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Wein und Musik

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Wolfgang Kärcher

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Re: Wein und Musik

BeitragSo 31. Jan 2021, 16:47

Hallo

Ich bin fast ausschließlich mit CD unterwegs. Die übernehme ich allerdings auch alle auf die Festplatte (itunes). Das ist bei größeren Mengen an Tonträgern zugleich die beste Art, den Überblick zu behalten.

Bei den Pianisten nicht jeden modisch gehypten ernst zu nehmen, ist sicher richtig. Wer sich dem allerdings ganz verschließt, dem entgeht auch vieles.

Das beste Beispiel ist für mich derzeit Igor Levit - einer der besten jungen Pianisten unserer Zeit. Im Übrigen einer der wenigen, die sich auch politisch positionieren. Fazil Say ordne ich ähnlich ein.

Wie heißt es so schön: Tradition heißt nicht, die Asche zu bewahren, sondern die Flamme weiter zu tragen.

Bei Lang Lang wären wir an und für sich beieinander. Hätte er jetzt die Goldberg-Variationen nicht eingespielt. Für mich war er absolut überhyped, Ich habe ihn auch live erlebt und mir gesagt, dass ich das nicht mehr brauche.

Die Goldberg-Variationen sind - all meinen Lang Lang - Klischees zum Trotz - einfach göttlich (und diesen Begriff benutze ich selten). Die gesamt Aufnahme, jeder Ton, ist durchdrungen von einer tiefen Ehrfurcht gegenüber dieser genialen Musik. Hier stellt er sich ehrfürchtig hinter die Musik, während in seinen sonstigen Einspielungen und Auftritten häufig die Selbstbestätigung im Vordergrund stand. Und technisch macht ihm niemand etwas vor.

Ich kann diese Aufnahme wirklich jedem wärmstens ans Herz legen.

Was ich dazu trinken würde, muss ich mir noch überlegen :)

Gruß
Wolfgang
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OsCor

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Re: Wein und Musik

BeitragSo 31. Jan 2021, 17:20

Oha, da habe ich mich unklar ausgedrückt: Musik auf CDs ist ja auch digital codiert; mit analog meinte ich tatsächlich Vinyl und Kassetten, auf die ich früher gelegentlich Musik aus dem Radio speicherte.

Was den parallelen Weingenuss angeht, mache ich das wie Michael: Größere Schlucke allenfalls während Pausen.

Gruß
Oswald
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stollinger

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Re: Wein und Musik

BeitragSo 31. Jan 2021, 17:31

Wolfgang Kärcher hat geschrieben:Die Goldberg-Variationen sind - all meinen Lang Lang - Klischees zum Trotz - einfach göttlich (und diesen Begriff benutze ich selten). Die gesamt Aufnahme, jeder Ton, ist durchdrungen von einer tiefen Ehrfurcht gegenüber dieser genialen Musik. Hier stellt er sich ehrfürchtig hinter die Musik, während in seinen sonstigen Einspielungen und Auftritten häufig die Selbstbestätigung im Vordergrund stand. Und technisch macht ihm niemand etwas vor.


Klar, technisch ist das ein ausgereifter Pianist. Ich habe die Aufnahme nicht gehört, sonder nur die Doku [=Werbung] über die Einspielung, der kam auf 3Sat, kann man sich aber auch auf Youtube ansehen [Link]. Ich fand ihn extrem selbstherrlich, die Demut nur gespielt als Marketinginstrument. Die kurzen Aussschnitte der Einspielung hatten für meinen Geschmack einen absolut überzogenen Pathos. Er hat sich in der Doku auf die historischen Spuren von Bach begeben und so getan, als würde er es das erste mal im Leben machen und jetzt, durch diese Info, Bach und seine Musik endlich wirklich verstehen. Das war Disneymaßig inszeniert, voll von Stereotypen und überzogenen Romantisierungen. Für mich Fremdschämen pur, keine Schnittmenge mit meinem Zugang zu dem Werk.

Wo ich gerade beim Bashing bin :D : Bei Baremboim verliere ich auch regelmäßig die Lust an klassischer Musik, traurig, das der so eine mediale Bühne hat. Für mich der Michel Rolland der Musik.

Bernd Schulz hat geschrieben:
stollinger hat geschrieben:Beim ersten höhren fällt erstmal der Fazioli-Klang und die hochwertig Arbeit des Tontechnikers auf.


Wenn dir der Klang des Fazioli-Flügels (den ich tendenziell schöner finde als den Steinway-Klang) auffällt, bist du beim Hören von Klaviermusik schon richtig weit gekommen! :)

Herzliche Grüße

Bernd

Ich kann mich mit diesem neumodischen Zeugs natürlich nicht so anfreunden :lol: . Klar ist Fazioli toll, aber auch schon eigen und davon träumen, mal einen zu besitzen, ist wie von einer Zuteilung Romanee Conti zu träumen. Mag gerne Steinway, Steingräber und Bösendorfer, aber auch Kawai (die Mechanik ist aber gewöhnungsbedürftig) und Yamaha kann ich etwas abgewinnen. Es kommt natürlich stark auf das Werk, das spezifische Instrument und den Interpret an.

Vielleicht ist die Analogie, dass die Rebsorte der Komponist ist, die Herkunft der Pianist und das Instrument der Ausbau. Entsprechend habe ich Spass an den technischen Details.

Ich würde sagen, dass du die klangliche Qualität eines Instruments besser bewerten kannst, bei Steinway spielt mit Sicherheit auch das Image eine Rolle in meiner Affinität.

Grüße, Josef
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Wolfgang Kärcher

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Re: Wein und Musik

BeitragSo 31. Jan 2021, 17:48

Hallo

Sehen wir mal davon ab, dass ich die Einspielung genial finde und Du nicht. Dafür sind wir Individuen.

Nur stell Dir vor, Du trinkst einen Wein von einem Winzer, der Dir von seiner Person, Haltung etc. in allen Poren zuwider ist. Bei der Blindprobe weißt Du allerdings nicht, dass der Wein von ihm ist.

Schmeckt er Dir anschließend schlechter? Und wenn ja, warum?

Gruß
Wolfgang
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stollinger

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Re: Wein und Musik

BeitragSo 31. Jan 2021, 18:58

Hallo Wolfgang,

nimm meine Ausführungen bitte nicht persönlich. Ich bin ja auch nur Laie und es sind meine subjektiven Empfindungen die genauso berechtigt sind wie deine Einschätzung.
Wolfgang Kärcher hat geschrieben:Nur stell Dir vor, Du trinkst einen Wein von einem Winzer, der Dir von seiner Person, Haltung etc. in allen Poren zuwider ist. Bei der Blindprobe weißt Du allerdings nicht, dass der Wein von ihm ist.

Ich würde die Frage nicht auf Abneigung oder Sympathie reduzieren wollen. Es ist für mich schon eine Stilfrage. Stilistiken lassen sich meine Erfahrung nach in Blindproben recht gut erfassen und entsprechend auch die Einschätzung treffen, ob ich Gefallen daran habe oder nicht.

Kommt aber natürlich trotzdem vor, dass ich mich selber in Blindproben fehlleite und mich dabei ertappe, das mir etwas gefällt, was nicht sein darf.
Wolfgang Kärcher hat geschrieben:Schmeckt er Dir anschließend schlechter? Und wenn ja, warum?

Ja :D, weil ich mich in meiner Eitelkeit gekränkt fühle. Ich schäme mich kurz und kann dann über mich lachen.

Grüße, Josef
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Wolfgang Kärcher

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Re: Wein und Musik

BeitragSo 31. Jan 2021, 20:57

Hallo

Alles gut!

Ich bin vor solchen Dingen ja auch nicht gefeit.

Zum Beispiel höre ich keine Aufnahme der offenbar hochbegabten Ausnahmepianistin Elly Ney, weil ich nicht ausblenden kann, dass sie eine glühende Verehrerin des "GröFaZ" war. Das kann (und will) ich nicht ausblenden.

Gruß
Wolfgang
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Bernd Schulz

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Re: Wein und Musik

BeitragSo 31. Jan 2021, 22:44

Wolfgang Kärcher hat geschrieben:Das beste Beispiel ist für mich derzeit Igor Levit - einer der besten jungen Pianisten unserer Zeit. Im Übrigen einer der wenigen, die sich auch politisch positionieren.


Ja - und das macht er auf eine Art, die ich - unabhängig vom rein Inhaltlichen - ziemlich obszön (ein anderes Wort dafür fällt mir gerade nicht ein) finde. Spielen kann er fraglos sehr gut, aber trotzdem mag ich mich nicht näher mit seinen Interpretationen befassen.

Bei Lang-Lang hingegen bin ich ganz deiner Meinung. Mir war er immer äußerst unsymphatisch, bis ich (auch wieder im niederländischen Sender Radio 4 ) auf seine großartige Neueinspielung der Goldberg-Variationen gestoßen bin.....


stollinger hat geschrieben:Ich würde sagen, dass du die klangliche Qualität eines Instruments besser bewerten kannst, bei Steinway spielt mit Sicherheit auch das Image eine Rolle in meiner Affinität.


Ob ich die klangliche Qualität eines Flügels besser beurteilen kann als du, weiß ich nicht. Ich habe zwar etliche Jahre Klavierunterricht gehabt, aber dabei ist nichts auch nur annähernd Brauchbares herausgekommen - ich bin als Pianist eine absolute Niete, obwohl ich sehr gerne Klaviermusik höre. Einer meiner Freunde, der Musiklehrer am Gymnasium ist und sehr klangsensibel Klavier spielt, schwärmt wie ich mehr für Fazioli als für Steinway. Einer anderen Freundin, die Klavier studiert hat und als Instrumentallehrerin arbeitet, geht dagegen nichts über Steinway. Der eine trinkt am liebsten Bordeaux, der andere bevorzugt Burgunder...oder Riesling :mrgreen:.....

Herzliche Grüße

Bernd
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Wolfgang Kärcher

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Re: Wein und Musik

BeitragMo 1. Feb 2021, 00:36

Bernd Schulz hat geschrieben:
Ja - und das macht er auf eine Art, die ich - unabhängig vom rein Inhaltlichen - ziemlich obszön (ein anderes Wort dafür fällt mir gerade nicht ein) finde. Spielen kann er fraglos sehr gut, aber trotzdem mag ich mich nicht näher mit seinen Interpretationen befassen.


Let´s agree to disagree

Gruß
Wolfgang
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jessesmaria

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Re: Wein und Musik

BeitragMo 1. Feb 2021, 15:40

stollinger hat geschrieben:Ich bin wohl sehr asthtisch-konservativ. Ich mag es z.B. überhaupt nicht, wenn Weine moderne Etiketten haben, oder noch schlimmer, Wortspiele oder Phantasienamen.

Ich glaube, bei der Auswahl meiner bevorzugten Pianisten bin ich ähnlich neuheitsfeindlich. Für Beethoven und Mozart mag ich Gulda sehr, bei Bach Glenn Gould, Alfred Brendel für Schubert, Horowitz, Martha Argerich,... Image spielt bei mir da auch eine Rolle, wie ich einen Interpreten wahrnehme (Lang-Lang der überholzte Spätburgunder).


Vielleicht muss man als Liebhaber gereifter Weine auch Jahrzehnte alte Aufnahmen lieben. :D

Mir sind die meisten Aufnahmen dieser Zeit zu steril und zu glatt, ganz besonders z. B. von den genannte Brendel und Gulda (mit Ausnahmen).

Wenn dann alt, dann muss es für mich richtig alt sein, so Schnabel und so. Aber am liebsten ein knackiges Fortepiano.
Beethovens Waldstein schonmal mit Ronald Brautigam am Fortepiano probiert?
Gerade die perkussiven, rauen Bässe... im Vergleich zum Steinway-Flügel ist das doch wie spontan vergoren vs. Zuchthefe. :mrgreen:

Der passende Wein zur Waldstein? Gar nicht so einfach, finde ich. Er müsste zum perkussiven Anfang genauso passen wie zum schillernd-süßlichen Seitenthema. Wenn ich dazumal den Schlusssatz noch mitberücksichtige, komme ich zu dem Ergebnis, dass der Wein durchaus etwas Restsüße haben sollte. Österreich als Herkunftsland gefällt mir gut, rot auch besser als weiß. Vielleicht etwas wie ein Trollinger, aber etwas edler und gewichtiger? (Allzu fein muss er ja bei dieser Sonate nicht sein.)

Einfacher zu kombinierende Sonaten wären vielleicht die Mondscheinsonate (ein Chablis?) oder op. 54 (ein Gewürztraminer?)

Welchen sperrigen Wein müsste man denn zur Fuge aus der Hammerklaviersonate trinken? Oder geht da nur noch Hochprozentiges?

P.S.: Die Lang Lang - Goldbergvariationen hab ich mir gerade mal angehört, das ist mir zu kitschig :o Da müsste auf jeden Fall ein Luca Maroni-Wein her. Kann Arie könnte man von mir aus doppelt so schnell spielen.
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Bernd Schulz

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Re: Wein und Musik

BeitragMo 1. Feb 2021, 21:58

jessesmaria hat geschrieben:Aber am liebsten ein knackiges Fortepiano.
Beethovens Waldstein schonmal mit Ronald Brautigam am Fortepiano probiert?
Gerade die perkussiven, rauen Bässe... im Vergleich zum Steinway-Flügel ist das doch wie spontan vergoren vs. Zuchthefe.


Wenn man so viel Radio wie ich hört, bleibt einem die Begegnung mit Brautigam und Co. nicht erspart :mrgreen: . Mein Fall ist der Klang der hysterischen Jammerklaviere allerdings überhaupt nicht; ich fühle mich da eher an einen Korkschmecker als an einen Sponti erinnert.... :roll:

jessesmaria hat geschrieben:P.S.: Die Lang Lang - Goldbergvariationen hab ich mir gerade mal angehört, das ist mir zu kitschig Da müsste auf jeden Fall ein Luca Maroni-Wein her. Kann Arie könnte man von mir aus doppelt so schnell spielen.


Einen winzigen Hauch zu langsam wirkt Lang-Lang auch auf mich an einigen Stellen, aber wirklich nur einen winzigen Hauch. Und kitschig? Er rappelt die Musik halt nicht so aussagefrei herunter, wie das diverse HIPler tun.... :twisted:

Allerdings bin ich mir darüber bewusst, dass es mittlerweile wahrscheinlich mehr Klassikhörer gibt, die zu deinen Vorlieben tendieren, als solche, die so ähnlich wie ich mit meinen Ohren hören. Trotzdem stehe ich zu meinen eigenen Vorstellungen.

jessesmaria hat geschrieben:Welchen sperrigen Wein müsste man denn zur Fuge aus der Hammerklaviersonate trinken? Oder geht da nur noch Hochprozentiges?


Für mich müsste es auf jeden Fall ein Wein sein, den ich nicht kapiere. Denn trotz aller Begeisterung für Beethovens drei letzte Klaviersonaten (besonders op. 109 liebe ich sehr) kapiere ich die Hammerklaviersonate vorne und hinten nicht..... :oops:

Herzliche Grüße

Bernd
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