Aus gegebenem Anlaß und weil es thematisch paßt, reanimiere ich mal diesen Thread. Anlaß ist, daß ich beim Aufräumen alter RSS-Feeds über
diesen jetzt 3 Monate alten SPON-Artikel gestolpert bin. Mal ungeachtet der Tatsache, daß der Teaser "Warum Weindekanter Unfug sind" reißerisch ist und auch nicht zum Text paßt, bin ich über diese Passage gestolpert:
Was im Holzfass oder auf der Hefe gereift ist, sollte karaffiert werden. "Also zum Beispiel ein großer Riesling oder ein Chardonnay aus Kalifornien mit nussigen Aromen." [...] Reduktive, unter Luftabschluss im Stahltank ausgebaute Weine dagegen eher nicht: "Ein knackiger Sauvignon Blanc aus Neuseeland muss nicht in die Karaffe."
Und das verstehe ich nicht: Ich dachte immer, Belüftung solle primär Sauerstoff eintragen, also oxidieren (natürlich nur in geringem Maße). Deshalb wird im Text ja auch erwähnt, daß das bei alten und eh schon Richtung Oxidation tendierenden Weinen mitunter keine so gute Idee sein könnte.
Ob der Weißwein aus dem Holzfaß kommt oder nicht, sagt erstmal wenig darüber aus, ob er oxidativ oder reduktiv ausgebaut wurde. Ausbau
sur lie reduziert, dort bin ich mit Belüftung prinzipiell
d'accord. Aber
gerade stark reduzierte Weine, aus dem Stahltank oder nicht, profitieren meiner Meinung nach am ehesten von Belüftung!
Im Gegenzug sind nussige Aromen bei Chardonnay für mich eher ein Hinweis, daß der Wein schon etwas gereift sein könnte. Hier wäre ich mit dem Karaffieren vorsichtig.
Würde mich freuen, wenn wir da vielleicht doch etwas Systematik reinbekämen!
PS:
Gerade letztens hatte ich einen hochklassigen 2010er reinsortigen Mourvèdre. Die Nase hat mich initial an leichte Oxidation (sic!) denken lassen. Aber nach Schwenken des Glases ging das weg; blieb das Glas einen Moment stehen, kam es wieder. Nach einigen Stunden war der Effekt schwächer, und am nächsten Tag war nichts mehr davon zu bemerken. Belüftung hat also zweifelsfrei geholfen! Erkennbar reduziert war der Wein aber nicht.
Ich habe beim Weingut nachgefragt. Ferndiagnosen sind natürlich schwierig, und sie waren dort zunächst auch ratlos, aber der Önologe meinte schließlich, es könnte sich um flüchtige Säure (volatile acidity) gehandelt haben. Von diesem Thema habe ich garkeine Ahnung, und es wäre Anlaß für einen eigenen Thread...