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Wein reifen lassen - zur Geschmacksverbesserung?

Was Sie schon immer über Wein wissen wollten, aber nie zu fragen wagten
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JPO

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Wein reifen lassen - zur Geschmacksverbesserung?

BeitragMo 2. Okt 2023, 20:17

ich habe mal ein neues Thema aufgemacht, da die Diskussion im Keller-Thread ausartete, andererseits viel Diskussionsstoff bietet. Das Thema ist nicht neu, es gibt in den Tiefen dieses Forums schon einige Threads dazu. Es ist immer mal wieder gut, sich des Themas von Zeit zu Zeit neu anzunehmen.

Also, was wurde bisher gesagt/gefragt?
Ich hatte die Frage gestellt anlässlich eines sündhaft teuren Riesling-GGs Jahrgang 2021, warum die Flasche weit vor der Zeit, bevor er "gross" werden wird, getrunken wurde. Der Trinker hatte selbst geschrieben, dass er in einigen Jahren mal "gross" werden wird. Ich hatte auch gefragt, wie man den optimalen Zeitpunkt bestimmen kann, wann es sich lohnt die Flasche im "grossen Zustand" zu öffnen.

Es wurde auch diskutiert, ob Reifung immer sein muss, ob er besser oder nur anders durch Lagerung wird und dass es Menschen gibt, die Jungweine bevorzugen und Menschen, die auf gereifte Weine stehen.

Dazu noch eine Anmerkung zur Chardonnay-Rebsorte: ich finde die reift sehr hervorragend, wird also mit dem Alter immer intensiver im Geschmack, dh Reife bekommt ihr nach meiner Geschmacksvorliebe ausgesprochen gut. Nun kann ich dies insofern beurteilen, als dass ich von zwei Erzeugern mehrere Flaschen über ca. 6 Jahre immer wieder getrunken hatte, einen Chateau de Meursault Merseault Charmes 1er Cru 2013 und einen Dreissigacker Bechtheim 2014. Ich kann sagen, beim gereiften Chardonnay hat man ein Maul voll Wein, kräftig und komplex. Eine ähnliche Reifung von Rieslingen konne ich in dieser Fom noch nicht feststellen, ich hatte mal ein Keller Kirchspiel 2016 nach 5 Jahren aufgemacht, ich fand den Geschmack belanglos, viele Ortsweine wären mir da lieber gewesen. Warum ist das so? Weil beim Chardonnay mehr mit Holz, sprich Barriques gearbeitet wird? Weil die Rebsorte Chardonnay dankbar für Reifung im Holzfass ist? Übrigens finde ich vergeichbar zu Chardonnay die weissen trockenen Bordeaux, die lassen sich nach 10 Jahren ebenso gereift hervorragend trinken, weil Nase und Geschmack intensiver werden.

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EThC

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Re: Wein reifen lassen - zur Geschmacksverbesserung?

BeitragMo 2. Okt 2023, 20:31

JPO hat geschrieben:Eine ähnliche Reifung von Rieslingen konne ich in dieser Fom noch nicht feststellen, ich hatte mal ein Keller Kirchspiel 2016 nach 5 Jahren aufgemacht, ich fand den Geschmack belanglos, viele Ortsweine wären mir da lieber gewesen. Warum ist das so?
...nach meiner Erfahrung kann man dem Riesling nicht zuschreiben, daß er keine signifikante Verbesserung durch Reifung erfahren kann, daß einzelne Weine hinter den Erwartungen zurückbleiben, ist dabei unbenommen. Auch hier klar die Geschmacksfrage, insbesondere der Riesling neigt im Alter zur Ausbildung von organochemischen Aromen, die von Wachs über Naphtalin bis hin zum Heizöl reichen. Wenn man das mag, i.O., ich persönlich mag's allenfalls in Spuren; dementsprechend begrenzt sich aus meiner Sicht das Leben eines Rieslings auf den Punkt, ab dem die Tankstelle die Pole übernimmt...
Viele Grüße
Erich

Nicht was lebendig, kraftvoll, sich verkündigt, ist das gefährlich Furchtbare. Das ganz Gemeine ist's
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amateur des vins

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Re: Wein reifen lassen - zur Geschmacksverbesserung?

BeitragMo 2. Okt 2023, 20:52

@JPO
Liest sich so, als würdest Du Holz im Wein mögen.
Besten Gruß, Karsten
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Bernd Schulz

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Re: Wein reifen lassen - zur Geschmacksverbesserung?

BeitragMo 2. Okt 2023, 20:59

Nur noch mal - auch wenn ich mich damit unbeliebter denn je mache - zur Erinnerung: Bemerkenswerte Rieslinge gibt es nicht nur in trocken!

Und davon abgesehen lasse ich Wein eher zwecks Geschmacksveränderung reifen - wie oft diese Veränderung tatsächlich eine Verbesserung darstellt, würde ich erst einmal dahingestellt sein lassen wollen.

Bis vor zwanzig Jahren war ich vor allem im Hinblick auf Weißweine ein gnadenlos überzeugter Jungweintrinker. Mit kräftiger Nachhilfe habe ich dann aber doch noch das Universum der gereiften Weine für mich entdecken können und dadurch eine gewaltige Bereicherung erfahren. Trotzdem trinke ich nach wie vor mit viel Freude ganz junges Gemüse.

Junge Weine haben ihren eigenen Reiz und ältere/alte Weine haben ebenso ihren anderen eigenen Reiz. Was spricht dagegen, sich in beiden Welten zu bewegen?

Im Einzelfall verändert sich ein Wein natürlich mit zunehmendem Alter eher zum Vorteil oder zum Nachteil. Pauschale Berechnungen lassen sich aber meiner Erfahrung nach darüber kaum anstellen. Und es gibt darüber hinaus tatsächlich viele Weine (vor allem von erstklassigen Erzeugern), die blutjung ein wunderbares Erlebnis bieten und zehn bis zwanzig Jahre später genauso wunderbar anmuten, aber auf eine völlig andere Art.

Mein Horizont in puncto Reife ist mittlerweile weit gesteckt.
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JPO

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Re: Wein reifen lassen - zur Geschmacksverbesserung?

BeitragMo 2. Okt 2023, 21:04

amateur des vins hat geschrieben:@JPO
Liest sich so, als würdest Du Holz im Wein mögen.


Da sag ich mal nicht nein. Unabhängig davon scheint Holz, also die in den Wein abgegebenen Tanine, Wein langlebiger werden zu lassen. Zumindest sind ja Bordeaux und Burgund und andere französische Barrique-Ausbauten als Langläufer bekannt.

Andererseits habe ich für mich herausgefunden, dass wenn ich viel Holzweine trinke, ich merke, wie der Fruchtcharakter in den Hintergrund gedrängt wird, und ich das auf Dauer ebenfalls eintönig finde. Aufgefallen ist mir das insb. mit Weissburgunder aus neuem Holzfass.
Zuletzt geändert von JPO am Mo 2. Okt 2023, 21:24, insgesamt 1-mal geändert.
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JPO

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Re: Wein reifen lassen - zur Geschmacksverbesserung?

BeitragMo 2. Okt 2023, 21:17

noch eine Anekdote:
als vor einigen Jahren der Vater eines Bekannten verstarb, durfte ich mithelfen, den Keller auszuräumen. In die Hände fielen uns hunderte von Riesing-Weinflaschen zumeist von günstiger Qualität in die Hände, d.h. Gutsweine von unbekannten Winzern, dazu einige Kabinette und Spätlesen, alles trocken. Alter der Flaschen: bis zu 50 Jahre, dazu kamen Licht und suboptimale Temperatur. An einem Abend haben wir insgesamt ca 25 Flaschen geöffnet, zu dritt musste jeder reihum die nächste Flasche probieren, sonst wäre es auch nicht machbar gewesen. Nicht eine einzige Flasche war trinkbar, alles Essig. Was aber durchaus erkennbar war: Spätlesen waren durchweg der bessere Essig :mrgreen: . Heisst: höhere Qualitäten haben durchaus eine bessere Lagerfähigkeit, das will ich mal hiermit verallgemeinern.
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amateur des vins

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Re: Wein reifen lassen - zur Geschmacksverbesserung?

BeitragMo 2. Okt 2023, 21:25

JPO hat geschrieben:
amateur des vins hat geschrieben:@JPO
Liest sich so, als würdest Du Holz im Wein mögen.
Da sag ich mal nicht nein. Unabhängig davon scheint Holz, also die in den Wein abgegebenen abgegebenen Tanine, Wein langlebiger werden zu lassen. Zumindest sind ja Bordeaux und Burgund und andere französische Barrique-Ausbauten als Langläufer bekannt.
Tannine werden nur zu einem relativ geringen Teil durch Holzausbau eingebracht. Das meiste kommt aus der Beerenschale, ggf. Kernen oder Rappen. Was Du einbringst, sind bestimmte Aromen wie z.B. Vanillin und Röstaromen durch das Toasting des Fasses.

Die Aufnahme von Stoffen aus dem Holz macht den Wein nicht per se langlebiger. Allerdings hast Du beim Holzausbau zwangsläufig mehr oder weniger (Mikro-)Oxigenation, die diesbezüglich einen Beitrag leisten kann.

Und ja, "Zucker konserviert", heißt es. Ich habe aber den Verdacht, daß das eher daran liegt, daß Süßweine im Mittel höher geschwefelt werden müssen, was sie dann stabiler gegen Oxidation macht. Mit der Essiganekdote hat das natürlich erstmal nichts zu tun.
Besten Gruß, Karsten
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Bernd Schulz

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Re: Wein reifen lassen - zur Geschmacksverbesserung?

BeitragMo 2. Okt 2023, 21:30

JPO hat geschrieben: In die Hände fielen uns hunderte von Riesing-Weinflaschen zumeist von günstiger Qualität in die Hände, d.h. Gutsweine von unbekannten Winzern, dazu einige Kabinette und Spätlesen, alles trocken. Alter der Flaschen: bis zu 50 Jahre, dazu kamen Licht und suboptimale Temperatur. An einem Abend haben wir insgesamt ca 25 Flaschen geöffnet, zu dritt musste jeder reihum die nächste Flasche probieren, sonst wäre es auch nicht machbar gewesen. Nicht eine einzige Flasche war trinkbar, alles Essig.


Was genau verstehst du denn unter "Essig"? Bislang kam mir noch kein einziger oller Riesling unter, dem ich die Mutation zu Essig unterstellt hätte. Massive Oxidationsnoten bis hin zur Ungenießbarkeit habe ich dagegen schon oft erlebt, aber diese Noten hatten überhaupt nichts mit Säure zu tun.
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JPO

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Re: Wein reifen lassen - zur Geschmacksverbesserung?

BeitragMo 2. Okt 2023, 22:56

Bernd Schulz hat geschrieben:Was genau verstehst du denn unter "Essig"?


Riecht nach Essig, schmeckt nach Essig. Der Wein war zu Essig vergoren. Dafür gibts sogar Reaktionsgleichungen im Internet, kann man googlen. Ich bin kein Chemiker, ich habe nur das Ergebnis auf der Zunge gehabt, war gar nicht gut.
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amateur des vins

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Re: Wein reifen lassen - zur Geschmacksverbesserung?

BeitragDi 3. Okt 2023, 00:28

Wenn Wein "zu Essig wird", dann praktisch ausnahmslos, weil Essigsäurebakterien Ethanol aerob zu Essigsäure verstoffwechseln.

Entweder waren schon bei der Abfüllung zuviele von den Biestern im Wein, dann war es von Anfang an ein Weinfehler. Oder - wahrscheinlicher - bei den alten Buddeln sind die Korken undicht geworden und die in der Umwelt omnipräsenten Bakterien eingewandert.

In beiden Fällen ist es kein Alterungsphänomen des Weines.
Besten Gruß, Karsten
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