Hallo Daniel,
leider komme ich erst jetzt dazu, wie von dir erbeten, deine These zu widerlegen
Dreh- und Angelpunkt des Diskurses ist die Frage, welche Auswirkungen die gesetzliche Vermehrung von Rebflächen auf den Weinbau bzw die Weinwirtschaft in Deutschland hat. Als Österreicher und sohin als Außenstehender frage ich mich daher, ob es nicht bereits in der Vergangenheit ähnliche Szenarien gegeben hat.
Ich lese also - auch hier im Forum - , dass zB in Rheinhessen "Rübenäcker" in Weinbauflächen umgewandelt wurden. So, und jetzt frage ich mich, welche Auswirkungen hatte dies auf die deutsche Weinwirtschaft. Positive? Negative? Messbare oder vernachlässigbare? Ist die damalige Umwandlung überhaupt mit der aktuellen Diskussion vergleichbar?
Die Entwicklung der 60er, 70er und 80er-Jahre ist mit der aktuellen Situation nicht vergleichbar. Die Anzahl der Weinbaubetriebe hat deutlich abgenommen und Flächenzuwächse wie damals sind nur mit sehr vielen Akteuren, die alle (im einzelnen meist zwar nur relativ geringfügig, in Summe aber enorm) expandieren machbar. Darüber hinaus gab es damals zusätzlich zur Flächenausdehnung auch eine enorme Ertragssteigerung auf bestehenden und neuen Flächen, wie sie heute nicht mehr möglich ist. Auf dem heutigen, in Deutschland oft sehr hohen Niveau läßt sich die Menge kaum noch steigern, nicht zuletzt wegen teurerer und legistisch eingeschränkter Düngemöglichkeiten, häufigeren Trockenphasen (auch durch geänderte Bewirtschaftung - Begrünung),...
Darüber hinaus war die Markterwartung damals eine ganz andere (steigende Verbrauchsprognosen, u.a. weil man die Kurve von 1945 bis 1970 1:1 auf die folgenden Jahre umgelegt hat. Die Beschäftigtenanzahl in der Landwirtschaft war eine ganz andere, die Agrarpolitik verfolgte deutlich andere Ziele und hatte Maßnahmen, die die Überschußproduktion gefördert oder zumindest ihre Folgen verschleppt hat.
So außenstehend sind wir Österreicher übrigens nicht. Die Entwicklung bei uns war damals ziemlich ähnlich.
Meine These, zu deren Widerlegung ich jeden hier ganz herzlich einlade: Die Umwandlung von "Rübenäckern" in Weinbauflächen hat dem jeweiligen Produzenten ökonomische Vorteile gebracht. Wieso sollte jemand von einem ertragreichen Rübenanbau auf einen weniger ertragreicheren Weinanbau wechseln? Zugegeben, das ist nur die betriebswirtschaftliche Sichtweise. Ich glaube aber doch, dass die Summe der betriebswirtschaftlichen Sichtweisen auch der volkswirtschaftlichen Sichtweise entspricht.
Wenn also der Wechsel von einer Feldfrucht (Rüben) zu einer anderen (Weinreben) öokonomisch sinnvoll war, die neue Feldfrucht (Weinreben) aber der Konkurrenz ausländischer Produzenten derselben Feldfrucht (Weinreben) nicht standhalten kann, dann stellt sich für mich die - ökonomische - Frage, ob nicht ein neuerlicher Feldfruchtwechsel angezeigt wäre. Es gilt sohin eine Feldfrucht zu finden, die einen höheren Ertrag abwirft. Dazu kann ich aber keine Ratschläge geben, weil ich nicht vom Fach bin; vielleicht wäre Spargel oder Gemüse in biologischen Anbau eine ALternative?
Deine These hat einen ganz entscheidenden Schwachpunkt. Die Landwirtschaft im Allgemeinen und der Weinbau im Besonderen ist keine Industrieproduktion, in der man (natürlichs ehr vereinfacht gesagt) einfach einen Schalter umlegt, um etwas anderes zu produzieren. Die Umstellung war und ist deshalb nicht so einfach, denn es fehlt häufig an Know-How, Ausstattung und betriebswirtschaftlicher Sinnhaftigkeit (denn Weingärten sind eine Dauerkultur über wenigstens 25, 30 Jahre und benötigen auch eine ganz andere Mechanisierung als die Zuckerrübe).
Die frühere Umstellung war auch weit weniger von längerfristigem, ökonomischen Denken motiviert, als von der Aussicht auf ein wenig mehr schnelles Geld, denn die teure Mechanisierung war damals nicht so ein großes Thema wie heute und (in den mittlerweile stark zurückgegangenen gemischten Beitrieben mit Ackerbau und Weinbau) sowieso vorhanden.
Auch der Ansatz, mit anderen Nutzungsarten (Gemüse,...) der echten oder vermeintlichen ausländischen Konkurrenz besser Paroli bieten zu können scheint fragwürdig. Wein ist, selbst abseits der absoluten Qualitätsspitze, sicherlich jenes landwirtschaftliche Produkt, mit dem sich die Besonderheit einer Region, eines Betriebes am besten darstellen und damit eine verbesserte Wettbewerbssituation erreichen läßt. Es wäre deshalb wohl häufig sinnvoller, nach Wegen zu suchen, wie sich der eigene Wein aus der Anonymität der internationalen Masse herausheben läßt, als mit vergleichsweise anonymem Biogemüse in direkte Konkurrenz mit Spanien, Italien, Holland, etc. zu treten. (Sofern es nicht um recht kleine und/oder direkt vermarktende Betriebe geht).
Grüße
Bernhard