaelWagner

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Re: Kupfer im Bioweinbau

BeitragMo 22. Jul 2013, 17:21

hab ne Apfelallergie, von daher bin jetzt fein raus :lol:
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Markus Vahlefeld

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Re: Kupfer im Bioweinbau

BeitragMo 22. Jul 2013, 17:23

MichaelWagner hat geschrieben:iAber man kann sich ja zum Glück auch dagegen entscheiden.


Nun ja, auch wenn es mir leid tut, Michael, ich stimme Dir da voll zu. Bio ist ein Trend von satten Menschen und satten Gesellschaften. Das mag unschön klingen, ist aber eine Tatsache. Und auch wenn alle Religiösen es anders sehen: Bioanbau ist (wie die Energiewende) NICHT alternativlos.

In den 90er verkaufte ein Demeter-Laden irgendwo im Ruhrgebiet jahrelang demeter Produkte, ohne dass sie demeter waren. Die Leute haben's gekauft und waren glücklich. Und man kann in den Produkten weder eine höhere Geschmacksdichte, noch eine geringere Schadstoffbelastung á la "gesünder" nachweisen. Ebenfalls: blind ist bio nicht zu schmecken. Folglich ist Bio keine sinnliche Kategorie, sondern eine spirituelle. Und das ist das Problem: wir sind kein Religionsforum :lol:

OK, wir kommen jetzt vom Thema Wein ab. Kupfer im Weinbau ist sozusagen die "Erbsünde" der Bios. Dass seine Wirkung und Schädlichkeit deutlich ist, wird klar geworden sein. Dass es eine Abwägungsentscheidung ist, ihn einzusetzen oder nicht, ebenfalls.

Mich würde interessieren, ob Weinbau als intensive Monokultur mehr Kupfer benötigt als Weizen- oder Maisanbau? Kann jemand dazu etwas sagen?
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Gerald

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Re: Kupfer im Bioweinbau

BeitragMo 22. Jul 2013, 17:30

Mich würde interessieren, ob Weinbau als intensive Monokultur mehr Kupfer benötigt als Weizen- oder Maisanbau?


meines Wissens ist bei Biogetreide Kupfer gar nicht zugelassen, sondern nur für Dauerkulturen, insb. Wein und Obst (z.B. Äpfel). Zumindest bei demeter steht das so in den Richtlinien.

Grüße,
Gerald
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