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Gereifte Rotweine aus dem Piemont in Würzburg

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weinaffe

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Gereifte Rotweine aus dem Piemont in Würzburg

BeitragFr 8. Dez 2023, 18:34

Hallo zusammen,

gestern hatte ich das große Vergnügen, an einer Probe mit gereiften Barolos und Barbarescos sowie einem Premium-Barbera teilzunehmen. Das Line-up der 11 Weine versprach schon einiges und die Erwartungen wurden sogar noch übertroffen. Wirklich ganz großes Kino!!

Als Begrüssungs-Schäumer gab es den frisch angelieferten Triumvirat 2014 von Raumland(Champagner-Cuvee mit 100 Monaten Hefelager), der vielleicht noch ein paar Monate in der Flasche reifen sollte. Noch etwas unruhig in der Nase, lässt sich am Gaumen schon erkennen, wo die Reise hingeht. Großartiger Sekt, der sich qualitativ mit sehr guten Champagner absolut auf Augenhöhe bewegt.

Dann ging es mit dem offiziellen Teil in Form eines Premium-Baberas los:

2017er Bricco dell`Uccelone (Braida)
kräftige Fruchtnase, Herzkirschen, Brombeeren, kraftvoller Wein, am Gaumen trotz 16 Vol% !! durchaus noch in der Spur, viel Extrakt, spürbarer Neuholzeinsatz (Vanille), gut dagegen haltende Säure, feinkörniges Tannin, ein Kraftprotz mit Manieren, im Stil vielleicht etwas austauschbar, aber qualitativ auf hohem Level.

2007er Barbaresco Riserva Paje (Produttori)
sehr feine und ebenmäßige Nase,jetzt perfekt, reife Kirsche, Brombeere, etwas Altholz im Hintergrund, dezent ätherisch, komplexe Nase, am Gaumen deutliche Extraktsüsse, für Produttori-Verhältnisse recht opulent, perfekt sitzende Säure, toller Mix aus roter Frucht und Würze, sehr gute Länge. Toller Barbaresco in perfekter Trinkverfassung.

1990er Barbaresco Camp Gros Martinenga (Marchese di Gresy)
superfeine Nase mit Kirsche und Himbeere, geht deutlich in die Pinot-Richtung, am Gaumen noch sehr viel Frische, elegante Rotfrucht mit Kräuterwürze, hier ist nichts unreif oder überreif, saftige Säure, Top-Tannin-Qualität, elegant und finessenreich, deutliche retronasale Länge. Perfekte Flasche, perfekter Barbaresco.

1990er Barolo (G. D. Vajra)
sehr klassisch in der Nase, anfangs leichter Muffton, der aber komplett verschwand, sehr traditioneller Typ, etwas Altholz,mürbe Dunkelfrucht, kraftvoll, charaktervolles, noch leicht eckiges Tannin, toll gereift ohne jegliche Liebstöckelnoten, braucht sehr viel Luft, dreht dann aber richtig auf, für Liebhaber klasssischer Barolos der alten Schule ein Hochgenuss.

1990er Barolo Cannubi (Prunotto)
die nächste positive Überraschung: bildhübsche, sehr elegante und in sich ruhende Nase nach hellen Früchten und frischen Kräutern, perfekte Reife trotz "nur" 13,5 Vol%, am Gaumen lebendige Säure, ausreichend Extrakt, klare Dunkelfrucht ohne jegliche Überreife, eher moderner Typ, aber mit hoher Eleganz, sehr feinkörniges, aber noch im Hintergrund präsentes Tannin, tolle Länge. Von diesem Erzeuger hätte ich das nicht erwartet. Chapeau!

1989er Barolo Bussia (Prunotto)
interessanter Vergleich mit dem Vorgänger: gleicher Produzent, nur andere Lage und 1 Jahr älter. Der Wein braucht mehr Luft als der Vorgänger und ist auch ein komplett anderer Typ: anfangs ein Hauch (Alters-)Muff, der aber in wenigen Minuten völlig verschwand,schon in der Nase kraftvoll und urwüchsig, wie man sich einen "Klassiker" vorstellt, mürbe Frucht, viel Dichte, Tabak, frische Pilze, Piment, toller Mix aus pürrierter Frucht und viel Würze, am Gaumen saftige Säure, große Fruchtdichte , viel Substanz, noch deutliches Tannin, extraktsüss, sehr lang. Stand beim Cannubi die Eleganz im Vordergrund, steht dieser Wein für gezügelte Kraft mit charaktervollen Ecken und Kanten.
Was man bevorzugt, ist natürlich eine Frage des Geschmacks. Ich fand beide großartig.

1990er Barolo Arborina (Elio Altare)
für einige u.a. Philipp Luckert vom VDP-Weingut in Sulzfeld (nicht für mich) war das der Wein des Abends, was man aber gut nachvollziehen kann: sehr jugendliche Rubinfarbe, superelegante Nase im Stile eines perfekt gereiften Bordeaux, deutliche, überhaupt nicht mürbe Frucht, perfekter Holzeinsatz, absolut trocken, sehr dicht, feine Säure, poliertes Tannin, Extrakt und Dichte, aber nichts Breites oder gar Marmeladiges, makellose Länge. Dieser Wein ist noch erstaunlich jugendlich und kann noch weiterreifen. Einziger "Vorwurf": der Wein ist einfach zu schön und elegant, um ein Barolo zu sein :lol: Absolut perfekte Flasche.

1990er Barolo Francia (Giacomo Conterno)
enorm kraftvoll in der Nase, aber leider etwas dumpf und muffig, wohl ein "Korkschleicher", aber dieser fast monumental kraftvolle Barolo steckt das fast weg, man konnte durchaus über diesen leichten Muff hinwegprobieren, was sich auch durchaus lohnt, am Gaumen enorm kraftvoll, aber nicht überpowert, dafür sorgen die saftige Säure und das klassisch-eckige Barolo-Tannin, reife Frucht, würzige Noten, sous-bois, Pilze, etwas Umami, sehr komplex und ellenlang. Ohne den leichten Makel ein Anwärter für den WOTN.

1990er Barolo Monprivato (Giuseppe Mascarello)
Wow, was für eine umwerfende Nase!! Die pure Verführung (Himbeere, etwas Erdbeere), eine Melange aus zarten hellen Früchten mit spinnwebenartigen, würzigen Background. Da kann man glatt das Trinken vergessen ;) Mehr Finesse bei voller Typizität geht nicht. Auch der Gaumen enttäuscht nicht: hier passt alles, schiere Perfektion aus Eleganz, Finesse, Komplexität bei durchaus kräftiger Statur, aber alles in Samt und Seide ausgekleidet, feine Extraktsüsse, extrem elegant, spinnwebenartige Finesse, die Quadratur des Kreises aus Kraft und Feinheit, mehr minütiger Abgang. Absoluter Gänsehautwein!! Ein in jeglicher Hinsicht ganz, ganz großer Wein, der keine Wünsche offenlässt. Von der Qualität im Barolobereich kommen hier nur noch die Red-Label-Riserva-Weine von Giacosa mit.
Sicherlich eine der perfektesten, wenn nicht sogar der perfekteste Barolo, den ich je getrunken habe. Ein klarer 100-Punkte-Wein. Der legendäre Ruf dieses Barolo-Monuments ist absolut nachvollziehbar.

1989er Barolo Rocche de Castiglione (Vietti)
jetzt konnte es natürlich nicht noch besser werden: fleischiger, sehr typischer Barolo, der nur schon einen Hauch Oxidation hatte, ansonsten noch sehr gut trinkbar, aber schon einen kleinen Zacken über den Punkt. Trotzdem ein Wein, der noch Trinkspass bereitet, aber wir jammern eh auf hohem Niveau.

1981er Barbaresco (Angelo Gaja)
was steckt denn da für ein Korken drin? Das schaffte nicht einmal der Durand. Handgemessene 6,5 cm lang!! Ein Monsterteil! Auch der Wein hat viel zu bieten: hier geht es wieder in Richtung Eleganz, ohne die Herkunft zu verleugnen: noch deutliche, ebenmäßige Dunkelfrucht, sehr elegant, toller Holzeinsatz, geschliffen, feine Säure, poliertes Tannin, alles im Lot, sehr lang. Entspricht vielleicht nicht dem Bild, was man von einem typischen Barbaresco hat, ist aber erstklassig. Ein toller Ausklang einer wirklich spektakulären Probe. Vielen Dank an den noblen Ausrichter!

Als Bonus gab es noch den soeben abgefüllten Chardonnay 2022 vom Weingut Peter Wagner in Oberrotweil, bei dem sich der Weinhändler meines Vertrauens ein extra Fass mit verlängertem Lager auf der Vollhefe hat reservieren lassen.
Der Wein heisst Schato Schütz Nr. 1. Weitere Spezialabfüllungen von anderen Winzern sind bereits im Anflug. Toller Chardonnay mit feiner Reduktion, knalltrocken, saftig, mineralisch, drahtig, ein Volltreffer.

Zum Abschluss gab es noch das legendäre Bier vom Pax-Bräu, so dass die Veranstaltung kurz nach Mitternacht beendet werden konnte. Weitere spannende Proben warten im nächsten Jahr; ich werde wieder berichten.

LG
Bodo
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olifant

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Re: Gereifte Rotweine aus dem Piemont in Würzburg

BeitragSo 10. Dez 2023, 18:00

Ein tolles Setup, Danke für's einstellen der Notizen.
Einmal mehr erweist sich der 1990er Jahrgang als wirklich herausstechend - oder darf man das auch anders sehen?
Grüsse

Ralf

Die Zukunft war früher auch besser.
Karl Valentin
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weinaffe

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Re: Gereifte Rotweine aus dem Piemont in Würzburg

BeitragMo 11. Dez 2023, 13:45

olifant hat geschrieben:Ein tolles Setup, Danke für's einstellen der Notizen.
Einmal mehr erweist sich der 1990er Jahrgang als wirklich herausstechend - oder darf man das auch anders sehen?

Gern geschehen, Ralf. 1990 scheint tatsächlich, zumindest europaweit, ein wirklich großes Weinjahr gewesen zu sein.

LG
Bodo
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harti

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Re: Gereifte Rotweine aus dem Piemont in Würzburg

BeitragMo 11. Dez 2023, 15:41

weinaffe hat geschrieben:1990er Barolo Monprivato (Giuseppe Mascarello)
Wow, was für eine umwerfende Nase!! Die pure Verführung (Himbeere, etwas Erdbeere), eine Melange aus zarten hellen Früchten mit spinnwebenartigen, würzigen Background. Da kann man glatt das Trinken vergessen ;) Mehr Finesse bei voller Typizität geht nicht. Auch der Gaumen enttäuscht nicht: hier passt alles, schiere Perfektion aus Eleganz, Finesse, Komplexität bei durchaus kräftiger Statur, aber alles in Samt und Seide ausgekleidet, feine Extraktsüsse, extrem elegant, spinnwebenartige Finesse, die Quadratur des Kreises aus Kraft und Feinheit, mehr minütiger Abgang. Absoluter Gänsehautwein!! Ein in jeglicher Hinsicht ganz, ganz großer Wein, der keine Wünsche offenlässt. Von der Qualität im Barolobereich kommen hier nur noch die Red-Label-Riserva-Weine von Giacosa mit.
Sicherlich eine der perfektesten, wenn nicht sogar der perfekteste Barolo, den ich je getrunken habe. Ein klarer 100-Punkte-Wein. Der legendäre Ruf dieses Barolo-Monuments ist absolut nachvollziehbar.
Hallo Bodo,

der 90er Monprivato ist in der Tat ein traumhafter Wein (wie auch der 89er) und gehört zu den besten Barolo, die ich je im Glas hatte.

Danke für die schöne VKN!

Grüße

Hartmut
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weinaffe

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Re: Gereifte Rotweine aus dem Piemont in Würzburg

BeitragDo 14. Dez 2023, 15:03

Hallo Hartmut,

so eine kompakte Barolo-Probe ist schon etwas Feines... ich denke da auch gerne an die 2-tägige Probe bei dir in Göttingen zurück, die ja auch nicht von schlechten Eltern war ;) Würde mich freuen, wenn da wieder etwas laufen könnte :D Diese Würzburger Piemont-Probe war insofern besonders, da sie von einem professionellen Weinhändler in seinen Geschäftsräumen durchgeführt wurde und für jeden zugänglich war, sofern man sich sofort bei Bekanntgabe angemeldet hatte. Ich bin da auch nur als "Nachrücker" unter die 12 glücklichen Teilnehmer hineingerutscht. Geschäftliche Interessen spielten bei der Probe offensichtlich keine Rolle, da der Weinhändler lediglich den Gaja-Barbaresco in seinem Portfolio hat. Die Teilnahmegebühr von 250 Euro liegt deutlich unter den Wine-Searcher-Preisen, zumal alles inklusive war (Brot, Käse, diverse Brotsorten sowie Begrüßungssekt, Wasser und Abschlussbier). Die Proben Ende nächsten Jahres (gereifte Bordeaux und insbesondere die "Weinikonen"-Probe) sind jetzt schon ausgebucht. Dieses Mal war ich aber schneller und habe mir die Plätze gesichert :lol:

LG
Bodo
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harti

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Re: Gereifte Rotweine aus dem Piemont in Würzburg

BeitragDo 14. Dez 2023, 15:37

weinaffe hat geschrieben:Würde mich freuen, wenn da wieder etwas laufen könnte :D
Da lässt sich sicher was machen ;)

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