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Pigott und Theise zu trockenem Riesling

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Gerald

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Re: Pigott und Theise zu trockenem Riesling

BeitragMi 25. Sep 2013, 12:11

Hallo Gaston,

Die Exporte nach Spanien verdoppelten sich 2012, nach Griechenland verzeichnete der VDW ein Plus von fast 42 Prozent und nach Österreich gingen 55 Prozent mehr Mosel-Riesling als 2011.


ich weiß nicht wie es in Spanien oder Griechenland aussieht, aber in Ö gehen die 55% von einem sehr niedrigen Niveau aus (wenn man Moselriesling kaufen möchte, muss man schon richtig suchen. Sogar bei der größten Weinhandelskette Österreichs gibt es gerade mal 2 Weingüter im Programm). Finde ich persönlich ja schade, denn ich würde ganz gerne die Vielfalt dort kennenlernen.

Grüße,
Gerald
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Ollie

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Re: Pigott und Theise zu trockenem Riesling

BeitragMi 25. Sep 2013, 13:57

octopussy hat geschrieben:Insofern ist die Tradition der nicht ganz trockenen Rieslinge in Deutschland jedenfalls nicht allein eine kulturelle Tradition, sondern jedenfalls auch eine Tradition, die mit lokalen klimatischen Gegebenheiten und der säurestarken Rieslingtraube zu tun hat.


Nein, es ist vor allem eine "technologische Tradition", die daher noch sehr jung ist (im Vergleich zum vorherrschenden, durchgegorenen Stil der letzten 5000 Jahre Menschheitsgeschichte). Die Deutschen machen's, weil sie's koennen, aber nicht, weil deutscher Riesling ursaechlich Restzucker braeuchte - die grossen trockenen Weine (gerade 2012) zeigen das doch ganz eindruecklich, und zwar relativ losgeloest von kalten Analysewerten. Genauswenig wie Chenin Blanc von der Loire das braeuchte (nicht von Ungefaehr ein ganz anderer Weinstil als 7.5%, 60 g/l Moselkabinett, gell).

Ob das besser schmeckt oder besser passt oder nichts davon, ist eher kulturell tradiert als eine im weitesten Sinne individuelle Geschmacksvorliebe. Insofern kannst du, Gerald, durchaus der Meinung sein, dass trockene Weine dir besser zum Essen schmecken als untrockene, aber es ist halt nur deine Meinung und nicht ein Naturgesetz. (Meine natuerlich auch, ich bin ja kultiviert.)

Dazu kommt ein Phaenomen, dass vor einiger Zeit auch in der UK-Weinpresse aufgegriffen wurde: Dass naemlich die allermeisten jungen Konsumenten Wein tatsaechlich eher so trinken denn zum Essen; aber nicht weil es als altbacken oder spiessig angesehen wuerde, sondern schlicht aus der Lebensreaelitaet dieser Menschen heraus - und es gibt keinen Grund anzunehmen, dass das in Deutschland anders sein sollte. Dann aber haetten 15%-Australier ein Problem (deren stark gesunkener Absatz in UK war auch einer der Aufhaenger) und "untrockene" Rieslinge durchaus einen Vorteil, zumal gerade letztere sehr nah an der Limonade sind, mit denen die Kids grossgeworden sind (verringerte Hemmschwelle). Aber die Marktrealitaeten scheinen gegen diese attraktive, weil simple Logik zu sprechen, wenn man Armin und (vor allem!) den jammernden Restsuess-Winzern glauben mag. :mrgreen:

Eines noch zum "nach 15 bis 20 Jahren schmeckt Riesling weniger suess". Das ist natuerlich nicht falsch, aber es ist doch voellig unsinnig, Riesling mit deutlich schmeckbarem RZ auf Flasche zu bringen, um dann zwei Jahrzehnte zu warten, bis er so trocken schmeckt, dass er zum Essen passt. Erstens nimmt man dann einen "echttrockenen" Wein, der genau dasselbe Ergebnis produziert, und zweitens ist diese Argumentation ein bisschen suizidal veranlagt, denn es soll ja gezeigt werden, dass restsuess schmeckende Weine zum Essen passen. Oder kaufen und trinken Konsumenten jetzt doch Analysewerte?

Cheers,
Ollie


*Gleiches gilt uebrigens fuer das hochtechnische Pilsbier, das erstens nur durch neue Technologien moeglich wurde und das kulturell bedingt als hoeherwertiges Bier angesehen wird. Jeder, der mit proper ale sozialisiert wurde, kuckt da nur sehr komisch. (Uebrigens kleine Randnotiz: Es ist kein Zufall, dass das leichte pale ale eine Spezialitaet aus dem stahlkochenden Sheffield ist und ausserhalb dieser Stadt einen eher "Arbeiterklasse-Ruf" hat - man vergleiche das mit dem "Export" der Malocher im Pott, woll. Reine Kultur.)
Parfois, quand c'est trop minéral, on s'emmerde.
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Bernd Schulz

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Re: Pigott und Theise zu trockenem Riesling

BeitragMi 25. Sep 2013, 14:29

Das ist natuerlich nicht falsch, aber es ist doch voellig unsinnig, Riesling mit deutlich schmeckbarem RZ auf Flasche zu bringen, um dann zwei Jahrzehnte zu warten, bis er so trocken schmeckt, dass er zum Essen passt. Erstens nimmt man dann einen "echttrockenen" Wein, der genau dasselbe Ergebnis produziert


Der "echttrockene" Wein produziert aber mitnichten genau dasselbe Ergebnis. Ein trockener Wein, der 2 Jahre alt ist, zeigt - abgesehen vom deutlich höheren Alkoholgehalt, den ich als nachteilig empfinde - ein völlig anderes Geschmacksbild als eine 20jährige, ehemals moderat restsüße Spätlese.

Und wenn wir von 40 Jahren Lagerung reden, dürften die wenigsten "echttrockenen" Weißweine diese Frist überleben. 71er Spät- und Auslesen aus dem Rheingau dagegen sind vielfach heute noch mit Vergnügen zu trinken. Und sie passen nicht nur für meinen Geschmack ausgezeichnet zu einer deftigen Wurst, zur Käseplatte, kurz, zu vielen Dingen, die der Deutsche gerne zur Vesper verspeist. Wer das noch nicht ausprobiert hat und nicht glaubt, sollte dringend mal einen eigenen Versuch machen!

Viele Grüße

Bernd
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octopussy

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Re: Pigott und Theise zu trockenem Riesling

BeitragMi 25. Sep 2013, 14:38

Ollie hat geschrieben:
octopussy hat geschrieben:Insofern ist die Tradition der nicht ganz trockenen Rieslinge in Deutschland jedenfalls nicht allein eine kulturelle Tradition, sondern jedenfalls auch eine Tradition, die mit lokalen klimatischen Gegebenheiten und der säurestarken Rieslingtraube zu tun hat.


Nein, es ist vor allem eine "technologische Tradition", die daher noch sehr jung ist (im Vergleich zum vorherrschenden, durchgegorenen Stil der letzten 5000 Jahre Menschheitsgeschichte). Die Deutschen machen's, weil sie's koennen, aber nicht, weil deutscher Riesling ursaechlich Restzucker braeuchte - die grossen trockenen Weine (gerade 2012) zeigen das doch ganz eindruecklich, und zwar relativ losgeloest von kalten Analysewerten. Genauswenig wie Chenin Blanc von der Loire das braeuchte (nicht von Ungefaehr ein ganz anderer Weinstil als 7.5%, 60 g/l Moselkabinett, gell).

Hallo Ollie,

ich meinte eine Nachkriegstradition. Waren aber nicht auch schon vor dem Krieg einige Rieslinge insofern etwas süßer als trocken (i.S.v. heute gesetzlich trocken), weil den Weinen Süßreserve beigefügt wurde (bis zu 25% waren m.W. auch schon vor dem Krieg erlaubt)?

Ich wollte übrigens auch nicht sagen, dass Riesling oder Chenin Blanc Restsüße braucht. Das steht so auch nicht in meinem teilweise von dir zitierten Posting. Aber wie du schon sagst vertragen diese Rebsorten, in bestimmten Gebieten angebaut, Restsüße, ohne pappig zu schmecken. Und gerade deshalb gibt es eben hier und an der Loire eine (wenn auch junge) Tradition restsüßer Weißweine. Ein bisschen was wird es aber auch mit deutschen Geschmacksvorlieben zu tun haben. Ich möchte mal behaupten, dass der Exportanteil restsüßer badischer Ruländer, fränkischer Silvaner und Rheingauer Spätburgunder in den 70er Jahren eher gering war. Gleichwohl dürfte es einfacher sein, eine restsüße Spätburgunder Auslese (rot oder Weißherbst) aus den 70ern vom Assmannshäuser Höllenberg zu finden als einen entsprechenden trockenen Wein. Im Burgund hingegen gab es restsüße Pinot Noirs nach meiner Kenntnis - wenn überhaupt - nur in mikroskopischen Mengen und als Experiment.
Beste Grüße, Stephan
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Bernd Schulz

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Re: Pigott und Theise zu trockenem Riesling

BeitragMi 25. Sep 2013, 14:39

Restsüßer Wein hat eher das Problem, dass er teurer ist als Sprite und daher weniger zum Essen getrunken wird.


...zumal gerade letztere sehr nah an der Limonade sind, mit denen die Kids grossgeworden sind (verringerte Hemmschwelle).


Sacht mal, wo kauft ihr denn eure restsüßen Rieslinge? Geht doch mal zu Grünhaus oder KaJo Christoffel statt zum Mönchhof! :mrgreen:

Beste Grüße

Bernd
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octopussy

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Re: Pigott und Theise zu trockenem Riesling

BeitragMi 25. Sep 2013, 14:45

Bernd Schulz hat geschrieben:
Restsüßer Wein hat eher das Problem, dass er teurer ist als Sprite und daher weniger zum Essen getrunken wird.


...zumal gerade letztere sehr nah an der Limonade sind, mit denen die Kids grossgeworden sind (verringerte Hemmschwelle).


Sacht mal, wo kauft ihr denn eure restsüßen Rieslinge? Geht doch mal zu Grünhaus oder KaJo Christoffel statt zum Mönchhof! :mrgreen:

Traurig, aber wahr. Meine bessere Hälfte sagt sogar zu Willi Schaefer oder Lieser Kabinetten: "schmeckt wie Limo".
Beste Grüße, Stephan
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Bernd Schulz

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Re: Pigott und Theise zu trockenem Riesling

BeitragMi 25. Sep 2013, 14:53

Ein ernsthafter Scheidungsgrund, Stephan! :twisted:

Herzliche Grüße

Bernd
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UlliB

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Re: Pigott und Theise zu trockenem Riesling

BeitragMi 25. Sep 2013, 15:32

octopussy hat geschrieben:Waren aber nicht auch schon vor dem Krieg einige Rieslinge insofern etwas süßer als trocken (i.S.v. heute gesetzlich trocken), weil den Weinen Süßreserve beigefügt wurde (bis zu 25% waren m.W. auch schon vor dem Krieg erlaubt)?


Die Schlüsseltechnologie zur Herstellung (niedrigalkoholischer) Süßweine ist die Entkeimungsfiltration, gelegentlich auch als Sterilfiltration bezeichnet. Das Verfahren wurde bereits vor dem Ersten (!) Weltkrieg durch die Kreuznacher Firma Seitz entwickelt und 1913 patentiert, dürfte aber aus Kostengründen in den ersten Jahrzehnten nach der Erfindung bei der Weinherstellung wohl nur selten zum Einsatz gekommen sein. Eine wirklich breite Anwendung dieser Technik hat nach meinen Informationen erst in den späten 50ern / frühen 60ern eingesetzt.

Was Süßreserve betrifft, muss die auch entkeimt werden. Anders als beim bereits gärenden Most kann das zwar prinzipiell auch durch scharfe Mostklärung und anschließendes Pasteurisieren bzw. "Totschwefeln" erfolgen, aber ob dabei etwas Brauchbares herauskommt, erscheint mir fraglich. Soweit ich weiß, wurde auch die Süßreserve erst durch die Entkeimungsfiltration breit handhabbar.

Ich vermute dennoch, dass es beim Riesling schon immer einen gewissen (allerdings kleinen) Anteil restsüßer Weine gegeben hat, und zwar durch natürlichen Gärungsstopp. Das passiert auch heute bei Ausgangsmaterial mit hohem Mostgewicht und hohen Säurewerten immer wieder; Riesling gilt als nicht sonderlich gärwillig. Ich hatte das Glück, vor vielen Jahren einige Mittelmosel-Auslesen aus dem Jahrgang 1921 probieren zu können, und die waren alle restsüß. Und ich würde wetten, dass die damals weder mit Sterilfiltration noch mit Süßreserve hergestellt wurden, sondern in dem als hochwertig geltenden Jahrgang einfach "steckengeblieben" waren - auch wenn ich dafür keine Beweise habe; es lebten keine Zeitzeugen mehr, die zur Vinifikation der 21er eine qualifizierte Auskunft geben konnten. Aus der Diskussion mit älteren Winzern scheint mir aber, dass es auch in der "Vor-Technologie-Zeit" in guten Jahren immer wieder restsüße Weine gegeben hat, und man mit der neuen Technologie genau diese Weine kopieren wollte (was dann mit wechselndem Erfolg geschah).

Gruß
Ulli
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BuschWein

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Re: Pigott und Theise zu trockenem Riesling

BeitragMi 25. Sep 2013, 15:40

Traurig, aber wahr. Meine bessere Hälfte sagt sogar zu Willi Schaefer oder Lieser Kabinetten: "schmeckt wie Limo".


Ich kenne auch einige Winzer und nicht die schlechtesten, die explizit auf die Ähnlichkeit von restsüßem Moselriesling und Limo aka Cola hinweisen. So falsch ist das ja auch nicht, man schaue sich mal die jeweiligen Analysewerte an, dass ein Riesling noch einiges mehr an Aromen zu bieten hat als eine "einfache" Limo ist schon auch klar, aber das Geschmacksbild ist halt ähnlich.

@Ollie
Ich bin da nicht ganz so sicher, dass es wirklich nur "acquiered taste" ist, dass viele Menschen trockene Weine zum Essen bevorzugen, wobei natürlich die Kombi Port und kräftige Braten durchaus eine gewisse Tradition hatte. Da war es dann eher der hohe Alkoholgehalt, der heute die Kombination nicht mehr ganz passend erscheinen lässt. Wobei es sich auch da eher um lange gereifte Vintage Ports gehandelt hatte, da wären wir dann wieder beim Thema gereifter restsüßer Riesling schmeckt gar nicht mehr so oder überhaupt süß.

Zurück zum Thema, woran liegt es dann aber, wenn es erlernter Geschmack ist, dass es in Deutschland einen dermaßen radikalen Bruch gab, von den restsüßen zu den trockenen Weinen. Wer waren die Trocken-Ideologen, die das durchgesetzt haben?

Meine Erfahrung ist halt, dass immer dann, wenn das Thema Essen und Wein wichtiger wird, dass dann doch der Trend zum trockenen Wein geht.
Armin
www.gutsweine.com

Dumme Menschen machen immer den gleichen Fehler, intelligente immer Neue ;)
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UlliB

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Re: Pigott und Theise zu trockenem Riesling

BeitragMi 25. Sep 2013, 16:14

BuschWein hat geschrieben:Zurück zum Thema, woran liegt es dann aber, wenn es erlernter Geschmack ist, dass es in Deutschland einen dermaßen radikalen Bruch gab, von den restsüßen zu den trockenen Weinen. Wer waren die Trocken-Ideologen, die das durchgesetzt haben?


Armin,

der Bruch erfolgte gegen Ende der 70er im Rahmen der zweiten oder auch "Edel"-Fresswelle, d.h. der Hinwendung zunächst zur französischen Hochküche (sieht man von Spaghetti&Co. ab, kamm die Italien-Welle tatsächlich erst nach der Frankreich-Welle). Damals gab es zwei extrem wortmächtige und einflussreiche Leute, die sowohl die französische Hochküche als auch die "nur-trocken-ist-zum-Essen-ok"-Meinung forciert haben: Wolfram Siebeck und Franz Keller, damals zusammen mit Gert v. Paczensky die in der deutschen Gastro-Szene bei weitem einflussreichsten Persönlichkeiten.

Der Standard zum hochklassigen (französischen) Essen wurden hochklassige französische Weine - und die waren nun mal so gut wie durchgängig völlig trocken. Und da mussten die deutschen Winzer dann halt hinterher.

Gruß
Ulli
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