Weinprobe "unterschätzte Rebsorten" in Würzburg
Verfasst: Do 8. Feb 2024, 21:50
Hallo zusammen,
letzten Freitag trafen sich wieder einige Weinnasen,um ein zunächst nicht so prickelnd klingendes Weinthema zu beackern und den Rebsorten-Underdogs eine Chance zu geben. Und siehe da.... wenn die richtigen Winzer, die sich um die jeweilige Rebsorte bemühen, am Werke sind, kann das auch unter Genussaspekten sehr viel Spass machen.
Doch der Reihe nach! Am Start waren 15 Weine (5 x weiss, 10 x rot) aus 16 Rebsorten (1 Wein war eine Cuvee aus 2 Rebsorten), die wie immer blind verkostet wurden. Maßstab für den Underdog-Charakter war der Blick aus internationaler Sicht, wobei hier natürlich Verbreitung, Bekanntheitsgrad und/oder Reputation der jeweiligen Rebsorte wesentliche Faktoren waren. Die Auswahlmöglichkeiten sind bei diesem Thema schier unendlich, so dass vielleicht ganz zufällig sich folgendes line-up ergab:
2018er Retzstadter Langenberg Silvaner Brut Nature (Rudi May, Retzstadt) -Franken-
einziger VDP-Prestige-Sekt aus dieser Rebsorte--Einzellagensekt aus durchschnittlich 60 Jahre alten Reben mit Ostausrichtung--degorgiert Februar 2023-- 12,5 Vol%.
Für einen Franken ist der Silvaner natürlich alles andere als eine Aussenseiter-Rebsorte, im internationalen Kontext spielt der Silvaner aber absolut keine Rolle und ist nur ausländischen Fachleuten bekannt. Noch in den 60er- Jahren des letzten Jahrhunderts die führende Rebsorte in Deutschland, ist er auf knapp 4.500 ha Rebfläche zusammengeschrumpft und spielt eigentlich nur in Franken (1.559 ha) und mit Abstrichen in Rheinhessen (1.932 ha) noch eine wichtige Rolle. Im Elsass zählt er nicht zu den "nobles cepages", lediglich im Wallis und im Eisacktal wird er bei allerdings geringer Rebfläche noch geschätzt. Silvaner ist sehr vielseitig und kann auch Sekt, wenn er so ambitioniert wie dieser hergestellt wurde: ein anspruchsvoller Vertreter mit sehr feiner Perlage, staubtrocken mit saftiger, eingebundener Säure, feiner Brioche-Charakter, nur hintergründige zarte Frucht, perfekt ausgewogen, gewisse Eleganz, gute Länge. Wer Champagner-Qualität haben will, aber eher eine gerundete Säure bevorzugt, ist mit diesem Sekt bestens bedient.Preislich bewegt sich das aber auch auf Champagner-Niveau (30 EURO ab Weingut).
2022er "Tuniberg" Auxerrois QW tr. (Gebr. Mathis, Merdingen) -Baden-
Der Auxerrois ist so etwas wie das am wenigsten begabte Kind in der Burgunder-Familie, weshalb man ihn nur vereinzelt (Obermosel, Baden, Luxemburg, Elsass) und mit wenig Anbaufläche findet. Ausserdem hat er seine weinbaulichen Schwächen (dünnhäutige Beeren, spätfrostempfindlich, verrieselt, wenig Säure),die seine Beliebtheit bei Winzer und Konsumenten schmälern. Das ist eigentlich schade, wenn er sich wie beim folgenden Wein präsentiert:
optisch leicht trüb (ungeschönt und unfiltriert), erstaunlich, dass die Quali-Prüfer das durchgewunken haben, sehr feine, leicht hefige Nase, zarte Gelbfrucht mit floralen Aspekten, trotz nur 12 Vol% ein angenehm nachhaltiger Wein, hervorragender Trinkfluss, möglicherweise ist auch etwas Holz im Spiel, das aber nur ganz dezent anklingt. Sehr gelungener Sortenvertreter in der Mittelgewichtsklasse. Knapp 13 EURO ab Weingut.
2022er "Spitzer Graben" Neuburger Federspiel Wachau DAC (Domäne Wachau, Dürnstein) -Wachau-
Der Neuburger als natürliche Kreuzung aus vermutlich Roter Veltliner x Sylvaner ist praktisch eine nur in Österreich vorkommende Spezialsorte, wenn man von ganz geringen Anpflanzungen in Osteuropa (Tschechien, Slowakei, Rumänien) absieht. Die geringe Verbreitung und das Manko, dass diese Rebsorte zur Krankheit der Kurztriebigkeit (war mir bisher auch nicht geläufig, kann aber zum Absterben des Weinstocks führen) neigt, festigt ihren internationalen Outsider-Status. Eigentlich schade, da die Rebsorte qualitativ durchaus überzeugen kann:
zartes strohgelb, dezentes Sortenbukett, etwas Apfel, dezent nussig, am Gaumen durchaus stoffig, extraktreich mit zurückhaltender Frucht,komplett trocken,angenehme Säure, deutlich mineralisch, angenehmer. leichter Gerbstoff-Grip, mitellanger, glockenklarer Abgang. Sicherlich ein vielseitig einsetzbarer Speisenbegleiter.
2019er Gorca Haloze Furmint Stajerska Slovenija (Vino Gross, Podlehnik) -Slowenien-
Der Furmint ist zweifellos eine hochwertige Rebsorte, die leider viel zu wenig angebaut wird und daher international fast unbekannt ist, obwohl sie ein wesentlicher Bestandteil der weltberühmten Tokajer-Essenzen ist. Leider ist die Rebsorte spät reifend und benötigt beste Lagen, um seine ganze Klasse zu zeigen. Seine geringe internationale Verbreitung (im wesentlichen Ungarn, Burgenland und Slowenien) wird wahrscheinlich dafür sorgen, dass der Furmint eine Nischen-Rebsorte bleiben wird. An der Qualität liegt es bei dieser Rebsorte nicht. Wie der folgende Wein zeigt:
zartes Goldgelb, sehr eigenständige Nase (Quitte, Aprikose) mit Melisse und Kräutern, kraftvoll und dicht bei nur 12,5 Vol%, extraktreich, trotzdem gewisse Finesse, staubtrocken mit merklicher, aber total eingebundener Säure, gute Länge. Toller Sortenvertreter !
Fortsetzung folgt in Kürze!
LG
Bodo
letzten Freitag trafen sich wieder einige Weinnasen,um ein zunächst nicht so prickelnd klingendes Weinthema zu beackern und den Rebsorten-Underdogs eine Chance zu geben. Und siehe da.... wenn die richtigen Winzer, die sich um die jeweilige Rebsorte bemühen, am Werke sind, kann das auch unter Genussaspekten sehr viel Spass machen.
Doch der Reihe nach! Am Start waren 15 Weine (5 x weiss, 10 x rot) aus 16 Rebsorten (1 Wein war eine Cuvee aus 2 Rebsorten), die wie immer blind verkostet wurden. Maßstab für den Underdog-Charakter war der Blick aus internationaler Sicht, wobei hier natürlich Verbreitung, Bekanntheitsgrad und/oder Reputation der jeweiligen Rebsorte wesentliche Faktoren waren. Die Auswahlmöglichkeiten sind bei diesem Thema schier unendlich, so dass vielleicht ganz zufällig sich folgendes line-up ergab:
2018er Retzstadter Langenberg Silvaner Brut Nature (Rudi May, Retzstadt) -Franken-
einziger VDP-Prestige-Sekt aus dieser Rebsorte--Einzellagensekt aus durchschnittlich 60 Jahre alten Reben mit Ostausrichtung--degorgiert Februar 2023-- 12,5 Vol%.
Für einen Franken ist der Silvaner natürlich alles andere als eine Aussenseiter-Rebsorte, im internationalen Kontext spielt der Silvaner aber absolut keine Rolle und ist nur ausländischen Fachleuten bekannt. Noch in den 60er- Jahren des letzten Jahrhunderts die führende Rebsorte in Deutschland, ist er auf knapp 4.500 ha Rebfläche zusammengeschrumpft und spielt eigentlich nur in Franken (1.559 ha) und mit Abstrichen in Rheinhessen (1.932 ha) noch eine wichtige Rolle. Im Elsass zählt er nicht zu den "nobles cepages", lediglich im Wallis und im Eisacktal wird er bei allerdings geringer Rebfläche noch geschätzt. Silvaner ist sehr vielseitig und kann auch Sekt, wenn er so ambitioniert wie dieser hergestellt wurde: ein anspruchsvoller Vertreter mit sehr feiner Perlage, staubtrocken mit saftiger, eingebundener Säure, feiner Brioche-Charakter, nur hintergründige zarte Frucht, perfekt ausgewogen, gewisse Eleganz, gute Länge. Wer Champagner-Qualität haben will, aber eher eine gerundete Säure bevorzugt, ist mit diesem Sekt bestens bedient.Preislich bewegt sich das aber auch auf Champagner-Niveau (30 EURO ab Weingut).
2022er "Tuniberg" Auxerrois QW tr. (Gebr. Mathis, Merdingen) -Baden-
Der Auxerrois ist so etwas wie das am wenigsten begabte Kind in der Burgunder-Familie, weshalb man ihn nur vereinzelt (Obermosel, Baden, Luxemburg, Elsass) und mit wenig Anbaufläche findet. Ausserdem hat er seine weinbaulichen Schwächen (dünnhäutige Beeren, spätfrostempfindlich, verrieselt, wenig Säure),die seine Beliebtheit bei Winzer und Konsumenten schmälern. Das ist eigentlich schade, wenn er sich wie beim folgenden Wein präsentiert:
optisch leicht trüb (ungeschönt und unfiltriert), erstaunlich, dass die Quali-Prüfer das durchgewunken haben, sehr feine, leicht hefige Nase, zarte Gelbfrucht mit floralen Aspekten, trotz nur 12 Vol% ein angenehm nachhaltiger Wein, hervorragender Trinkfluss, möglicherweise ist auch etwas Holz im Spiel, das aber nur ganz dezent anklingt. Sehr gelungener Sortenvertreter in der Mittelgewichtsklasse. Knapp 13 EURO ab Weingut.
2022er "Spitzer Graben" Neuburger Federspiel Wachau DAC (Domäne Wachau, Dürnstein) -Wachau-
Der Neuburger als natürliche Kreuzung aus vermutlich Roter Veltliner x Sylvaner ist praktisch eine nur in Österreich vorkommende Spezialsorte, wenn man von ganz geringen Anpflanzungen in Osteuropa (Tschechien, Slowakei, Rumänien) absieht. Die geringe Verbreitung und das Manko, dass diese Rebsorte zur Krankheit der Kurztriebigkeit (war mir bisher auch nicht geläufig, kann aber zum Absterben des Weinstocks führen) neigt, festigt ihren internationalen Outsider-Status. Eigentlich schade, da die Rebsorte qualitativ durchaus überzeugen kann:
zartes strohgelb, dezentes Sortenbukett, etwas Apfel, dezent nussig, am Gaumen durchaus stoffig, extraktreich mit zurückhaltender Frucht,komplett trocken,angenehme Säure, deutlich mineralisch, angenehmer. leichter Gerbstoff-Grip, mitellanger, glockenklarer Abgang. Sicherlich ein vielseitig einsetzbarer Speisenbegleiter.
2019er Gorca Haloze Furmint Stajerska Slovenija (Vino Gross, Podlehnik) -Slowenien-
Der Furmint ist zweifellos eine hochwertige Rebsorte, die leider viel zu wenig angebaut wird und daher international fast unbekannt ist, obwohl sie ein wesentlicher Bestandteil der weltberühmten Tokajer-Essenzen ist. Leider ist die Rebsorte spät reifend und benötigt beste Lagen, um seine ganze Klasse zu zeigen. Seine geringe internationale Verbreitung (im wesentlichen Ungarn, Burgenland und Slowenien) wird wahrscheinlich dafür sorgen, dass der Furmint eine Nischen-Rebsorte bleiben wird. An der Qualität liegt es bei dieser Rebsorte nicht. Wie der folgende Wein zeigt:
zartes Goldgelb, sehr eigenständige Nase (Quitte, Aprikose) mit Melisse und Kräutern, kraftvoll und dicht bei nur 12,5 Vol%, extraktreich, trotzdem gewisse Finesse, staubtrocken mit merklicher, aber total eingebundener Säure, gute Länge. Toller Sortenvertreter !
Fortsetzung folgt in Kürze!
LG
Bodo