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Populäre Begriffe der Weinsprache

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stollinger

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Re: Egon Schäffer

BeitragMo 11. Jan 2021, 10:04

OT:
UlliB hat geschrieben:[Ach ja, und jetzt OT und nur ganz am Rande: den Begriff "Phenolik" empfinde ich in der Weinsprache als das mittlerweile ärgerlichste pseudowissenschaftliche Gebrabbel. Es ist schon richtig, dass die meisten Gerbstoffe im Wein chemisch betrachtet in die Gruppe der Phenole gehören, aber in diese chemische Gruppe gehört alles Mögliche - [...] Warum redet man nicht schlicht und einfach von "Gerbstoffen"?]

Da mache ich mich auf jeden Fall schuldig, ich muss zugeben, ich verwende den Begriff Phenolik gerne, gerade weil er so wunderbar weich ist :oops: :lol: . Meistens benutze ich ihn, um eine herbe, vielleicht tonische, Bitternote zu beschreiben, die ja wirklich auf Verbindungen zurückgehen, die sich strukturell von Phenol ableiten (z.B. Cumarsäureethylester) und beziehe mich geistig nicht auf die Gruppe der Phenole, so wie Erich.
EThC hat geschrieben:...von Phenolik rede ich eigentlich nie (hoffentlich stimmt's auch :? ), von Phenol oder phenolisch jedoch schon, dann meine ich jedoch explizit Phenol aka Carbolsäure aka Hydroxybenzol aka Benzenol. Gerbstoffe sind bei mir Gerbstoffe...

Solche Verbindungen sind ja wasserlöslich und auch im Fruchtfleisch vorhanden und gehen auch beim simplen Abpressen in den Wein über. Gerbstoffe oder Tannine, die als adstringent-zusammenziehend empfunden werden und ich gern als griffig, adstringierend beschreibe, leiten sich ja z.B. von der Gallussäure ab (die ist auch noch recht acide und sorgt zusätzlich für einen Frischeeindruck). Für diesen Typ von Gerbstoffen benötigt man ja schon eine gewisse Maischestandzeit oder Holzausbau, um sie in ausreichender Menge in den Wein zu bekommen. Wenn ich nicht weiß wie der Wein gemacht wurde, also, ob es z.B. eine Maischestandzeit gegeben hat, mogel ich mich dann gerne mit dem Begriff Phenolik durch...Einfach damit mein Verkostungkartenhaus nicht einstürzt, wenn mir jemand mit dem Hinweis auf die Weinbereitung meine Wahrnehmung ad absurdum führen könnte, ich bin da schon eitel ;) .

Noch anstrengender finde ich den Begriff, Mineralik/Mineralität. Viele beschreiben damit eine eher taktile Wahrnehmung, die ich auf Gerbstoffe zurückführe, vielleicht auch die Säure. Ich und andere benutzen es lieber für bestimmte schwefelassozierte Aromen von nassen Steinen. Was ich aber an dem Begriff, genau so wie Phenolik schwierig finde (neben der Weichheit), ist, dass die Begriffe so fälschlich, einseitig positiv konnotiert sind. Da wird dann irgendwas ungreifbares, präzise wie ein Horoskop, unter den Begriffen subsummiert, taucht in jedem zweiten Satz von Heiner auf und wird dann für die Qualität und das Besondere eines Weins herangezogen. Und dann auch noch diese blödsinnige Assoziation von Mineralik mit dem Grundgestein der Rebfläche. Aber ich bin ja schon auch selber schuld, wie war das mit dem ersten Stein werfen?

In Summe, ich gebe dir vollkommen recht, der Begriff Phenolik ist wenig hilfreich für eine nachvollziehbare Weinbeschreibung.
UlliB hat geschrieben:Bei Weißweinen, bei denen die Gerbstoffe naturgemäß wesentlich schwächer ausgeprägt sind als bei diesen Weinen, kann es deshalb sein, dass ich diese Strukturkomponente schon mal übersehe.

Das kann ich nachvollziehen, man muss sich da etwas disziplinieren, auch bei einem Weißwein seine Aufmerksamkeit zu richten. Manchmal springen einen auch bei Weißweinen die Gerbstoffe an, aber ich finde, es ist schon schwierig, Gerbstoffe absolut zu erfassen. Das weißt du mit Sicherheit besser als ich, ich finde es geht leichter, die Veränderung wahrzunehmen. Dafür muss man aber einen Wein auch über ein, zwei, drei Tage verfolgen und zu bestimmten Phasen sind die Gerbstoffe auch kaum wahrnehmbar. Das ist komplex zu erfassen und noch schwieriger nachvollziehbar zu beschreiben.

Grüße, Josef
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amateur des vins

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Re: Egon Schäffer

BeitragMo 11. Jan 2021, 11:04

Ich habe mich lange gegen die Verwendung der Begriffe "Mineralik/Mineralität" und "Phenolik" gesträubt, eben weil diese den Anschein erwecken, irgendwie präzise aus der Weinchemie abgeleitet zu sein. Ganz zu schweigen von der schon erwähnten Verschwurbelung von Mineralien mit Mineralstoffen.

Aber auch den Assoziationen von Zitrone, Kirsche, Lakritz, Leder, Salz :!: (omfg) geht keine chemisch Analyse voran, und die Stoffe dürften auch meist nicht dieselben wie in besagten Substanzen und Materialien sein. Seit ich das für mich so erkannt zu haben glaube, geht mir "mineralisch" und "phenolisch" gleich viel leichter von der Tastatur. :mrgreen:
Besten Gruß, Karsten
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OsCor

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Re: Egon Schäffer

BeitragMo 11. Jan 2021, 11:18

Die letzten Beiträge gehören für mich in den Faden über Weinbeschreibungen kopiert. Ich halte sie für sehr wichtig; es haben sich zuletzt einige Weinliebhaber angemeldet, die sich als relative Anfänger bezeichnen und die wie ich (bei mir ist es sicher, bei den anderen vermute ich das einfachmal) gelegentlich mit den Armen rudern, um nicht im Meer der Beschreibungen (hier! Lobenberg brauchen wir zu dem Zweck überhaupt nicht :-) ) unterzugehen - ohne viel nachvollziehen zu können.

Gruß
Oswald
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UlliB

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Re: Egon Schäffer

BeitragMo 11. Jan 2021, 12:02

amateur des vins hat geschrieben:Aber auch den Assoziationen von Zitrone, Kirsche, Lakritz, Leder, Salz :!: (omfg) geht keine chemisch Analyse voran, und die Stoffe dürften auch meist nicht dieselben wie in besagten Substanzen und Materialien sein.

In der Beschreibung von Aromen muss man zwangsläufig auch mit Analogien arbeiten, da hilft nichts. Und insofern habe ich gegen die genannten Beispiele überhaupt nichts einzuwenden. Selbst "Mineralik" mag da noch durchgehen, da das auch nichts anderes als eine (allerdings vergleichsweise unscharf gefasste) Analogie.

Aber mit "Phenolik" verhält es sich ja ganz grundsätzlich anders. Hier steht überhaupt keine Analogie dahinter, sondern man hat eine gemeinsame chemische Eigenschaft einer ganzen Stoffklasse von Verbindungen im Wein zur Beschreibung eines sensorischen Eindrucks herangezogen. Sachlich falsch ist das auch noch, denn diese chemische Klasse ist für den damit gemeinten sensorischen Eindruck weder notwendig noch hinreichend - es gibt im Wein etliche Phenole, die zur "Phenolik" überhaupt nichts beitragen.

Übrigens gibt es in der (wissenschaftlichen) Sensorik durchaus den Begriff "phenolisch" - aber der meint einen charakteristischen Geruchseindruck, nämlich den von der chemischen Verbindung Phenol, siehe Erichs Beitrag. Das hat mit der ominösen "Phenolik" im Wein gar nichts zu tun.

Gruß
Ulli
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Gerald

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Re: Egon Schäffer

BeitragMo 11. Jan 2021, 12:56

Übrigens gibt es in der (wissenschaftlichen) Sensorik durchaus den Begriff "phenolisch" - aber der meint einen charakteristischen Geruchseindruck, nämlich den von der chemischen Verbindung Phenol, siehe Erichs Beitrag. Das hat mit der ominösen "Phenolik" im Wein gar nichts zu tun.


ja, "phenolisch" (im Sinn der Reinsubstanz Phenol) als Geruchseindruck kenne ich auch aus meinem beruflichen Umfeld - da geht es aber um Abwasser. :D

Ich schätze, viele der Aromenbeschreibungen haben mehr den Zweck, attraktiv zu klingen als tatsächlich die Realität wiederzugeben. Was oft als "mineralisch" bezeichnet wird, könnte man vielfach besser als Waschpulver mit den zugesetzten "Frischenoten" beschreiben - aber so einen Wein würde wohl niemand kaufen, daher die hübsch klingende, aber recht sinnlose "Mineralik". Ähnliches gilt für viele andere Aromen, ich kann mich an einen Rotwein erinnern (war ein Montepulciano d'Abruzzo), der im Kontext sehr interessante und passende, dezente Aromen von Dijonsenf hatte. Das wird aber auch niemand - zumindest der den Wein auch verkaufen möchte ;) - so schreiben.

Grüße
Gerald
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amateur des vins

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Re: Egon Schäffer

BeitragMo 11. Jan 2021, 13:12

Gerald hat geschrieben:Was oft als "mineralisch" bezeichnet wird, könnte man vielfach besser als Waschpulver mit den zugesetzten "Frischenoten" beschreiben - aber so einen Wein würde wohl niemand kaufen, daher die hübsch klingende, aber recht sinnlose "Mineralik".
Ich selber verwende den Begriff, wenn ich Halluzinationen Assoziationen von Gestein entwickle: Schiefer, Muschelkalk, Granit,... Würde ich "parfürmiertes Waschpulver erkennen", wäre der Wein wohl schneller im Ausguß, als ich "Mineralik" buchstabieren könnte.
Gerald hat geschrieben:Ähnliches gilt für viele andere Aromen, ich kann mich an einen Rotwein erinnern (war ein Montepulciano d'Abruzzo), der im Kontext sehr interessante und passende, dezente Aromen von Dijonsenf hatte. Das wird aber auch niemand - zumindest der den Wein auch verkaufen möchte ;) - so schreiben.
Komisch, oder? Katzenpisse, Autoreifen oder Teer sind ja auch akzeptiert. Da ziehe ich den Dijonsenf doch deutlich vor.
Besten Gruß, Karsten
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Gerald

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Re: Egon Schäffer

BeitragMo 11. Jan 2021, 13:19

Na ja, Gestein selbst (wenn es nicht fein vermahlen wird) ist ja üblicherweise völlig geruchlos, da geht es wohl eher um Ausscheidungsprodukte der darauf befindlichen Mikroorganismen, oder? Aber parfümiertes Waschpulver finde ich als dezente Komponente in Weißweinen nicht so schlimm.

Und Dijonsenf habe ich zumindest noch nie in einer Weinbeschreibung eines Händlers gefunden, ich glaube das wäre eher kontraproduktiv.

Anderes Beispiel (ohnehin schon einmal diskutiert) sind die oft erwähnte Weißdornblüten. Wer das nicht kennt, möge einmal zur Blütezeit im Frühjahr daran riechen, ich denke, das muss man auch nicht unbedingt im Wein wiederfinden. ;)

Grüße
Gerald
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Lorne Malvo

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Re: Egon Schäffer

BeitragMo 11. Jan 2021, 13:19

Danke für die Aufklärungen,

ich habe den Begriff „phenolisch“ zumeist nur bei Weisswein verwendet, wenn deutlich trocknender Gerbstoff spürbar war.
Da das wissenschaftlicher Nonsens ist, werde ich mir das jetzt abschminken.
Etwa so: https://glossar.wein.plus/phenolisch
Tannine sind ja auch nur ein Teil der Phenol-Gruppe. Insofern sollte man es entweder tatsächlich konkretisieren oder
lassen.
Es sei denn man beschreibt einen an Desinfektion oder Klebstoff/Kunstharz erinnernden Geruch. Dann wäre es wohl wissenschaftlich etwas richtiger, aber dann kann man es auch direkt benennen.

Man sollte sich von Zeit zu Zeit sein Geschreibsel mal durch den Kopf gehen lassen.
Ich werde das sicher in Zukunft anders einsetzen.

Salz :!: (omfg)

Findest du das Schwachsinn?

Ich esse mittlerweile ziemlich salzarm(vielleicht liegts daran), aber ich spüre das wirklich häufig (und deutlich) in Weinen. Oft in Verbindung mit einer lebhaften Säure.

Und da finde ich mineralisch durchaus akzeptabel, weil Natriumchlorid passt.
Auch „kreidig“ (leicht cremig-schmiegelig??) könnte demnach mineralisch sein, auch wenn ich dieses nur sehr selten assoziieren würde.

Man kann es aber auch einfach konkret machen und die etwas wichtigtuerische Weinsprache konkretisieren oder so verständlich wie möglich vereinfachen.
OsCor hat geschrieben:Die letzten Beiträge gehören für mich in den Faden über Weinbeschreibungen kopiert.

Finde ich auch.
„Weine nicht, weil es vorbei ist, sondern lächle, weil es schön war.“
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amateur des vins

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Re: Egon Schäffer

BeitragMo 11. Jan 2021, 13:54

Gerald hat geschrieben:Na ja, Gestein selbst (wenn es nicht fein vermahlen wird) ist ja üblicherweise völlig geruchlos, da geht es wohl eher um Ausscheidungsprodukte der darauf befindlichen Mikroorganismen, oder?
Genau.
So, wie es bei anderen Aromassoziationen typischerweise auch um etwas anderes geht: 'n Klecks Teer? 'n bißchen Lederabrieb?

Apropos Stoffwechselendprodukte: Neben reduktiver und/oder schwefeliger Umgebung, halte ich die Theorie für plausibel, daß für den Eindruck von "Mineralik" auch das Biom am und unter'm Weinstock verantwortlich ist. Ich habe da mal eine Doku gesehen, die das auf sehr schlüssige Art und Weise untersucht hat, wenn auch nicht "bewiesen". Leider finde ich keinen Link.
Besten Gruß, Karsten
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amateur des vins

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Re: Egon Schäffer

BeitragMo 11. Jan 2021, 14:06

Lorne Malvo hat geschrieben:
Salz :!: (omfg)

Findest du das Schwachsinn?
Ich versuche, das weniger drastisch zu formulieren, aber... ja!
...und ich weiß, daß es Salze im Wein gibt. Ich denke nur nicht, daß es die sind, wenn jemand von "Salz" spricht. Aber bitte - Teer, Leder, ... alles gut! :mrgreen:
Aber bitte dann auch so präzise sein, wie bei "Phenolik". NaCl wird ja wohl nicht in jedem Fall gemeint sein.
Lorne Malvo hat geschrieben:Ich esse mittlerweile ziemlich salzarm (vielleicht liegts daran), aber ich spüre das wirklich häufig (und deutlich) in Weinen. Oft in Verbindung mit einer lebhaften Säure.
Wir essen schon lange relativ salzarm. "Salz" im Wein habe ich noch nie wirklich geschmeckt. Ein, zweimal habe ich wohl gedacht, daß man sich das einbilden könnte. Und ja, ich denke, daß das ein physiologischer Effekt der Säure auf der Zunge ist (ohne daß ich Details nennen könnte).
Besten Gruß, Karsten
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