Parkerisierung vs. ein Segen für die Qualität

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olifant
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Re: Parkerisierung vs. ein Segen für die Qualität

Beitrag von olifant »

Markus Vahlefeld hat geschrieben: Mit seiner Marktmacht für Bordeaux hätte er diesen ganzen Primeur-Quark boykottieren sollen. Da es bei der Sub keinen Vorteil für die Weinkäufer mehr gibt, sollte man die Sub ignorieren. Vor allem als Weinkritiker. DAMIT hätte er wirklich seinen Einfluss geltend gemacht und u.U. zu einem Umdenken, mindestens aber zu einer Diskussion geführt.


Dass wäre doch mal ein Statement ... da er von 'Verkostungen' lebt, kann er aber nicht fernbleiben :) der Anwalt der Weintrinker, und bleibt somit auch Interessenvertreter der Chateaux und Händler.
Grüsse

Ralf

Die Zukunft war früher auch besser.
Karl Valentin
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Markus Vahlefeld
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Re: Parkerisierung vs. ein Segen für die Qualität

Beitrag von Markus Vahlefeld »

VillaGemma hat geschrieben:@Markus: Darf ich fragen, warum sich die Subs nicht mehr für den Käufer rentieren?

Meine Aussage ist jetzt eher als Regel zu verstehen und sicher gibt es einige Weine, die nach dem Release im Preis anziehen werden. Aber ob es sich da rechnerisch lohnt, 2 Jahre lang das Geld unverzinst einem Händler anzuvertrauen und nicht wirklich wissen zu können, ob dieser Händler wg. Insolvenz o.ä. in 2 Jahren noch fähig ist, die Weine auch auszuliefern, wage ich zu bezweifeln.

Aber es gibt Rechnungen, nach denen die Weine im preislichen Mittelfeld prozentmäßig die höchste "Rendite" liefern. Nur bei den wirklichen Ikonen und Blue-Chips ist das mit sehr, sehr großer Wahrscheinlichkeit nicht der Fall. Da sind die Preise bereits in der Sub so hoch, dass eine schnelle und relevante Preissteigerung fast ausgeschlossen ist (vor allem auch, weil die Chateaux sich angewöhnt haben, nur noch kleine Mengen in die Subkampagne zu geben - der große Rest bleibt bei ihnen und konterkariert das Gesetz der großen Nachfrage bei kleinem Angebot).

Die Sub macht nur Sinn
- wenn man den jeweiligen Wein WIRKLICH und GANZ SICHER haben will, weil er in der Sub verfügbar ist
- bei Großformaten, da man in der Sub idR jedes Sonderformat bestellen kann
- weil man Spaß am Subsen hat

Zum Spekulieren oder "günstigen Einkauf" hat sich die Sub überholt.
MichaelWagner
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Re: Parkerisierung vs. ein Segen für die Qualität

Beitrag von MichaelWagner »

naja, Parker hat immernoch SEINEN großen Vorteil:

er kann die Weine erst subsen, dann hochschreiben und danach teuer weiterverkaufen;)

Michael
wenns läuft, dann läufts. Aber bis es läuft, dauerts...
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octopussy
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Re: Parkerisierung vs. ein Segen für die Qualität

Beitrag von octopussy »

Markus Vahlefeld hat geschrieben:
Alas hat geschrieben:Wie ist denn der Einfluß auf den amerikanischen Wein?

Außer dass sein Bruder in Oregon Wein anbaut, ist mir nicht weiter bekannt, dass es Parker-Weine in den USA gibt.

Markus, Kalifornien ist sozusagen das Mekka der "Parker-Weine." Ich würde mich aus dem Fenster lehnen und behaupten, dass Parker bezüglich Napa und Sonoma-Weine einen größeren Einfluss auf die Preise hat als das in Bordeaux und an der südlichen Rhône der Fall ist.

Ein Zitat von vielen anlässlich der seinerzeitigen Entscheidung von Bob, Kalifornien Antonio Galloni zu überlassen (die jetzt wieder revidiert wurde):

Luxist, Deidre Woolard hat geschrieben:Parker's influence in wine, and specifically in California wine, is huge. Some say that you can lay the responsibility for the popular big, bold, pricey status Napa Cabs nearly wholly in his lap. But he also raised the profile of Rhone-style California wines and in general has served as a starmaker, helping to increase the critical attention paid to California wines around the world.

(http://www.luxist.com/2011/02/08/wine-c ... -advocate/)

Ich denke, dass Kult-Cabernets wie Schrader, Bryant, Harlan, Screaming Eagle, Sine Qua Non, Scarecrow ohne Parker kaum einen entsprechenden Kult-Status erlangt hätten.

Interessant finde ich folgendes, das m.E. schon indiziert, dass Parker - anders als andere Kritiker - mit seinem *ähem, räusper, drucks, wie drücke ich es höflich aus* Geschmack für opulente Rotweine einen erheblichen Einfluss auf Weinstile in ganzen Regionen nimmt bzw. nehmen kann. Ich gehe hier von den drei Regionen aus, die Parkers Spezialitäten sind.

1. Bordeaux: Wenn es überhaupt so etwas wie eine magische Formel geben sollte, die viele Parker-Punkte bringt, dann ist es im Zweifel die Wahl des Beraters: früher war es Michel Rolland, jetzt ist eigentlich keine klare Aussage möglich. Ich denke, man kann schon sagen, dass Parker eine hohe Traubenreife mag und dass ihn hoher Alkohol oder viel Holz weniger stören als andere Kritiker. Und das kriegte Rolland früher als einziger richtig gut hin, auch in nicht so guten Terroirs (ich bin übrigens großer Fan bestimmter Michel Rolland Weine, einschließlich seiner eigenen).

2. Südliche Rhône: Der Michel Rolland der südlichen Rhône ist Philippe Cambie (eigene Aussage von Robert Parker). Wie auch bei Michel Rolland gibt es natürlich keine Eindeutigkeiten. So berät Cambie zum Beispiel Weingüter, die ihre Weine gar nicht dem Wine Advocate zur Probe geben (z.B. Oratoire St. Martin) oder die für ihren klassischen Stil bekannt sind (z.B. Vieux Donjon). Aber grundsätzlich ist das Prinzip von Cambie dasselbe wie das von Rolland: hohe Traubenreife, nicht mit kleinen Fässern und neuem Holz geizen. Ein bisschen kommt das in diesem Artikel raus: http://www.foodandwine.com/articles/fra ... ctive-wine

3. Napa/Sonoma: Auch hier spielt die Auswahl des Consultant eine ebenso große Rolle, wie der Parker-Score. Und wer hohe Preise erzielen will, braucht hohe Parker-Scores. Und wer hohe Parker-Scores haben will, nimmt einen Consultant, dem schon Weine mit hohen Parker-Scores (am liebsten 100 PP) gelungen sind. Philippe Melka ist ein Name, David Abreu ein anderer.

In allen drei Regionen, auf die Parker spezialisiert ist, spielen Consultants eine erhebliche Rolle. Und wohl in kaum einer anderen Region (höchstens Spanien oder bei den Supertuscans) ist es so einfach möglich, auf dem Reißbrett zu versuchen, sein Weingut erfolgreicher (Parker-Punkte, hohe Preise) zu machen oder ein erfolgreiches Weingut (Parker-Punkte, hohe Preise) zu gründen. "Bad Boy" Jean-Luc Thunevin hat es vorgemacht und ganz viele andere haben es nachgemacht. Es funktioniert nicht immer, aber erstaunlich oft.

Das ist alles etwas überspitzt, aber ein Funken Wahrheit steckt m.E. schon drin.

harti hat geschrieben:Und dass Parker nur zugeholzte und marmeladige Weine hoch schätzt, entspricht nicht den Tatsachen.

Sicher nicht. Auf der anderen Seite ist Parker mittlerweile häufig in der Minderheit, wenn er hohe Punkte für Weine wie z.B. Troplong Mondot, Peby Faugeres oder die Mikro-Über-Drüber Cuvées aus Châteauneuf du Pape gibt. Und eins fällt doch auf: die drei Gebiete, für die Parker bekannt ist, sind alles drei Gebiete, die in den letzten Jahren durch hohe Alkoholwerte aufgefallen sind und die für opulente Rotweine bekannt sind. Parker ist mit ganz wenigen Ausnahmen nun mal auch nicht dafür bekannt, dass er großes Interesse an und Expertise über eher filigrane Rot- und Weißweinen hätte. Sonst wäre er schließlich der Weinpapst für restsüßen Moselriesling, Pinot Noir aus dem Burgund, Cabernet Franc von der Loire und Weißweine aus Nordwest-Spanien geworden (wobei bekannt ist, dass er ganz gerne Albarino trinkt). Und hast du jemals von Parker gelesen, dass ihm ein Wein zu reif, zu hoch im Alkohol oder zu holzig ist?
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octopussy
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Re: Parkerisierung vs. ein Segen für die Qualität

Beitrag von octopussy »

Markus Vahlefeld hat geschrieben:Zu jeder Mainstream-Überzeugung gesellen sich aber dann auch die Gegenbewegungen, bei der die Winzer/Produzenten, allein und ohne auf die Weinkritik zu schielen, entschieden, wie der Wein zu schmecken habe. Nämlich nicht dem Fisch, sondern dem Angler (Winzer). Ein Nicolas Joly, ein Dagueneau sind ohne diese Gegenbewegung nicht zu verstehen. Die Burgunder ebenfalls nicht.

Markus, meinst du damit, dass die Konsumenten als Gegenbewegung zu Parker Weine suchen, die primär dem Angler und sekundär dem Fisch schmecken sollen?

Nicolas Joly und Didier Dagueneau sind als Winzer ja eigentlich keine Gegenbewegung zu Parker-Weinen. Erstens haben beide ihren Weg schon lange verfolgt, Nicolas Joly schon vor Parkers Zeiten. Zweitens haben sich beide im Zweifel nicht großartig darum geschert, was irgendein Kritiker aus Baltimore, Maryland, über ihre Weine denkt. Dagueneau wollte gute und anspruchsvolle Pouilly-Fumés erzeugen in einer Zeit, in der die östliche Loire vor allem für dünne Wässerchen aus viel zu hohen Erträgen bekannt war und nur noch von ihrem Namen lebte. Joly war Biodynamiker der ersten Stunde. Das hat m.E. mit Parker erst einmal nichts zu tun.

Auch im Burgund wird man über Parker im Zweifel nur müde lächeln. Wie Ulli schon sagte, ist Parker seit jeher im Burgund völlig irrelevant. Insofern versucht niemand dort, "Anti-Parker-Weine" zu erzeugen.

Das ist aber ein guter Gedankenanstoß. Was mich bei Parker glaube ich am meisten aufregt, ist Folgendes: Parker schert sich wenig um kulturelle Aspekte des Weintrinkens. Erzeugungsmethoden, Weinbautraditionen, eine gewisse langjährig entwickelte Typizität, die Einbindung von Wein in lokale kulinarische Traditionen, Winzerfamilien, ja eigentlich überhaupt die Personen hinter einem Wein. All das scheint Parker allerhöchstens am Rand zu interessieren. Für ihn zählt isoliert der Wein. Ist er gut oder ist er nicht gut? Parker versucht, dies zu verobjektivieren: 100 Punkte. 80 Punkte schlecht. 90 Punkte gut. 100 Punkte groß. In Wahrheit gibt es aber kaum ein System der Weinbewertung, das subjektiver ist als das von Robert Parker. Durch das Entkleiden des Weins von jeglichen kulturellen Aspekten verbleibt eigentlich nur noch der persönliche Geschmack von Robert Parker.

Parker will es Weintrinkern leicht machen. Man muss sich keine Gedanken mehr machen über kulturelle Aspekte eines Weins. Man muss sich nicht mit dem Winzer auseinandersetzen, nicht damit, wie der Wein erzeugt wurde, ob er zur lokalen Küche passt und wie der Wein der Mütter und Väter des Winzers geschmeckt hat. Die Punkte, "massive concentration, Crème de Cassis and blueberry liqueur" und ein Trinkfenster sollen nach Parkers Ansicht reichen. Auch das ist jetzt natürlich wieder deutlich überspitzt und vereinfacht ausgedrückt, aber für mich ist das "in a nutshell", was Parker hinterlässt.
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harti
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Re: Parkerisierung vs. ein Segen für die Qualität

Beitrag von harti »

octopussy hat geschrieben:
harti hat geschrieben:Und dass Parker nur zugeholzte und marmeladige Weine hoch schätzt, entspricht nicht den Tatsachen.

Sicher nicht. Auf der anderen Seite ist Parker mittlerweile häufig in der Minderheit, wenn er hohe Punkte für Weine wie z.B. Troplong Mondot, Peby Faugeres oder die Mikro-Über-Drüber Cuvées aus Châteauneuf du Pape gibt. Und eins fällt doch auf: die drei Gebiete, für die Parker bekannt ist, sind alles drei Gebiete, die in den letzten Jahren durch hohe Alkoholwerte aufgefallen sind und die für opulente Rotweine bekannt sind. Parker ist mit ganz wenigen Ausnahmen nun mal auch nicht dafür bekannt, dass er großes Interesse an und Expertise über eher filigrane Rot- und Weißweinen hätte. Sonst wäre er schließlich der Weinpapst für restsüßen Moselriesling, Pinot Noir aus dem Burgund, Cabernet Franc von der Loire und Weißweine aus Nordwest-Spanien geworden (wobei bekannt ist, dass er ganz gerne Albarino trinkt). Und hast du jemals von Parker gelesen, dass ihm ein Wein zu reif, zu hoch im Alkohol oder zu holzig ist?

Hallo Stefan,

das Argument Alkohol führt vollkommen in die Irre. Soll Parker die Weine schlechter bewerten, weil sie mehr Alkohol haben? Oder willst Du allen Ernstes behaupten, Parker sei Schuld an dieser Entwicklung? Ist er dann auch Schuld daran, dass wir mit alkoholischen Rieslingen bombadiert werden, die Großes Gewächs genannt werden? Und ist es ihm zuzuschreiben, dass Sangioveses und Barolos mit 15+ % abgefüllt werden (und übrigens von den meisten Weinjournalisten trotzdem Höchstbewertungen erhalten)? Und wie sieht es eigentlich in Burgund mit den Alkoholgehalten aus? Werden die Weine dort immer noch mit 12,5 % produziert?

Noch einmal, Parker schätzt die Stilistik "konzentriert, reif, holzig" auch. Aber es ist ein Märchen, wenn behauptet wird, dass er nur solche Weine gut findet. Es gibt zahllose Weine, die sich durch Eleganz, Vielschichtigkeit und Komplexität auszeichnen, ohne dabei schwer, (über)reif oder holzig zu sein, und trotzdem von ihm regelmäßig extrem hohe Bewertungen erhalten. Mir fallen da aus Bordeaux z.B. Haut Brion (wie der 61, der in dem zitierten Beitrag zu Weinauktionen genannt wurde), Margaux, Lafite, Pichon Comtesse oder Duhart Milon ein, die ganz sicher nicht im Verdacht stehen, in die Kategorie der Marmeladenweine zu gehören. Auch aus Kalifornien gibt es mit Dominus ein sehr prominentes Beispiel (mehr kann ich nicht anführen, da ich mich dort zu wenig auskenne).

Mir liegt es fern, Parker zu glorifizieren. Auch er ist nur ein Mensch und macht (nicht selten) Fehler und hat bisweilen auch Probleme damit, diese einzugestehen. Gleichwohl, er ist ein Segen für die Weinwelt (um abschließend auf die Eingangsfrage zu antworten).

Grüße

Hartmut
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octopussy
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Re: Parkerisierung vs. ein Segen für die Qualität

Beitrag von octopussy »

harti hat geschrieben:das Argument Alkohol führt vollkommen in die Irre. Soll Parker die Weine schlechter bewerten, weil sie mehr Alkohol haben? Oder willst Du allen Ernstes behaupten, Parker sei Schuld an dieser Entwicklung? Ist er dann auch Schuld daran, dass wir mit alkoholischen Rieslingen bombadiert werden, die Großes Gewächs genannt werden? Und ist es ihm zuzuschreiben, dass Sangioveses und Barolos mit 15+ % abgefüllt werden (und übrigens von den meisten Weinjournalisten trotzdem Höchstbewertungen erhalten)? Und wie sieht es eigentlich in Burgund mit den Alkoholgehalten aus? Werden die Weine dort immer noch mit 12,5 % produziert?


Hallo Hartmut,

das Argument Alkohol ist vielleicht nicht ganz passend, aber es ist immerhin messbar. Ich wollte ein Argument wie "Marmelade" vermeiden. Und der hohe Alkohol ist (neben dem Klimawandel) m.E. auch ohne Zweifel ein Randprodukt erstens des Strebens nach mindestens der "physiologischen Reife", die allenthalber gepredigt wird, und zweitens des offensichtlichen Kundenwunsches nach "viel Geschmack". Irgendwo hatte ich hier mal eine Studie dazu verlinkt.

Für meinen persönlichen Geschmack ist riech- und schmeckbarer Alkohol ein klarer Minuspunkt eines Weins. Gerade an der südlichen Rhône kriege ich in letzter Zeit ganz viele Weine schlicht nicht mehr die Kehle runter. Parker scheint da eine deutlich höhere Toleranzschwelle zu haben. Wie gesagt: ich habe von ihm noch nie etwas gelesen wie: "overripe", "too alcoholic", "sticky" oder "hot finish". Insofern: Parker sind eben ganz andere Aspekte eines Weins wichtig als anderen (ich zähle mich zu den anderen).

Und, ja, ich behaupte allen Ernstes, dass Parker ein wichtiger Faktor für die Entwicklung zu höheren Alkoholgradationen bei den Weinen ist, die er üblicherweise verkostet. In Bordeaux sind deutlich höhere Alkoholgradationen als früher kaum zu übersehen, an der südlichen Rhône ebenso, in Kalifornien erst recht. Jetzt ist es natürlich vor allem an der südlichen Rhône auch extrem heiß. Und Grenache als Traubensorte neigt zu sehr hohen Alkoholwerten. Aber während die Châteauneuf du Papes und Gigondas früher häufig 13,5 oder 14 Volumenprozent Alkohol hatten, muss man heute suchen, will man einen Wein unter 15 Volumenprozent.

Ich nehme mal Bordeaux als Beispiel: Weine mit 15, 15,5 oder sogar 16 Volumenprozent Alkohol auf dem Etikett (!) sind heute nicht mehr so selten. 14 oder 14,5 Volumenprozent sind am rechten Ufer fast schon die Regel und am linken Ufer auch nicht mehr selten. Woran liegt das? Erstens: Ziemlich sicher zum Teil am Klimawandel. Zweitens: Daran, dass immer mehr Merlot in die Cuvée kommt und Merlot zu höheren Alkoholgradationen neigt. Aber warum kommt immer mehr Merlot in die Cuvées? Wegen der Reife. Denn Parker (und sehr viele Konsumenten) mögen keine grünen Noten oder Zeichen von nicht voller Reife. Drittens: Daran, dass auf Teufel komm raus nur physiologisch vollreife Trauben in die Top-Cuvée kommen sollen. Lieber überreife Trauben als unreife Trauben. Nur, was ist das geringere oder größere Übel? Wenn der Wein nach Backpflaumen oder getrockneten Feigen schmeckt oder wenn er nach grüner Paprika oder grünem Pfeffer schmeckt? Für Parker dürfte es da keine zwei Meinungen geben.

Kurz zu den Alkoholgradationen bei Riesling-GGs und Pinot Noirs aus dem Burgund:

- Riesling GG: sehr hohe Alkoholgradationen kann ich nicht erkennen. In kühleren Jahren gibt es sogar GGs mit 12% Vol. (z.B. von Winning). 13% Vol. ist nach meinem Empfinden die am häufigsten anzutreffende Alkoholgradation. Ich hatte erst ganz wenige Riesling GGs, bei denen ich den Alkohol riechen oder schmecken konnte. Dass die Weine regelmäßig wuchtiger und volumniöser sind als restsüße oder trockene Kabinette ist etwas anderes und steht außer Frage.

- Pinot Noirs aus dem Burgund: Hier musst du wirklich suchen, um Weine mit mehr als 14% Vol. zu finden. Einige Güter sind für hohe Reife bekannt, z.B. Thibault Liger-Belair (bei dem aber jedenfalls auf dem Etikett auch selten mehr als 13,5 % Vol. zu finden sind). Aber die allermeisten Weine haben irgendwo zwischen 12,5 und 13,5% Vol. Und das wohlgemerkt sehr häufig nur nach Chaptalisierung. In 2011 wurde zum Beispiel sehr viel chaptalisiert. Sonst wären viele Weine bei 11,5 % Vol. rausgekommen.

harti hat geschrieben:Noch einmal, Parker schätzt die Stilistik "konzentriert, reif, holzig" auch. Aber es ist ein Märchen, wenn behauptet wird, dass er nur solche Weine gut findet. Es gibt zahllose Weine, die sich durch Eleganz, Vielschichtigkeit und Komplexität auszeichnen, ohne dabei schwer, (über)reif oder holzig zu sein, und trotzdem von ihm regelmäßig extrem hohe Bewertungen erhalten. Mir fallen da aus Bordeaux z.B. Haut Brion (wie der 61, der in dem zitierten Beitrag zu Weinauktionen genannt wurde), Margaux, Lafite, Pichon Comtesse oder Duhart Milon ein, die ganz sicher nicht im Verdacht stehen, in die Kategorie der Marmeladenweine zu gehören.


Mich überzeugt das Argument nicht, dass Parker stilistisch keine Vorlieben hat, weil er Haut Brion, Margaux, Lafite oder Pichon Comtesse schätzt. Das sind mit die besten Weine der Welt. Ganz ehrlich: wer mag sie nicht?

Viel wichtiger finde ich es, an den Rand zu schauen. Und da gehört Parker eben zu denjenigen, für die hochkonzentrierte Rotweine mit 16% Vol. das absolut Beste (100 PP) darstellen, während andere kaum mehr als einen Probeschluck davon runterkriegen und nie und nimmer 100 oder mehr Euro dafür ausgeben würden.
Beste Grüße, Stephan
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UlliB
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Re: Parkerisierung vs. ein Segen für die Qualität

Beitrag von UlliB »

Stephan,

sorry, aber vieles, was Du hier zu Bordeaux schreibst (und ich beschränke mich hier ausdrücklich auf Bordeaux), ist schlicht und ergreifend falsch, und zeugt sowohl von mangelndem Umgang mit den Weinen als auch von Unkenntnis über den historischen Kontext.

Ich nehme mal Bordeaux als Beispiel: Weine mit 15, 15,5 oder sogar 16 Volumenprozent Alkohol auf dem Etikett (!) sind heute nicht mehr so selten.


Doch, sie sind selten, sogar sehr selten. Ich habe aus dem Jahrgang 2009 - einem alkoholstarken Jahrgang - mittlerweile Dutzende von Weinen im Glas gehabt, darunter auch etliche Hochkaräter. Da war nach meinen Aufzeichnungen und meiner Erinnerung kei einziger dabei, der deklarierte 15% und mehr hatte. Übrigens war kein einziger der Weine wirklich alkohollastig.

Sicher, es gibt solche Weine. Aber sie sind im Bordelais nach wie vor eine Randerscheinung, mehr nicht.

Zweitens: Daran, dass immer mehr Merlot in die Cuvée kommt und Merlot zu höheren Alkoholgradationen neigt.


Worauf basiert diese Behauptung? Die Weine des rechten Ufers waren auch schon vor dreißig Jahren mit ganz wenigen Ausnahmen Merlot-betont, etliche sogar fast reinsortig mit ein paar Prozent Cabernet als Feigenblatt. Und für das linke Ufer kenne ich keine Zahlen, die belegen würden, dass hier im Bereich klassifizierter Gewächse eine relevante Veränderung des Rebsatzes in Richtung Merlot stattgefunden hat (auch hier waren einige Erzeuger wie Cos d'Estournel und Palmer schon immer Merlot-betont, das ist keine Veränderung der letzten Jahre). Hast Du Zahlen, dann bitte her damit - ich lerne gerne dazu. Dass in manchen Jahren wie 2012 die Cuvées Merlot-betont sind, ist richtig - das liegt aber an der mangelhaften Qualität der Cabernets und eben nicht am Rebsatz - und nur an diesem kann man wirkliche Tendenzen erkennen.

Drittens: Daran, dass auf Teufel komm raus nur physiologisch vollreife Trauben in die Top-Cuvée kommen sollen. Lieber überreife Trauben als unreife Trauben.


Richtig. Nur: für dieses Paradigma musst Du den "Schuldigen" nicht in Maryland suchen, sondern in Bordeaux. Es war Emile Peynaud, der diese Idee auf Grund seiner langjährigen Forschungsarbeiten an der Universität Bordeaux entwickelt hat und auf den von ihm beratenen Betrieben (das waren etliche) bereits Ende der 70er mit eiserner Hand durchgesetzt hat. So hergestellte Weine gab es, bevor Parker überhaupt irgend einen Einfluss auf Bordeaux hatte, und sie wurden schon damals als qualitative Vorreiter angesehen.

Was Neuholz betrifft: auch das hat in Bordeaux eine lange Tradition. Dass der Neuholzanteil bei vielen Betrieben in den 60ern und 70ern niedrig war, hatte einen ganz banalen Grund: kein Geld. Wer es sich leisten konnte (das waren damals sehr wenige!) hat auch damals mit viel Neuholz gearbeitet.

Tatsächlich ist es so, dass es vor Parkers Phase in Bordeaux regelmäßig Weine gegeben hat, die nach heutigen Kriterien eindeutig "parkerisiert" waren. Ganz sicher war das 1982 der Fall, vermutlich aber auch 1970, 1961, 1959, 1948, 1947, und 1945 - eben die legendären großen Jahrgänge - alle alkoholstark, alle konzentriert. Das Rollenmodell war durchaus schon da, bevor Parker tätig wurde. Dass es nicht so regelmäßig wie heute realisiert wurde, lag an schlechten klimatischen Bedingungen, an fehlendem Geld, und an fehlendem know-how. Man wollte im Bordelais schon immer solche Weine erzeugen; man konnte es nur nicht regelmäßig.

Gruß
Ulli
MichaelWagner
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Re: Parkerisierung vs. ein Segen für die Qualität

Beitrag von MichaelWagner »

"Früher" gab es hin und wieder fette Jahre und Ausnahmejahrgänge. Wie die Natur es eben vorgab. Dann gabs Rolland und mit ihm kam Umkehrosmose, Megapurple, Mikrooxidation und hastenichgesehen. Jedes Jahr ein Jahrhundertjahrgang für alle Chateaus die sich in Ihrer Not nicht mehr ohne Rolland zu helfen wussten. Und Parker hats vermarktet. Und beide haben satt verdient. Und Konsument und Kritiker haben geglaubt, dass die großen Namen alles besser können und einfach schlauer und toller sind. Nun ist die Kuh durchs Dorf, Parker hat verkauft und die beiden besinnen sich auf den Gegentrend. Und die Lemminge werden wieder brav folgen...
wenns läuft, dann läufts. Aber bis es läuft, dauerts...
BuschWein
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Re: Parkerisierung vs. ein Segen für die Qualität

Beitrag von BuschWein »

Parker will es Weintrinkern leicht machen. Man muss sich keine Gedanken mehr machen über kulturelle Aspekte eines Weins. Man muss sich nicht mit dem Winzer auseinandersetzen, nicht damit, wie der Wein erzeugt wurde, ob er zur lokalen Küche passt und wie der Wein der Mütter und Väter des Winzers geschmeckt hat. Die Punkte, "massive concentration, Crème de Cassis and blueberry liqueur" und ein Trinkfenster sollen nach Parkers Ansicht reichen. Auch das ist jetzt natürlich wieder deutlich überspitzt und vereinfacht ausgedrückt, aber für mich ist das "in a nutshell", was Parker hinterlässt.

Aber ist das nicht gerade die Aufgabe eines Weinkritikers? Parker sieht sich aus meiner Sicht vielleicht weniger als Weinjournalist oder gar Lehrer. Vielleicht geht es ihm wirklich weniger um die kulturellen Hintergründe der Weine, aber war es vor Parker nicht ganz oft so, dass mit dem Hinweis auf Tradition einfach schlechte und fehlerhafte Weine schön geredet wurden?

Wenn ich in eine Weinregion reise, dann mag ich mich für die lokale Küche interessieren, dann mag ich mich für typische Wein-Speise-Kombinationen der Region interessieren, dann werde ich auch eher Reiseführer oder spezielle Weinbücher über die Region nutzen.

Aber zuhause? Wenn ich eine Rioja kaufe interessiert mich die dort traditionelle Küche erst mal nicht so sehr, ich will wissen was erwartet mich da für ein Wein. Nicht mehr, nicht weniger. Weinführer, Weinkritiken sind nicht für Weintrinker gemacht, die sich schon über mehrere Jahre, gar Jahrzehnte mit einem Wein, einer Region, einer Rebsorte beschäftigt haben, solche Führer sind für Menschen, die gern guten Wein trinken, sich aber sonst eher weniger mit dem Thema auseinandersetzen. Zumindest im Moment, der unbedarfte Weintrinker kann natürlich auch zum passionierten Weinfan werden.

Natürlich schaut auch der Weinfreak in solche Führer, aber doch eher weil er sein Vorurteil über den Kritiker bestätigt sehen will, oder weil er Selbstbestätigung für die eigene Kritik sucht.

Und zum Thema Alkohol, nicht immer hat das gleichzeitige Auftreten zweier Ereignisse einen kausalen Zusammenhang. Vielleicht hat Parker die Entwicklung zu mehr Alkohol ja tatsächlich unterstützt, ich glaube aber, dass viel wichtiger war, dass die Weintrinker in den letzten Jahren/Jahrzehnten viel kritischer geworden sind. Heute werden unreife Noten im Wein eben weit weniger toleriert. Man fährt nicht mehr zu "seinem Winzer" und kauft dort seinen Jahresvorrat ein. Es fällt also schneller und leichter auf, dass es Unterschiede beim Wein gibt, gestützt wird diese Entwicklung durch viele veröffentlichte Kritiken/VKNs, nicht nur von Parker.

Dazu kommt, dass Menschen heute viel mobiler sind, zu einem mobilen Leben passt aber kaum noch der große Weinkeller, maximal der Weinlagerschrank. Will sagen, die Weinfreunde wollen heute eher trinkreife Weine, als Winzer kann ich das auch erreichen, wenn ich die Trauben reif ernte, dann habe ich einfach weniger grüne Noten, harte Tannine, spitze Säure im späteren Wein. Wenn ich aber bei der Reife ans Limit gehe, dann kann der Zucker auch schon mal nach oben sausen. Das geht in manchen Jahren richtig fix, dass er von potentiellen 13Vol% auf 15Vol% steigt. Ich denke also der Wunsch nach trinkreifen Weinen hat viel mehr mit den hohen Alkoholgraden zu tun, als Parker (der unreife Noten vielleicht auch nicht mag und so das ganze mit unterstützt hat).

Und dass Dir heute einige Südrhône Weine zu schwer und zu alkoholisch vorkommen, das hat aus meiner Sicht eher mit Deinem (verändertem) Geschmack zu tun, als mit der Entwicklung der Weine dort oder mit dem Einfluss von Parker auf die Region und ihre Weine.

Natürlich darf man Parker kritisch sehen, natürlich hat Parker eigene geschmackliche Vorlieben, dass er persönlich Bordeaux und Rhône in Frankreich testet, zeigt sicher deutlich was ihn interessiert. Wäre er ein Fan leichter, filigraner Rotweine hätte es ihn zu Beginn sicher eher ins Burgund gezogen. Er wird also schon eher kraftvolle Rotweine lieben. So ist das aber mit jedem Kritiker, jeder hat eine gewisse Vorliebe und wenn er gut ist, dann kann er irgendwann auch Weine qualitativ einschätzen und beurteilen, die ihm vielleicht persönlich nicht so gefallen, wirkliche Begeisterung wird er aber eher nicht entwickeln. Man muss halt schauen, welcher Kritiker kommt meinem Geschmack recht nahe und dann dessen Empfehlungen als das sehen was sie sind "Empfehlungen" keine Wahrheiten. Etwas anderes will doch auch Parker gar nicht, als seinen Lesern Empfehlungen geben.
Armin
www.gutsweine.com

Dumme Menschen machen immer den gleichen Fehler, intelligente immer Neue ;)
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