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Trends und Moden im Weinkonsum

Was Sie schon immer über Wein wissen wollten, aber nie zu fragen wagten
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BuschWein

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Re: Trends und Moden im Weinkonsum

BeitragDo 13. Jan 2011, 16:53

Ein paar Einschätzungen aus der Praxis:

Das auch hier gern gepflegte Vorurteil, dass viele Weintrinker zwar trocken verlangen aber restsüß besser schmeckt, kann ich bei unseren Verkostungen nicht teilen. Nur ein kleiner Anteil goutiert Süße beim Wein. Dass gelegentlich halbtrockene/feinherbe Weine gefallen liegt dann eher daran, dass sie kaum schmeckbare Süße aufweisen. Auch bei Leuten die neu vom LEH zum Fachhandel kommen werden süße Weine eher nicht nachgefragt. Gelegentlich gibt es Fragen nach wirklich süßen Weinen, dann meist im ganz billigen Segment.

Italienische Weißweine, der Lugana hat heir sicher den Pinot Grigio abgelöst, aber man muss auch bedenken, dass der Pinot Grigio ein wenig eine (süd)deutsche Spezialnachfrage war, während international zu dieser Zeit Chardonnay eigentlich das Thema war.

Italienische Rotweine bleiben im Trend, ich sehe auch nicht, dass die Toskanafraktion nach Australien oder Südafrika abwandern würde. Vielleicht eher, dass bei den jungen Weintrinkern das Thema Italien nicht ganz so en Vogue ist wie bei den heute 50 + jährigen. Beim Thema Piemont sehe ich aktuell eine kleine Renaissance, insbesonder der Nebbiolo findet aktuell wieder mehr Beachtung. Süditalien und Sizilien bleiben weiter nachgefragt, auch wenn vielleicht der ganz große Run etwas zurückgegangen ist.

Französische Weißweine sehe ich durchaus nachgefragt, Loire und burgund gehen sehr gut. Chablis ist vielleicht kein Trend aberimmer noch beliebt, wenn auch eher bei einem konservativen, älteren Publikum. Weißweine aus Südfrankreich, zumindest die Klassiker tun sich immer noch oder eher weiterhin schwer.

Bei den Rotweinen, Bordeaux sicher im Topsegment nachgefragt und teuer, aber darunter eher schwierig, südliche Rhone ist der absolute Gewinner der letzten Jahre, Languedoc auch gut, aber nicht mehr ganz so stark, wie noch vor ein paar Jahren. Burgund kommt wieder, gerade auch bei jüngeren Konsumenten.

Spanien weiter gerade im Preisbereich 7,- bis 20,- EUR sehr nachgefragt, insbesondere die dunklen, schweren Rotweine. Spanier haben ein "günstiges" Image. Spanischer Weißwein hat aber durchaus Freunde, egal ob als Zechwein (Viura, Chardonnay ... ) oder auch höherwertige Weißweine aus Rueda oder Galizien.

Österreich denke ich ist immer noch sehr stark ein Süddeutsches Thema.

Ich sehe im Weinhandel keine "große" Australien Begeisterung. Die Verkaufszahlen der Australier sind eher im freien Fall.

Südafrika hat Potential, auch wegen der Urlauber und der Menschen, die die Weine vor Ort kennen lernen, aber der große Trend ist es nie geworden.
Armin
www.gutsweine.com

Dumme Menschen machen immer den gleichen Fehler, intelligente immer Neue ;)
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mundschenk

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Re: Trends und Moden im Weinkonsum

BeitragSo 30. Jan 2011, 19:20

octopussy hat geschrieben: Warum z.B. ist restsüßer deutscher Weißwein in England und den USA so beliebt, fristet bei uns abseits der Supermarkt-Spätlesen aber eher ein Randdasein? Warum trinken (tranken :?:) die Amerikaner so gerne Chardonnay?


Hallo Octopussy,

Für die Vorliebe vieler Amerikaner für restsüße deutsche Weine hätte ich gleich mehrere Erklärungsversuche:

1) Da Geschmacksvorlieben oft kulturell bedingt sind und viele Amerikaner von klein auf viele Softdrinks wie z.B. Coca-Cola, Fanta,etc. (mit enorm hohem Zuckergehalt) trinken, und Ketchup (mit enorm hohem Zuckergehalt) zu den beliebtesten Würzmitteln gehört, sind sie an relativ hohe Zuckerwerte gewöhnt (Adaptation).So ist es nicht weiter verwunderlich, wenn sich diese Vorliebe für Süße auch beim Wein niederschlägt.

2) Die "amerikanische Küche" unterliegt den Einflüssen von Einwanderern aus aller Welt (China, Thailand, Indien.) Häufig werden "exotische" Gewürze eingesetzt. Des Öfteren hört man die Begriffe "fusion food" und "Cross-Over- Küche“. Erfahrungsgemäß passen restsüße Weißweine zu scharfen, stark gewürzten Speisen besser als knochentrockene Weine.

3) Der Großteil der amerikanischen Rieslinge so z.B. der „dry“ Riesling vom weltgrößten Riesling Erzeuger Chateau St. Michelle. Von der Restsüße her würde dieser Wein in Deutschland vermutlich als halbtrocken eingestuft. Entsprechend betrachten viele Amerikaner die trocken ausgebauten deutschen Rieslinge als "bone dry" und ziehen daher halbtrockene oder restsüße deutsche Weißweine vor.

4) Da die Restsüße so manchen Weinfehler oder Unzulänglichkeit gnädig "kaschiert" und so manches dünne Weinchen etwas „schönt“ ist die Wahrscheinlichkeit im „Preiseinstiegsbereich“ einen trinkbaren Wein zu erstehen bei restsüßen Weinen vermutlich größer als beim trockenen Wein.

Auch für die Vorliebe der Amerikaner für die Rebsorte Chardonnay gibt es mehrere Erklärungsversuche:

1) In dem Einsteiger-Buch "Keine Angst vor Wein" von Cornelius und Fabian Lange (das sind die ,die auch die Weinserie im Stern" geschrieben haben) wird der Erfolg des Chardonnays in Amerika damit begründet, dass im Gegensatz zu den für viele Amerikaner schwer aussprechbaren deutschen, französischen, spanischen und italienischen Weinnamen, Ortschaften, und Lagen "jeder potato-head aus Idaho den Namen Chardonnay gut aussprechen kann"

2) Willy Gluckstern, New Yorker "Wine teacher" und Autor des genialen Büchleins "The Wine Avenger", seines Zeichens Deutschweinliebhaber und überzeugter Gegner von überholzten amerikanischen Chardonnays ( wie es sie zum Erscheinungszeitpunkt des Buches zuhauf gab...) formulierte es ähnlich treffend:
Frei übersetzt: " Der Grund warum so viele Amerikaner diese Art des Chardonnay mögen, ist der gleiche warum sie gerne bei MacDonalds essen: Man weiß genau was einen erwartet:
Der Geschmack ist verlässlich und immer und überall gleich.“

3) Da viele amerikanische Erzeuger diese Art Chardonnay in Barriquefässern aus amerikanischer Eiche ausbauen/ausbauen haben viele dieser oft alkoholreichen Weine durch einen hohen Anteil von Glykol und durch den biologischen Säureabbau her ein sehr weiches, cremiges, schmelziges Mundgefühl und duften häufig nach Sahne und Vanille. Eine Kombination, die eben auch vielen Leuten gefällt.

Bevor man mir nun vorwirft "den Amerikaner", "den Chardonnay" und "das Fast Food" gänzlich zu pauschalisieren und zu verdammen:

Ich habe viele weinbegeisterte Amerikaner kennen gelernt, die absolut nicht diesem Stereotyp entsprechen. Es gibt sicherlich jede Menge interessanter Chardonnay-Weine sowohl in Amerika, als auch in Frankreich oder in anderen Teilen der Welt und einmal im Monat gehe ich mit meinen Kindern (obwohl ich Slow Food Mitglied bin) gerne auch mal bei Mac Donalds essen! ;)

Gruß Peter
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_AL_

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Re: Trends und Moden im Weinkonsum

BeitragMo 31. Jan 2011, 10:06

Hallo Peter,
das ist ja eine vorzügliche Analyse des amerikanischen Trinkverhaltens!
Ein wenig habe ich aber auch mein Trinkverhalten wiedererkannt. Ich esse gerne Süßes und auch gern scharf und asiatisch, deshalb bin ich bei Riesling auch immer mehr in Richtung feinherb und halbtrocken gewandert. Ich vertrage diese Weine auch besser.
Ich liebe den einfachen Gutsriesling von Egon Müller, der ja gerade noch bezahlbar ist oder seinen Bela. Ich trinke gerne van Volxem (lieber Fuder 13 als den Schieferriesling, die gerade wieder hoch ausgezeichnet wurden).
Bei Van Volxem steht der Süßegrad nicht explizit drauf, vielleicht ist er deshalb so beliebt :D
Ich finde, dass gerade die milden MSR-Rieslinge mit gutem Säureausgleich und herrlichem Schiefergeschmack Kult sind (2008 übrigens viel besser als das hochgelobte, aber säurearme 2009) und in ihrer Art auch weltweit einzigartig, weil sie so nicht nachmachbar sind.
Nur süße Weine ohne Kontraste und ohne die sog. Mineralität finde ich aber absolut gruselig.
Bei ausgemachten Süßweinen mag ich es, wenn sie Alterungsnoten haben, was ich bei normalen Rieslingen nicht so mag (Beispiel: Jurancon 1999 Château Jolie). Neulich hatte ich einen recht jungen A. Kracher im Glas und der war so süß wie dänischer Vanillepudding - nix für mich.
Süße Weine haben bei uns leider immer noch das siebziger Jahre Klischee, sie seien so gruselig wie die Tapeten damals, was ja auch stimmte - zu dieser (meiner Kinder-)Zeit habe ich aber noch keinen Wein getrunken (ein Glück).
Ein sehr netter Weinhändler bei mir um die Ecke, der bei Weissweinen in die Trockentrinkfraktion einzuordnen ist, schaute mich lange und sehr verwundert an, als ich ihn fragte, frisch vom meiner Moselreise zurück, ob er auch diese filigranen feinherben Rieslinge führe. Er schüttelte ein wenig mitleidig den Kopf und sagte nach geraumer Zeit nachdenklich und leise: "Meine Mutter trinkt solche Weine!"
Dann war das Gespräch leider beendet. Uns beiden fiel einfach nichts mehr ein. Ich kam mir ein wenig vor, als hätte ich ihn gefragt, ob er Cola-Wein-Mix-Getränke da hätte :oops:
Zum Glück haben wir einen ähnlichen Rotweingeschmack!

Beste Grüße
Alexander
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WoFu

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Re: Trends und Moden im Weinkonsum

BeitragMo 31. Jan 2011, 10:53

Moin Alexander,

bei Deinen Ausführungen finde ich mich schon ziemlich gut wieder.

Zu vielen unserer Speisen zu Hause paßt ein leicht süßer Riesling ganz gut. Am besten kommen wir mit den Weinen von der Saar zurecht, auch wenn mal tatsächlich trocken draufsteht, warum diese säuretechnisch viel besser verträglich sind als die meisten Moseltropfen haben wir aber noch nicht herausgefunden.

Grüße

Wolfgang
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Bernd Schulz

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Re: Trends und Moden im Weinkonsum

BeitragMo 31. Jan 2011, 11:11

Am besten kommen wir mit den Weinen von der Saar zurecht, auch wenn mal tatsächlich trocken draufsteht, warum diese säuretechnisch viel besser verträglich sind als die meisten Moseltropfen haben wir aber noch nicht herausgefunden.



Dass Saarweine von der Säure her gesehen besser verträglich sind als Moselrieslinge, würde ich erst einmal stark bezweifeln wollen. Denn an der Saar ist die Säure oft augeprägter und härter, stahliger als an der Mosel. Wolfgang, ich vermute mal, dass es sich in deinem Fall um einen psychosomatischen Effekt handelt.

Ein sehr netter Weinhändler bei mir um die Ecke, der bei Weissweinen in die Trockentrinkfraktion einzuordnen ist, schaute mich lange und sehr verwundert an, als ich ihn fragte, frisch vom meiner Moselreise zurück, ob er auch diese filigranen feinherben Rieslinge führe. Er schüttelte ein wenig mitleidig den Kopf und sagte nach geraumer Zeit nachdenklich und leise: "Meine Mutter trinkt solche Weine!"


Tja, das mitleidige Kopfschütteln nebst dem nachgeschobenen Sätzchen spricht nicht gerade für den Horizont deines Händlers..... :roll:

Beste Grüße

Bernd
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Bernd Schulz

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Re: Trends und Moden im Weinkonsum

BeitragMo 31. Jan 2011, 11:42

Und noch etwas:

Süße Weine haben bei uns leider immer noch das siebziger Jahre Klischee, sie seien so gruselig wie die Tapeten damals, was ja auch stimmte - zu dieser (meiner Kinder-)Zeit habe ich aber noch keinen Wein getrunken (ein Glück).


Angesichts der etlichen hervorragenden restsüßen Rieslinge, die ich aus der ersten Hälfte der 70er getrunken habe, kann ich die pauschale Behauptung, die deutschen Weißen mit Restzucker seien damals gruselig gewesen, nicht unbedingt unterschreiben. Viele waren sicher ziemlich miserabel - so wie eben heute auch immer noch die Mehrzahl aller Weine.... :mrgreen:

Ich könnte ein paar Betriebe (vor allem Rheingauer) nennen, die in den 70ern besser waren als heute!

Beste Grüße

Bernd
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bordeauxlero

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Re: Trends und Moden im Weinkonsum

BeitragMo 31. Jan 2011, 13:35

mundschenk hat geschrieben:
octopussy hat geschrieben: Warum z.B. ist restsüßer deutscher Weißwein in England und den USA so beliebt, fristet bei uns abseits der Supermarkt-Spätlesen aber eher ein Randdasein? Warum trinken (tranken :?:) die Amerikaner so gerne Chardonnay?


Hallo Octopussy,

Für die Vorliebe vieler Amerikaner für restsüße deutsche Weine hätte ich gleich mehrere Erklärungsversuche:

[...]

Bevor man mir nun vorwirft "den Amerikaner", "den Chardonnay" und "das Fast Food" gänzlich zu pauschalisieren und zu verdammen:

Ich habe viele weinbegeisterte Amerikaner kennen gelernt, die absolut nicht diesem Stereotyp entsprechen. Es gibt sicherlich jede Menge interessanter Chardonnay-Weine sowohl in Amerika, als auch in Frankreich oder in anderen Teilen der Welt und einmal im Monat gehe ich mit meinen Kindern (obwohl ich Slow Food Mitglied bin) gerne auch mal bei Mac Donalds essen! ;)

Gruß Peter


Spannender Beitrag, davon war mir einiges so nicht klar gewesen!
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WoFu

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Re: Trends und Moden im Weinkonsum

BeitragMo 31. Jan 2011, 15:02

Moin Bernd,

Einbildung ist ja nun auch eine Bildung. Eine wirkliche Begründung für die Bevorzung der Saarweine gibt es wohl wirklich nicht, aber da ich dann mit meiner Frau zusammen einen Riesling trinken kann und es kein "Verbot" eines Nachkaufes gibt, kann ich damit gut leben. Und die Saarweine müssen ja nicht schlecht sein oder dem sonstigen Moselgebiet nachstehen.

Grüße

Wolfgang
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Charlie

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Re: Trends und Moden im Weinkonsum

BeitragMo 31. Jan 2011, 16:43

Bernd Schulz hat geschrieben: Dass Saarweine von der Säure her gesehen besser verträglich sind als Moselrieslinge, würde ich erst einmal stark bezweifeln wollen. Denn an der Saar ist die Säure oft augeprägter und härter, stahliger als an der Mosel. Wolfgang, ich vermute mal, dass es sich in deinem Fall um einen psychosomatischen Effekt handelt.
Oder aber er trinkt ganz bestimmte Saarrieslinge
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WoFu

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Re: Trends und Moden im Weinkonsum

BeitragMo 31. Jan 2011, 17:35

Moin, moin,

klar trinken wir vor allem spezielle Saarriesling, Van Volxem ist bekannt für nicht soooo trockene Weine, dann sind da immer wieder einige Fl. von Lochs oder Othegraven oder auch Agritiushof nicht nur im Keller sondern häufiger auf dem Tisch andere halt seltener. Auch die Flaschen mit der Bezeichnung "trocken" finden vor meiner Frau Gnade, Mit richtigen Moselrieslingen habe ich nicht so viel Glück. Ich vermute dabei stark, daß schlechte Erfahrungen mit gewaltiger Säure meine Frau auf Dauer verschreckt haben. Mal einen Molitor oder Clemens Busch, das ist dann auch wieder ok., oder gar einen HL... Manchmal fragen wir uns, warum die Dame des Hauses gern einen etwas preisgehobeneren Geschmack hat ;-).

Grüße

Wolfgang,

der mit dem Saarrieslingkompromiß mehr als gut leben kann.
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