Weinanfänger will Erfahrung ertrinken

Hallo Liebe Leute,
ich bin wahrscheinlich der Jüngste hier und würde gerne Wissn, wie ich mein Erfahrungsdefizit am Besten überbrücken kann.

Wein zu genießen fällt mir äußerst leicht, ich habe nur wenig Erfahrung im Aussuchen. Ich merke mir nie, was für einen Wein ich da gerade Trinke und ich weiß nicht wie man den Geschmack dann beschreibt. a
Habe zum Beispiel gerade einen Montes Cabernet Sauvignon Carmenere 2009 offen. Den hatte ich mir mal zum Hirschgulasch gekauft. Finde ihn sehr lecker, weil er nicht so wässrig ist. Ich mag also gerne kräftige Weine. Sonst trinke ich äußerst gerne Rotweine aus der Nähe der Rhone, wobei das wahrscheinlich auch nicht so die exakte Angabe ist.

Also die erste Frage: Könnt ihr mir Weine empfehlen die typisch sind für zum Beispiel eine bestimmte Rebsorte oder ein bestimmtes Anbaugebiet, um mich mal zu orientieren? Bis jetzt bin ich immer zum JWD geflitzt und hab gesagt: trocken, rot, kräftig. Meist antwortete ich auf den ersten Wein: kräftiger . Wahrscheinlich weil mein Geschmack noch nicht so geschult ist und ich mich studienbedingt in einer Preisklasse von 8-12 Euro (je nach Anlass) bewege.

Zweitens: Ich tue mich äußerst schwer mit den Begrifflichkeiten. Klingen mir alle sehr assoziativ und weniger konkret. Habe eben mal versucht Pfeffer, Gras oder Lakritz herauszuschmecken. hmmmm ... Vielleicht gibt der Wein es aber auch nicht her. Beeren kann ich rausschmecken, aber ob das nun dunkle oder helle sein sollen, geschweige denn was für welche, naja wie gesagt ich tue mich da sehr schwer.

Und zum dritten: Habe ich das richtig verstanden, dass man den Wein oxidieren lässt, wenn er eigentlich noch nicht reif genug ist? Also, dass man Wein, der fertig gereift ist, eigentlich nur des Satzes wegen dekantieren bräuchte? Und wie schmecke ich, ob der Wein schon reif ist? Und was bedeutet, der Wein ist direkt da oder verschlossen Kann ich sowas rekonstruieren, oder könnt ihr mir da beispielhafte Weine nennen, an denen ich das rekonstruieren kann? Wenn ich eine offene Flasche am nächsten Abend weitertrinke, dann schmeckt sie immer anders, manchmal sogar besser, aber ich hab dann halt den direkten Vergleich nicht.


Danke Silhouette

[thvins]

Hallo Frederik,

ganz der Jüngste bist du sicher nicht, wir haben schon jemand aktiv dabei, der grad so "trinken durfte"...

Aber einer der Jüngeren sicher und in so fern ein herzliches Willkommen und immer her mit deinen Fragen.

Die Schulung der Sinne kommt mit der Zeit des intensiven Beschäftigens mit Wein, suche die Möglichkeit, mit anderen zu diskutieren, ob virtuell dasselbe getrunken wird oder im Kreise anderer Liebhaber bei einer gemeinsamen Probe - wenn Freaks wie wir es zum großen Teil sind, zu Proben einladen, dann kann man oft als Anfänger eine Menge lernen. Auch in punkto Sensorik, weil meist über die Eindrücke diskutiert wird.

Wenn dir Rhône gefällt, dann taste dich mal von den Regionen her über das Languedoc / Roussillon weiter nach Spanien rein und suche von den Traubensorten ruhig weiter nach Syrah und Grenache, auch in Verbindung mit anderen Rebsorten des Mittelmeerraumes. da gibt es auch schon vernünftiges in deiner Preiskategorie, selbst wenn man bei JWD da auf ein schnell ausgelutschtes Sortiment trifft - aber zum eintrinken erstmal weit besser als Discounter und Co. Und du kannst viele der Weine probieren. Nimm ruhig ein kleines Heftchen und einen Stift mit und notiere dir Weine, die dir besonders gut schmecken. Dann lassen sich besser vergleichbare Weine empfehlen in Zukunft.

An die meisten jüngeren Weine muss Luft ran, damit sie sich entsprechend entfalten, daher dekantiert man sie oder das sogar doppelt (Flasche -> Karaffe -> zurück in die Flasche), oder man öffnet den Wein und läßt ihn längere Zeit offen stehen (solang keine Gärfliegen etc unterwegs sind).

Gießt du dann Wein in ein ausreichend großes Glas (dort nie über den Bauch hinaus, d.h. dort, wo das Glas am weitesten ist) und wartest kurz, riechst dann und schwenkst kräftig und riechst erneut... Ein offener Wein empfängt dich mit einem üppigen Duft, manche Weine sind so extreme Schnüffelstoffe, da könnte man sich wieder und wieder nur am Riechen ergötzen - erstmal auch egal, ob dir die Duftnoten mehr oder weniger zusagen - es geht nur um die Frage offen / verschlossen. Bei einem verschlossenen Wein kommt nichts oder nicht viel oder eben etwas, aber sehr verhalten. Hier kann Luftkontakt helfen. Das sind dann auch mitunter die Weine, von denen du vielleicht sagen wirst, sie hätten am 2. Tag besser geschmeckt.

Oft gehen Nase und Gaumen miteinander einher, bei einem richtig verschlossenen Wein kommt auch am Gaumen nicht viel - der Wein will nicht mit dir sprechen. Dann warte einfach, bis er sich dir mehr offenbart. Passiert das auch nach Tagen nicht, ist er gnadenlos zu jung oder taugt nix - in der von dir avisierten Preiskategorie eher letzteres.

Trinke den Wein nicht einfach so hinter, sondern übe das lange und intensive Schlürfen - du wirst erstaunt sein, wie viel sich dann bei guten Weinen offenbart, was dir beim einfachen Trinken verborgen bleibt (als Nichtraucher hab ich mir sagen lassen, das sei ähnlich wie das auf Lunge rauchen gegenüber dem Paffen) - nicht zu wenig und nicht zu viel in den Mund nehmen, bei leicht geöffnetem Mund Luft einziehen und den Wein hin und her wirbeln, immer nur wenig hinterschlucken und dabei weiterschlürfen, nicht Verschlucken - das ist Übungssache, am Besten am Anfang nicht den Galaanzug und das feinste Hemd anhaben... Wenn du den dreh raus hast, wirst du Wein, der dir schmeckt, immer so trinken wollen - jeden Tropfen intensiv auskosten... (bei mir merken Mittrinker sofort, wenn mir der Wein nicht schmeckt und ich nur aus Höflichkeit das Glas leere - oder gar nach einem Vorwand suche, um mit dem noch halbvollen Glas zu verschwinden und mit dem leeren wieder aufzutauchen... - meist sind Blumen und Haustiere dann besoffen und ich nüchtern - dann waren die Weine definitiv nix. .. )

Also ran an den Speck und immer weiter fleißig den Austausch mit uns suchen.

Hey cool,
danke für das nette Willkommenheißen. Jetzt antworte ich noch flott, bevor der Tatort und der Rest des Weins auf mich warten. Dann probiere ich das gleich mal, den Wein mehr zu erforschen, so wie Du das gesagt hast. Nur kleine Schlücke runterschlucken kann ich nicht, keine Ahnung warum. Aber ich kann ja kleinere nehmen und dann den Wein ein wenig in meinem Mund spielen lassen.

Die Geschmäcker zu beschreiben muss man wahrscheinlich echt von Leuten lernen, die es können, da es ja assoziativ zu sein scheint, und ich erstmal lernen muss, was was bedeutet. Das mit dem Aufschreiben klingt gut, aber dafür müsste ich ja wissen, wie ich Weine beschreibe. Ich fänd es auch schwierig, einfach Noten zu vergeben. Das ist so eindimensional, und egal wie hallodrich ich bis jetzt trinke, das wird selbst meinen Maßstäben nicht gerecht.

Könntest Du, oder jemand anders, mir vielleicht Weine empfehlen, super gerne von der Rhone, die die Reife und Komplexität haben, die ich brauche um welche überhaupt zu finden? Am besten einer, bei dem ihr glaubt, dass er sich im Glas noch deutlich entwickeln wird.

Denn wenn ich in einem Wein etwas suche, was er nicht hat, dann weiß ich nur, dass er nicht der richtige Wein ist Hatte mal was vom D'jarjolle oder so ähnlich. Den habe ich als komplex im Kopf. Stimmte das? Finde den irgendwie nicht im Internet Hmpf.

Danke schonmal für das nette Willkommenheißen. Es führt auf keinen Fall ein Weg an dem Weinseminar vorbei. Nach den Klausuren wird das erstmal in Angriff genommen. Kennt jemand einen guten Weinhändler in Bonn?
Danke
Frederik

Hallo Frederik,

ein von mir immer wieder gerne gekaufter Rhone-Wein ist der einfache Côtes du Rhône von Guigal. Momentan bietet der 2007er viel Genuss für kleines Geld; du bekommst ihn beispielsweise hier: http://www.c-und-d.de/weinkarte/detail.php?artnr=900033

Obwohl ich häufiger in Bonn bin, kenne ich mich mit dem dortigen Weinfachhandel nicht so gut aus, aber es gibt in Bonn eine nette Verkostungsrunde mit interessanten Veranstaltungen. Bei Interesse nenne ich dir gerne per PN eine Maildresse, über die du den entsprechenden Kontakt knüpfen kannst. "Erfahrung ertrinken" kannst du dir, wie auch schon Torsten geschrieben hat, am besten in einer kleineren oder größeren Runde von weinbegeisterten Zeitgenossen.

Spannende französische Rotweine erhältst du bei den führenden deutschen Online-Händlern, so z.b. bei Pinard de Picard oder K&U. Auch im einstelligen Preisbereich werden dort besonders sorgfältig ausgesuchte Qualitäten angeboten - du machst bestimmt nichts falsch, wenn du dir einfach mal ein paar Flaschen zum Ausprobieren schicken lässt.

Beste Grüße

Bernd

[Birte]

- meist sind Blumen und Haustiere dann besoffen und ich nüchtern - dann waren die Weine definitiv nix. .. )

Die Geranien meiner Mutter haben auch schon Leberzirrhose.

Sonst trinke ich äußerst gerne Rotweine aus der Nähe der Rhone, wobei das wahrscheinlich auch nicht so die exakte Angabe ist.

Na, da hätte ich mal eine Idee. Kaufe Dir Veilchen Pastillen. Lutsche sie. Gehe zu einem Weinhändler und bitte ihn, Dir einen Wein von der Rhone zu empfehlen, der ein intensives Veilchen Aroma hat und dann einen, wo es subtiler ist. Für den zweiten wirst Du etwas mehr ausgeben müssen. Probiere erst den Ersten und schaue, ob Du das Veilchen findest. dann probierst Du den Zweiten und dann erzählst Du mir Omma, wie es war

@Bernd: Sehr gerne! Meine Freunde sind keine Weintrinker, deswegen würde ich da vergeblich suchen. Aber nicht, dass ich dann wem mit meiner Unwissenheit auf die Nerven gehe die Jugend, so herrlich grün hinter den Ohren!

@Birte: Tut mir Leid, obwohl der Wein zu den geistigen Getränken gehört scheint er bei mir nicht ganz förderlich zu sein. Ich steh auf dem Schlauch. Vielleicht verstehe ich es ja morgen

Edit: Habe gerade auf www.c-und-d.de den Wein bestellen wollen und fast hätte ich mir ein Gebinde liefern lassen ups!

[Birte]

@Birte: Tut mir Leid, obwohl der Wein zu den geistigen Getränken gehört scheint er bei mir nicht ganz förderlich zu sein. Ich steh auf dem Schlauch. Vielleicht verstehe ich es ja morgen

Das ist keine "hochgeistliche" Angelegenheit, obwohl die Geistlichen auch ganz gerne Wein trinken. Das ist riechen, schmecken und fühlen. Das kann jeder. Mein Vorschlag war nur, etwas zu riechen, was Du von der Nahrung kennst und es im Wein wieder zu entdecken. Mehr ist es nicht.

Achso Kenne nur keine Veilchen Pastillen und wusste auch nicht, dass man sowas im Wein schmecken kann. Wieder was gelernt

Und ich schrieb ja auch geistiges Getränk, nicht geistlich, ich lerne im Moment zu viel, daher kommt das!

Danke schonmal an Alle, bin gerne noch offen für weitere Tipps und Vorschläge für die Region um Bonn
Frederik

Habe gerade auf http://www.c-und-d.de den Wein bestellen wollen und fast hätte ich mir ein Gebinde liefern lassen

Mein Link war diesbezüglich problematisch - sorry! Im Notfall hätte ich dir die überzähligen Flaschen abgenommen, denn dieser Rote bietet wirklich enorm viel für seinen Preis. Peer Dörpinghaus weiß schon, warum er ihn zum Wein des Jahres ernannt hat.

Beste Grüße

Bernd

[Birte]

Und ich schrieb ja auch geistiges Getränk, nicht geistlich, ich lerne im Moment zu viel, daher kommt das!

Das war nur ein Wortspiel. Und ich wohne ganz nah an Bonn...