MichaelS hat geschrieben:Bislang habe ich jeweils zehn Flaschen Viña Ardanza 2010, Château de Retout 2015, Château Carmenere 2015, Clos Manou 2016,Il Poggione Brunello di Montalcino, 2012 und noch Barolo Monvigliero von Bel Colle 2013.
Hallo Michael,
nicht falsch verstehen: aber grob überschlagen hast Du jetzt etwa 1500 EUR ausgegeben, um 6 Weine kennenzulernen. das halte ich für relativ kostspielig - zumindest wenn Du so fortfahren möchtest!
Was hier ja schon oft gesagt wurde: gerade am Anfang geht nichts über probieren, probieren und wiederum probieren. Du musst Dir Deine eigenen Präferenzen herausbilden. Und Du musst davon ausgehen, dass sich diese Präferenzen auch wieder ändern werden. Ich habe vor gut 30 Jahren auch mit Bordeaux angefangen. Damals gabs leider noch kein Internet und man war auf die wenigen Fachzeitschriften angewiesen oder auf einige wenige sehr allgemein gehaltene Bücher von Johnson oder Broadbent. Vieles was ich damals gekauft habe, war sein Geld nicht wert (z.B. Croizet-Bages aus 1985). Andere Sachen trinke ich heute noch ganz gerne wie den Il Falcone von Rivera. Mit Beginn von Talk-About-Wine (dem - sorry, wenn ich das so sage - Vorgängerforum) hielt dann eine gezieltere Herangehensweise Einzug. Allerdings gab es auch seitdem wieder Geschmacksveränderungen bei mir. Die vielen Priorats aus der Anfangszeit von TAW trinke ich nur noch "leer". Inzwischen bin ich bei Rotwein sehr klassisch unterwegs: Pinot Noir/Spätburgunder aus F und D, Bordeaux eher klassischer Prägung, Rioja ebenfalls traditionell, neuerdings auch eine wenig Barolo und gerade fange ich wieder mit den eher kühleren Syrahs von der Nordrhone an zu sympathisieren. Bei den Weißweinen bin ich klassisch bei Riesling, Chardonnay, Weißburgunder und Silvaner - aber auch hier gilt: es gibt viel rechts und links davon zu entdecken. Obwohl ich mich jetzt schon 30 Jahre mit dem Thema beschäftige, komme ich mir immer noch wie eine "Unwissender" vor!
Und was die Haltbarkeit von Rot-und Weißwein anbelangt wage ich mal die provakante These: es gibt keine Unterschiede!! Viele Weißweine werden zu jung getrunken und viele Rotweine werden zu lange gelagert!
Im Ernst, eher "einfache" Rotweine sind für den schnellen Verbrauch gedacht (und damit meine ich keinen Supermarkt-Chianti, sondern z.B. auch den am Samstag zur Pizza getrunkenen Crozes-Hermitage "Les Trois Chenes" von Emmanuel Darnaud). Das hat perfekt gepasst. Komplexere Weißweine (und das merkst Du leider auch oft an den ambitionierteren Preisen) sind natürlich auch für die lange Lagerung gedacht. Ein großer trockener Riesling (z.B. ein GG aus D) kann durchaus 15 bis 20 Jahre reifen und gewinnt dabei auch an Komplexität. Genauso ist es bei sehr guten Chardonnay aus dem Burgund. Von süßen und edelsüßen Weinen rede ich erst gar nicht!
Zum Aldi-Barolo: kauf Dir ruhig mal eine Flasche und mache dazu im Vergleich den Bel Colle auf, ich denke Du wirst die Unterschiede erkennen, aber das kannst Du eben nur, wenn Du Erfahrungen - auch negative - sammelst!!
Und was die deutschen Rotweine anbelangt: es gibt ja immer wieder Diskussionen zu deutschen Spätburgundern und französischen Pinot Noirs. Natürlich gibt es da Unterschiede und natürlich
muss ein deutscher Spätburgunder auch nicht wie ein Pinot aus F schmecken. Alles hat seine Berechtigung, wenn es gut gemacht ist! Und mit zunehmender Klimaveränderung und auch Erfahrung der Winzer werden Rotweine aus D immer besser und sind in vielen Bereichen ihren ausländischen Pendants schon ebenbürtig! Aber auch hier gibt es Themen, die man nicht einfach wett machen kann: in Burgund gibt es eben ein außergewöhnliches Terroir und die Winzer haben hier über Generationen Erfahrungen mit den Rebsorten gesammelt. Und diese Erfahrungen kannst Du dann immer wieder in einen neuen Jahrgang einfließen lassen - das bedeutet aber auch, dass jede Verbesserung immer auch erst mit einem Jahr Zeitverzug eintreten kann. Hier ist also Erfahrung und Zeit ein durchaus entscheidender Faktor! Aber wie gesagt - viele etablierte Winzer in D wie Huber, Knipser o.a. haben inzwischen ebenfalls einen reichen Erfahrungsschatz und können natürlich auch in einer globaleren Welt aus den Fehlern lernen, die woanders gemacht wurden!
Aber all dies wird nicht Deine Zunge und Deinen Geschmackssinn ersetzen. Letztendlich musst Du entscheiden, was Dir schmeckt und dabei kommt es nur nachrangig auf den Preis oder auf Parker-Punkte oder sonstige Bewertungen an!
Viel Spass!
Gruß,
Jochen