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Der neue Parker?

Die schönsten Bilder, die meisten Punkte, die tollsten Tipps
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octopussy

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Re: Der neue Parker?

BeitragDi 9. Aug 2011, 19:13

innauen hat geschrieben:Aber wie in der Landwirtschaft (wo die neuen Weizensorten immer mehr Körner aber immer kürzere Halme haben) gibt es gar nicht mehr den Bedarf nach einem one and only Superkritiker, weil man bei jedem Wein genug Qualität ins Glas bekommt.

Hmm, da bin ich nicht sicher. Als durchschnittlicher Weintrinker ist man doch erschlagen von so vielen Qualitätsweinen, und das auch noch im Preisbereich bis 10 Euro. Auch in Bezug auf Bordeaux ist man m.E. als Nicht-Spezialist von der Vielzahl der Weine erschlagen. Probieren tut kaum jemand. Da braucht es dann eine Orientierung. Ich glaube, Medaillen und 1. Plätze in Berliner Wein-Trophies sind da ein Verkaufsargument, aber ein sehr schwaches. Die Strahlkraft einer Appelation ist ein Verkaufsargument für wirklich etablierte Appelationen. So war ich am letzten Wochenende im Aldi, und was werden dort im höheren Segment für Weine verkauft? Sancerre, Pouilly-Fumé, Brunello di Montalcino, Barolo, Chablis. Das kennen die Leute und kaufen den Wein vielleicht auch ohne Punkte. Bei Pic St. Loup, Collio, Bourgeuil und nicht zuletzt bei den von den Appelationen völlig losgelösten Weinen wie z.B. vielen Spaniern, Überseeweinen, süditalienischen Weinen, usw. sieht das schon ganz anders aus. Und ich glaube, dort werden Parker-Punkte unabhängig von der Person Parker weiterhin der Maßstab sein. Bei WW oder WS Punkten werden die Leute vielleicht misstrauisch. Parker kennt man, auf Parker verlässt man sich.

Bei Bordeaux ist die Sache diffiziler. Ob es da einen Parker-Nachfolger aus dem Parker-Netzwerk geben wird, bin ich skeptisch. Aber ich glaube schon, dass die Châteaux und der Handel versuchen werden, sich einen neuen one-and-only Superverkoster aufzubauen. Man macht sich so zwar eher von einer Person abhängig, aber leichter und billiger als durch einen Parker kann man doch Marketing kaum betreiben (zugespitzt gesagt).
Beste Grüße, Stephan
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innauen

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Re: Der neue Parker?

BeitragDi 9. Aug 2011, 19:31

Hallo,

klar, die Punkte werden nicht überflüssig. Aber einen Supermodellweinpapst kann man nicht kreieren. Für eine so herausragende Stellung braucht es zwei Aspekte: Einen herausragenden Verkoster und die Notwendigkeit ihn als leuchtturmartige Gestalt zwischen all den anderen ebenfalls etablierten Kritikern anzunehmen. Lokal könnte ich mir zB vorstellen, dass in einem werdenden Weingebiet wie China Bedarf für eine übergeordnete Orientierung herrscht. Ansonsten sehe ich eher eine Demokratisierung des Weingeschmacks und der Kritikerlandschaft.

Beleuchten wir noch einen anderen Aspekt, um zu erklären, warum es aus meiner Sicht vorerst keinen herausragenden Kritiker mehr geben wird. Parker gab 2010 dem schlechtesten Wein in der Übersicht von http://www.bordoverview.com/?q=Robert-Parker 84 Punkte, dem besten 100. Er verfügt noch über ein Fenster von 16 Punkten, um Weine überhaupt noch in eine Rankingliste einzuordnen. Bei Gabriel sind es die Punkte zwischen 15 und 20, wobei in dieser Auflistung überhaupt nur noch 5 Weine mit 15 Punkten auftauchen. Faktisch bewertet er also mit einer 4 Punkte Skala :geek: Die relevanten Weine spielen aber alle in einer Liga von 90 Punkten aufwärts. 90 Punkte waren bei Parker früher mal ein verdammt hoher Wert. Den verteilt er heute - muss ihn wegen der Qualität des Jahrgangs verteilen - an das Gros der gesamen Produktion. Die Parkerrevolution frisst ihren Vater. Weil durch Parker eine beispiellose Qualitätsoffensive im Weinbau eingesetzt hat und der Klimawandel hinzukam, braucht man ihn heute nicht mehr. Nun wird es immer noch Käufer geben, die zu einem 96 Punkte Wein greifen, wo ihnen bei einem 93 Punkte Wein die Hand verdorren würde. Aber mit dieser schmalen Schicht an Kardinalskäufern wählt man keinen Papst mehr.

Grüße,

wolf
„Es war viel mehr.“

Johnny Depp dementiert, 30.000 Dollar im Monat für Alkohol ausgegeben zu haben. (Quelle: „B.Z.“)
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octopussy

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Re: Der neue Parker?

BeitragMi 19. Okt 2011, 08:10

Hier ein aus meiner Sicht brilliant und sehr unaufgeregt geschriebener Artikel über den Wechsel von Parker zu Galloni in Kalifornien, geschrieben von Alder Yarrow, der bei Jancis Robinson einmal im Monat über US-amerikanische Weine schreiben wird.

http://www.jancisrobinson.com/articles/a201110125.html
Beste Grüße, Stephan
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Ingo

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Re: Der neue Parker?

BeitragMi 19. Okt 2011, 09:10

Hinsichtlich der Punkevergabe und der Einschätzung der Weine scheint mir Jeff Leve Parker sehr nahe zu sein. Fast jede Notiz Leves, zumindest was die Punkte betrifft, gleicht der Parkers.
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weinfex

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Re: Der neue Parker?

BeitragMi 19. Okt 2011, 09:35

Hallo Ingo,

für mich liegt Jeff Leve inzwischen sogar deutlich mehr
"an der Realität", insbesondere was die Jahrgänge 2009 und 2010 angeht,
wie Parker. Was die "Punktedeckung" der beiden angeht, geht es in diesen beiden
letzten Jahrgängen eher auseinander, wenn man es mit den Jahren davor
vergleicht...
Grüsse weinfex
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Ingo

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Re: Der neue Parker?

BeitragMi 19. Okt 2011, 13:10

Hallo Andreas,

auch wenn die beiden letzten Jahre etwas auseinander gehen, ist die Korrelation doch sehr hoch. Sollte Parker mal wegfallen, wäre Leve mein Gradmesser.

OT: Ist er Journalist? Gar Privatier?
... und wäre die HP nur nicht so grässlich langsam ...
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weinfex

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Re: Der neue Parker?

BeitragMi 19. Okt 2011, 14:59

Jeff Leve ist Privatier, kein Journalist...

Ich glaube auch nicht, dass die Verkostungskompetenz bei
Parker nachgelassen hat, sondern dass er einfach mit seinen
Möglichkeiten versucht, den Bordeauxmarkt zu beeinflussen.
Das das Preisgefüge in den beiden Jahren komplett "gaga" ist,
muss man wohl nicht extra erwähnen, allerdings ist es zumindest
in meinen Augen nicht Parkers "Aufgabe" dies in seine Noten
miteinfliessen zu lassen...
Der Markt wird dies selbst regulieren...
Grüsse weinfex
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Ingo

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Re: Der neue Parker?

BeitragMi 19. Okt 2011, 15:13

Lässt Parker denn die Preise in seine Bewertungen einfließen? Kannst Du ein Beispiel nennen?
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weinfex

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Re: Der neue Parker?

BeitragMi 19. Okt 2011, 18:39

Es ist weniger eine Frage von einzelnen Weinen/Weingüter, sondern eher
des Ganzen. Bereits beim Jahrgang 2005 nahm er mit seiner "Flaschenbewertung"
die komplette Luft aus dem Markt, indem er die Weine deutlich niedriger
bewertete, wie man das erwarten konnte/durfte, trotz das sie sich deutlich
zugänglicher zu diesem Zeitpunkt präsentierten, entgegen seiner Vorhersage en Primeur,
was nicht wirklich rational erklärbar ist.
Ohne seine 2008 Bewertungen hätte niemand subskripiert, was er dann an der
Arrivage auf ein realistisches Mass "zurechtstutzte.
Der Jahrgang 2010 hat bis jetzt keine Jahrgangsbewertung auf seiner Homepage, ganz im
Gegensatz z.B. zu 2008 welche früh in der damaligen Kampagne verfügbar war. Logischer
Grund kann eigentlich nur sein, dass er die Kampagne in keinster Weise unterstützen wollte,
denn auf der linken Seite gibt es zwar einen eklatanten stilistischen Unterschied zu 2009,
aber keinen Qualitativen (und die Gefahr das es preislich so enden könnnte wie eben dieses
Jahr sah er anscheinend gegeben, dass seine Bewertungen nicht mehr ausschliesslich den Markt bewegen,
kam allerdings bei seinen Ãœberlegungen nicht wirklich vor :)).
Das wurde zwar von 90% der en Primeurverkoster nicht erkannt,
aber ihm wird das mit Sicherheit nicht entgangen sein... ;)
Grüsse weinfex
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Chris

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Re: Der neue Parker?

BeitragDi 1. Nov 2011, 11:29

Grüße, Chris
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