Fr 30. Dez 2011, 13:30
Armins Beitrag ist ein gutes Beispiel für eine sinnvolle Diskussion über das Thema ohne sich mit Definitionen aufhalten zu müssen.
Armin, was mir an deinem Argument (das nicht von der Hand zu weisen ist) nicht gefällt ist sozusagen der Zirkelschluss. Absichtlich platt formuliert lautet dein Argument: Terroirkultur wurde in F entwickelt, also kann es in D keinen Terroirwein geben.
Ähnliche Argumentationen habe ich schon zu Haut Cuisine, Haut Couture, ja sogar dem Begriff Nation gehört. Da die moderne Nation in Frankreich erfunden wurde, sind alle anderen, auch die, die das französische Modell noch so genau nachgeahmt haben, doch nur Völker, im besten Fall Staatsvölker, in unserem Fall eine Kulturnation. Schon daran, dass man sich bemüßigt gefühlt hat, für die Deutschen, nachdem eine gründliche Analyse zu dem Schluß kommen musste, dass sie keine Nation sind, den Begriff Kulturnation zu prägen, merkt man, wie hoch der Druck des französischen Originals in den Köpfen der Intelektuellen war. Dieser kleine Exkurs nur um zu zeigen, wie ähnlich die Diskurse zum Wein sind. Die Referenz hat eben Deutungs- und Definitionshoheit. Wer dann Alternativen vorschlägt, läuft (zum Teil mit Recht) Gefahr als Nationalist entlarvt zu werden. Logisch gesehen eine lustige Wende, denn nach obigem Argument kann nur ein französischer Nationalismus echt sein.
Zurück zum Wein: spätesten im Vorwort zu "Wein spricht deutsch" hat uns Pigott erklärt, dass es im deutschrachigen Raum eine eigene Weinkultur gibt. Wenn dem so wäre, bräuchten wir auch keine Terroirweine, sondern nur Lagenweine. Wenn man dann noch ein paar Schichten Kulturspeck auf die Lage legt, hat man auch sowas wie Terroirkultur, oder? Jedenfalls was analoges.
Aber die Zeiten ändern sich und meist heisst das Internationalisierung/Globalisierung. Das bedeutet schnöde konkret, dass die Referenzen global werden, als Folge heisst es dann beim Wein, er gehöre zum Essen, auch der deutsche Wein. Und wenn man dann in D die Weine mit diesem Ziel macht, muss man sich irgendwann fragen, ob die deutschen Herkunftsbezeichungen in Ordnung sind, ob man das Prädikatssystem noch braucht, ob es in D eine Terroirkultur gibt. Alle Antworten können dann ganz logisch nur noch Nein lauten. Und so kam es auch.
Armin, ich weiss, dass dein Argument sich nicht nur auf D bezieht, sondern praktisch auf alles außerhalb der paar französischen Referenzanbaugebiete. Aber ähnlich wie ich oben könnte jeder Österreicher, Australier oder Ungar argumentieren.
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Charlie am Fr 30. Dez 2011, 14:11, insgesamt 1-mal geändert.