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Pestizideinsatz im Médoc

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VillaGemma

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Re: Pestizideinsatz im Médoc

BeitragDo 13. Nov 2014, 09:41

MichaelWagner hat geschrieben:Gemma, was mich interessieren würde ist Deine Lebenswelt und welchen tatsächlichen Kontakte du zur realen Landwirtschaft hast.


Ich habe nochmal eine Frage an Dich als Winzer. Gibt es in Deutschland auch solche Zustände, dass ohne Schutz Spritzmittel (ungleich hömeopathische, die könnte man wahrscheinlich auch ohne Schutz ausfahren, böse Zungen behaupten, dass das eh nur Wasser sei ;) ) ausgefahren wird? Ist Dir sowas bekannt? Das würde mich schon interessieren.
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Herr S.

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Re: Pestizideinsatz im Médoc

BeitragDo 13. Nov 2014, 12:48

VillaGemma hat geschrieben: Ich mache den Firmen durchaus einen Vorwurf, da ich im festen Glauben lebe, dass es ihnen scheizzegal ist, ob das Zeug in 10-30 Jahren Krebs verursacht oder nicht.


Hallo Villa-Gemma,

ich kann viele Deiner Argumente sehr gut nachvollziehen. Die o.g. Aussage ist aber starker Tobak. Dahingehend muss ich aus meiner Erfahrung heraus Deinen Glauben in seinen Grundfesten erschüttern. CMR (C = krebserregend; M= mutagen ; R = reproduktionstoxisch) ist in der Pflanzenschutzmittelrichtlinie bei Erfüllung bestimmter Kriterien ein cut-off d.h. führt zur Nichtzulassung (wenn der stoff es überhaupt bis dahin schafft und nicht vorher schon ausgesiebt wird).

Viele Grüße,
Björn
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Gerald

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Re: Pestizideinsatz im Médoc

BeitragDo 13. Nov 2014, 13:09

Hallo Björn,

Dahingehend muss ich aus meiner Erfahrung heraus Deinen Glauben in seinen Grundfesten erschüttern. CMR (C = krebserregend; M= mutagen ; R = reproduktionstoxisch) ist in der Pflanzenschutzmittelrichtlinie bei Erfüllung bestimmter Kriterien ein cut-off d.h. führt zur Nichtzulassung (wenn der stoff es überhaupt bis dahin schafft und nicht vorher schon ausgesiebt wird).


danke für die Aufklärung. Ich musste mir ja schon hier im Thread Naivität vorwerfen lassen - nach dem Motto "den Arbeitgeber kümmert es doch nicht, wenn seine Mitarbeiter krank werden, Hauptsache die Kohle stimmt".

Zumindest in Österreich ist der Arbeitnehmerschutz doch ziemlich weit entwickelt (Kunden von mir sind in diesem Bereich tätig), in Frankreich wird es wohl auch nicht so anders aussehen. Von Südamerika war ja nicht die Rede.

Dass die im verlinkten Artikel genannten Krankheitsfälle mit den Spritzungen zu tun haben, ist ja auch nur reine Vermutung der Autorin - ohne irgendwelche konkreten Belege.

Grüße,
Gerald
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harti

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Re: Pestizideinsatz im Médoc

BeitragDo 13. Nov 2014, 13:39

Herr S. hat geschrieben:
VillaGemma hat geschrieben: Ich mache den Firmen durchaus einen Vorwurf, da ich im festen Glauben lebe, dass es ihnen scheizzegal ist, ob das Zeug in 10-30 Jahren Krebs verursacht oder nicht.


Hallo Villa-Gemma,

ich kann viele Deiner Argumente sehr gut nachvollziehen. Die o.g. Aussage ist aber starker Tobak. Dahingehend muss ich aus meiner Erfahrung heraus Deinen Glauben in seinen Grundfesten erschüttern. CMR (C = krebserregend; M= mutagen ; R = reproduktionstoxisch) ist in der Pflanzenschutzmittelrichtlinie bei Erfüllung bestimmter Kriterien ein cut-off d.h. führt zur Nichtzulassung (wenn der stoff es überhaupt bis dahin schafft und nicht vorher schon ausgesiebt wird).

Viele Grüße,
Björn

Hallo Björn,

gern verlinke ich noch einmal den umfassenden Bericht zur endokrinen Wirkung von Pflanzenschutzmittel. Die dürfte es ja eigentlich nicht geben, wenn das Zulassungsverfahren so zuverlässig wäre:

http://www.pan-germany.org/download/pan ... e_1303.pdf

Grüße

Hartmut
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harti

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Re: Pestizideinsatz im Médoc

BeitragDo 13. Nov 2014, 13:42

Gerald hat geschrieben:Dass die im verlinkten Artikel genannten Krankheitsfälle mit den Spritzungen zu tun haben, ist ja auch nur reine Vermutung der Autorin - ohne irgendwelche konkreten Belege.

Hallo Gerald,

der von mir oben verlinkte Artikel bestätigt eine ganze Reihe der beschriebenen Schädigungen.

Grüße

Hartmut
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Gerald

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Re: Pestizideinsatz im Médoc

BeitragDo 13. Nov 2014, 13:53

Hallo Harti,

eine endokrine Wirkung ist ja etwas Anderes als die von Björn erwähnten karzinogene oder mutagenen Wirkungen, auch wenn sie möglicherweise bestimmte Krankheiten indirekt begünstigt.

Nur ist die Sache mit den Hormonanaloga erst seit relativ kurzer Zeit ein Thema und vieles ist einfach noch nicht ausreichend erforscht.

Allerdings: wenn du alle Stoffe mit - möglicherweise - endokriner Wirkung aus deinem Leben verbannen möchtest, wirst du vermutlich verhungern und - jetzt im Winter - erfrieren. Da geht es nicht nur um Pflanzenschutzmittel, sondern um fast alles im täglichen Leben, von Lebensmittelverpackungen über Bekleidung bis zu Hygieneprodukten und Medikamenten. Das ist vielleicht der Preis des modernen Lebens. Hier muss wohl noch viel geforscht werden.

Ich denke aber doch, dass die Gefahr durch solche Substanzen um ein Vielfaches geringer ist, als wenn man - auch nur gelegentlich - eine Zigarette oder Zigarre raucht, siehe auch unseren Thread hier zum Thema.

viewtopic.php?f=7&t=1929

Man sollte hier also auch schon die Verhältnismäßigkeit beachten.

Grüße,
Gerald
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UlliB

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Re: Pestizideinsatz im Médoc

BeitragDo 13. Nov 2014, 14:19

Gerald hat geschrieben:Allerdings: wenn du alle Stoffe mit - möglicherweise - endokriner Wirkung aus deinem Leben verbannen möchtest, wirst du vermutlich verhungern und - jetzt im Winter - erfrieren. Da geht es nicht nur um Pflanzenschutzmittel, sondern um fast alles im täglichen Leben, von Lebensmittelverpackungen über Bekleidung bis zu Hygieneprodukten und Medikamenten.

Richtig. Und bevor jetzt der Einwand kommt, dass das ja alles auch "Chemie" ist: es gibt auch Naturstoffe, die solche endokrine Disruptoren sind, und einige davon sind auch außerordentlich potent. Wer z.B. Angst vor östrogen wirksamen Substanzen hat, sollte sofort aufhören, Bier zu trinken - Hopfenbitterstoffe sind nämlich östrogen wirksam und lassen hinsichtlich ihrer Potenz gerne inkriminierte Chemikalien wie z.B. die Parabene (Konservierungsmittel in Arzneimitteln und Kosmetika) und auch manche Pestizide weit hinter sich.

Aber "natur" kann nach Auffassung vieler Leute ja nicht schädlich sein, wogegen "Chemie" grundsätzlich und immer gefährlich ist - selbst wenn wissenschaftlich nachweisbare Effekte aus beiden "Stoffklassen" identisch sein sollten :evil:

Gruß
Ulli
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Muellimov

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Re: Pestizideinsatz im Médoc

BeitragDo 13. Nov 2014, 14:30

Herr S. hat geschrieben:Dahingehend muss ich aus meiner Erfahrung heraus Deinen Glauben in seinen Grundfesten erschüttern. CMR (C = krebserregend; M= mutagen ; R = reproduktionstoxisch) ist in der Pflanzenschutzmittelrichtlinie bei Erfüllung bestimmter Kriterien ein cut-off d.h. führt zur Nichtzulassung (wenn der stoff es überhaupt bis dahin schafft und nicht vorher schon ausgesiebt wird).


Wieviele Stoffe gab es denn nicht schon, die trotz Zulassungen und den entsprechenden Prüfungen im Nachgang wieder vom Markt genommen wurden, weil dann doch entsprechende Wirkungen auftraten?

Einfach mal ein Beispiel: Glufosinat.
http://de.wikipedia.org/wiki/Glufosinat

Interessant, wird sogar vom BMELV als "reproduktionstoxisch" eingestuft. Seit 2007 zugelassen, ab 2017 soll es vom Markt genommen werden.

Welche Untersuchungen gibt es denn in Bezug auf Auswirkungen auf andere Organismen bzw. Lebewesen. Inwieweit ist das dann zulassungsrelevant? Welcher Zeitraum wird dabei berücksichtigt?

Wie werden denn Cocktails in solchen Zulassungen untersucht?

Die Denke ist halt oftmals die, dass solange kein kausaler Zusammenhang zwischen einem Stoff und Gefährdung durch ihn hergestellt werden kann, der Stoff zugelassen wird. Danach gibt es dann eben wieder ab und an die Situationen, dass später doch Kausalzusammenhänge oder starke Verdachtsmomenten entdeckt werden.

http://www.bfr.bund.de/cm/343/pestizide ... enhang.pdf

Man lese mal in diesem Dokument den letzten Absatz auf S. 11, Kapitel 4. Wie so oft wurden Ergebnisse an Tiermodellen erhoben, wo vorerst offen bleibt, ob die Befunde auch auf Menschen übertragbar sind. Eine Gefährdung, wie in diesem Fall die Parkinson-Krankheit, wird somit auch nicht prinzipiell ausgeschlossen.

Aus meiner Sicht wird in diesem großen Spiel nicht mit offenen Karten gespielt. Zwar besteht ein prinzipielles Interesse daran, die wachsende Menschheit in Bezug auf Lebensmittelversorgung über die Runden zu bringen. Das darüberhinaus auch noch zu akzeptablen Kosten und Preisen (was auch immer jeder einzelne unter "akzeptabel"versteht). Und der Einsatz aller Arten von Pestiziden wird wohl durchaus einen Anteil dabei leisten (blenden wir mal aus, dass es bspw. immer mehr Unkräuter gibt, die Herbizidresistenzen entwickelt haben und weiterhin entwickeln werden). Wird auf diesen Einsatz verzichtet, so wäre die "Agrar-Effizienz" eventuell nicht mehr auf dem aktuellen Level aufrecht zu erhalten.
Fair wäre es, ungeblümt zu sagen, dass es Risiken beim Einsatz von Pestiziden gibt. Eventuell sogar unüberschaubare und massive Risiken, die nicht ausgeschlossen werden können. Dass man jedoch bestrebt ist, diese Risiken zu minimieren und sie bewusst in Kauf nimmt, weil Verzicht darauf andere Problematiken mit sich bringt, deren Schaden, ganz plakativ gesprochen, für die Menschheit in Summe größer ist. Genau so eine offene Stellungnahme wird aber nicht getan, es wird viel lieber auf ganz harmlos getrimmt.

Gerald hat geschrieben:Zumindest in Österreich ist der Arbeitnehmerschutz doch ziemlich weit entwickelt (Kunden von mir sind in diesem Bereich tätig), in Frankreich wird es wohl auch nicht so anders aussehen.


Es ist eine Sache, was in einem Regelwerk steht. Aber es ist eine andere, wie tatsächlich die Praxis ausschaut. Und selbst, wenn es einen sehr guten Arbeitnehmerschutz gibt, so stellt sich doch die Frage nach dem Schutz von Anrainern (was in dem ganz am Anfang verlinkten Artikel ja auch zum Ausdruck kommt).
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Gerald

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Re: Pestizideinsatz im Médoc

BeitragDo 13. Nov 2014, 14:52

Fair wäre es, ungeblümt zu sagen, dass es Risiken beim Einsatz von Pestiziden gibt. Eventuell sogar unüberschaubare und massive Risiken, die nicht ausgeschlossen werden können. Dass man jedoch bestrebt ist, diese Risiken zu minimieren und sie bewusst in Kauf nimmt, weil Verzicht darauf andere Problematiken mit sich bringt, deren Schaden, ganz plakativ gesprochen, für die Menschheit in Summe größer ist.


Also meiner Ansicht nach ist das ohnehin klar. Absolute Sicherheit wird es niemals geben, immer wieder kommt man - mit mehr oder weniger viel Verspätung - darauf, dass vermeintlich harmlose Dinge doch gefährlich sein können. Es kann immer nur eine Risiko-Nutzen-Abwägung sein.

Meiner Einschätzung nach werden die Risiken der Anwendung von Pestiziden auf Menschen in Europa durchaus ernst genommen. Nicht aber - zumindest noch nicht - ausreichend die Wirkung auf die Umwelt.

Und selbst, wenn es einen sehr guten Arbeitnehmerschutz gibt, so stellt sich doch die Frage nach dem Schutz von Anrainern (was in dem ganz am Anfang verlinkten Artikel ja auch zum Ausdruck kommt).


eine andere Lücke - zumindest nach meinem Informationsstand - ist auch, wenn nicht Arbeiter/Angestellte die Spritzungen übernehmen, sondern der Bauer selbst bzw. seine Familienangehörigen. Da ist meines Wissens nach der strenge Arbeitnehmerschutz nicht zuständig ...

Grüße,
Gerald
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UlliB

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Re: Pestizideinsatz im Médoc

BeitragDo 13. Nov 2014, 15:29

Muellimov hat geschrieben:Fair wäre es, ungeblümt zu sagen, dass es Risiken beim Einsatz von Pestiziden gibt. Eventuell sogar unüberschaubare und massive Risiken, die nicht ausgeschlossen werden können. Dass man jedoch bestrebt ist, diese Risiken zu minimieren und sie bewusst in Kauf nimmt, weil Verzicht darauf andere Problematiken mit sich bringt, deren Schaden, ganz plakativ gesprochen, für die Menschheit in Summe größer ist.

Dem würde ich bezogen auf die Lebensmittelproduktion nicht widersprechen wollen. Bezogen auf Wein ist diese Argumentationslinie aber schwierig, weil

1. Wein kein Lebensmittel, sondern ein Genussmittel ist, und man hierauf verzichten könnte bzw. den Konsum einschränken könnte;
2. mittlerweile nachgewiesen ist, dass man überall auf der Welt Wein auch ohne Einsatz von chemisch-synthetischen Pestiziden herstellen kann;
3. die mit einer vollbiologischen Wirtschaftsweise verbundenen Ertragsreduktionen irrelevant sind, weil wir es bei Wein global betrachtet immer noch mit mit einer Ãœberproduktion zu tun haben.

Heißt: dem Eingehen von Risiken steht hier kein wirklich relevanter Nutzen entgegen - sofern man es nicht als Nutzen ansehen möchte, dass ein Liter Wein auch für unter 3 Euro zu haben ist, was vermutlich aus biologischer Bewirtschaftung schwer zu machen wäre, zumindest in Mitteleuropa.

Gruß
Ulli
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