Mo 9. Jan 2012, 16:10
Für alle, die es gerne genauer wissen wollen, ist das Buch
Authentic Wine - Toward Natural and Sustainable Winemaking von
Jamie Goode und
Sam Harrop MW (259 Seiten,
University Press Group, 24,99 Euro) eine empfehlenswerte Lektüre.
Jamie Goode ist eigentlich Biologe und jetzt Weinjournalist, der u.a. für den Sunday Express eine Kolumne schreibt. Recht bekannt ist sein Weinblog
Wine Anorak.
Sam Harrop MW stammt aus Neuseeland und ist derzeit sowohl selbst Winzer (Domaine Matassa, Roussillon, zusammen mit dem Südafrikaner Tom Lubbe) als auch Weinberater.
Trotz des schon eine Meinung transportierenden Buchtitels sind die beiden Autoren in ihrem Buch eher vorsichtig, wenn es um die eigene Positionierung geht. In einer Einführung vermitteln sie vorsichtig, worauf es ihnen bei Weinen ankommt: Authentizität, Typizität, der Ausdruck von Herkunft und Nachhaltigkeit. In mehreren Kapiteln schneiden sie anschließend verschiedene Themen der Weinbereitung an, die aktuell diskutiert werden: Biodynamie und "biologische" Weinbergsarbeit, gepropfte/wurzelechte Reben und die Verwendung von Klonen, Spontanvergärung vs. Reinzuchthefen, verschiedene Hilfsmittel in der Kellertechnik von Enzymen über Weichmacher bis zu Umkehrosmose und Spinning Cone Column Geräten, die Naturweinszene und ihr Umgang mit bzw. ihr Verzicht auf SO2-Beigabe, Weinfehler und schließlich der "Carbon Footprint" von Wein.
Goode und Harrop wägen dabei stets stark ab, stellen die Fakten dar, stellen viele Fragen und nehmen am Ende zumeist eine vermittelnde und moderate Position ein. Dogmatische Positionen, wie sie z.B. von einigen Pionieren der Naturweinszene vertreten werden, lehnen sie ab. Auch wenn mir dieser vermittelnde und sehr unpopulistische Ansatz sympathisch ist, fehlt es mir in dem Buch - gerade angesichts der kontroversen Themen - hier und da etwas an Verve und eigener Überzeugung. Denn schließlich suggeriert der Titel, dass die Autoren eine klare Vorstellung davon haben, welchen Idealen der Premium- und Mittelklasse-Weinbau folgen sollte. Man bekommt auch den Eindruck, als hätten sie diese klare Vorstellung, wollten aber die Einnahme absoluter Positionen vermeiden, um sich nicht angreifbar zu machen. Das Buch wirkt so sehr vorsichtig.
Gleichwohl kann man sehr viel lernen (die Richtigkeit überprüfen kann ich mangels chemischer Kenntnisse nicht). Da Goode und Harrop auch viele Stimmen aus der "Neuen Welt" zu Wort kommen lassen und selbst vielfach aus Europa herausblicken, erhält man zudem schöne Einblicke in die Weinszene in den USA, in Australien, Neuseeland, Südafrika und Südamerika. Alles in allem ist das Buch nicht ganz einfach zu lesen, aber ein hervorragendes Nachschlagewerk, um in den ideologischen Grabenkämpfen bei der Weinbereitung nicht die Orientierung zu verlieren.