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Bruno Giacosa im Sauerland

Berichte von Verkostungen mit Weinen aus mehreren Ländern/Regionen (sonst bitte im Länderforum einstellen)
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oli_oli_oliver

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Bruno Giacosa im Sauerland

BeitragDi 5. Jul 2011, 17:10

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Am ersten Juli-Wochenende trafen sich vier Weinverrückte im wunderschönen Sauerland - passenderweise in Sonntagsspaziergangs-Nähe zur Warsteiner Brauerei - um sich eingehend und mit einem ungewöhnlich guten Wein-pro-Nase-Verhältnis einem der besten Winzer aller Zeiten zu widmen: Bruno Giacosa. Das mag jetzt etwas pathetisch klingen, aber für mich gibt es nach wie vor nur eine Handvoll Weingüter, die meine Emotionen derart anknipsen wie dieses. So bewegt mich die aktuelle Bordeaux-Subse nicht halb so stark wie die Freude, vor einigen Wochen zu vertretbarem Kurs einen 78er Collina Riserva in meinem Keller eingebunkert zu haben. A pro pos vertretbare Kurse: leider haben auch hier die Preise in den letzten Jahren dramatisch angezogen, so dass gemütliche Abende dieser Art ein geradezu grenzwertig kostspieliges Unterfangen geworden sind.

Auf der anderen Seite: schau ich mir die aktuellen Bordeaux-Preise an, sieht die Giacosa-Welt wieder etwas rosiger aus. Werfe ich darüber hinaus noch einen Blick ins Burgund und dort auf die vermeintlichen Super-Jahrgänge 2009 und 2010, muten die Barbolos und Barbarescos vom großen Meister fast wie Schnäppchen an. Und wer weiß: wenn die Griechen, Spanier und Portugiesen so weitermachen, ist der Euro in Kürze vielleicht sowieso nur noch fuffzig Pfennig wert und man ist froh über jeden Sachwert, der im Keller liegt.... :shock:

Da die Erfahrungen der vergangenen Jahre gezeigt haben, dass es vor einem Alter von um die zwanzig Jahre keinen Sinn macht, sich den Weinen - insbesondere den roten Etiketten - zu nähern, waren ausschließlich alte Kameraden angesagt. Der "jüngste" Vertreter war aus diesem Grund der 1990er Asili Riserva, der ja erst bereits vorletztes Jahr in Wiesbaden sowie letztes Jahre im Flight mit 90 Chambertin Clos des Beze von Rousseau seine ausserordentliche Qualität unter Beweis gestellt hat.

Es gab (alles Giacosa):

Barbaresco Riserva Speciale (ohne Lage) 1964
Barolo "Falletto di Serralunga" Riserva Speciale 1971
Barbaresco "Santo Stefano" Riserva 1989
Barbaresco "Asili" Riserva 1990

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weinfidél

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Re: Bruno Giacosa im Sauerland

BeitragDi 5. Jul 2011, 17:56

Eieiei!

Hab's vergessen, Dir zu sagen, aber nachgeschaut hab ich! 82 Barolo und Barbaresco (Etiketta nera...)
Und überhaupt, your turn, go ahead!

fidélst
RicoE
Es gibt nichts, was es nicht gibt
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oli_oli_oliver

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Re: Bruno Giacosa im Sauerland

BeitragMi 6. Jul 2011, 10:42

Zur Vorspeise gab es einen Knüller in prickelnd und endlich mal wieder ein gutes Argument gegen meine latente Brause-Abstinenz...

Ca' del Bosco - Dosage Zero 2002
Wunderbar üppige Chardonnay-Nase. Reif, frisch, balanciert, edel. Am Gaumen kanackig, frisch und lang. Großartig! (92)

...sowie einen feinen Burgunder zu Einstimmung:

Joseph Drouhin - Chambolle-Musigny Premier Cru (ohne Lage) 1983
Sattes Braun-Granat. Ordentlicher Wasserrand. Tolle Nase. Viel Frucht, etwas Haarspray (das gute Ellnet von Oma). Grüne, kräuterige Noten, die in Richtung Menthol gehen. Dazu Tabak und etwas Kohle. Mit der Zeit entwickelt der Wein eine intensive Sojasoßen-Note, die ich vergleichbar in dieser Intensität noch nie bei einem Wein erlebt habe. Dazu Erdbeeren. Am Gaumen zunächst schlank mit knackiger Säure, die Struktur kommt aber mit der Zeit, zusätzlich entwickelt sich eine schöne wenn auch nicht gerade überbordende Süße. Ein Charakter-Wein - klasse! (92)

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oli_oli_oliver

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Re: Bruno Giacosa im Sauerland

BeitragMi 6. Jul 2011, 10:59

Weiter gehts...

Bruno Giacosa - Barbaresco "Riserva Speciale" 1964
Doppel-dekantiert. Der Korken ist noch so intakt als käme er direkt aus der chinesischen Fälscherbude. Doch sowohl Korkbrand, Art und Menge des Depots als auch der Charakter des Weins beweisen, dass er authentisch ist. Nach einer halben Stunde zum ersten Mal probiert. Volles, ganz leicht ins Bräunliche gehendes Rot. Absolut intakte Farbe. Deutlich dichter als die Farbe des 83er Drouhin. Wunderbar frische, kräuterige Nase. Sehr expressiv. Dreht immer weiter auf. Ricola! Noch Reste von wunderschöner Frucht. Oregano. Die Nase ist wunderbar fein und leicht und trotzdem sehr intensiv. Am Gaumen straffe, aber sehr feine und perfekt eingebundene Säure. Ewig lang. Nach einer guten weiteren halben Stunde verschließt sich die Nase ein wenig und am Gaumen entwickelt der Wein deutlich Grip. Am Ende des Abends ist er wieder offener: wunderbar balanciert, elegant, komplett, am Gaumen unendlich lang. Die Tannine kitzeln ein wenig am Gaumen, aber das gehört ja bei Nebbiolo quasi zum Paket dazu. Großartig. (96)

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oli_oli_oliver

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Re: Bruno Giacosa im Sauerland

BeitragMi 6. Jul 2011, 11:01

Hi Rico,

prima! Dann können wir ja mal in die nähere Planung einsteigen.

Viele Grüße,

Oliver
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oli_oli_oliver

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Re: Bruno Giacosa im Sauerland

BeitragMi 6. Jul 2011, 13:28

Weiter gehts...

Bruno Giacosa - Barolo Riserva "Falletto di Serralunga d'Alba" 1971

Doppel-dekantiert. Direkt nach dem Öffnen riecht der Wein erstaunlich, fast erschreckend, jung. Ähnlich wie beim 64er Barbaresco unendlich feine, fast schwerelose Nase. Drückend, komplex, elegant. Etwas Nagellackentferner. Dazu mit der Zeit Walnuss und Schokolade. Diese betörende Süße und die darüber liegende Frische ist einfach genial. Am Gaumen tragende, perfekte Säure, extrem lang. Bei allem Genuss aber noch ruppig, die Tannine und die Säure sind noch etwas bissig. Der Wein hat seine letzte Balance noch nicht gefunden... (95+)

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Zuletzt geändert von oli_oli_oliver am Mi 6. Jul 2011, 14:31, insgesamt 1-mal geändert.
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oli_oli_oliver

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Re: Bruno Giacosa im Sauerland

BeitragMi 6. Jul 2011, 14:31

Bruno Giacosa - Barbaresco Riserva "Santo Stefano de Neive" 1989

Ungefähr vier Stunden vor dem Essen doppel-dekantiert. Zum Beginn des Abends etwa rustikal. Dicht. Wird immer intensiver, würziger, kräuteriger, süßer. Medizinkasten. Phänomenale Nase. Mit der Zeit Teer und Schokolade. Am Gaumen dicht. Fast etwas fett. Ewig lang. Extrakt ohne Ende. Noch etwas ungelenk bei all der Kraft jedoch balanciert. Da ist alles am richtigen Fleck.
Stilistisch ist der Wein für einen Barbaresco (noch) sehr fett und mächtig. Im Vergleich zum Asili hat der St. Stefano von allem mehr: mehr Komplexität, mehr Extrakt, mehr Frische. Ähnlich wie der Flasche vor zwei Jahren ist das ein Kandidat für Perfektion, nur wirkt die Flasche auf mich zugeknöpfter als die in Wiesbaden. (97+)

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oli_oli_oliver

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Re: Bruno Giacosa im Sauerland

BeitragMi 6. Jul 2011, 20:39

Bruno Giacosa - Barbaresco Riserva "Asili" 1990

Mittags doppel-dekantiert. Wunderbare, hintergründige Frische. Sehr fein, komplex. Blaubeeren. Holzkohle. Rosen. Doch über all dem liegt eine irritierende, intensive Süße, die ich so weder vom Asili noch von anderen Giacosa-Nebbiolos kenne. Auch am Gaumen sehr süß. Tragende Säure. Sehr, sehr lang. Beschlägt noch den Gaumen. Bei aller Qualität wirkt der Wein auf hohem Niveau mit der Zeit etwas dumpf, als ob er mit angezogener Handbremse unterwegs wäre.
Bei der "Frühstücks-Nachverkostung" am nächsten Morgen hat sich dieser Eindruck noch mal verstärkt: der Asili zeigt süße, fast portige Noten mit viel Lakritz und Schokolade, die so absolut untypisch sind. Natürlich ist das Meckern auf hohem Niveau, aber an die Qualität der letzten beiden Flaschen kommt diese hier trotz ewig andauernder Länge einfach nicht heran. (94)

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oli_oli_oliver

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Re: Bruno Giacosa im Sauerland

BeitragDo 7. Jul 2011, 10:41

Quasi als Absacker gab es dann noch zwei weitere Rote:

Chateau Rouget 1998
Haarspray, schöne Frucht, Waldbeeren. Malo-mäßige Jogurth-Note. Sehr duftig, mit der Zeit etwas Kaffee. Am Gaumen sehr schön, mittlerer Körper, schlank aber durchaus stoffig und lang. Prima. (91)

Paolo Scavino - Barolo "Bric del Fiasc" 1990
Geöffnet und probiert. Sehr dunkel. Farblich und nach der Nase exterm jung. Überreif, verbrannt, Rumrosinen ohne Ende. Am Gaumen hohl, die Säure steht neben dem Wein. Das ist nix! Geraten: 2003? Antwort: Nein. Älter als 1997! Dann Scavino? Richtig! Punktemäßig schwierig. Gefällt mir überhaupt nicht.

Am Morgen danach erheblich schöner: Immer noch überreif mit viel Rumrosinen, dazu Vanille und Schokolade. Aber extrem fein und duftig, eine - wenn auch sehr moderne - Nasenorgie vom Feinsten. Auch am Gaumen erheblich besser: Balanciert, lang, im Prinzip sogar sehr lang. Handwerklich super. Allerdings überdeckt die moderne Vinifizierung und die unterstellte Überreife der Trauben den eigentlichen Charakter des Gebiets zu einem gutenTeil. Wenn man den Stil mag, ist das ein toller Wein und objektiv lässt sich da nicht viel bemeckern. Mir persönlich ist er zu modern, auch wenn er mir erheblich besser gefällt als der Cannubi aus dem gleichen Jahr. (93)

Finito...
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Hillside

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Re: Bruno Giacosa im Sauerland

BeitragSo 10. Jul 2011, 08:28

Hallo Oliver,

klingt nach einem klasse Abend mit ausreichenden Mengen für die anwesenden Köpfe ;)

Macht mir den Mund wässrig und schreit nach einer WI-Neuauflage...eine der schönsten Proben an denen ich je teilnehmen durfte!

Liebe Grüsse,

Markus

PS: vom 90er Bric del Fiasco hatten wir soviele schlechte "Rumtopf"-Flaschen, dass Rolic sämtliche Restbestände verkauft hatte....
...es muss nicht immer Hillside sein...
aber es darf..... ;-)

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