Aktuelle Zeit: Do 25. Apr 2024, 21:27


Parkerisierung vs. ein Segen für die Qualität

Die schönsten Bilder, die meisten Punkte, die tollsten Tipps
  • Autor
  • Nachricht
Offline

MichaelWagner

  • Beiträge: 801
  • Registriert: Mi 8. Aug 2012, 14:29
  • Bewertungssystem: Auf Benutzername klicken

Re: Parkerisierung vs. ein Segen für die Qualität

BeitragDo 8. Aug 2013, 19:58

Hallo Armin,

das Preisargument würde ich völlig aussen vor lassen wenns um Stil oder "welcher Stil als Qualität empfunden wird" geht.

Wenn ein Weingut es schafft aus welchem Grund auch immer höhere Preise durchzusetzen kann man doch nur gratulieren. Aber das muss ja auch nicht immer zwangsläufig von der Qualität her rühren.

Mich wundert nur dass "früher" auch in Bordeaux andere Stilistiken eher an der Tagesordnung waren. da waren es auch eher Weine zwischen 11,5 und 12,5 was den Alkohol angeht, da die Weine auf "normalem Wege" zustande kamen. Was dann mit Parker kam, kann man durchaus schon als Weine bezeichnen die unter Mithilfe sämtlicher kellertechnischer Tricks zustande kamen (Umkehrosmose, Mikrooxidation, Megapurple...etcpp)

Was Italien angeht bin ich nicht sehr firm, aber es könnte schon sein, dass auch dort die Stilistik auch dem Trend aus Frankreich angepasst wurde. Da weisst Du dann sicher mehr.

Ist ein bisserl Huhn oder Ei. Wer war zuerst da? Der Konsument, der diese Weine wollte oder Parker der mittels Medien geschafft hat, dass dieser Stil als "Qualität" galt und alles andere nicht.

Ich vermute eben eher die 2te Variante.

ist ja auch komisch, dass der Trend in den letzten Jahren sich plötzlich genau in die andere Richtung dreht?!?
wenns läuft, dann läufts. Aber bis es läuft, dauerts...
Offline
Benutzeravatar

UlliB

  • Beiträge: 4538
  • Registriert: Mo 6. Dez 2010, 19:27

Re: Parkerisierung vs. ein Segen für die Qualität

BeitragDo 8. Aug 2013, 20:54

MichaelWagner hat geschrieben: Megapurple...


Ist in Frankreich bei der Herstellung von AOC-Weinen definitiv verboten.

Was natürlich nicht zwangsläufig heißt, dass es niemals und nirgendwo verwendet worden wäre. Von großflächigen Rechtsverstößen gehe ich aber nicht aus. Die Massenanwendung scheint eher auf die USA beschränkt zu sein, und hier vor allem auf Weine aus dem unteren und mittleren Preissegment.

Mit den anderen Techniken, vor allem mit der Umkehrosmose (und ähnlichen Konzentrationstechniken) hast Du aber Recht. Aber die sind in Jahren wie 2009 und 2010 wohl kaum zum Einsatz gekommen.

Der Kern liegt vermutlich an anderer Stelle - nämlich in der vollständigen Ausrichtung des Weinbaus darauf, möglichst jedes Jahr absolut vollreife Trauben haarscharf an der Grenze zur Überreife zu ernten. Das umfasst rigorose Maßnahmen zur Mengenreduktion, veränderte Laubarbeit, bei vielen Erzeugern sicherlich auch den systematischen und engmaschigen Einsatz von Fungiziden(Geld spiel bei den Preisen, die die Spitzenerzeuger erzielen, keine Rolle), und schließlich, wenn dann doch einige Trauben in Fäulnis übergehen, mehrfaches Sortieren, heute unter anderem unter Einsatz von sauteuren Hightech-Maschinen. Und nur, wenn das alles nicht reicht, kommen als "second line" die Konzentratoren zum Einsatz.

Im Ergebnis werden damit Jahrgänge, die früher ein Totalausfall gewesen wären, "gerettet". Im Gegenzug laufen in guten Jahren, wo viele Maßnahmen insbesondere zur Mengenreduktion gar nicht nötig wären, die Mostgewichte zur Lese gnadenlos davon. Und genau dieses Phänomen kannst Du mittlerweile auch anderswo beobachten.

Ist ein bisserl Huhn oder Ei. Wer war zuerst da? Der Konsument, der diese Weine wollte oder Parker der mittels Medien geschafft hat, dass dieser Stil als "Qualität" galt und alles andere nicht.


Wir werden diese Frage nicht abschließend beantworten können. Was Bordeaux betrifft, steht für mich fest: Parker hat diesen Stil jedenfalls nicht geschaffen, den haben dort andere erfunden (einen Namen, E. Peynaud, hatte ich weiter oben schon genannt). Parker hat ihn aber möglicherweise mit seiner Tätigkeit sehr stark gefördert. Es bleibt dann aber immer noch das Phänomen, dass fast die ganze Welt dieses Rollenmodell sehr zügig übernommen hat - auch dort, wo Parker niemals Einfluss hatte.

Gruß
Ulli
Offline

MichaelWagner

  • Beiträge: 801
  • Registriert: Mi 8. Aug 2012, 14:29
  • Bewertungssystem: Auf Benutzername klicken

Re: Parkerisierung vs. ein Segen für die Qualität

BeitragDo 8. Aug 2013, 23:34

Hallo Ulli,

Megapurple: Ist in Frankreich bei der Herstellung von AOC-Weinen definitiv verboten.
Was natürlich nicht zwangsläufig heißt, dass es niemals und nirgendwo verwendet worden wäre. Von großflächigen Rechtsverstößen gehe ich aber nicht aus. Die Massenanwendung scheint eher auf die USA beschränkt zu sein, und hier vor allem auf Weine aus dem unteren und mittleren Preissegment.


naja...ist sehr schwer nachzuweisen wenns drin ist...und: wo kein Kläger, da kein Beklagter...ansonsten gibts ja noch Farbfixation mittels Tanninpulver, was im Bordelais ja leider schon fast zum Guten Ton gehört. Und: wenn die Weine wirklich so toll wären und bspw. die Farbe echt, wie kommt es dann dass sich Ihre Lagerfähigkeit verkürzt??? Ganz einfach, weil die Zusätze oder Konzentrationsüberreste nicht zur Lagerfähigkeit beitragen wie bspw. auf natürlichem Wege zustande gekommene Antioxidantien.

Der Kern liegt vermutlich an anderer Stelle - nämlich in der vollständigen Ausrichtung des Weinbaus darauf, möglichst jedes Jahr absolut vollreife Trauben haarscharf an der Grenze zur Überreife zu ernten. Das umfasst rigorose Maßnahmen zur Mengenreduktion, veränderte Laubarbeit, bei vielen Erzeugern sicherlich auch den systematischen und engmaschigen Einsatz von Fungiziden(Geld spiel bei den Preisen, die die Spitzenerzeuger erzielen, keine Rolle), und schließlich, wenn dann doch einige Trauben in Fäulnis übergehen, mehrfaches Sortieren, heute unter anderem unter Einsatz von sauteuren Hightech-Maschinen. Und nur, wenn das alles nicht reicht, kommen als "second line" die Konzentratoren zum Einsatz.


naja...da kannst Du die Menge soweit reduzieren wie Du willst. Wenns Wetter nicht mitspielt, werden auch die wenigen Trauben nicht vollreif und damit auch nicht jeder Jahrgang gleich. Ergo muss - wenn jeder jahrgang "Spitze" sein muss - konzentriert werden auf die ein oder andere Weise. Das mit den Fungiziden hatten wir ja schon an anderer Stelle hier.

Traubensortierung geht auch ziemlich kostengünstig per Handlese mit mehreren Lesegängen und die vollautomatische optische Sortierung mittels Maschine funktioniert nach wie vor noch nicht richtig. Sie ist natürlich zwingend notwendig wenn man vorher mit dem Vollernter erntet, weil der alles mitnimmt ohne Vorsortierung. Das Kostenargument zieht da nicht.

Der Kern liegt meiner Meinung eher darin, dass der Wein jedes Jahr am Limit von dem liegen muss was als Qualität gilt - sprich konzentriert und überreif. Weil sonst ists Essig mit dem Verkauf. Und da scheint es mir, als sei mittlerweile jedes Mittel recht. Die Sprirale in die man sich da quasi selbst reingedreht hat gleicht eher einem Tuning-Wettbewerb. Und da sind Parker/Rolland nun wirklich nicht ganz unbeteiligt. Und ja, auch die Weingüter die das Spiel mitspielen (müssen).

Vielleicht bin ich in meinen relativ jungen Jahren ja doch schon etwas konservativ geworden (....oh Gott ;) Aber mir gefällt es irgendwie besser wenn ein wenig Abwechslung im Spiel bleibt, der eine Jahrgang nicht so wird wie der andere.

Parker hat ihn aber möglicherweise mit seiner Tätigkeit sehr stark gefördert. Es bleibt dann aber immer noch das Phänomen, dass fast die ganze Welt dieses Rollenmodell sehr zügig übernommen hat - auch dort, wo Parker niemals Einfluss hatte.


!das ist mindestens wahr!

Peynaud war übrigens Rollands Lehrmeister. Wenn man ihn dann einfach vor die genannte logische Kette hängt, wird da ein ziemlicher Schuh draus.
wenns läuft, dann läufts. Aber bis es läuft, dauerts...
Offline
Benutzeravatar

octopussy

  • Beiträge: 4405
  • Bilder: 135
  • Registriert: Do 23. Dez 2010, 11:23
  • Wohnort: Hamburg
  • Bewertungssystem: Auf Benutzername klicken

Re: Parkerisierung vs. ein Segen für die Qualität

BeitragDi 7. Jan 2014, 20:50

Parker geht auf Tour: http://www.grandworldtour.com

Interessant finde ich, wie diese "Grand World Tour" beworben wird, nämlich mit

"Hedonistic"

DELIVERING MAXIMUM DRINKING PLEASURE WITH A RICH, FULL BODY AND LOADS OF RIPE FRUIT FLAVORS. NEITHER INTROSPECTIVE NOR INTELLECTUAL, BUT RATHER PROVIDING SHEER DELIGHT, JOY AND EUPHORIA. HEDONISTIC WINES CAN BE CRITICIZED BECAUSE IN ONE SENSE THEY PROVIDE SO MUCH ECSTASY THAT THEY CAN BE LABELLED "OBVIOUS", BUT THEY ARE TOTALLY GRATIFYING WINES THAT FASCINATE AND ENTHRALL. PLEASURE AT ITS BEST.


Die Weine, die es auf der "Grand World Tour" jedenfalls in Asien gibt, fallen evtl. auch unter die "Hedonistic" Definition, dürften aber auch Freunde von "introspective" oder "intellectual" Weinen glücklich machen: Ausone, Cheval Blanc, Lafleur, Lafleur-Petrus, Eglise-Clinet, Trotanoy, Hosanna, d'Yquem, Dom Perignon.

Irgendwie muss ich mich bei Parker bzw. seinem (ehemaligen) Unternehmen schon manchmal am Kopf kratzen. Zum einen scheint er (bzw. das Unternehmen) gerade darauf aus zu sein, sich als Gegenstück zu den ganzen "intellektuellen" Weintrinkern (Stichtwort: AFWE - Anti Flavor Wine Elite - ein Begriff, den Parker mal benutzt hat) darzustellen. Es wird ja eine Blaupause für die Weine gegeben, die für Parkers überwiegenden Geschmack stehen sollen: "Rich, full body and loads of ripe fruit flavours"). Es wirkt fast so, als wollte der Wine Advocate jedenfalls für Robert Parker einen USP dadurch aufstellten, dass der Großmeister aus Baltimore sich nicht der allgemein grassierenden Vorliebe für leichtere, herkunftsbezogenere Weine beugen will, sondern die "Hedonistenweine" verteidigt.

Auf der anderen Seite gibt es bei dem Dinner gerade nicht australische 17,5% Alkohol Shiraz, 2007er Châteauneuf du Pape Spezialcuvées, teure Toros und Jonathan Maltus Bordeaux, sondern Klassiker vom rechten Ufer und mit d'Yquem und Dom Perignon dazu noch zwei bekannte weiße Klassiker. Da soll mal einer schlau draus werden :roll:.
Beste Grüße, Stephan
Offline
Benutzeravatar

Markus Vahlefeld

Administrator

  • Beiträge: 1689
  • Bilder: 2
  • Registriert: Do 4. Nov 2010, 11:43

Re: Parkerisierung vs. ein Segen für die Qualität

BeitragDi 7. Jan 2014, 21:25

Naja, vielleicht ist Deiner Ãœbersetzung von "Rich, full body and loads of ripe fruit flavours" als "australische Shiraz mit 17,5% Alkohol" noch etwas verbesserbar :lol:

Parker hat nun mal seine weltweit bekannte Expertise über Bordeaux aufgebaut. Um in Asien auch medial Aufmerksamkeit zu bekommen, hielte ich es für töricht, nicht mit eben dieser Expertise zu punkten.
Offline
Benutzeravatar

octopussy

  • Beiträge: 4405
  • Bilder: 135
  • Registriert: Do 23. Dez 2010, 11:23
  • Wohnort: Hamburg
  • Bewertungssystem: Auf Benutzername klicken

Re: Parkerisierung vs. ein Segen für die Qualität

BeitragMi 8. Jan 2014, 10:19

Markus Vahlefeld hat geschrieben:Naja, vielleicht ist Deiner Ãœbersetzung von "Rich, full body and loads of ripe fruit flavours" als "australische Shiraz mit 17,5% Alkohol" noch etwas verbesserbar :lol:

Hey, ohne Übertreibung wäre doch der Post langweilig gewesen ;).

Markus Vahlefeld hat geschrieben:Parker hat nun mal seine weltweit bekannte Expertise über Bordeaux aufgebaut. Um in Asien auch medial Aufmerksamkeit zu bekommen, hielte ich es für töricht, nicht mit eben dieser Expertise zu punkten.

Was auf jeden Fall richtig ist. Das Weinangebot wird im Zweifel schon an die jeweils regionalen "Bedürfnisse" angepasst werden. Mal schauen, was in den USA und in Europa auf dem Programm stehen wird. Unter Umständen hat auch LVMH, die zwar nicht als offizieller Partner gelistet sind, gleichwohl drei Weine im Programm haben (d'Yquem, Cheval Blanc, Dom Perignon) einen Deal für die Grand World Tour mit dem Wine Advocate abgeschlossen.
Beste Grüße, Stephan
Offline
Benutzeravatar

innauen

  • Beiträge: 3504
  • Bilder: 8
  • Registriert: Mi 3. Nov 2010, 12:33
  • Wohnort: Berlin

Re: Parkerisierung vs. ein Segen für die Qualität

BeitragMi 8. Jan 2014, 11:16

Markus Vahlefeld hat geschrieben: töricht


Ein wunderbares leider aus der Mode gekommenes Wort. Lange nicht mehr gelesen :)
„Es war viel mehr.“

Johnny Depp dementiert, 30.000 Dollar im Monat für Alkohol ausgegeben zu haben. (Quelle: „B.Z.“)
Vorherige

Zurück zu Wein in Printmedien, Online und im TV

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 22 Gäste

Impressum - Nutzungsbedingungen - Datenschutzrichtlinie - Das Team - Alle Cookies des Boards löschen