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Terroir - wer hat Recht?

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Birte

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Re: Terroir - wer hat Recht?

BeitragMi 28. Dez 2011, 22:22

Oh, je, oh je ich habe begonnen zu lesen. Es hagelt ganz bitter "pseydointellektuell" auf mich nieder. Aber da gab es noch neben den politischen Verirrungen von Steiner auch noch viel Gutes oder? Demeter?
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Einzelflaschenfreund

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Re: Terroir - wer hat Recht?

BeitragDo 29. Dez 2011, 09:32

Es tut mir leid, aber ich finde den ganzen Organisationsansatz dieser Diskussion verquer:
Eine mehr als zwei Jahre alte Folge von Bucherscheinung (Löwenstein) und Rezension (Vahlefeld) wird in einem eigens dafür ins Leben gerufenen Blog von Löwenstein als Aufhänger für eine Diskussion genommen, in dem aber der Leser lediglich als staunendes Publikum gefragt ist, wofür er von Löwenstein (per Mail) und Vahlefeld (per Forumseintrag hier) gekobert wird. Gnädigerweise ist hier im Forum aber eine Begleitdiskussion möglich und erwünscht.
Und dann spricht Meister Löwenstein in seiner Mail vom Web 2.0?? Ich finde, das ist eher Diskussionskultur 0.0. Mein Vorschlag: Bringt doch erst mal eure Debatte zum Ende und stellt dann eure Ergebnisse zur Diskussion.

Beste Grüße
Guido
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sorgenbrecher

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Re: Terroir - wer hat Recht?

BeitragDo 29. Dez 2011, 10:26

meiner ansicht nach wird in den terroir-begriff zuviel reingepackt und dieser begriff daher letztlich unbrauchbar und verkommt zum reinen marketing-schlagwort, bei dem jeder reininterpretieren kann was er möchte. auch kann ich mit dem ansatz von scheuermann sehr wenig anfangen, da eine derart elitäre definition, die aber dennoch im nebulösen bleibt, nichts anderes als subjektive scharlatanerie ist.

ich glaube, dass es durch eine lange historie eine vorstellung bei einer breiten masse von weintrinkern davon gibt, was typisch für bestimmte weinbauregionen ist. dazu gehören die angebauten rebsorten, der ausbau der weine, ggf. die zusammenstellung der cuvee, die klimatischen bedingungen, der boden, .... alles mündet dann in einer stilistik, die weintrinker als typisch empfinden und wenn sie diese erwartete stilistik in besonderer weise bei einem wein wiederzuerkennen glauben, dann sprechen sie von einem terroirwein.
in diesem sinne glaube ich sogar, dass das absolute gegenteil von dem was scheuermann mit seinem ansatz des "perfekten verkosters" beschreibt in der praxis gängig ist: die über einen langen zeitraum geprägten erfahrungen und vor allem daraus abgeleiteten erwartungen einer großen masse von weintrinkern an den geschmack und die stilistik von weinen prägen den terroirbegriff mehr als der vermeintliche "wundergeschmack" des grandiosen verkosters. in der praxis macht meines erachtens nur diese definition sinn um auch tatsächlich sinnvoll verwendung zu finden, alles andere läßt sich sofort für alles und nichts verwenden.

untermauert wird dies durch beliebige praxisbeispiele. wenn ich einen pinot noir aus dem burgund trinke, dann habe ich eine erwartung an die grundsätzliche stilistik des weins und wenn ich dann einen wein vorfinde, der mich eher an einen syrah der nördlichen rhone oder gar einen bordeaux erinnert, dann kann das zwar ein sehr guter wein sein und er kann durchaus auch bio-dynamisch erzeugt sein, aber ich würde ihn nicht mit einem terroirwein assoziieren (obwohl er ja vielleicht sogar genau das ist... :lol: ).
wenn ich einen syrah von der nördlichen rhone im glas habe, dann habe ich ebenso eine erwartung daran, was ich als typisch für diese region empfinde und wenn dann ein wein daherkommt, der mich eher an einen fetten australischen shiraz erinnert, dann ist das für mich eben subjektiv kein terroirwein, obwohl er vielleicht auch absolut authentisch und naturnah produziert wurde.
oder nehmen wir die biodynamischen weine von p.j. kühn im rheingau. sind das für mich terroirweine ? nein ! meine erwartungshaltung an rheingau-rieslinge weicht deutlich von dem ab was bei ihm in die flasche kommt und auch wenn er interessante und ernsthafte weine produziert, so sind diese meines erachtens gerade bei ihm mehr durch seine radikale biodynamische arbeitsweise gekennzeichnet als durch terroir (auch wenn er natürlich genau das gegenteil behaupten würde und vermutlich sagen würde, dass gerade seine weine die "echten" terroirweine sind...).

zusammenfassend macht für mich nur ein terroirbegriff sinn, der sich an der erwartungshaltung eine maßgeblichen menge von weintrinkern orientiert und das typische für eine weinbauregion aufgreift. innerhalb dieser systematik ist genug raum für erhebliche qualitätsdifferenzierungen und auch geschmackliche differenzierungen. terroir als etwas zu beschreiben, was quasi naturgegeben ist und unabhängig von der historischen erfahrung und erwartungshaltung der konsumenten existiert führt m.e. in die völlige beliebigkeit.
Gruß, Marko.
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Charlie

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Re: Terroir - wer hat Recht?

BeitragDo 29. Dez 2011, 10:27

Wenn es nach viel Text darauf hinauslauft, dass ein Terroir-Wein praktisch ein guter Wein ist, dann ist das Ganze sinnlos.
Das wird gut in Scheuermanns "Kritik der weinen Vernunft" und "Wein Krampf" erklärt, musikalisch umgesetzt in seiner Oper " Don Gioweini" und der Weinten Symphonie. Er arbeitet an dem Roman "Der Mann ohne Weingenschaften". :mrgreen:
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octopussy

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Re: Terroir - wer hat Recht?

BeitragDo 29. Dez 2011, 10:28

Hallo zusammen,

Kle hat geschrieben:Bei der Diskussion zwischen Markus Vahlefeld und Reinhard Löwenstein ist mir noch nicht recht klar, worüber die beiden streiten. Am ehesten über Steiner.

Offen gesagt ist mir das auch noch nicht klar. Ich habe das Buch von Reinhard Löwenstein vor ca. einem Jahr auch gelesen und habe schon fast alles wieder vergessen. Ich hatte damals große Erwartungen und bin etwas, wenn auch nicht völlig enttäuscht worden. Die eher weit ausholende Linie und Gedankenanregung, die Reinhard Löwenstein als sein Ziel beim Schreiben auf dem Blog erwähnt und die ich als Ansatz grundsätzlich sehr gut finde, ist bei mir nicht richtig angekommen. Bei seinem "Manifest" aus 2003 ist das anders. Bei der Lektüre des Manifests drängt sich mir auf: der Mann hat recht.

Markus, bitte nehm es mir nicht übel, aber ich halte deine Argumentation in der Terroirdiskussion für nicht konsequent. Eigentlich müsstest du klipp und klar sagen: Terroir gibt es nicht. Du sagst zwar, dass du den Begriff nicht mehr verwendest, begründest dies aber nicht begriffsinhaltlich, sondern nur mit der inflationären Verwendung des Begriffs. Mehrmals direkt im Anschluss an die Ablehnung des Begriffs verwendest du den Begriff dann doch. Jedoch hat dein Verständnis von "Terroir" aus meiner Sicht nichts mit dem Begriff zu tun, wie ihn Reinhard Löwenstein in seinem Manifest aus 2003 verwendet und wie er in der einen oder anderen Form sonst verwendet wird.

Du schreibst:

Markus Vahlefeld hat geschrieben:Ich habe von jeher den Eindruck, dass Terroir Menschenwerk ist. Terroir gibt es gar nicht, sondern es ist eine innere Einstellung, ein geistiges Konstrukt, wobei das Augenmerk mehr auf geistig als auf Konstrukt liegt. Damit meine ich: Terroir ist eine Idee, die im Menschen geboren wird, aber nicht wie eine mathematische Formel, die ewig gilt, sondern als Idee, die aus etwas entspringt, was in der Natur liegt, aus etwas Natürlichem, zumindest Vorgefundenem und sich Veränderndem.


Darin spiegelt sich dein Zwiespalt gut wieder. Hinter "Terroir gibt es gar nicht" müsstest du eigentlich einen Punkt setzen. Was du danach schreibst, hat mit Terroir - so wie der Begriff zumeist verstanden wird - nichts zu tun und führt genau dazu, was du bemängelst: nämlich, dass Terroir zu einem reinen Marketingbegriff verkommt. Wenn Terroir ganz hauptsächlich Menschenwerk, eine innere Einstellung ist, dann kann jeder Mensch, der nur die richtige Einstellung hat, einen Terroirwein erzeugen. Es lässt sich ja durchaus argumentieren, dass die spannendsten Weine von spannenden Menschen erzeugt werden. Aber das muss man doch nicht unter dem Begriff "Terroir" tun.

Noch ein kurzer Exkurs zur Musik:

Markus Vahlefeld hat geschrieben:Gäbe es in der Musik Terroir, Amy Winehouse’ Musik wäre Terroirmusik. Es ist diese Komposition aus Verschwendung, Unglück, Wahnsinn und Zärtlichkeit verbunden mit dem unbedingten Willen zu einer authentischen Form, die mich an das Konstrukt Terroir erinnerte.


Das ergibt für mich wenig Sinn. Auch hier wieder erklärst du Terroir als Gebilde, das seine Qualität mehr oder weniger ausschließlich aus bestimmten Eigenschaften des Schöpfers ziehen soll. Was hat das mit Terroir zu tun?

Für mich gibt es übrigens Terroirmusik. Es ist für mich Musik, die nur herkommen kann, wo sie herkommt. Um mich nicht zu wiederholen, verweise ich auf einen anderen Thread: viewtopic.php?f=38&t=912&p=18147&hilit=valentine#p18147

Ich bin trotzdem gespannt auf den weiteren Diskussionsverlauf. Bislang sehe ich noch keine gemeinsame Diskussionsgrundlage.
Beste Grüße, Stephan
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octopussy

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Re: Terroir - wer hat Recht?

BeitragDo 29. Dez 2011, 11:26

Charlie hat geschrieben:Wenn es nach viel Text darauf hinauslauft, dass ein Terroir-Wein praktisch ein guter Wein ist, dann ist das Ganze sinnlos.

Danke, das bringt es in kurzen Worten auf den Punkt.
Beste Grüße, Stephan
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Gerald

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Re: Terroir - wer hat Recht?

BeitragDo 29. Dez 2011, 11:53

Hmmm, ganz ehrlich erkenne ich noch nicht ganz den Sinn der Diskussion überhaupt. Man streitet darum, wann ein Wein jetzt ein Terroirwein ist. Schmeckt er dadurch besser, wenn man ihm dieses "Label" umhängen kann?

So geht es doch darum, nur eine Definition für einen undefinierten Begriff zu finden. Da es dafür weder eine logische Ableitung noch irgendwie offizielle Richtlinien gibt, kann sich jeder selbst eine Definition zusammenbasteln, die dann natürlich für andere keine Gültigkeit hat. So gesehen ist ein Terroirwein vergleichbar mit einem "guten Wein" - das kann auch jeder für sich selbst definieren.

Grüße,
Gerald
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Charlie

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Re: Terroir - wer hat Recht?

BeitragDo 29. Dez 2011, 12:06

Gerald hat geschrieben: So geht es doch darum, nur eine Definition für einen undefinierten Begriff zu finden.
Ich denke man braucht gar keine Definition. Damit sind wir schon zu viert: ich, Löwenstein, Buddha und Karl Popper.
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Gerald

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Re: Terroir - wer hat Recht?

BeitragDo 29. Dez 2011, 12:14

Ich denke man braucht gar keine Definition. Damit sind wir schon zu viert: ich, Löwenstein, Buddha und Karl Popper.


So gesehen ist die Terroirfrage vielleicht nur ein einziges großes Koan - dessen Lösung möglicherweise lautet, dass das Ganze irrelevant ist und man sich lieber mit etwas Sinnvollem beschäftigen sollte. Beispielsweise mit dem Sand rechen im Klostergarten ...

Grüße,
Gerald (oder Nicht-Gerald?)
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welari

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Re: Terroir - wer hat Recht?

BeitragDo 29. Dez 2011, 12:28

Teroir - wer hat Recht ?

Meiner Meinung ist das die gleiche irrelevante Frage wie eine zuletzt gestellte Frage, hier im Forum:
,,Was macht einen Wein, wirklich groß ?"

Dazu fällt mir noch folgende Frage ein.

Was ist nördlicher von Nord ? :-)

In diesem Sinne,

Gruß
Ari
Ari
Vinum Lac Senum
Vinum bonum deorum donum

Ich sehe in Gedanken auf jeder Flasche Wein, den folgenden Spruch:
,,Tröste Dich Du Eingesperrter, Dein Erlöser steht vor Dir."
(Inschrift auf einem Weinfaß in der Domaine Schaetzel in Boersch/Elsaß)
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