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Neue Trends in der Weinbranche- VHS-Weinseminar Würzburg

Berichte von Verkostungen mit Weinen aus mehreren Ländern/Regionen (sonst bitte im Länderforum einstellen)
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weinaffe

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Neue Trends in der Weinbranche- VHS-Weinseminar Würzburg

BeitragMi 25. Okt 2023, 20:38

Hallo zusammen,

letzten Freitag trafen sich wieder weinaffine Menschen, um aktuelle Tendenzen in der Weinbranche anhand von 15 flüssigen Beispielen nachzuvollziehen. Da neben Wissensvermittlung um den Wein vor allem auch der Trinkspass im Vordergrund stehen sollte, wurden einige durchaus merkliche Trends bewusst nicht thematisiert, so z. B. die Secco-Welle, halbtrockene Rotweine (Primitivo und Co.) oder die Hinwendung zu alkoholreduzierten bzw. alkoholfreien Weinen. Die Trends wurden in erster Linie vom deutschen Markt her betrachtet, wobei der eine oder andere Trend auch andere Länder betraf.

Doch jetzt zu den Weinen:

2016er PetNat "Urbursche" Riesling Brut (Deppisch, Theilheim) -Franken-
Natürlich perlender Wein, der nur mittels einer einzigen Gärung erzeugt wird, liegt nicht nur in Deutschland im Trend.
Der gärende Most wird mit ca. 20 -max. 25 gr. Restzucker in eine Sektflasche gefüllt und luftdicht mit einem Kronkorken verschlossen. Der Most gärt zu Ende und das sich bildende CO2 bleibt im Wein gelöst. Diese urtümlichste Methode der Schaumweinbereitung (methode ancestrale) wurde speziell in Frankreich verfeinert und hat mit dem Clairette de Die auch heute noch einen typischen Vertreter dieser Herstellungsmethode.
Das etwas unter dem Radar fliegende und Demeter-zertifizierte Familienweingut Deppisch (6 Hektar) hat hier einen blitzsauberen PetNat produziert: typische, naturtrübe Federweißen-Optik, absolut klar und sauber, immer noch absolut jugendlich mit zarter Perlage, die Rebsorte steht bei dieser Ausbauart nicht mehr im Vordergrund, kommt aber doch ein wenig zum Vorschein. Sehr typischer PetNat, der beweist, dass ein solcher Schäumer nicht unbedingt im Jahr nach der Ernte getrunken werden muss. Christian Deppisch ist im Hauptberuf bei der Bayerischen Landesanstalt in Veitshöchheim tätig und dort für den Bereich Biodynamik zuständig. Hier weiss einer, was er macht. Auch der Orangewein dieses Weinguts ist sehr empfehlenswert, zumal die Preise mehr als anständig sind (PetNat 14,60 EURO, der 2018er Orange Silvaner 17,90 EURO ab Weingut).

2014er Hohen-Sülzener Kirchenstück Pinot Brut Nature Reserve (Raumland)-Rheinhessen-
Deutscher, handwerklich erzeugter Premium-Sekt ist wieder stark im Kommen ! Nach Jahren der sprudelnden Tristesse gibt insbesondere der VDP und auch die Vereinigung traditioneller Sektmacher richtig Gas. Mit der Aufnahme des reinen Sekterzeugers und Sektpioniers Volker Raumland in den VDP sowie mit dem Streben nach längerer Hefelagerung wird mit Hochdruck daran gearbeitet, den Ruf des deutschen Sektes wieder auf Champagner-Niveau zu bringen. Das wird in der Breite noch einige Zeit dauern, jedoch kann der hier verkostete Pinot Brut mit seinen über 90 Monaten Hefelager bereits mit hochklassigen Champagnern konkurrieren: extrem feine Perlage, Brioche mit einem Hauch dunkler Frucht, cremig und fein, perfekte Balance und noch durchaus jugendlich. Der Preis für diesen 100%igen
PN-Sekt ist durchaus berechtigt und beträgt in etwa nur die Hälfte eines qualitativ vergleichbaren Champagners (39 EURO ab Weingut).

2021er "SoHo" Solaris Deutscher Wein (Deufel und Erletz, Lindau) -Bayerischer Bodensee-
Pilzwiderstandsfähige Rebsorten (Piwis) liegen im Trend. Gerade im Bio-Weinbau ist die Tatsache, viel weniger Pflanzenschutzmittel, insbesondere das fast unvermeidbare Kupfer, einsetzen zu müssen, ein großer Vorteil.
Der Bioland-zertifizierte KLeinbetrieb (3 ha) von Theresa Deufel und ihrem Lebenspartner setzt fast komplett auf diese Piwis. Solaris ist eine der schon länger im Anbau befindlichen Rebsorten. Der Wein wurde im gebrauchten Barrique ausgebaut und danach unfiltriert und ohne Schwefelzusatz auf die Flasche gefüllt. Dezent florale Noten in der Nase, Holzeinfluss spürbar, am Gaumen kochentrocken, saftige Säure, eher schlanke, trinkige Stilistik, mir persönlich fehlt etwas die Säurestruktur, die den Wein etwas lebendiger machen würde, aber insgesamt ein gut vinifizierter Sortenvertreter mit mittlerer Länge.

2020er Hergolshäuser Mainleite Alter fränkischer Satz QW trocken (Gessner, Garstadt) -Franken-
Seit sich die Ösis den Wiener Gemischten Satz markenrechtlich haben schützen lassen, wird auch in Deutschland wieder vermehrt mit gemischten Rebanpflanzungen gearbeitet. Besonders in bestimmten Teilen Frankens, die nicht von der Flurbereinigung betroffen waren, findet man noch einige sehr alte Weinberge, die schon immer zur Risikominderung gemischt angepflanzt waren. Da diese Weine erst entdeckt werden müssen und nicht im Fokus stehen, sind diese Weine meist beschämend niedrig bepreist. Der obengenannte Wein stammt aus einem über 100 Jahre alten, wurzelechten Weinberg (nur 0,055 ha) mit enger Bestockung, in dem sich mehrere Rebsorten (ca. 70 % Elbling, alle 3 Silvanervarianten und noch einige andere Rebsorten) befinden. Der Wein wurde im 300-Liter-Fässchen vergoren und ausgebaut und bis zu seiner Abfüllung nicht bewegt. Sehr typischer Mischsatz, bei dem ein dezenter Fruchtteppich, aber keine einzelnen Früchte auszumachen sind. Extrem harmonisch, dezenter, gelungener Holzeinsatz, saftig, kräutrig, dezente Säure, gute Länge. Ein Vorzeige-Mischsatz mit vorbildlicher Qualität zum "Kampfpreis" (9,70 EURO ab Weingut). Dem Produzenten ist aber mittlerweile klar geworden, dass der Wein deutlich unter Wert vermarktet wird. Der derzeit angebotene 2022er kostet jetzt 14,50 EURO, was immer noch viel Wein für das Geld bedeutet.

2017er Chardonnay Marlborough (Dog Point Vineyard) -Neuseeland-
Reduktion oder Edelböckser, wie der Franke sagt, sind hier das Thema. Reduktion bedeutet im Gegensatz zur Oxidation eine weitestgehend sauerstoffbefreiten Weinausbaustil, der vor allem durch das burgundische Weingut Coche-Dury als Stilmittel perfektioniert wird. Diesem Ausbaustil wollen in letzter Zeit immer mehr Winzer, vor allem ambitionierte Jungwinzer, nacheifern, was natürlich auch zu einer gewissen Vereinheitlichung über alle Weinsorten führen kann. Ausserdem ist diese Ausbaustilistik immer ein Ritt auf der Rasierklinge, da bei Übertreibung dieser Stilistik sich ein Böckser verfestigen kann und im schlimmsten Falle zum Mercaptan-Böckser führen kann, der den Wein gänzlich ungeniessbar macht. Hier sind aber 2 Könner am Werk, die sich ihre Sporen bei Cloudy Bay verdient haben und diesen Ausbaustil voll im Griff haben. Absolut funky in der Nase, Feuerstein, angebrannte Zündhölzer, auch nach 6 Jahren ist diese Reduktion noch präsent. Der Wein braucht einiges an Luft, gibt dann aber auch noch Frucht und dezente Holzwürze preis. Knackige, aber passende Säure, kraftvoll, aber sehr trinkig, tolle Länge, immer noch blutjung. 5-10 Jahre sind für diesen Wein kein Problem.

2022er "Cirque de Levures" Deutscher Wein trocken (Mathis, Merdingen) -Baden-Tuniberg-
Thema ist hier maischevergorener Weisswein, sicherlich nicht in der Masse ein grosser Trend, aber viele Betriebe versuchen sich an dieser Ausbautechnik. Hier ein sehr gelungenes Beispiel: maischevergorene Cuvee aus Gewürztraminer, Weissburgunder, Grauburgunder und Rivaner, 8- monatiger Ausbau im gebrauchten Barrique, spontanvergoren und unfiltriert abgefüllt. Trübe, apfelsaftartige Optik,vollkommen reintönige Nase, fein floral dank des Gewürztraminers, absolut trocken (1,6 gr. RZ), passende Säure (5 Promill), sanfter Gerbstoffgrip, der für Struktur sorgt, fruchtbetont, toller Trinkfluss bei nur 11 Vol% ! Riesentrinkspass für knapp 18 Euro ab Weingut.

Die fehlenden 9 Weine folgen in Kürze !

LG
Bodo
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EThC

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Re: Neue Trends in der Weinbranche- VHS-Weinseminar Würzburg

BeitragMi 25. Okt 2023, 20:55

Hallo Bodo,

nur eine kleine, klugsch...erische Anmerkung zu den nachvollziehbaren und schönen Beschreibungen: Unsere Nachbarn haben sich generell und anscheinend ohne Gegenwehr den Begriff "Gemischter Satz" gesichert, der "Wiener Gemischte Satz" ist hier nur eine Spielart innerhalb der DAC-Regularien, auch wenn diese Anbauform in A außerhalb von Wien eher die Ausnahme ist. Deshalb bleibt den Franken seither nur der Gebrauch von alternativen Begriffen wie "Altfränkischer Satz" etc. übrig, da haben die deutschen Weinlobbyisten wohl schlicht und ergreifend geschlafen und nur so Sachen wie die Liebfrauenmilch etc. für D beschlagnahmt...
Viele Grüße
Erich

Nicht was lebendig, kraftvoll, sich verkündigt, ist das gefährlich Furchtbare. Das ganz Gemeine ist's
DAS EWIG GESTRIGE
was immer war und immer wiederkehrt und morgen gilt, weil's heute hat gegolten.

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weinaffe

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Re: Neue Trends in der Weinbranche- VHS-Weinseminar Würzburg

BeitragFr 27. Okt 2023, 16:57

.... und weiter geht es zunächst mit den noch ausstehenden 2 Weißweinen:

2015er Silvaner Steillage "Silex" Taubertäler Landwein (Stephan Krämer, Auernhofen) -Franken-
Der folgende Wein steht für handwerklichen Weinbau (nicht geschönt und filtriert,Naturland-zertifiziert) und teilweise Maischegärung. Der Wein stammt aus der Röttinger Lage "Feuerstein", einer Muschelkalklage mit Feuersteineinschüben. Nur dezente Anflüge von Gelbgold, piksaubere, mineralische Nase mit ganz dezenter Apfel-/Gelbfruchtaromatik, am Gaumen knalltrocken, aber mit ausgewogener Säure, drahtiger Typ mit trotzdem ausreichend Schmalz, tolle Struktur dank feinster Gerbstoffe, trotz nur teilweiser Maischegärung hat dieser Wein mehr Grip als der Vorgänger, immer noch ganz am Anfang seiner Reife, wird wahrscheinlich erst in 5-10 Jahren seinen Peak erreichen, langer Abgang mit fester Struktur. Sehr gelungene Symbiose zwischen Naturwein- und traditioneller Stilistik, definitif aber kein Wein für Liebhaber fruchtiger Weine.

2020er Stettener Stein "Vinz" Scheurebe Landwein Main (Weingut am Stein, Würzburg)-Franken-
Stichworte hier: alte Reben, Biodynamie und vor allem "Finetuning" im Keller durch die Verwendung verschiedener Ausbaugefässe (hier Betonei, Barrique und Tonneau).
Der Stil von Ludwig Knoll ist der Spagat zwischen "Naturweinen" und trotzdem fehlerfreien, hochwertigen Weinen für Liebhaber nicht-mainstreamiger Exemplare. Auch diese Scheurebe unterscheidet sich deutlich von den Klassikern dieser Rebsorte: sehr verhaltene Sortenart und Nase, etwas Cassis und Stachelbeere, der Wein kommt aber mehr über die Mineralik und die Würze, nur ganz dezente, kaum merkliche Reduktion, sehr saftig mit merklicher, aber eingebundener Säure (7,7 Promill), komplett trocken (1,8 RZ), straff und gerade genug Fleisch an den Knochen, mittelgewichtig (12,5 Vol%), gelungener Mix aus dezenter Exotik und straffem Mundgefühl, perfekter Trinkfluss, gute Länge. Ungewöhnlicher, aber hochwertiger Sortenvertreter mit noch reichlich Potential.

Nach den Weißweinen kommen jetzt 2 Weine einer Kathegorie, die ich noch vor ein paar Jahren für extrem unspannend gefunden hätte, nämlich Rose-Weine. Rose-Weine liegen stark im Trend, bewegen sich aber leider sehr häufig im harmlos-frisch-fruchtigen Bereich auf Terrassenniveau. Allerdings gibt es auch ernsthafte Vertreter dieser Spielart, die qualitativ deutlich mehr zu bieten haben... so wie die folgenden beiden Vertreter:

2021er Spätburgunder Rose Landwein Main trocken (Tobias Winkler) -Franken-
Dieser Wein steht auch gleichzeitig für den Trend, dass Önologen ohne eigenen Weinbergsbesitz ihre eigenen Weine vinifizieren, so auch Tobias Winkler, der im Hauptberuf für das bekannte Weingut von Richard Östreicher in Sommerach arbeitet. Vorher war er bei dem VDP-Weingut von Horst Sauer tätig, so dass er natürlich hier wie dort auch an passendes Traubengut herankam. Zartes Kirschrot, der Wein wurde im gebrauchten Tonneau ausgebaut und hat daher eine ganz feine, nur unterstützende Holzstilistik, angenehme Kirschfrucht, etwas Erdbeere, aber absolut nichts Plakatives, komplett trocken, aber trotzdem sehr harmonisch, angenehme Fruchtdichte trotz nur 12,5 Vol%, saftige würzig-fruchtige Länge. Ein hochwertiger Rose wie aus dem Bilderbuch (ca. 19 EURO).

2008er "Vina Tondonia" Gran Reserva Rosado (Lopez de Heredia, Haro)-Rioja-
Dieser Rose-Wein ist ein echtes Unikat und mit keinem anderen Rose zu vergleichen. Der Wein kommt erst nach 10 Jahren nach der Ernte auf den Markt, 4 Jahre Fasslagerung in gebrauchten Fässern, Cuvee aus 60% Garnacha, 30% Tempranillo und 10% Weisswein (Viura).
Stabiles, durchscheinendes Kirschrot mit nur einem Hauch Ziegelrot, zarte Dunkelfrucht, gereifte Stilistik, die Frucht ordnet sich größtenteils der Würze und Reife unter, dadurch entsteht ein würzig- komplexes Bild aus Würze, zarter Kräutrigkeit, Reife und dezenter Frucht, knalltrocken mit belebender Säure, langer, würziger Abgang mit feinen Reifenoten. Toller, anspruchsvoller Rose-Wein, der mit Sicherheit polarisiert und nichts für Liebhaber frisch-fruchtiger Roses ist. Trotzdem sollte jeder dieser Wein einer eigenen Kathegorie mal probiert haben. Leider ist dieser Rose, der durchaus bezahlbar ist, nicht leicht erhältlich und permanent ausverkauft. Wenn er mal im Handel erscheint, sollte man sofort zuschlagen!

2018er "Taganan" Vino tinto (ENVINATE + Viticultores de Tagana) -Teneriffa-
Dieser Wein ist ein Beispiel für Önologen, die in Zusammenarbeit mit den Winzern vor Ort hochwertige Weine unter eigenem Label produzieren. Die 4 befreundeten Önologen von ENVINATE sind immer auf der Suche nach alten Weinbergen mit wurzelechten, autochthonen Reben und fanden diese vor allem auf Teneriffa. Da die Weinberge im Norden der Insel in Höhenlage bei gemässigten Temperaturen liegen, sind die Weine von ENVINATE bei punktgenauer Lese niemals alkoholisch sondern bewegen sich häufig bei nur 12 Vol%, so wie der hier vorgestellte Wein: über 100 Jahre alte, wurzelechte Reben in niedriger Erziehung, Cuvee aus Listan negro, Listan prieto, Baboso,Negramoll und Malvasia nera, ausgebaut in Zementtanks und gebrauchten Holzfässern.
Leicht durchscheinende, pinot-ähnliche Farbe, sehr verlockende, feine Nase nach Kirschen, Brom- und Himbeeren mit Kräutrigkeit und floralen Akzenten (Veilchen). Am Gaumen komplett trocken, animierende, strukturgebende Säure, zarte Tanninstruktur, eher helle Rotfrucht, floral-würzig, Holz ganz im Hintergrund, nur mittelgewichtig, ungeheuer saftig mit aromatischer Länge. Obwohl der Wein eine ganz eigene Charakteristik aufweist, sind die Gemeinsamkeiten mit einem burgundischen Pinot nicht zu leugnen. Toller, leider nicht ganz billiger Wein (ca.30 EURO). Alle bisher probierten ENVINATE-Weine konnten mich voll überzeugen!

Die letzten 4 Rotweine folgen in Kürze!

LG
Bodo
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weinaffe

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Re: Neue Trends in der Weinbranche- VHS-Weinseminar Würzburg

BeitragMo 30. Okt 2023, 20:51

.... und abschließend noch die 4 fehlenden Rotweine:

Der folgende Wein steht für Trends zu gemischten Sätzen im Weinberg, zu alte Reben sowie zu immer mehr weiblichen Winemakern, die einen tollen Job machen:

2017er "Conceito" Vinho tinto Douro DOC (Conceito Vinhos, Rita Marques) -Douro-
Fieldblend aus einem Weinberg im Douro superior mit gut 20 Rebsorten (u. a. Touriga Nacional, Touriga Franca, Tinta Roriz,Rufete, Tinta Amarelha), gut 80 Jahre alte Reben, 20 Monate im französischen Barrique, 14 Vol%.
Hinter diesem Conceito (Konzept) steckt niemand anderes als eine der besten Winemaker(-innen) Portugals, nämlich Rita Marques. Und der Wein ist ein Volltreffer: dichtes, aber ganz leicht durchscheinendes Rubin, sehr komplexe Nase mit sehr tiefer Fruchtnase (Herzkirsche, Granatapfel, Himbeere) und feiner Würze (Kardamon, dezent kräutrig, feinster Havanna-Tabak), perfekter, kaum merklicher Holzeinsatz, noch sehr jugendlich, aber absolut mundwässernd und spannend. Am Gaumen völlig trocken, sehr tiefe Dunkelfrucht-Aromatik, saftige Säure, noch reifebedürftiges, aber sehr feinkörniges Tannin, trotz 14 Vol% kein Blockbuster, ideale Kombi aus Kraft und viel Finesse, sehr langer retronasaler Nachhall. Großartiger Douro-Rotwein mit riesigem Potential. Den werde ich mir auf jeden Fall noch nachkaufen und mindestens 5, besser 10 Jahre, weiterreifen lassen. Absolut gesicherte Zukunft und bestens angelegte 33 EURO.

2006er Latricieres-Chambertin Grand Cru (Rossignol-Trapet, Gevrey-Chambertin) -Burgund-
Trends hier: Biodynamie (Demeter-zertifiziert bereits seit 2005) und enge Weinbergsbestockung im Premiumbereich (12.500 Stöcke /ha).
Leicht durchscheinendes Rubinrot mit einem Hauch Ziegelrot, archetypische Pinot-Nase mit saftiger Kirsche, Himbeere,Hauch Holz, etwas sous-bois, Tabak, Hauch rohes Fleisch, sehr komplex schon in der Nase, wirkt noch sehr lebendig, am Gaumen absolut trocken, zarte Extraktsüsse, saftige Säure, perfekte Struktur mit einem Hauch feinkörnigem Tannin, fleischige Gevrey-Stilistik, knapp reife Dunkelfrucht, feine Würze (Tabak, Waldboden, abgehangenes Wild), perfekt ausgewogen und jetzt so ziemlich am Peak, tolle Länge mit nachhaltiger, retronasaler Aromatik. Ein würdiger Grand Cru, der aber inzwischen für "Normalsterbliche" zu teuer geworden ist.

1996er Chateau Troplong-Mondot Grand Cru Classe St. Emilion (Fam. Valette) -Bordeaux-
Der Wein steht für traditionellen Bordeaux mit noch nicht spürbarem Klimawandel sowie den häufig vorkommenden Verkauf von Familienweingütern an Konzerne (hier Rückversicherer SCOR).
Cuvee aus 65% Merlot, 15% Cabernet Sauvignon, 10% Cabernet franc und 10% Malbec, perfekt gereifte Flasche mit extrem guten Füllstand. In der Nase schon kühle, aber keineswegs unreife Aromatik, sehr klassisch, nach 27 Jahren immer noch sehr vital, am Gaumen Cassis, Brombeere, Kirsche, verwoben mit feinem Holzeinsatz, Zeder, etwas Mokka, nur mittelgewichtig (13 Vol%),perfekt strukturierendes Resttannin, elegante Säure, sehr ausgewogen und fein, absolut kein Blockbuster, aromatische Länge. So geht eleganter St. Emilion. Das Weingut ist mittlerweile zum Premier Cru Classe (B) aufgestiegen und pflegt jetzt, nicht nur bedingt durch den Klimawandel, einen etwas opulenteren Stil.

------ Tawny SJ Deutscher Likörwein (Staatsweingut Neustadt mit Johanniterweingut) -Pfalz-
Trend: "ungewöhnliche" Weine abseits des Mainstream vinifizieren und bestimmte Vorbilder neu interpretieren.
Bei diesem Wein handelt es sich um einen aufgespriteten Rotwein im Portwein (Tawny)-Stil, der zu 100% aus Cabernet Sauvignon besteht und 10 Jahre im kleinen Holzfass ausgebaut wurde.
Unfassbar jugendlich Optik, sattes, fast blickdichtes Purpurrot mit zart aufhellendem Randbereich, satte Dunkelfrucht (Süsskirsche, reife Brombeere), zarte Holznote mit einem Hauch Vanille, am Gaumen angenehme Süsse, die durch eine stabile Säure ausgeglichen wird, extrem feinkörniges Tannin, kräftiger Körper (19 Vol%), bestens integrierter Alkohol, fast noch primärfruchtig, reife Herzkirsche, Cassis, Brombeere, ausgewogen, wird mit der Reife noch an Komplexität gewinnen, garantiert großes Reifepotential, sollte man noch mindestens 10 Jahre im Keller vergessen und dann mit einem Original-Tawny vergleichen. Das Ergebnis könnte sehr überraschen.
Ein "verrückter", aber extrem hochwertiger Experimentalwein, der in der 0,5-l-Flasche abgefüllt ist und ein überragendes Preis-/Leistungsverhältnis besitzt (15 EURO !!). Ich würde mir wünschen, dass dieses Experiment weiter geführt wird.

Interessante, abwechslungsreiche Probe mit aufgeschlossenen Mitstreitern, die die Probe offensichtlich auch genossen haben.

In knapp 2 Wochen wird es im privaten Rahmen wieder einmal die berüchtigte "Kultweinprobe" mit raren und hoffentlich korkfreien Weinen geben. Ich freue mich schon riesig und werde hier natürlich berichten.

LG
Bodo
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mixalhs

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Re: Neue Trends in der Weinbranche- VHS-Weinseminar Würzburg

BeitragDi 31. Okt 2023, 18:53

Danke, Bodo, für die hochinteressanten Verkostungsnotizen!

Dass Portwein, der nicht aus Portugal kommt, ganz wunderbar sein kann, weiß ich, seit ich Christoph Bauers "Vintage" probiert habe, ab Anfang (Jahrgang 2006) aus Blauburger und später dann aus Roesler. Diese Weine sind manchmal besser als das Original - und meistens deutlich günstiger.

Herzliche Grüße, Michael

p.s.: Ich hoffe, dass wir uns mal wieder in persona treffen. Unsere Begegnungen bei Harti waren ja sehr angenehm.
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AmonA

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Re: Neue Trends in der Weinbranche- VHS-Weinseminar Würzburg

BeitragMi 1. Nov 2023, 22:59

weinaffe hat geschrieben:.... .

------ Tawny SJ Deutscher Likörwein (Staatsweingut Neustadt mit Johanniterweingut) -Pfalz-
Trend: "ungewöhnliche" Weine abseits des Mainstream vinifizieren und bestimmte Vorbilder neu interpretieren.
Bei diesem Wein handelt es sich um einen aufgespriteten Rotwein im Portwein (Tawny)-Stil, der zu 100% aus Cabernet Sauvignon besteht und 10 Jahre im kleinen Holzfass ausgebaut wurde.
Unfassbar jugendlich Optik, sattes, fast blickdichtes Purpurrot mit zart aufhellendem Randbereich, satte Dunkelfrucht (Süsskirsche, reife Brombeere), zarte Holznote mit einem Hauch Vanille, am Gaumen angenehme Süsse, die durch eine stabile Säure ausgeglichen wird, extrem feinkörniges Tannin, kräftiger Körper (19 Vol%), bestens integrierter Alkohol, fast noch primärfruchtig, reife Herzkirsche, Cassis, Brombeere, ausgewogen, wird mit der Reife noch an Komplexität gewinnen, garantiert großes Reifepotential, sollte man noch mindestens 10 Jahre im Keller vergessen und dann mit einem Original-Tawny vergleichen. Das Ergebnis könnte sehr überraschen.
Ein "verrückter", aber extrem hochwertiger Experimentalwein, der in der 0,5-l-Flasche abgefüllt ist und ein überragendes Preis-/Leistungsverhältnis besitzt (15 EURO !!). Ich würde mir wünschen, dass dieses Experiment weiter geführt wird.

Interessante, abwechslungsreiche Probe mit aufgeschlossenen Mitstreitern, die die Probe offensichtlich auch genossen haben.

In knapp 2 Wochen wird es im privaten Rahmen wieder einmal die berüchtigte "Kultweinprobe" mit raren und hoffentlich korkfreien Weinen geben. Ich freue mich schon riesig und werde hier natürlich berichten.

LG
Bodo

Danke für die Notizen! Den Tawny werde ich mal probieren.

In die Probe hätte auch vielleicht auch der "Ace of Spades" vom Weingut Graf Adelmann gepasst. Das ist ein "dry aged Lemberger" quasi nach dem Vorbild eines Amarone. Der 2019er hat 16,5 % Alk!
Probiert habe ich den auf dem Weingut nicht - kostet auch nur schlappe 110,--.
Dafür hat die Flasche ein (wie ich finde) schönes Etikett, ist fast schwarz und sauschwer! :mrgreen:
Grüße
AmonA (aka Volker)

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